KLEINERE SCHRIFTEN

vo»

JACOB GRIMM

SIEBENTER BAND

BERLIN

FERD. DÜMMLERS VERLAGSBUCHHANDLUNG

HARKWITZ UND GOSS.MANN

1884

RECENSIONEN

j

UND

YERMISCHTE AUFSÄTZE

VON

JACOB GRIMM

VIERTER THEIL

BERLIN

FERD. DÜMMLERS VERLAGSBUCHHANDLUNG

HARRWITZ UND GOSSMANN

1884

Vorivort

Vorliegender band bringt die 'recensionen und ver- mischten mifsätze' zum abschlusz. seinen hauptbestandtheil bilden die artikel aus der Zeitschrift für deutsches alter- thum und der Germania; für beide standen die handexem- plare (das der Germania im besitz der kgl. Universitäts- bibliothek) zur Verfügung, für letztere überdies sotme für Kuhns Zeitschrift ausschnitte^ auszerdem konnten die auf- sätze ''über die zusammengesetzte^ zahlen' und '^ö ist Ä«>' aus dem handschriftlichen nachlasz durch den ursprünglichen eingang resp. schlusz vervollständigt werden.

Auch sonst bringt dieser band bisher ungedrucktes in ziemlicher fülle: Hn und bei', 'über die Wörter des leuchtens und brennens\ 'auhns und stein', 'über hochdeutsch, mittel- hochdeutsch, mitteldeutsch'', 'über den schlaf der vögeV, 'über das echo', 'über Ossian' entstiegen dem bekannten Grimm- schen schrank, während die durch Reifferscheids Veröffent- lichung der briefe an Tydeman bekannt gewordene 'notice d'un poeme latin du 12^ siede traitant la fable de Renard et d'Isengrin'', welche im archiv der königlichen akademie der Wissenschaften zu Amsterdam ruht, nach einer abschrift

VI VORWORT.

gedruckt wurde, deren hesorgmg md tergleichung mit dem original ich der groszen gute des secretärs dieser akade- mie, herrn prof. J. C. G. Boot tserdmkc. leider konnte die abhandhng über leuchten und brennen nur als ein, wenn auch stattliches fragment mitgef heilt tcerden: bei der pein- lichen Sorgfalt, mit der Jacob Grimm geringere sacken, ja die kleinsten notizen {die bände der Haupt sehen Zeitschrift z. b. waren theihceis überfüllt mit nachtragbeschriebenen papierschnitzeln aller art) aufzubewahren pflegte, ist der gedanke, er könne die letzten blätter vernichtet haben, aus- geschlossen, auch dasz er die abhandlung der akademic nur zur hälfte tiorgelegt und die andere hälfte späterer ausführung 'vorbehalten habe, ist bei seiner art zu arbei- ten nicht anzunehmen, das Ossianfragment hingegen ist irol nie iceiter gediehen; vielleicht möchte seine eerö/frntlichung gewagt erscheinen: stellt es doch nur die einleitung zu einem vollständigen buche dar, welches er nach Herman Grimm {kl. sehr. 1, 186) schreiben wollte, dennoch habe ich mich entschlossen es mitzutheilen , weil es von vorn- herein seinen Standpunkt in dem streite um die echtheit *des Macphersonschen Ossian klar darlegt.

Wohin aber, musz man bedauernd fragen, wohin sind die andern nur noch dem titel nach bekannten abhandlun- gen gerathen? um von den drei unfertigen zu schweigen, an die er nach dem briefe an Pfeiffer vom 26. nov. 1859 {Germ. XI, 246) 'nur letzte hand zu legen' brauchte, feh- len vier in der akademie gehaltene vortrage: 'über die ein-

VORWORT. vn

theilnng der deutschen declination' (1842, woraus monatsber. s. 31 mir ein, als nothbekclf auch hier abgedruckter , ma- gerer auszug mitgetheilt wird), Hlber einige Schriftsteller des 15. und 16. jahrh.' (1853, monatsber. s. 123), 'über eine neue ausgäbe des codex argenteus von Andr. Uppströni (1854, s. 697) und 'über die Vorstellungen des Stehens, sitzens, liegens'' (1862, s. 163). nachforschungen im schrank haben nichts ergeben, eben so icenig private anfragen bei verschiedenen gelehrten, vielleicht führen diese worte auf eine spur und damit zu der möglichkeit, die aufs ätze noch dem letzten bände einverleiben zu können; ich würde für derartige nachiv eisungen sehr dankbar sein.

Beinah eben so gut wie ungedruckt, weil bisher theils unbekannt theils unbeachtet, sind die im anhange abge- druckten beitrage zur Hannoverschen Zeitung, über die an ihrer stelle das nöthige gesagt ist, und die beiden im Litera- rischen Centralblatt erschienenen recensionen von Schwencks mythologie und Schönwerths aus der Oberpfalz, leider konnten die übrigen nicht mitgetheilt werden: herr geh. hof- rath prof dr. Zarncke hat mir auf meine anfrage freund- lichst mitgetheilt, dasz nach seiner erinnerung Jacob Grimm ihm noch drei oder vier andere übersandt habe, es ihm aber zu seinem groszen bedauern zur zeit nicht möglich sei, dieselben nachzuweisen.

Zu den auf den germanistenversammlungen gehaltenen vortrügen bemerke ich, dasz ich alles reingeschäftliche aus- geschlossen habe, ebenso alle ztvischenbemerkungen, die zu

VIII VORWORT.

ihrem Verständnis umfangreicherer mittheilung der worle anderer redner bedurft hätten.

Am Schlüsse habe ich unter der bezeichnung * anfra- gen und erklärungen' alle jene kleineren hwdgebttngen m literarischen dingen die^£()litischen sollen imnächften bände zusammengestellt toerden -^ vereinigt, die, «mm iheil an sich unbedeutend, in ihrer gesammtheit, besonder» we$m man die in Wilhelms Kleineren Schrißeii bd. 2, #. 493 //*. ab- gedruckten hinzunimmt, einen nicht unwichtigen beitrttg zum charakterbilde des vaters der deutschen philologie geben. Vollständigkeit habe ich hierbei erstrebt, sie erreicht zu haben ivage ich bei der cerborgenheit der meisten dieser vieröffentlichungen nicht zu behaupten.

Berlin, im januar 1884.

Eduard Ippcl.

Inhalt.

Seite

Vorwort V

Mythologica 1

Berichtigung einer stelle im Reinhart 12

Zu Widukind 14

Neue -Sammlung der altenglischen historiker 15

Maszmann, die deutschen abschwörungs-, glaubens-, beicht- u. betformeln 20

Volkslied auf Friedrich von der Pfalz aus dem jähr 1622 22

Berichtigungen zu den lat. gedichten des X. und XL jh 25

Zu Richthofens altfriesischem Wörterbuch 26

Über die nothunft an frauen 27

Altfriesische kosmogonie' 50

Sintarfizilo 52

Tyrol und Fridebrant 55

Uota ano ato 68

Bruchstücke 74

Haupt und haube 79

Malbote '. 80

Acc. bei adjectiven 81

Zu statt des zweiten acc 82

Gibichenstein 83

Hasehart 86

Wuotilgoz 88

Gärsecg 89

Sum, sumelich 90

Über die eintheilung der deutschen declination 91

Allerhand zu Gudrun 92

Sioza 95

Zu den Merseburger gedichten 96

Crede mihi 98

Zu credemihi 99

Das er örtlicher appellative unadjectivisch 100

Frau kein wildes thier 101

Schon mehr über Phol ' 101

Die ungleichen kinder Evas 106

Über Umlaut und brechung 114

X INHALT.

Sali«

190

Vorangestellte genitive

War die eide? *^*

Über das wergeld der freien nach der lex Saxoouni 123

Zur syntax der eigennamen »^"

Mannsnamen auf -chari, -liari, -ar 139

lonakr und seine söhne •■**'

Schwedische volkssagen '•»*

Jahrsgang '^

Die mülradsprache '*'•*

Wodan und Frea bei den Winilen !♦»•>

Die heldensage von Alphere und Walthere 1^'*'

Abor und das meerweib '^'-^

Phol äthiopischer konig . I < 3

Der heilige hammer '•«>

E und E 177

Der Woldan .182

Zum goldnen hörn von Tondern 191

Die fünf sinne 193

Der tugendhafte Schreiber 207

Bisleht 208

Einige gothische eigennamen .210

Himmel und gaume 212

Grün und kün 213

Die Sprachpedanten 215

Gothen und Geten 218

An die Weidmannsche buchhandlung 218

Der nothhalm . . '222

Der thrakische Gothila . . "231

Aihvatundi j;'. 1

Wer 232

Darf 236

Nahtam 238

Trauern 239

Pleon 242

Seife 243

Goth. mundrs, ahd. muntar 244

Surdus 245

Selmo 246

Lasemonat ^ 246

In

247

In und bei _ 249

I^iWe '251

Käse 252

S'gifrem 253

Die Batten o-j

Hängens spielen 2S9

Keverlingeburg .^gQ

INHALT. XI

Seite

Die Wörter des leuchteus und brennens 263

Jorcus und Zivelles 275

Jiukan ■. ^^9

Einem gebesten 283

Beginnen 286

Achselbänder der frauen 291

All also als 293

Almeinde 296

Scuopuoza 301

Albrecht von Halberstadt 303

Albertus scolasticus 324

In welchem zeichen man freunde kiesen solle 326

Über den sogenannten mitteldeutschen vocalismus 328

Schwenck, die mythologie der Grermanen 332

Scado 334

Über eine ahd, abkürzungsweise 337

Über eine construction des imperativs 338

Sägara 342

Kolähala 346

Frauennamen auf niwi 347

Baudo 351

Über runen, welche in Frankreich gefunden worden 355

Über das vorkommen des wortes Wörterbuch im 17. Jahrhundert . . . 358

Michaelis, Vereinfachungen der deutschen rechtschreibung 359

Über Landaus beschreibung des gaues Wettereiba 361

Reime aus dem kinderleben 362

Über die runische Inschrift am löwen von Venedig 363

Über und zu Heinrichs von Herford chronik 366

Über die zusammengesetzten zahlen 374

p ist hv 396

Über das Ludwigslied 403

Der le am seestrande 406

Zum Muspilli 407

Der graumantel 408

Sindos 409

Auhns und stein 410

Johann Lauremberg 414

Nachtrag zu Lauremberg 422

Participium präs. für krankheiten 424

Tigri, canti popolari toscani 426

Über einen fall der attraction 429

König Heinrichs lieder 437

Über hochdeutsch, mittelhochdeusch , mitteldeutsch 441

Recht von Hiesfeld 454

Alls, alles 461

Hlid. scelb, drep 461

Zu den altdeutschen gesprächen 467

XII INHALT.

Die ahd. präterita '*"^

Der deutscho instrumentalis '*7(i

Über die für ch, seh, sz vorgeschlagenen zoiohon . . IT!»

Schon werth, aus der Oberpfalz I^''

Über den schlaf der vögel 1 ~ >

Über das echo '''•'

Anhang.

Nachtrag.

Rask, gamle nordiske sprog .'»I'»

Notice d'un poenie latin du 12* sieclo traitant \a fable de Rrnard ft

d'Isengrin ."»•!'•

Aus der hannoverschen zeitung:

Die Franzosen und ihre Sprachdenkmale '•.'!.'{

Barths Kabiren in Deutschland '»"I

Möglichkeit, eine handBchrift dos Ulüla« nufr-nspünn 'i.'I I

Zum neubau der Göttinger Univereitfit

Über Ossian i.sj ,

Volkspoesie.

Volkslied .',11

Die aufmauerung Scutaris Ml

Vorträge aaf den germanisteBvenaminlun^en.

über die wechselseitigen beziehungen der drei vertretenen wiB8onschaft<>n 556

Über den werth der ungenauen Wissenschaften 563

Bemerkungen gegen Christ« vertrag über römisches und deutsches recht 56G

Über den namen der germanisten 568

Schluszwort 570

Eröffnungsworte der Versammlung zu Lübeck 571

Schluszwort ',~->

Bericht über die Zusammenkunft der germanisten in Frankfurt . . .

Anfragen nnd erklärnngen.

Anfragen _r^^.)

Anfragen und bemerkungen 082

-^frage 583

Aan kenners en liefhebbers der oude nederlandsche letterkunde en

dichtkunst 5g4

Ankündigung _ _ ^qq

Antwort des rec. des buchs der liebe 591

Verrufung eines recensenten 592

Circular, die Sammlung der volkspoesie betreffend 593

INHALT. XIII

Seile

Höchst wichtige entdeckung 595

Erklärung über den prof. extr. Radlof in Bonn 596

Antikritik 597

Bitte 598

Erklärung über Hoffmann von Fallersleben 599

Erklärung 600

Wilhelm Müller und die Göttinger anzeigen 600

Anfrage 602

Bericht über Heinr. Rückert 603

Bitte 603

Erinnerung an Lachmann 604

Empfehlung von Frommanns Zeitschrift 605

Gegen Zacher G06

Aufruf zu beitragen für Göthes Standbild 606

Austritt aus dem Göthecomite 608

Berichtigungen.

S. 224 z, 2 V. u. 1. Schauerjungfrauen. 8. 295 z. 19 v. o. 1. Schmollors. s. 528 z. 21 V. u. 1. sechsten abth. s. 533 z. 7 v. o. 1. consideratiou.

M.

MYTHOLOGICA.

Altdeutsche blätter von M. Haupt und H. Hoffmann. bd. 1. 1836. s. 287 297. 370—374.

Götternamen.

-an hat genau darauf zu achten, wie die namen der alten 287 götter nach und nach herab sinken zu menschlichen und gar thierischen. kein sterblicher unter den Griechen und Römern würde Zeus oder Jupiter heiszen dürfen, in allen nordischen sagen führt kein mensch, selbst kein könig die heiligen namen Odhinn oder Thörr, wol aber wird aus Thorr ein frauenname Thora moviert, der sehr häufig ist, und nichts hindert eine menge menschlicher namen mit Thor zusammenzusetzen, unter den frühbekehrten Deutschen wurden dagegen Wuotan und Donar als menschliche eigennamen zulässig, ich habe s. 94 einige, wiewol seltne beispiele für Wuotan, und s. 127 Albdonar angeführt, was aber im nordischen Thorälfr und nicht Alfthörr lauten kann, so wie unser Gott in compositis die erste stelle, nicht die zweite einnimmt, wenn ein menschenname gemeint wird, wenn im Norden der name Freyr auch von menschen gilt, so ist das ein zeichen des geringeren ansehns dieses gottes in einzelnen nordischen gegenden, und zugleich wieder erklä- rend für die bedeutende Verallgemeinerung dieses namens bei den Deutschen (fräuja, frö). einen nordischen könig Bragi gab es, gleich dem gott geheiszen. die manns und frauennamen Fricco, Fricca, Frecca waren von frühe an verbreitet, besonders oft kommt Berhta vor, seltner Holda. diese Untersuchung musz noch viel weiter gepflogen werden, dasz der name Sigfrit erst später für menschen in gang kommt ist bekannt.

Freyr war auch eine eddische benennung des stiers, das scheint keine herabwürdigung. als aber der glaube an die heidnischen gottheiten sank, begannen kühne spötter sie den hunden zu vergleichen; Hialti sang die berühmte Strophe

vil ek eigi godh geyja,

grey thikkir mer Freyja,

ae mun annat tveggja

Odhinn grey edha Freyja. (forum, sog. 2, 207.)

J. GRIMM, KIj. SCHRIFTEN. VII. 1

2 MYTHOLOGICA.

288 auffallend in der Vilkinasaga cap. 230. 235 siud die himde- namen Thor und Ruska; wenn sie ni(^ht aus dem deutschen buch flössen, im Norden eingeschaltet wurden, so gemahnen sie an Thorr und die Rösqva in seinem gefolge.

Anzeis, Aesir (s. 1 7).

Ans Luc. 6, 42 ooxoc, groszer, wagerecht liegender balke, was man joch nennt, daher auch horizontaler bergrflcke, juffum montis; das heiszt ganz auch das nord. ix8. folglich gottbeit, die sich vom himmel auf das gebirg senkt, die auf dem berge wohnt, ein begriff für alle seligen auf bergen gefeierten götter. vorzüglich aber für den donnergott, für Perkun, der den Gothen . früher Fairguns heiszen mochte, wie sie später noch fairgoni als benennung des berges behielten, darum ist nun Thörr (dessen mutter Fiörgyn hiesz, Siem. SO**) eigentlich und besonders ein äs, vgl. Sasm. 70 äs er stolinn hamri; darum heiszt er Asa- thorr, und die mannsnamen Thorketill und Asketill stehen sich parallel, beide beziehen sich auf den dieser gottheit heiligen kessel. warum heiszt Thorr Atli (Sn. 211")? wenn, wie es scheint, Attila von atta, vater abzuleiten ist, so kann Donar sehr passend vater genannt werden, gleich Zeus und Jupiter, aber auch dasz ein berg Etzel vorkommt begreift sich dann. die übrigen anses (anzeis) sind deshalb keine berggötter, wenig- stens alle nicht.

Dem beigebrachten ags. gen. pl. esa scheint entgegen, dasz von gös, böc, todh der nom. pl. zwar ges, bec, tAdh, der gen. aber gosa, böca, tödha lautet, doch mag esa sich rechtfertigen aus dem ahd. gen. pl. ensio, wie kensio von ans. kans.

Wunsc (s. 100).

Hier statt vieler zusätze, die sich nachtragen lieszen, den einen wichtigen, dasz noch Hartmann im Gregor 597 wunsch- wint für günstigen wind braucht, wie altn. oskabyrr steht. Odbinn aber verleiht schiffenden wind, fornm. sog. 2, Iß.

289 Wuotan durch lüfte tragend (s. 101).

Die sage bei Saxo gramm. p. 12 wird durch die lebendigkeit der nebenzüge verschönert, der blinde greis faszt seinen Schütz- ling Hadmg (PHadding) in den mantel und trägt ihn so fort. Hadmg durch ein loch des mantels schauend gewahrt das pferd über wellen schreiten.

Sicher bin ich, dasz unsere deutschen sagen vom teufel, der beiden urplötzlich aus fernem land durch die lüfte in ihre heimat trägt, den heidnischen Wuotan im hintergrund haben.

MYTHOLOGICA. 3

so wird Gerhart (ich denke Rudolfs guter Gerhart) von dem 'daemon in cappa' heimgeschafft (Caesarius heisterb. 8, 59). so Heinrich der löwe, so Carl der grosze (Ginguene 188. Val. Schmidt 89. 90), eine deutsche sage (no. 439) läszt ihn ein füllen reiten.

Durch den armring schauen (s. 526).

Eine überraschende bestätigung der angeführten hessischen volkssage und ihrer deutung gewähren des Saxo gramm. worte p. 37. Biarco sagt:

at nunc ille ubi sit qui vulgo dicitur Othin,

armipotens, uno semper contentus ocello?

die mihi, Kuta, precor, usquam si conspicis illum? ad haec Ruta:

adde oculum propius, et nostras prospice chelas,

ante sacraturus victrici lumina signo,

si vis praesentem tuto cognoscere Martern, tum Biarco:

si potero horrendum Friggae spectare maritum,

quantumcunque albo clypeo sit tectus et album

flectat equum, Lethra nequaquam sospes abibit.

fas est belligerum hello prosternere divum. Biarco vermochte den Othin, der auf weiszem rosse reitend und mit weiszem Schilde bedeckt dem feindlichen heer der Schwe- den beistand leistete, nicht zu erschauen, bemerkenswerth, dasz ihn Saxo deutlich als Othin bezeichnet und so, aber auch Mars nennt; um so begreiflicher konnte Wuotan, obgleich Mercur, zuweilen als Mars erscheinen (s. 95). die geistersichtige Ruta (vgl. Rütze s. 324) heiszt den Biarco herantreten und durch -290 den ring ihres eingestemmten armes blicken, dann werde er des gottes gewahren, das bedeutet chela, '/r[Kr^. fünfzig jähre vor Saxo schrieb Marbod (de gemmis cap. 17 ed. Beckm. p. 40) lapidem 'in chela (besser sub chela) clausum portare sinistra' ; und ein noch älterer dichter schon des neunten jh. Abbo (Pertz 2, 786) 'nudis quoniam chelis inimicus', was im glossar nicht genau eingetragen ist. Stephanius p. 78 81 hat darüber un- nöthige, weitläuftige anmerkungen, wiewol er selbst das rechte sah, und es ihm schon Casp. Barth aus Papias angegeben hatte, doch sind noch folgende worte der anführung werth: etenim in terris hisce borealibus et olira fuisse et hodieque in Islandia reperiri perhibent homines incredibili visus acumine supra na- turam pollentes, adeo ut non solum interdiu, sed et noctu haud aliter ac luce clara contueantur varia phantasmata variasque volitantium per auras figurarum apparitiones, quas nefas est alioquin ulli homini mortalibus cernere oculis. id nostrates di- cunt: 'at väre siunsk'. hi creduntur arte quadam in alios sin-

4 MYTHOLOGICA.

gularem hancce perspiciendi vim, qua ipsi praediti sunt, trans- fundere posse, ut et illi passim vagantes formas videre <iufaut. hos enirn lateri sinistro, interdum utriquo, adniotos pone terguni consistere, perque chelas, hoc est brachia in latus reflexa, pro- spicere tantisper jubent, dum carmina quaedam demurmurent. id quod ubi ter aut saepius factitatum, statim tain lyncei eva- dunt, ut nuUa non spectra, imo tenuissimas onmium tbrmarum exuvias ultro citroque in aere oberrantes tarn noctu quam intor- diu conspiciant. man halte hierzu das schauen über die rechte Schulter (abergl. 996). das victrix signum, womit auszerdem die äugen eingeweiht werden sollten, möchte man auch näher ge- schildert haben ; vielleicht das hammerzeichen, mit welchem sich die beiden segneten wie die Christen mit dem kreuz.

Martis gladius.

Herodot 4, 62 meldet, dasz die Scythen den Ares unter dem bild oder symbol eines alten, eisernen Schwertes (^xtva'xr^?) verehrten, welches auf einer ungeheuren schichte von reisig er- 291 richtet wurde: iid toütou St; toö ^ptou dxtvaxTj; aiOT|peoc ?5puTai apj^ato? Ixacjxoicff xal toüt' eati xoi> 'Aprjo? xh a'(<x\\ia. Ammianus Marcellinus 31, 2 von den Alanen: nee templum apud eos vi- situr aut delubrum, ne tugurium quidem culmo t«'ctum cerni usquam potest, sed gladius barbarico ritu humi tigitur nudus, eumque ut Martem, regionum quas circumcircant praesulem, verecundius colunt. er hatte aber auch schon von den Quaden, einem entschieden germanischen volk, 17, 12 (a. 358) behauptet: eductisque mucronibus, quos pro numinibus colunt, juravere se permansuros in fide. bei den waffen und mit berührung der Waffen schwuren vielleicht alle deutschen Völker, wie RA. 896 dargethan ist, noch im Wigalois 6517 swert 'ftf dinem knöpfe ich des swer'. nicht anders die Scythen, und die Römer 'per Martis frameam' (Juvenal. 13, 79). spräche der Hercules saxa- nus nicht allzusehr für die beziehung des vergötterten beiden auf 8ahsn6t, so möchte ich in diesem auch den Ziu erblicken, und Tyr ist Odhins söhn und Baldrs bruder, wie Seaxneät Vö- dens söhn, Bäldägs bruder. doch hier liegt mir daran, die sage des kriegsschwertes weiter zu verfolgen. Jornandes gedenkt, nach Priscus, des scythischen und wie es in Attilas bände ge- kommen sei, cap. 35: qui (Attila) quamvis hujus esset naturae ut semper confideret, addebat ei tamen conlidentiam gladius Martis inyentus, apud Scytharum reges semper habitus. quem Priscus historicus tali refert occasione detectum, quum pastor, inquiens, quidam gregis unam buculam conspiceret claudican- tem, nee causam tanti vulneris inveniret, sollicitus vestigia cruoris insequitur, tandemque venit ad gladium, quem depascens her- bas bucula mcaute calcaverat, effossumque protinus ad Attilam

MYTHOLOGICA. 5

defert. quo ille munere gratulatus, ut erat magnanimus, arbi- tratur se.totius mundi principem constitutum et per Martis gla- dium potestatem sibi concessam esse bellorum. das schwert artet aber in ein unheilvolles aus, wie berühmte nordische Schwerter. Lambert erzählt, eine ungrische königin, könig Sa- lomons von Ungern mutter, habe es an Otto herzog von Baiern verschenkt, aus dieses Otto bänden sei es an den Jüngern Dedi, des markgrafen Dedi söhn leihweise gekommen, dann an Heinrich IV. und darauf an Lupoid von Mersburg, welcher bei 292 einem stur^ vom pferd von demselben schwert durchstochen und zu Mertenefeld begraben wurde, ich weisz nicht, ob hier die Ortsnamen Mersburg und Mertenefeld eine beziehung auf das schwert des Mars haben können, viel später soll es der herzog von Alba nach der schlacht bei Mülberg wieder aus der erde gegraben haben (deutsche heldens. s. 311). man sieht wie aus dem uralten cultus sich lange zeit die volksüberlieferung ent- wickeln konnte.

Freys eher Güldenborst (s. 139).

Ein Lauterbacher weisthum von 1589, das in meiner Samm- lung erscheinen wird, enthält folgendes: 'viertens so weist man auch ferner an diesem gericht, dasz die hübener geben sollen ein Schwein, das wird genannt das goltferch (aureus porcus), solches Schwein soll rein sein und also rein, dasz es bei der milph vergeizet sei (d. i. schon als Spanferkel verschnitten) und soll rund allhier gehn durch die bänk und achthalben Schilling werth sein', das reine opferthier des alterthums, das so schön war, dasz jedes seiner haare von gold zu sein schien und das bei dem feierlichen gelag durch die Versammlung geleitet wurde, damit die beiden ihre band auf seine borsten legten und feier- liche gelübde aussprächen (RA. 900), ist hier zu einer bloszen abgäbe der hübner an die gerichtsmänner gediehen; allein die spuren des heidenthums brechen in dieser späten gewohnheit unverkennbar durch.

Pferd, habicht, hund bei den leichen.

Dasz ich s. 29. 30 die berühmte stelle Dietmars von Merse- burg über das g'-osze opfer auf Seeland richtig gedeutet und nachgewiesen habe, wie sie aus einer Vermischung der opfer und leichenfeier hervorgegangen ist, scheint mir immer unzweifel- hafter, eines Christen äuge konnte beim anblick der heidnischen sitte sich leicht täuschen, die thiere wurden bei der leiche des herrn mitgetödtet, dasz er in dem künftigen leben alsbald wie- der sich ihrer bedienen könne, eben darum auch knechte und mäsfde. Saem. 225'': brenni enom hünska ä hlidh adhra mina

6 MYTHOLOGICA.

thiona menjom göfga, tvä at haufdhom ok tva hauka. die sage 298 weisz auch, dasz die treuen thiere bei dem leichnam des herrn verweilen, als Dietrich von Bern, Wittich und Heime durch einen wald zogen, fanden sie einen todten mann (den Iren) neben dem weg, das pferd stand dabei und zwei hunde und auf den baumästen saszen zwei schreiende habichte. Vilk. saga cap. 245. die ritterlichen thiere wurden also zu der leiche ge- schlachtet, allein sie waren keine opferthiere, wie xwar pferde, nicht aber hunde und habichte eszbar waren.

Abentröt.

Die noch sehr gewagte mytinsche auffassung des Ecke und Fasolt, sollte sie nicht weiter bestätigt dadurch werden, dasx Abentrot ihr bruder ist? zu den riesenhaften wesen, die das meer und den wind vorstellen, gesellt sich ein riese der abend- röthe. auch Tagarod (s. 431) scheint personification, gleich der Aurora, merkwürdig, dasz das ags. dägrima (diluculum), a*fen- rima (crepusculum) zu rim (ora) fallen, wie das altn. bri^n ora, dagsbrun aurora bedeutet, vielleicht crepido sich mit crepuscu- lum berührt, welches ursprünglich gewisz auch die morgendftm- merung ausdrückte, durch den Sprachgebrauch aber allmUlich auf die abenddämmerung eingeschränkt wurde, das nahende und scheidende licht säumt zuerst und zuletzt der gebirge rand. die Vilk. saga bringt den Aventrod in ein anderes riesen- geschlecht und macht ihn zum söhne Nordians, zum bruder de» Aspilian (Aspriän, Asbiörn?).

Wadel (s. 406).

Wadal heiszt in einer ahd. glosse Diut. 1, 494 wirklich fas- ciculus, stimmt also zu der Vorstellung von dem rcisbündel des mondmanns. dieser aber ist ein verbannter, armer, wadal (pau- per) gl. Hrab. 962*. fluhtiger u. wadalere. Diut. 3, 58.

Herodias (s. 176).

Ich höre, dasz man noch jetzt in einigen gegenden Nieder- sachsens den Wirbelwind von der in den lüften kreisenden, tan- zenden Herodias erklärt, er wirbelt sich wie sie im tanz sich drehte, auch anderwärts?

294 Johannes minne (s. 37).

Sancti Johannis benedictio. vita Severini cap. 23—24, also schon ,m beginn des 6. jh. er gap im S. Johannis minne. Os- wald 611. 1127. 1225. S. Johannis segen trinken. Simplic.

MYTHOLOGICA. 7

2, 262. der ausdruck gieng auch in das altböhmische über, Hankas glossen geben 1\)^ Johannis amor durch swata myna (heilige minne), 132'^ durch swata mina. im ungedruckten von Kuotliep (aus dem 10. jh. ?) das Schmeller herausgeben wird: post poscit vinum Gerdrudis amore, quod haustum participat nos tres. postremo basia figens quando valedixit post nos gemit et benedixit. Gerdrut scheint eine spinnende heidnische göttin zu ersetzen (s. 694). auch im namenbüchlein s. 11 1 : so kumet die liebe sant Gerdrut, die do entslief in gotes willen u. stulen" die rat- ten u. miuse ir spülen und truogen si in ir miuseloch. das minnetrinken, als kirchlicher gebrauch, dauert wahrscheinlich noch heute in mehrern gegenden. zu Otbergen, einem hildes- heimischen dorfe, wird jährlich am 27. dec. ein kelch mit wein vom priester geweiht und als Johannis segen dem versammelten Volk in der kirche zu trinken gereicht, an den meisten be- nachbarten orten geschieht es nicht.

Abis (s. 561).

In Niederdeutschland führen einsame, abgelegene Wirts- häuser, grenzwirtshäuser den namen Nobiskrug, z. b. unweit Münster, Kiel, Hamburg (auf der grenze zwischen Altona), in der Oldenburg, vogtei Ostringien auf der friesischen und säch- sischen grenze. Fischarts Eulenspiegel 277 : 'dasz er nicht stürb so ungebeicht und führ in Nobishaus vielleicht', cursus clese- lianus: 'dein seel fahr hin in nobiskrug". das brem. wb. 3, 254 hat aber die form obiskroog. 'he is nan obskro'ge' (er ist ge- storben), die wichtigste und älteste stelle kommt vor in einer gereimten paraphrase der apocalypsis, wol noch des 13. jh., aus welcher bruchstücke in Biedermanns altem und neuem von schulsachen 8, 179 195, Halle 1755 abgedruckt stehn. da heiszt es s. 194:

got geschuof in also wis, 295

daz er mohte in dem pardis

geprüeven u. in dem äbis,

daz er beider waere gewis,

ze welcher haut er griflPe,

den äbis, ob er besliffe,

den himel, ob er bestüende. damit scheint die abkunft des worts von abyssus erwiesen, wie häufig ist im franz. abime, das für abisme, abysme steht und Span, abismo (abgrund, hölle) lautet; sm etwa wie in bapteme, span. bautismo (baptismus) nach einem mittellat. abysmus statt abyssus? lagen nun die alten obiskrüge in Schluchten und ab- gründen, die eingänge zur unterweit schienen? das mittelalter verglich die hölle einem wirtshaus, nannte den teufel höllewirt

g MYTHOLOGICA.

(Wackernagel bas. hss. 42). daz abgründe, daz ewige abgründi' ist ein gewöhnlicher ausdruck für hölle, aber fremde Wörter ftir den unbekannten strafort, wie pix und abyssus, schienen lang^ zeit vorzüglicher als das einheimische hölle.

Wispel (s. 626).

Zauberformeln werden leise gesprochen, geflüstert, gelis|t;lt. das hiesz immurmurare, murmeln, pröpeln, protzein, pretzlen, wispeln. Aspis wil keine wispelwort vernemen. MS. 2, 202^. wis- peln wilde vogel zemt, hunde ez letzet u. lernt. Renner 22370.

Slavische götter (s. 382).

Die Slaven haben keine wochentagnamen nach göttern, und doch lieszen sich für alle sieben tage die gottheiten angelx-n: 1. Sinze. 2. Luna. 3. Svjatovit. 4. Radigast. 5. Perun. 6. Lada. 7. Sytivrat. da die Prilwitzer götzon echt scheinen und ihre runen einen seither ungeahnten Zusammenhang zwischen glago- litischer Schrift und germanischer runschrifl verrathen (gött. anz. 1836. s. 327. 328), so steigt das bedürfnis der vergleichung sla- vischer mit deutschen göttern. Svjatovit ist adjectivische nameu- bildung wie plodovit, domovit (Dobr. inst. 32i)); da nun alle 296 solche adj. ein subst. plod, dorn u. s. w. voraussetzen, das ser- bische vilovit (gefeit) von vila (fee), vidovit (geistersichtig) von vid (visio) abgeleitet wird\ so folgt, dasz Svjatovit nicht un- mittelbar aus dem adj. svjat (sanctus) sondern aus dem in süd- sla vischen dialecten fortlebenden subst. svjat (consilium) zu deuten ist. Svjatovit bezeichnet also den rathgeber, den ober- sten kriegsgott, der im krieg waltet, qui hello imperat*. Radi- gast oder eigentlich Radigost, böhm. Radihost, ist der miM«-, freundliche gott, der gott der wonne (radost), was an Wuotans benennung Wunsc (f. Wunisc) gemahnt, der dobropan, Linde 1, 443 (nicht der gute herr, sondern geber des guten, dobro, dator bonorum s. 507), wie Mercurius von merx geleitet wird, auch nach der altböhm. glosse (Hanka 14«), welche hinzusetzt: Radihost wnukk kirtow, enkel des Kirt. dieser Kirt liegt im dunkel, Mercur ist söhn des Jupiter, enkel Saturns, welchen die Slaven Sytivrat nennen, Odhinn ein söhn des Börr oder Burr Perun und Lada sind bekannter. Saturnus heiszt bei Wanka 20=* Sitivrat und der specht, Saturns söhn, 17' sitivratov sm, des Sitivrat söhn. Hanka vergleicht 422" ein indisches

* ru- ^'^'^^danitza für 1828 p. 114. 115 eine reichere sammluni?. «vpf" i. 'f\ TH^ ^T^^'' ^^^- «• 420: 'wird sich nicht halten, svjat", Z JT '^ Z^ uJ'^ o'^°^ ^^ d«^ ^""e' verschieden, der nasale vocal T?et" Sr ^f^vt '" S^^^tovitus. 8"vjet" ist ans s" (cum, con-) und Tjet {[xMoi, narratio) zusammengesetzt.']

MYTHOLOGICA. 9

Saturavrata, in den asiat. res. 1, 230. 239 wird Satyavrata dem Saturn gleichgestellt, das sächs. Sater aus Sateresdag (s. 89)?

Iscio, Istio (s. XXVII. XXVIII).

Bei Iscaevones, Istaevones wird auch die vergleichung der ältesten hss. des Plinius gewicht haben. Graff 1, 497 hat die genealogie auch noch aus dem cod. sgall. 732, wo Istio stehn soll.

Teufel und Fortuna.

Wer ergänzt folgendes bruchstück eines märchens? kinder- lose ehleute vertragen sich mit dem teufel dahin, dasz ihre ehe fruchtbar werden, das älteste kind aber, wenn es 15 jähre er- langt, ihm verfallen soll, der knabe wird fromm und in gottes- furcht erzogen, in seinem 15. jähr setzen sie ihn mit einem mantel zugedeckt auf einen kreuzweg. da springt der teufel -297 als meckernder bock vom nächsten berg und will ihn sich zu- eignen, der Jüngling ruft: 'tritt mir auf den linken fusz und schaue mir über die rechte schulter!' (gebärde bei der vindica- tion. RA. 590). das vermag, ohne ein kreuz zu machen, der böse nicht, und entweicht, darauf rollt er als mülstein vom berg herab, wird aber wieder abgewehrt (wodurch?) und musz von seiner beute lassen! der Jüngling geräth in einen wald zur frau Fortuna und lebt lange bei ihr in freuden, dann zieht er heim zu seinen eitern, empfindet aber wieder Sehnsucht nach frau Fortuna, ohne sie auffinden zu können, in einem wald sitzen drei und probieren schuhe, hut und mantel. er naht sich unvermerkt, setzt den hut auf, greift mantel und schuhe auf und wünscht sich zur frau Fortuna, bei welcher er auch augenblick- lich anlangt (streit um die wünscheldinge, KM. 3, 172. 410).

Riese (s. 302). ;570

Die versuchte ableitung des wortes riso ist falsch, denn Hei. 42, 5 findet sich der ausdruck wrisilic giwerc von einer felsenburg, wie alle alten steinbauten den riesen beigelegt wer- den, die altsächsische form lautete also wriso, folglich die gothi- sche vrisa. ein adliches geschlecht in Niederdeutschland führt den namen Wrisberg (Falke trad. corb. 353), der offenbar mons giganteus bedeutet, dabei fällt mir noch ein andrer niedersächs. ausdruck ein : lubbe, lübbe. lübbensteine auf dem Corneliusberg bei Helmstedt sind riesensteine, hünensteine. das wort soll das grosze, plumpe der riesennatur anzeigen. Michel Beham scheint dafür die hochd. form lüpel zu gebrauchen (Mones anz. 1835. p. 450*"). Schmellers lippel (2, 486), ungeschickter, dummer mensch, ist wol lüppel. Biörn gibt das altn. lubbi hirsutus, ser-

jQ MYTHOLOGICA.

vus ignavus, und erinnert ans engl, lubber. viel schwerer h&it es in den sinn jenes wriso zu dringen.

Fromuot.

Nithart (bei Ben. 327. 328. 349) gedenkt eines weiblichen Wesens Vromuot auf eine weise, die eine lebendige person aus- schlieszt ; es musz dabei etwas mythisches im hinterhult liegen. Hilträt und andere Jungfrauen sollen sich zum tanze sammeln, mit ihnen aber soll Fromuot fahren, 'diu ist ir aller wisel.' sie brachten ihr geleite, sie kam also zur frühlingszeit eingezogen in das land. aber nachher wird sie vermiszt, sie ist aus ( )8ter- 371 reich entronnen, wahrscheinlich weil mau sie nicht genug in ehren gehalten hatte, der dichter schlieszt das lied mit dem ausruf: könnte man sie wieder gewinnen, mau sollte sie auf den bänden tragen! wie hochgefeierte wesen enipor gehoben und herum getragen werden, in dem andern liede heiszt es, Fromuot fahre traurig von einem land ins andere, fröhliche men- schen aufzusuchen; wer ist nun seiner freude, seines glucks so sicher, dasz er ihr boten senden dürfte sie einzuladen? wol keiner, als fürst Friderich; an dessen hof möge sie einkehren. das alles könnte nun für eine blosze personification der Freude angesehen werden, wie wir noch jetzt sagen, die Wahrheit, die Tugend ist aus dem land gezogen, da aber der dichter den gewöhnlichen ausdruck nicht gebraucht, sich eines andern auch als weiblicher eigenname sonst nicht vorkommenden ausdrucks bedient, so wäre möglich, dasz man damals noch mehr von einer Fromuot wüste und erzählte, ein adj. frawanuiati (laetus) hat O. V, 23, 182. doch wie, wenn die benennung gar auf eine frau Mut oder einen herrn Mut führte? vgl. fru Gaue (s. löS), frau Holde u. s. w. dann könnte auch das noch dunkle Muotes beer (s. 521) angeschlagen werden; Modhi, Ilermodhr sind im Nor- den göttliche wesen. ich wollte durch alles dies nur die auf- spürung anderer nachrichten von einer Fromuot veranlassen.

Wara, Sunja.

Dasz noch hinter mehrern, längst abstract gewordenen Sub- stantiven heidnische göttinnen gesucht werden dürfen, scheint mir viel gewisser, die Nordländer hatten eine dea foederis (wie auch die Römer eine Tutela personificierten) des namens Vor, gen. Varar. Saem. lA^ (vigit okr saman Varar hendi, weihet uns mit der Vor band, was an die stellen von des Wunsches hän- , den gemahnt), Sn. 37. 38. ahd. würde sie Wara heiszen, wara foedus Diut. 1, 503^ 532»'; das Verhältnis zwischen den worten V-\^?^ wara hat Graff 1, 907. 920 nicht vollständig erörtert, gleich der Vor schlägt die göttin Syn ins alte recht ein (Sn. 38)

MYTHOLOGICA. 11

und auch sie scheint in dem ahd. oder wenigstens altfränki- schen ausdruck sunja zu stecken (RA. 847. 848). beide Wörter wara und sunja behaupteten noch lange nach dem heidenthum 372 in den gerichten ihre alte heiligkeit.

Kindergebet.

In den abgelegenen hütten der beiden Ormonds (Alpen- dörfer im schweizerischen pais de Vaud, Waadland, etwa in der richtung vom Genfer see nach Sitten hin) beteten die kinder beim Schlafengehen noch vor achtzig jähren: dein mon bllan lli me cautzi, tre zandze li trovi, ke me desiran, ke bein dre- misso, ke ne me baillasso poaire ne de foua, ne de hllarama, ne de mor sebetanna, ne d' aci teinpra, ne de bou pouaintu, ne de pierra fratzcha, ne de dzenelie pekan, ne d' ausseka voairon. diu begne li latte et lou tsevron et to cein ki a dein la mai- son ! d. h. in mein weisz bett legt ich mich, drei engel da fand ich, die mir sagten, dasz ich gut schliefe und keine furcht hätte vor feuer noch vor flamme, noch vor jähem tod (morte subita- nea), noch vor dem gehärteten stahl (ital. acciaro temperado), noch vor dem gespitzten holz, noch vor dem gebrochnen stein, noch vor pickenden hennen (gelines piquantes), noch vor aus- seka voairon. gott segne die latten und dachsparren und alles was im haus ist! was bedeuten hier die pickenden hennen? und was ist ausseka voairon? in den etrennes helvetiennes von 1815, welche den spruch mittheilen, wird es blosz umschrieben durch ein gespenst, das sein Schwänzchen in die höhe richtet, voairon könnte das altfranz. vairon (varius) sein? die mundart gehört zu den in Stalders dialectologie p. 398 enthaltnen proben, wo Orment wahrscheinlich Ormond sein soll.

Die weiszen wege.

Die beziehung von weisz und schwarz auf heil und Un- heil darf man, da sie sich so leicht entfaltet, weder der deut- schen noch einer andern mythologie zueignen wollen. Herbort von Frizlar sagt 100°: eya glücke, eya heil, nu hästu mir daz swarze teil allenthalben zuo gekart, mir sint die wizen wege verspart, da ich wilen ane gienc. .merkwürdiger ist der aus- druck thiu berhtün giscapu im Heliand 1], 16. 23, 15: weiszes, leuchtendes Schicksal.

Das grüne feld (s. 476). 373

Auch in Floris erscheint nun das paradis als ein blumen- feld: 1107 int ghebloide velt, ten paradise; 1248 waenstu dan comen int ghebloide velt, daer int paradis? und 1205 ic sal varen int ghebloide velt, daer Blancefloeren siele jeghen die

22 MYTHOLOGICA.

mine gadert ende leset bloemekine. es kann nicht fehlen, dasjs auch in dem altfranz. gedieht eine ähnliche stelle vorkommt». aber unsere älteren und vermutlich schon die heidnischen dichter dachten sich die erde und den himrael als ein grünes gefilde: te^lidid groni wang (die erde) Hei. 131, 1; himilriki, groui godes wang 94, 24; groni wang paradlse gelic 96, 15. the groneo wang heiszt es auch von Aegypten 23, 4. auch Cädmou 32, 29: brade sind on vorulde grene geardas. im altn. Hakonurmäl 13: ridha ver nu sculom groena heima godha, wjr wollen reiten in der götter grüne Wohnungen, d. h. in den himnieh dieser ausdruck heimr gemahnt an den eddischen Gladsheimr und an das sächs. Ödashem (auch Hei. 96, 20). erwägt man aber, in wie vielen deutschen gegenden noch heute die örtliche benennung paradis, goldne aue erscheint, so scheint auch ftlr das bekannte idista- visus die deutung schönste wiese die tauglichste und eine ver- gleichung mit dem eddischen Idhavöllr gestattet, in dessen grünem grase, beim anbruch der neuen weit, goldne tafeln ge- funden werden.

.374 Metod (s. 15. 72. 90).

Mit diesem ausdruck musz man zusammenstellen was von göttlichem messen gesagt wird: got der was in fröiden, do er dich als ebene maz. MS. 1, 22''; got selb in riehen fröiden wa», er ir lip als ebene maz. Docen misc. 2, 186; er sol ze rehte lange mezzen, der an si so ebne maz, daz er an si zer werlde nie nach vollem wünsche weder des noch des vergaz. MS. 1, 154''.

BERICHTIGUNG EINER STELLE IM KEINHART.

Altdeutsche blätter von M. Haupt und H. Hoffmann. bd. 1. 1836.

s. 417 411).

417 Glichesers gedieht, in der zweiten hälfte der Überarbeitung

leidlicher, in der ersten desto übler behandelt, würde in seiner echten gestalt, wenn sie auf uns gekommen oder glücklicher weise noch irgendwo aufzuspüren wäre, schon an und für sich

^ nach der in Hoffmanns vorrede s. XI erwähnten uhlandischen abschrift des altfranzösischen gedichtes lautet z, 1205 ff. des holländischen: mame le mamie suira (mon äme suivra celle de raon amie), en camp flori le trouera, V el keut (cueille) encontre moi flors, car moult se fie en nos amours. moult hastiuement le siurai, et au plus tost com ains porrai ele mara (m'aura) pro- cainement en camp flori v el matent. später betet Flores zu gott: moi et mamie Blanceflor metes ensanle en camp flori, biax sire diex: je vous en pri. den holländischen zeilen 1248 ff. entsprechen folgende: so vous ensi vous ocie», en camp flori ja nenterres ne vous ne verres Blanceflor. Haupt.

BERICHTIGUNG EINER STELLE IM REINHART. 13

mehr als eine dunkelheit lösen, die sich in der geschichte der thierfabel und besonders in dem Verhältnis der deutschen zu der französischen tradition findet, ich habe neulich (gramm. 4, 96) wieder einen grund dafür geltend gemacht, dasz der Elsasz Glichesers heimat war und glaube dasz aus der dortigen mund- art vorzüglich die dunklen ausdrücke des werks erklärt werden müssen, aber noch ein anderer umstand mag vollends die an- nähme dieser örtlichkeit bestätigen.

Die eigenthümliche erzählung von des königs krankheit, heilung und tod, wie alles im Reinhart enthalten ist, hat sich bisher in keiner andern ausländischen bearbeitung gefunden; sie überrascht durch die glücklichsten motive. ein trefflicher zug ist namentlich die belehnung des elefanten mit Böhmen, der olbente mit einer nonnenabtei. beim wiederdurchlesen fiel mir ein, dasz z. 2123

lät si zem ersten ebtissinne wesen schwerlich so stehn bleiben darf, denn was soll das müszige . 'zum ersten', da hernach keine weitere begabung folgt, ich denke hier mit einem einzigen buchstaben helfen zu können; Heinrich dichtete

lät si zem Erstein ebtissinne wesen! der flecken Erstein liegt zwischen Straszburg und Schietstadt, oder noch genauer, unweit Benfelden, etwa eine halbe stunde vom Rhein ab, am flüszchen 111. er hiesz in der älteren zeit Erenstein, Herenstein, was dann später in Erstein gekürzt wurde, und die dort gelegne nonnenabtei ist in der geschichte unserer deutschen könige bekannt genug. Irmengart, Lothars gemahlin (des sohns von Ludwig dem fr.), stiftete dort das frauenkloster (Schöpf lin Als. illustr. 1, 700); als Lothars reich zwischen Lud- 418 wig dem Deutschen und Karl dem kahlen getheilt wurde (im j. 870), fiel Erenstein Ludwigen zu (Pertz 3, 517. 10). fast hundert jähr hernach, im j. 953 verlieh Otto I. die abtei seiner Schwiegermutter Berta, wie Reginos fortsetzer berichtet (Pertz 1, 621): rex natalem domini Franconofurd celebravit, indeque in Alsatiam progrediens socrui suae Bertae, matri scilicet dom- nae Adelheidis reginae abbatiam in Erestein dedit. an dem ort war zugleich eine königliche pfalz, a. 952, 953, 965 datieren Urkunden Ottos aus Herestein palatio (Böhmer no. 184. 197. 290). dieselbe abtei räth nun Reinhart dem könig der olbente (Reinh. CCXXV) zu leihen, 'da sei viel geistliches gebet, das ihm an der seele frommen werde.' nun erklärt sich auch, wie die nennen, mit der aufgedrungnen fremden abtissin unzufrieden, sie in den nahen Rhein jagen konnten (z. 2154), und nun er- langt auch das z. 2154 stehende locale da seinen sinn.

Diese herstellung der echten lesart, und der Ursprung des gedichts im Elsasz wird einleuchten, folgende Vermutung gebe ich hinzu.

14

ZU WIDUKIND.

Wenn nicht eine bestimmte entstehung dej- gesainmten thierfabel an gewissem ort und in gewisser zeit, wol aber dann und wann eingetretene Verknüpfung einzelner ihrer moniente mit historischen personen und zuständen behauptet werd«^u mag, so liesze sich wol denken, dasz der Glicheser die unheilvolle belohnung des elefanten und der olbente, wovon seine franzö- sische quelle gar nichts weisz, aus einer schon lange bestehen- den einheimischen volkssage übernommen und eingeschaltet habe. es hätte wenig wider sich, dasz in dem lauf des zwölften Jahr- hunderts jene Rheingegenden sich noch mit einer erheiternden anwendung dieses Stücks der thierfabel herumtrugen, die bereits zwei Jahrhunderte früher auf einen wirklichen Vorfall gemacht worden sein konnte, wie der kanzler Brun auf Ottos bruder hinweist, so ist vielleicht die aus irgend einem uns jetzt ver- borgenen grund damals dem volksgefühl anstöszige vergabung der abtei Erstein an die aus Italien nach Deutschland mit Ottos gemahhn Adelheit gezogene, der geburt nach burgundische, 419 königsmutter anlasz geworden zu einem ergetzlichen scherz,, der die welsche olbente (z. 1437) und jene Berta zusammenschmilzt? man müste die ältere geschichte der elsässischen abtei im ein- zelnen kennen, um daraus etwa noch nähere bestätigungen zu entnehmen.

ZU WIDUKINDI RES GESTAE SAXONTr\AE lib. 1. cap. 12.

Monumenta Germaniae historica ed. Pertz. tom. 5. scriptorum tom. 3. Hannoverae 1838. ». 423.

423 Mane autem facto ad orientalem portam ponunt aquilam,.

aramque victoriae construentes , secundum errorem patemum Sacra sua propria veneratione venerati sunt; nomine Martern, effigie columpnarum imitantes Herculem, loco Solem, quem Graeci appellant Apollinem.

Widukind sagt also: der sächsische Hirmin bedeutet dem namen nach den Mars (d. i. den Mercur), dem bilde nach den Hercules (weil er heldenmäszig gerüstet erscheint, wie Wuotan m der regel nicht), dem orte der aufrichtung nach die Sonne; das kann, wie Sie* selbst schon anmerken, blosz auf die orien- talis porta bezogen werden.

* [d. i. der Herausgeber des Widukind, Georg Waitz.]

NEUE SAMMLUNG DER ALTENGLISCHEN HISTORIKER. 15

NEUE SAMMLUNG DER ALTENGLISCHEN HISTORIKER.

Hallische Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und kunst, herausg. von A. Rüge und Th. Echtermeyer, jahrg. L 1838. nJ. 221. s. 1761—1766.

Wenn in reichen blühenden ländern groszartige und all- i76i gemeine Vorkehrungen für die bequemste ausstattung des lebens leicht getroffen werden, so kommt da, wenn gleich nicht zuerst, auch die reihe an die Wissenschaften, und es wird dann, fast auf einen ruck, unternommen und vollführt, was anderwärts, selbst . bei stärkerem inneren triebe und eifer, wegen der Schwierigkeit aller äuszeren bedingungen nicht einmal begonnen, geschweige zu ende gebracht werden kann, man weisz auch in England, welche Wichtigkeit es hat, die historischen Studien empor zu halten, und ist bereit, geld darauf zu wenden, aber nicht immer mag man den plan und das verfahren gut heiszen, die dabei eingeschlagen werden, es ist bekannt, welche ungeheure kosten in den letzten zwanzig jähren das parlament bewilligt und ver- geudet hat für die herausgäbe von rotein und zinsbüchern des späteren mittelalters , die groszentheils in dreiszig oder vierzig folianten gedruckt dastehen, und weder in den buchhandel ge- kommen sind, noch gelesen oder ausgebeutet werden, wenn etwas aus ihnen zu beuten ist, das mit der mühe, ihrer habhaft zu werden und sie zu brauchen, irgend im Verhältnis ^tände. zwar sind anfangs auch unter uns lobende stimmen erschollen, doch bald ermüdet, und niemand weisz zu sagen, dasz für die arbeit eines englischen oder deutschen geschichtsforschers eine namhafte frucht daraus sei gewonnen worden, nun liegt das glänzend bedruckte papier in einem Londoner gewölbe vermodernd; anfangs that man damit aufs sparsamste, zuletzt sind wenigstens an alle vornehmen bibliotheken des continents exemplare verschenkt worden, und wenn die deutsche kritik lust hätte, sich mit solchem historischen schuft zu befassen, so ist er in ihrem bereiche. die recordcommission in England selbst hat sich entzweit und überworfen ; nachdem die rechnungs- ablage das für abschriften, druck und gehalte der commissioners aufgegangene geld an tag gebracht, ist von dem stolzen folio auf ein bescheideneres octav herabgestiegen und in dieser form i762 •noch eher etwas nützliches geleistet worden, manches aber tritt unbegreiflicherweise gar nicht vor die äugen der weit, eines Blume deutscher fleisz hatte zu Vercelli einen codex ungedruckter angelsächsischer poesieen aufgespürt und verlautbart, der schon vor fünf Jahren unter beköstigung der recorders abgeschrieben und groszentheils gedruckt, allein immer noch nicht aus- gegeben ist.

16 NEUE SAMMLUNG DER ALTENGLISCHEN HISTORIKER.

Während die neue, äuszerlioh prachtvolle ausgäbe der Rymerschen foedera, ebenfalls von der recordconnnission aus- gegangen, strengeren ansprüchen der diplomatik und geschichte keineswegs genügte, ist auch von derselben seite her ein vom Parlament autorisiertes corpus historicum in groszfolio bereits im jähre 1822 angekündigt, auf welches man, bei den ungeheuren mittein, die dafür zu gebot stehen, in Deutschland gespannt wartet, dem vernehmen nach soll endlich im nächsten jähre der erste band davon ans licht treten; er wird ohne zwcifel brauchbares und werthvoUes liefern, aber zu einem preise her- vorgehn, den das gewöhnliche publikum nicht erschwingen kana, und, wenn das ganze werk mit gleicher langsamkeit zu ende geführt werden soll, dem Schlüsse in unabsehbarer reihe von jähren voraus, auch hierin ist die nachahmung der nun schon ein Jahrhundert in gang gebrachten französischen Sammlung von Bouquet nachtheilig, wie in anderem betracht. wer mag die nach Zeiten zerstückten, durch mehrere bände laufenden Schrift- steller ordentlich und fruchtbar lesen? solche chronologische Übersichten musz ein eignes werk liefern, nicht die ausgäbe der scriptoren an sich darstellen wollen.

Unter diesen umständen verdient es beifall, dasz sich eine andere raschere gesellscbaft, die English histori(;al society, gebildet hat, wenn nicht von der öffentlichen Staatsbehörde abhängig und in ihren mittein beschränkter, daför desto freier in ihrer bewegung und förderung. sie zählt eine menge vor- nehmer und reicher mitglieder, die allen aufwand decken, und es sich zur ehre rechnen, der geschichte ihres Vaterlandes diesen 1763 dienst zu erweisen, wenn sie auch keins der herauszugebenden bücher selbst lesen, sondern es blosz in prachtexemplaren bei sich aufstellen, wie sehr abstechend von Deutschland, dessen adel der deutschen geschichte meist nur so kärgliche Unter- stützungen zu theil werden läszt, als er sie selbst näher kennen zu lernen lust bezeigt, man sehe das subscribenten Verzeichnis der Pertzischen Sammlung, oder frage nach, in welchen privat- bibliotheken sie zu finden sei.

Die englische historische gesellscbaft gedenkt alles, was sie zu drucken beabsichtigt, in fünfzig octavbänden bald zu liefern. auch dies octav ist höchlich zu rühmen, das lästige folio hat sich fälschlich ein ansehn der würde beigelegt, ihm kleben vier hauptgebrechen an: es liest sich unbequem, citiert sich mühsam, erhöht den preis und verzögert die erscheinung. kein anderes format sollte in der literatur gelten, und es wird sich mit der zeit allgemein geltend machen, als das gefällige, handgerechte groszoctay. wären die monumenta historiae Germaniae von Pertz so eingerichtet, würden sie zehnfach mehr durchdringen, die meisten gelehrten sind kurzen gesichts und lesen einen autor gern, wenn siq ihn in die band fassen oder ruhig vor sich

NEUE SAMMLUNG DER ALTENGLISCHEN HISTORIKER. 17

hinlegen können, ungern, wenn sie sich vor dem buche bald hinauf bald herunter biegen sollen, octav fällt so angenehm ins äuge wie folio, ja es ist nur ein verkleinertes folio. von dem häszlichen quartformat, das zwischen jenen beiden schwankt, sollte man nie gebrauch machen, auszer wo seltne rücksichten, z. b. die nebeneinanderfügung vieler spalten es unabweislich gebieten, solche äuszere bedingungen des lesens und studierens sind gewisz nicht gleichgültig, es frommt, dasz bücher von denen, für welche sie bestimmt sind, leicht gelesen werden, nicht dasz sie blosz prangend dastehen, es verdienst ernste er wägung, ob nicht eine octavausgabe der quellen deutscher geschichte auch bald an der zeit sei, damit sie wolfeiler und lesbarer werden, der groszen foliosammlung, welcher manches eigene für sich bleiben könnte, würde dadurch nur scheinbar abbruch, vielleicht sogar Vorschub geschehen, wenn man die allgemeinere Verbreitung historischer kenntnisse und neigungen anschlägt.

Auszer den geschichtschreibern und chroniken will die englische Sammlung alle bedeutenden heiligenleben, concilien, Urkunden und bullen, auch die historischen gedichte begreifen, bei den chroniken wird verständig abgeschieden, was blosz ausgeschrieben ist und die ältere Weltgeschichte im geschmack des mittelalters enthält." aus solchen wegfallenden oft sehr be- trächtlichen stücken kann nur in seltenen stellen die epitomierte lesart oder der stil des Verfassers beurtheilt werden, und es bleibt den einzelnen herausgebern überlassen, in den hand- schriften oder früheren drucken dieser ergebnisse sich zu bemächtigen und das hauptsächliche davon ihren einleitungen " einzuverleiben, erfreulich ist vor allem die auf Urkunden aus 1764 der alten angelsächsischen zeit eröffnete aussieht, welche be- kanntlich bei Rymer noch gar nicht zu finden und von weit höherem gewicht sind, als alle zins- und thurmbücher der recordcommission.

Der schon vorliegende, trefflich gedruckte erste theil führt den titel: venerabilis Bedae historia ecclesiastica gentis Anglorum, ad fidem codicum manuscriptorum recensuit Josephus Stevenson. Londini, 1838. sumptibus societatis. XXI selten allgemeine ein- leitung, XXXV selten einleitung zu Beda, 424 Seiten text. ein- leitungen wie anmerkungen sind aber englisch, nicht lateinisch geschrieben, für den text ist die bewährte recension des John Smith (Cambridge, 1722) beibehalten, doch nicht ohne neue nachvergleichung der handschriften , sowie der alten angel- sächsischen Übersetzung.

Ich habe das berühmte werk in dieser neuen, schönen ausgäbe mit vergnügen wieder durchlesen und nur äuszerst wenige unbedeutende druckfehler wahrgenommen, es ist schon seines hohen alters und seiner ungekünstelten einfachen spräche

.1. GRIMM, KI^. SCHRIFTEN. VII. 2

18 NEUE SAMMLUNG DER ALTENGLISCHEN HISTORIKER.

wegen ein anziehendes buch, dessen genusz man sich nicht verbittern darf durch den gedanken, dasz der Verfasser mit seiner fähigkeit und in seiner hige leicht ein weit gröszeres hätte zu Stande bringen können, welch ein stoff für einen mann, dem das christenthum eröffnet, das heidenthum noch nicht verschlossen war. welchen blick er hätte werfen dürfen in die ihm noch deutlich vor äugen liegende Verschiedenheit des römischen, sächsischen, brittischen und galischen wesens; ja er hätte vermocht, allein noch die dunkelheit zu erhellen, die nun vielleicht für immer über der eigenthümlichkeit des Volkes der Picten schwebt, aber Beda ist nichts als ein gelehrter mönch, dessen ganze seele unverwandt auf die römische über- heferung des evangeliums gerichtet war, deren sieg und rühm ihm allein anlag, die orthodoxe berechnung des Osterfestes, worauf er, mehr oder weniger ausführlich, aber doch zwölfmal in diesem einen buche zurückkommt, erscheint ihm die wichtigste angelegenheit und alle abweichung von dem römischen computus greuelhaft, sein gemüt ist sonst billig und er zeigt sich bereit, die übrigen Verdienste der schottischen geistlichkeit, welche in diesem wie in andern punkten den anmaszungen der römischen Curie lange widerstand hielt, zu erkennen, wie hätte er auch anders gekonnt, nach vielem, was er zu sehen und zu hören bekam, während aus seinem munde sehr aufgeklärte aussprüche gegen die heidnischen idola und fana gehen, nimmt er mit völliger gläubigkeit alle wunder der christlichen märtyrer auf und erzählt wiederholt, ohne dasz ihn zweifei anstoszen, wie vor den heiligengräbern blinde das licht ihrer äugen wieder- fanden, wie von dem über heilige spähne aufgegossenen wasser, 1765 oder dem mit den fingern ausgegrabenen staube heiliger örter zahllose krankheiten der menschen und des viehes sicher geheilt worden, aus dem geöffneten grabe des frommen steigt balsami- scher wolgeruch und die leiche findet sich blühend frisch, wie sie vor Jahren der erde übergeben wurde, dasz aber die sächsischen und brittischen kirchen damals noch rein von bildern, ungefähr wie heute die protestantischen, gehalten wurden, bezeugt schon jene declamation wider den bilderdienst der beiden, und der einfache kirchenvater hätte schwerlich geahnt, dasz noch heute, nach eilfhundert jähren das katholische volk sich vor puppen niederwirft, so unvertilgbar sind die heidnischen brauche und so mannigfalt die vorwände ihrer beschönigung. jene mischungen des reinen glaubens mit dem aberglauben sind bei Beda merk- würdig und lehrreich genug, wir verdanken ihm nebenbei eine menge der schätzbarsten nachrichten. wie schön die ganze erzählung von Caedmon ist (buch 4, cap. 24, hier pag. 307—31 1) und sich mit der sage vom altsächsischen dichter des Heliand berührt, den ausspruch aus so früher zeit: neque enim possunt carmina, quamvis optime composita, ex alia in aliam linguam

NEUE SAMMLUNG DER ALTENGLISCHEN HISTOMKER. 19

ad verbum sine detrimento sui decoris ac dignitatis transferri, unterschreibt man füglich noch heutzutage, allen den endlosen mühen des übersetzerheeres zum trotz, unserer Sprachforschung hätte Beda groszen vortheil bringen können, wäre mehr sächsi- sches, galisches und brittisches in sein werk aufgenommen worden; er gibt hin und wieder die bedeutung von Ortsnamen an. seine eigene sächsische mundart musz von der angelsächsischen, der späterhin herschend gewordenen, abgeschieden sein; Kemble (introd. XVI) hält sie für urspriinglich northumbrisch. auf die beachtenswerthe Verschiedenheit vieler vocalverhältnisse in den «igennamen hat, glaube ich, söhon Lappenberg gewiesen, und Smiths und Stevensons ausgaben stellen mit groszem rechte die eigenheit der ältesten handschriften in dieser beziehung her; zumal ist das oi, welches deutlich dem ahd. uo und dem ge- wöhnlich angelsächsischen 6 (umlautend e) entspricht, auffallend, z. b. Coinred = ahd. Ohuonrät, Oidilvald = ahd. üodilwalt. doch für Coifi (135, 5) läszt sich kein ahd. Chuopi aufweisen, die angelsächsische version hat Ceti, d. i. Cefi. herr Stevenson nimmt in der anmerkung an, was ich in der deutschen mythologie vermutet hatte, dasz die namensform nicht nothwendig auf einen galischen oder brittischen priester leite, da doch kaum ein northumbrischer könig germanischen Stammes brittischem heidenthum ergeben war. es ist nirgend sonst die geringste spur, dasz einer der übergesiedelten deutschen stamme vom bodencultus abgewichen wäre, um sich einem celtischen zu bequemen, wol aber mochten einzelne Britten und Galen in dem von den Sachsen und Angeln eingenommenen gebiete wohnen bleiben, und auch bei königen dienste nehmen und finden, alles i766 verdient noch fort erwogen zu werden. Coifi erklärt sich un- verkennbar aus dem galischen, nach Armstrong war Coibhi a name given by the british Celts to an archdruid, und er führt das bedeutsame Sprichwort an: ged is fagus dach do'n lar, is faigse na sin cobhair Choibhi, d. h. wie nah auch der stein dem gründe sei, noch näher ist Coibhis hilfe. man wäre versucht, auch die erste hälfte des unter Deutschen unerhörten namens Caedmon aus dem galischen auszulegen, mag nun das galische caidh (castus) oder cad (amicus, altus) zu dem sächsischen mon (mann) gefügt sein; so zeigte selbst dies compositum die ver- mengung der beiden elemente.

Im nächsten jähre soll ein band der angelsächsischen Urkunden, einer mit Alcuins historischen gedichten und der zweite der historischen werke Bedas erscheinen.

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20 MASZMANN, DIE DEUTSCHEN ABSCHWÖRUNGS-,

Die deutschen abschwörungs-, glaubens-, beicht- und betformeln vom achten bis zum zwölften Jahr- hundert, herausgegeben von H. F. Maszmann. X und 194 Seiten in 8. (siebenter band der bibHothek der gesammten deutschen nationalHteratur.) Quedhnburg und Leipzig, bei Gottfr. Basse, 1839.

Göttingische gelehrte anzeigen. 1839. st. 56. s. 55(5 560.

Was Eccards catechesis theotisca schon 1713, die mouu- menta catechetica im ersten bände des Schilterschen thesaurus 1726, späterhin noch andere, zusammen zu stellen suchten, verdiente eine sehr berichtigte und vervollständigte ausgäbe, welche vorzugsweise herr prof. Maszmann liefern konnte, da er fast alle für altdeutsche literatur ergibigen bibliotheken be- sucht, und diesen kleinen, aber nicht zu verachtenden Sprach- denkmälern seine genaueste Sorgfalt gewidmet hat. er thut, wie er nun einmal pflegt, darüber hinaus, und theilt nach dem abdrucke der 66 kirchlichen formein im anhange noch acht weltliche (aus dem werkeltagsleben der frühesten zeit, heiszt es 8. 55) mit. namentlich die letzte nummer hätte reo. gern 557 hier fehlen gesehen ; wenn ein hübsches stück eben erst auf- gefunden und zweimal bereits gedruckt ist, mag es auch bei denen, die uns mit dessen bekanntmachung einen dienst er- wiesen, gelesen, >und von anderen Sammlern eine Zeitlang vorbei gegangen werden, zweierlei ist bloszer anhang und umfassende Sammlung, eher hätte neben dem Würzburger grenzbegang von 779, der noch um zwei jähre ältere Hammelburger aus Schannats Buchonia vetus p. 423 (berichtigt im 141. bände s. 51 der Kindlingerschen handschriften) gegeben werden können.

Hftlten wir uns hier an die geistlichen formein. es sind abrenuntiationen, credos, beichten, gebete, unter welchen die ersten, obwol die kürzesten und sparsamsten, am meisten an- ziehen, sie versetzen uns lebhaft in die zeit der ersten bekch- rungen. nachdem der täufling oder catechumen, gen norden schauend., mit gerunzelter stirne (fronte caperata), zorn und hasz ausdrückender gebärde, dem fürsten der finsternis förmlich entsagt hatte, legte er, sich nach osten wendend, äugen und bände gen himmel gerichtet, das christliche glaubensbekenntnis ab. die ältesten widersagungsformeln scheinen noch die namen der heidnischen götter, für deren cultus sie darum zeugen, in sich aufzunehmen; hätten sich mehrere erhalten, sie würden uns wiilkommnen aufschlusz über das zurückweichende heiden- thum gewähren, vor allen wichtig bleibt die mit recht an die spitze der Sammlung gestellte, worin dem Thunar, Woden und

GLAUBENS-, BEICHT- UND BETFORMELN. 21

Saxnot abgeschworen wird, an der s. 21 gelieferten literar- geschichte dieses viel gedruckten und viel besprocheneu denkmals wäre auszusetzen, dasz (wie unsere anzeigen Jahrg. 1827, s. 767 [kl. sehr. 5, s. 22] näher darthun) 1669 gar keine ausgäbe davon 558 erschienen ist, wol aber Straszburg 1670, Helmstädt 1665 und (was rec. nunmehr hinzufügen kann) zum ersten male Straszburg 1664, in des buchhändlers Paulli miscellis antiquae lectionis (typis Johannis Pastorii 160 pagg. 8) p. 72 74. der abdruck in Für- stenbergs monum. paderborn. Amsterd. 1672 war demnach schon der vierte, von den späteren Wiederholungen hätten viele unan- geführt bleiben mögen, doch die in Delius Krodo Halberst. 1827, p. 124, und Pertz monum. 3, 19 waren billig nicht zu übergehen, was den Saxnot betrifft, so freut es uns zwar, ihm zur anerken- nung seiner göttlichen ehren verhelfen zu haben (Jahrgang 1828, s. 550 [kl. sehr. 5, s. 29. 30]); aber unsere Vermutungen aufFreyr (welche hier s. 17 'ohne fernem zweifei' gebilligt wird) oder auf Hercules Saxanus (deren nicht einmal erwähnung geschieht) sind doch vielleicht immer noch nicht die rechten Sprünge, bei Freyr stört zumal, dasz dieser söhn des Niördhr, Saxneät aber in den angelsächsischen genealogien söhn des Woden ist. die zweite, von unserm herausgeber zuerst wieder an den tag ge- brachte und aus einer, freilich unverlässigen, neuern abschrift des 17. Jahrhunderts "mitgetheilte abschwörungsformel redet noch von unholden und heidnischen opfern, nennt aber keine namen mehr, denn es schiene Verwegenheit, die zweite offenbar ver- stümmelte zeile etwa zu ergänzen: forsachistu [Wuotane, Wihin] indi Willin? wodurch man die aus der Edda bekannten götter- brüder Odhinn, Ve und Vili neben einander erhielte, die sich für die anbetung des alterthums eignen, von deren gemeinsamem cultus in Deutschland doch nicht die geringste spur sonst übrig 559 ist. allein auch das abstract genommene willon (pravae volun- tati) fügt sich zu forsachis nur unter der Voraussetzung, dasz ausgefallen sei: iro (der unholde) werche indi willon (besser willin), was durch keine der übrigen formein, die man sich aus s. 37. 74. 75. 122. 123 zusammenstellen musz, geradezu bestätigung empfängt, gewöhnlich lautet es: ich entsage dem teufel, und allen seinen werken und allen seinen zierden, den lateinischen ausdrücken entsprechend: renuntio diabolo et operibus et cultibus ejus; zieren bedeutet colere, ornare. und schon die mons. glossen 367. 368 geben zierida insigne, cultus. man könnte auch zierden für pompis nehmen, das andere latei- nische formein haben. eine angelsächsische renuntiation hat der herausgeber nicht aufgetrieben, sie ist aber sicher in hand- schriften anzutreffen, eine altnordische hätten ihm die forn- mannasögur 1,300 dargeboten, welche hier stehen mag: medh thessari trü skaltu neita diöfli ok allum hans verkum ok vaelum ok öllum skurdhgodhum ok theirra ätrünadhi, d. i. accepta fide

22 MASZMANN, DIE DEUTSCHEN ABSCHWÖRÜNGSFORMELN.

renuntiabis diabolo omnibusque ejus operibus ac doHs, et omnibus idolis eorumque cultui. nach einer andern fassung: ölliim huns vilja, velom oc skurdhgodha villo: ejus voluntati dolisque et idolorum errori. damit sind beide ausdrücke, werk und wille, nachgewiesen.

Auf die übrigen stücke kann rec. diesmal nicht eingehen, no. 62 war neulich auch bei Pertz 3, 67 abgedruckt worden, aber nicht ungerügt bleiben darf die Sprachverwirrung, dasz der herausgeber für althochdeutsch auf einmal, ohne alle angäbe ö60von gründen, altoberdeutsch zu schreiben beginnt, also auch mitteloberdeutsch und vielleicht gar neuoberdeutsch gebrauchen wird, ein anderer könnte dann auf alturiterdeutsch verfallen, dem örtlichen begriffe des niedern steht das obere entgegen, wie Niederland und Oberland; Niederhessen und Oberhessen; Niederrhein und Oberrhein, und eine menge anderer zeigen, zuweilen wird auch ober und unter gesagt, wie Oberitalien, Unteritalien; oberweit, unterweit; doch pflegen diese zugleich für persönliche abstufung zu dienen: oberrichter, unterrichter; Oberleutnant, Unterleutnant; hier liesze sich nicht sagen nieder- richter, niederleutnant. hochdeutsch ist uns aber nicht das oberdeutsche, sondern das aus allen mundarten in der mitte und höhe aufgestiegene deutsch, dessen edler grund schon in dem alemannischen, bairischen und lothringischen des neunten, wie in dem schwäbischen, bairischen, fränkischen, rheinischen und thüringischen des dreizehnten Jahrhunderts sichtbar ist, und das seitdem noch gröszere ausdehnung gewonnen hat.

VOLKSLIED AUF FRIEDRICH VON DER PFALZ AUS DEM JAHR 1622.

Altdeutsche blätter von M. Haupt und H. Hoffmann, bd. 2. 1840. 8. 138—141.

138 Soltaus Sammlung deutscher historischer Volkslieder hat auf

das lob der treue und genauigkeit gegründeten anspruch, ist aber noch zu unvollständig, und auch an dem plan läszt sich manches aussetzen, wohlgethan gewesen wäre sich auf das 14., 15., 16. und 17. jh. einzuschränken, und nicht nur das 18., son- dern auch die früheren jhh. aus dem spiel zu lassen, die auf- genommnen Sprüche gehörten ebensowenig unter die lieder, sie verdienen etwan ein besonderes buch, in welchem dann der Pragische Hofekoch von 1620 und der wiederkommende Pragi- sche Koch nicht fehlen dürften, die ein herausgeber zu Göt-

VOLKSLIED AUF FRIEDRICH VON DER PFALZ. 23

tingen finden kann, unter den liedern des 14. jh. misse ich die zwar nicht ganz erhaltnen , allein für den ton des Volkslieds wichtigen stücke in Senckenbergs sei. 3, 374. 375. 376. aus dem 17. jh. will ich hier ein lied auf den winterkönig mitthei- len, hübscher und frischer als irgend eins der Sammlung; dem herausgeber zu gefallen ganz mit der schlechten Schreibung des drucks, welcher ich meinerseits unbedenklich entsagen würde, was liegt uns daran, die ftihrlässigkeit oder unkunde eines Schreibers und setzers jener zeit festzuhalten?

Defz Pfaltzgrafen Vrlaub.

1. Ich sing ein Lied ich waifz nit wie, Von meinem Fritzen der ist nit hie, Er ist auff frembder Strassen,

Er schlaff oder wach er gehe oder stehe.

So gschicht jhm jetzt weh. Sein frefel ist aulz der massen Mags lassen.

2. Er namb sein Gmahel bey der Hand,

er führts mit sich ins Sockfischlandt, (so) Defz Niderlandts ein ende. Jetzt ist er schabaw

Man schlueg jhn schier plaw Die Färb war mancherleichen Von streichen.

3. Vnd ob es jhm schon vbel gieng, 139 Weil er der straich sehr vil empfieng.

Doch blib er hoch im Hertzen,

Mit jhme thet manchen Englischen sprung

Sein Königin jung Der Fraw vergieng das schertzen Vor Schmertzen.

4. O Fritz lafz von dem hochmuet dein Ich trag bey dir ein Kindelein

So lang hab ichs getragen.

Sechs Wochen wol vber das halbe Jahr

In grosser gefahr Wem soll ich jetzund klagen Die plagen.

5. Tregstu bey mir ein Kindelein,

So lafz vnfz bitten den Schwehern mein.

Wir wölln vns vor jhm biegen.

So wirdt er vns geben gnueg Wein vnd guet Brot

Vnd helffen aufz noth. Ich schaw dir vmb ein Wiegen Muest kriegen.

24 VOLKSLIED AUF FRIEDRICH VON DER PFALZ.

6. Wol vmb ein Wiegen vnd Windelein, Darein bind du dein Kindelein,

Mein Kind ist schon gebunden,

So trag du dein Wiegen auff deinem Khopf

Dem Schwehern zu Hof, Klag jhm wie ich empfunden Vil Wunden.

7. Sie nimbt jhr Kindlein an den arm Sie tregts dahin dafz Gott erbarm Sie tregts in Engellande

O Vatter Herr liebster (so) Herr Vatter mein,

Der Tochtermann dein Schickt dir fürs Hosenbande Difz Pfände.

8. Der Pfaltzgraf schauet jhr kläglich nach, Als sie die letsten Wort zu jhm sprach, Ihr Aeuglein gaben Wasser,

O Friderich werst ein Pfaltzgraf gebliben

Nit hochmuet getriben So Wcärst jetzt nit verlassen Der massen. 140 9. Vnd als die Fraw in Engelland kam Mit jhrem jungen Landsknecht Khram Sehr vbel wardts empfangen Der Vater war zornig liefz sie nit ins Haufz

Müest wieder hinaufz Den weeg dens mit verlangen War gangen. 10. Da gieng dem Fritzen zu ein graufz, Vil Kinder vnd kein Brot im Haufz, Wie soll er sich jetzt nören. Vor bettest O Fridrich vil guet vnd vil ehr

Jetzt kanst du dich mehr Defz Hungers kaum erwöhren Muest zöhren. ] 1 . EinKron woltst haben auff deinem Haupt, Jetzt bist deins aigen Lands beraubt Ein anderer thuets besitzen Dein Chur hast verlasen kombst wol nimermehr

Zur vorigen Ehr Die angst die macht offt schwitzen Den Fritzen. 12- 0 Fritz es geht der Winter herein

Möchst nit gern wider ein König seyn Gleich als wie vor eim Jahre? Ich raht dirs wol nit es ist mir dir aufz Bleib daussen bleib daufz

zu DEN LAT. GEDICHTEN. DES X. UND XL JH. 25

Es ist darbey grol'z gfahre Das spare.

13. Die Fai'znacht warstu König der Schellen

Im Sommer thetst ein Laubkönig dich stellen

Von wegen deiner Kinder,

Ein Aichelkönig warstu in dem Herbst

Drinn alles verderbst Hertzkönig war im Winter Dein hinter.

14. Dann als du gsehen dafz Bayrische Schwert Hastu dem Feindt den Ruggen gekehrt Dein Hertz fiel in die Hosen

Auch fiele von dir vil anderer raub

Schell Aichel vnd Laub Bringt dir der Winter Rosen? 141

Magst losen.

(Folioblatt, in der mitte ein bild, worauf Friedrich, seine gemahlin und ihre kinder dargestellt sind.)

BERICHTIGUNGEN ZU DEN LAT. GEDICHTEN DES X. UND XI. JH.

Altdeutsche blätter von M. Haupt und H. Hoffmann, bd. 2. 1840. s. 324.

Waitharius 324 1. Tandem dilectam. 1352 astu. 1452 Ce- 324 perit.

Ruodlieb 3,53 1. victi sub vexilloque. 3,401 Compatre? doch ünibos 196,2 auch compares. 6,19 ulciscatur ni,. 8,37 Tangendo. 42 taciti,. 14,56 quod quanto.

Ecb. capt. 356 1. contendit, hostes. 835 Constitit. 1170 In te se discat. pag. 324 sereno mensam.

Unibos 127,1 1. Caute. 130,4 si comparamus. pag. 376 177,4 vielleicht jugiter.

Vorrede XX. Fromund produciert auch sälis 4,32. 74. säle 4,84. ecb. 294 richtig ergo säles, aber in einem sonst dun- keln vers.

XXII. auch im hexameter hindert der einschnitt das ver- wachsen zweier vocale, so ist die s. 322 angeführte lesart eines Fortunatischen verses wol ganz echt:

Hinc filomena sui | adtemperat organa cantus und der s. XXIX unrecht gefaszte vers ist so zu nehmen: Et bis quindeni | onägri totidemque cameli.

26 ZU RICHTHOFENS ALTFRIESISCHEM WÖRTERBUCH.

S. XXVIII in dem vers

Non abscondere quit | se quin hanc mox repenret trift der reim auf quit, nicht auf se.*

ZUSÄTZE ZU: KARL FRHR. VON RICHTHOFEN, ALTFRIESISCHES WÖRTERBUCH.

Gottingen 1840. s. 1163— 1165. ♦*

1163 [Zu s. 655.] Bei bobbaburg will mir die patris tutela nicht ein, ein kind hat ja den besten schütz bei seinem vater, und wird, wenn er für es kämpft, nicht beraubt. Hettemas säu- gende brüst gefiel mir besser, und stände melocburg, so wäre das ein naiver ausdruck, wie das von Ihnen mit recht verthei- digte benene bürg, sollte bobbe oder bobba mit dem bekann- ten lat. pappa, kinderbrei, kinderspeise zusammenhängen? nmn müste eine stelle haben, wo es bestimmt für muttermilch ge- nommen würde.

[zu s. 670.] Brida halte ich für das ags. bregdan, altn. bregda, das sind auch starke verba, die stringere, nectere be- deuten, und es heiszt bregda sverdi, wie hier mith brudena swerde. das plattd. brüen gehört dann nicht dazu.

1164 [zu s. 852.] Inruesze scheint mir nicht verzweifelt, wie ruald f. wrald, rueka f. wreka (kaum f. wrögia), riust f. wriust stehn, wird auch ruesze sein = wresze und dies näher be- stimmt werden müssen wresze = ahd. rächi. wreka hat nur die abgeleitete bedeutung ulcisci, die ursprüngliche sinnliche ist pellere, tundere, trudere, wie das altn. reka lehrt, vom pl. .praes. wrekon ist das adj. wresze geleitet, inwresze drückt dem- nach aus: eingetrieben, hineingestoszen , eingedrungen, mhd. lautete es: inraeche.

[zu s. 853.] Schwer ist inszilethra, doch scheint es com- positum mit in, also die wurzel szil ::= kil oder kil. damit

* [hier möge auch der kl. sehr. 5, 286 nicht abgedruckte, zum theil frei- lich schon in den obigen berichtigungen enthaltene nachtrag zur selbstanzeige derlatein. gedichte (gött. gel. anz. 1838 st. 141 s. 1408) eine stelle finden: inde hätte -weder Walth. 324 noch ecb. 1170 geduldet werden sollen (denn richtig steht inde Walth. 1021. ecb. 1094), sondern in erster stelle ist tan- dem, in der andern aber in te zu lesen, statt partibus ecb. 887. 1150 schreibe man lieber patribus, wenn auch die antiquae oder famosae partes örtlich genommen werden könnten nach dem sprachgebrauche des mittelalters : partes Slavorum, partes vosaginae. ecb. 71. s. 289 ändere man Vosaginis in vosaginae.]

[^s sind hier nur die von Jacob Grimm dem Verfasser übersandten schriftlichen berichtigungen abgedruckt, die aus der dritten aufläge des ersten bandes der grammatik entnommenen aber übergangen.]

ÜBER DIE NOTNUNFT AN FRAUEN. 27

aber sind wir fast schon fertig, denn Zusammenhang mit kela algere, vgl. engl, chill (also verkältung, schmerzhafte verkäl- tung) bleibt doch problematisch, auch die ableitung -ethra ist sonst unerhört, gäbe es ein wort thrä wie ags. Joreä correptio, afflictio, so liesze sich denken an inszil = enkel, talus, knöchel.

[zu s. 978.] Pipermos vgl. ad ecbas. capt. pag. 323. 1165

ÜBER DIE NOTNUNFT AN FRAUEN.

Zeitschrift für deutsches recht und deutsche rechtswissenschaft herausg. von A. L. Reyscher und W. E. Wilda. bd. 5. 1841. s. 1—29.

Noti neman heiszt mit gewalt nehmen, und kann von jedem i raub verstanden werden; doch hat man die ausdrücke nötnumft, nötzuht allmälich auf die an frauen verübte gewaltthätigkeit ein- geschränkt, ags. nede niman; altn. neuia konu, taka konu, in altschwed. gesetzen valdtaka. in den lat. volksrechten ist hier rapuerit gleichbedeutend mit tulerit oder traxerit, puella quae trahitur gleichviel mit rapitur.

Nach der Vorstellung des alterthums waren ofner raub wie ofner todschlag nichts entehrendes; dem beiden folgte rühm und preis, der seinen gegner erlegt und der waffen beraubt hatte, der rosse als beute wegtrieb und sich eine braut ent- führte, dies flieszt aus dem ungebändigten fehderecht der ein- zelnen männer und geschlechter, das noch heute nicht überall er- loschen ist. von den neugriechischen Klephten oder serbischen Montenegrinern bis zu überraschenden erscheinungen in der sitte und lebensart unsrer Wilddiebe und räuberbanden herab waltet ein untilgbares gefühl der freiheit und selbstrache, in welchem neben aller rohheit züge edler und treuer tapferkeit zu erken- nen sind, ohne todschlag, gefangennähme und frauenraub, die ein gebildetes Zeitalter verabscheut und nur für seine kriege im groszen gestattet, wäre kein epos denkbar, die sagen der Grie- chen, Römer, wie unsrer vorfahren, sind erfüllt von frauenraub. der entführung von lo oder Helena steht die von Hilde und Gudrun zur seite, und im deutschen mythus überwiegt sogar der sittliche eindruck. wo abneigung und Übermut der eitern dem brautwerber nicht willfahrten, muste von ihm gewalt ver- sucht werden und noch heutzutage gehen mädchenentführungen 2 hervor aus solchem anlasz. ob die braut einverstanden war oder gezwungen wurde, kann das gedieht leichter rathen lassen, als das gericht entscheiden; so viel ist oflFenbar, dasz sich die Volksmeinung mit dem brautraub schnell aussöhnte und ihn in

2g ÜBER DIE NOTNUNFT AN FRAUEN.

althergebrachten sitten gewissermaszen heiligte, es würde sehr anziehend sein, aus einer vergleichung der hochzeitgebräuche darzuthun, wie häufig ein scheinraub der braut vorgenommen wird, damit sie aus der band der eitern in die des bräutigams übergehe, und bei kriegerisch gestimmten stammen oder ge- schlechtern wird man beinahe immer auf diese form stoszeu. merkwürdig scheint der gleich im beginn der römischen ge- schichte eingreifende raub der sabinischen Jungfrauen lange Zei- ten hindurch auf die feste und spiele des volks nachzuwirken: rapi simulatur virgo, sagt Festus (288, 4. O. Müll.), ex gremio matris, aut si ea non est, ex proxima necessitudino, cum ad virum traditur, quod videlicet ea res feliciter Romulo cessit. alle simulierten geschäfte in sitte und recht pflegen sich auf ein hohes alterthura zurückzuleiten.

Gegen diese in poesie und volkssitte fast unanstöszige be- deutung des frauenraubs stechen nun grell ab die manigfiichen bestimmungen des altdeutschen rechts über notnunft mit einer reihe der seltsamsten buszen und strafen, die noch niemand zusammengestellt, geschweige erläutert hat. es ist freilich schwer, alles zu deuten, da in der unvollständigen Überliefe- rung manches verdunkelt wurde; aber ein eigenthümliches ge- präge, wodurch überhaupt das eherecht unsrer vorzeit sich aus- zeichnet, läszt sich wiederum erkennen, das gesetz richtet sich wider alle gewaltthat, die nicht an frauen eines fremden volk- stamms, sondern der heimat verübt, wolerworbne rechte des vaters und der entführten kränkt, oft zu roher befriedigung der Wollust.

Wie für todschlag verordnen die alten volksrechte auch für notnunft geldbuszen; am ausführlichsten die lex salica tit. 14 und mit Unterscheidungen, wird nämlich eine freie Jungfrau aus der casa oder screona^ geraubt; so hat, abgesehn von ca-

' casa bedeutet domus, haus, screona eine kleine stube oder kammer, die vorzüglich zum aufenthalt der frauen und mädchen dienen mochte; sie war bald mit Schlüssel versehen, bald nicht (1. sal. 27, 15. 16), das wort ist mit verändertem genus und erweiterter bedeutung das lat. scrinium, was nur von einer kiste, einem schranke gilt; die lex Burgund. 29, 3 sagt: effractores omnes, qui aut domus aut scrinia exspoliant, jubemus occidi, doch lesen an- dere auch hier screunias, wie es in der lex Saxon. 4, 5 und Fris. add. 1, 5 heiszt: screonam effrangere. scrinium hat langes i; auch noch im mhd. schrin, nhd. Schrein, die Franken scheinen es kurz genommen und in eo, eu gebro- chen zu haben, wofür auch das französ. escren neben ecrin spricht, merk- würdig aber ist, was Bignon (ad leg. sal. p. 106) von der sitte in Cham- pagne annaerkt: escrenes etiam hodie rusticis campanis dicuntur camerae illae demersae in humum, multo insuper fimo oneratae, in quibus hieme puellae simul conyenieiites pervigilant ad mediam noctem. dabei schweben ihm offen- bar mi sinn die worte des Tacitus Germ. 16: solent et subterraneos specus aperire eosque multo insuper fimo onerare, suffugium hiemi et receptaculum trugibus. diese sitte können die Franken ins nördliche Frankreich gebracht haben, bekannt ist, dasz in Scandinavien die Jungfrauen oft in einer skemma, d. h. kleinen kammer saszen, vom eigentlichen hause abgesondert, und ich

ÜBER DIE NOTNUNFT AN FRAUEN. 29

pitale (d. h. ihrer zurückgäbe) und delatura (dem, was der an- zeiger empfängt), der räuber 621/2 Schillinge zu zahlen, jeder von drei haupthelfern 30 Schillinge, von weiteren helfershelfern h über die drei hinaus jeder 5 seh., die mit pfeil bewaffneten be- gleiter jeder 3 seh. die composition von 62^ 2 seh. ist eine der häufigsten im salischen gesetz, und man darf dafür nicht 63 schreiben, wie Pertz tom. 4 pag. 3. 4 gethan, pag. 5 not. d ist ihm mit recht ein zweifei aufgestoszen ; in der hs. der soge- nannten lex emendata drückt das S hinter LXII eben die hälfte aus, wie noch allgemein in hss. des mittelalters die letzte zifler unten durchstrichen wird, wenn 1/2 zu bezeichnen ist. die ge- brochne zahl 621/2 kann nicht auffallen, sobald man wahrnimmt, dasz im salischen recht ursprünglich alle buszen in denaren angesetzt waren, die erst nachher auf solidos zurückgeführt wurden, 62^/2 sol. betragen 2500 den. in runder summe, wie 171/2 sol. = 700 den. diese 2500 pfenninge stehn also weit unter den 8000 pfenningen = 200 Schillingen, welche das wer- geld des freien Saliers betragen, erwägt man indessen, dasz auszerdem die helfer für ihre theilnahme componierten, so konnte das ganze den wergeldsatz erreichen , wenn es auch meistens 4 geringer war. die theilnahme der bogenschützen schlug man, scheint es, beim hauseinbruch weniger an, als andrer, die Schwert oder speer führen, womit in der riähe mehr auszurich- ten stand? oder waren bogner unangesehnere krieger? hernach im mittelalter galt ein gabilot, der allerdings nicht vom bogen entsandt, aber doch geworfen und im köcher getragen wurde, für unritterlich, und dem sariant, d. h. einem zu fusz strei- tenden kriegsknecht, wird gabilot und bogen beigelegt, kaum dürfen unfreie unter denen, qui cum sagittis fuerint, gedacht werden; man wollte denn annehmen, dasz für jeden derselben ihr herr die drei Schillinge zahlte, wenn übrigens Rogge ger.- wesen s. 64 auch die zahl derjenigen, welche fünf oder drei seh. entrichteten, auf drei ansetzt, um dann nebst dem eigent- lichen räuber 3-f-3-|-3 = 10 ein eontubernium herauszubrin- gen, so "drücken die worte des gesetzes selbst §. 2 und 3 keine dreizahl aus. fragt sichs nun weiter, wem die 62^/2 samt den compositionen der helfer zufielen, so kann nicht gezweifelt wer- den, dasz sie der vater oder vormund der geraubten empfieng. denn es wird besonders bestimmt, dasz alsdann jene 62^ 2 dem könig gehören, folglich die natur eines fredums annehmen, wenn die geraubte in seinem schütz (in verbo) stand, war sie verlobt, so erhielt ihr bräutigam 15 seh., die 621,2 verblieben wiederum dem vater. härter als der freie wurde ein puer regis oder lidus

meine gelesen zu haben, solche kammern seien zuweilen auch in der erde angebracht worden; unter iardhus kann man sich beides, wohnung oder koller, vorstellen.

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für die gewaltsame entführung einer freien gestraft, er soll sein wergeld zahlen (de vita componat), welches 100 seh. betrug.

Hierauf ist der älteste text des gesetzes beschränkt; zusätze ordnen die schwere busze von 22 Schill., nämlich das ganze wergeld des freien für erschwerende fälle an. dahin gehört, dasz die freie frau oder Jungfrau auf ofner strasze von einem contubernium (einem mindestens zehn männer starken häufen) gewaltsam überfallen wird ; sodann ist auch die auf ihrem feier- lichen zug (druchte ducente) bewältigte braut mit 200 seh. zu verbüszen. liegt nun das erschwerende in der verübten oder versuchten entehrung, der bei den auf 621/2 stehenden fällen des raubs keine er wähnung geschieht? denn es heiszt beidemal art. 12: adsallierit et cum ipsa violenter moechatus fuerit und 5art. 13: adsallierit et vim illi inferre praesumpserit. allein der gewaltsame anfall eines brautgefolgs und mit einem contuber- nium scheint doch in einem titel, der überschrieben ist: de ingenuis hominibus qui mulieres ingenuas rapiunt, auf das ver- brechen des raubs zu führen, an erhöhung der composition, weil der friede der heerstrasze und des brautgefolgs zugleich gebrochen wurden, darf man kaum denken, da für die casa und screona nicht weniger ein friedensbruch anzunehmen wäre, beachtenswerth scheint daher, dasz beide bestimmungen, wenn immer schon in der ersten hälfte des sechsten Jahrhunderts ent- sprungen, deutlich spätere zusätze sind. Pertz theilt sie 4, 7 unter den von könig Childebert zugefügten Verordnungen mit; damals konnte sich die composition der notnunft insgemein ge- steigert haben, es tritt hinzu, dasz in dem bereits der alten fassung angehörigen tit. 1-5 art. 1 dieselben 200 seh. auf ent- führung einer ehefrau gestellt sind, welche zwar ein schwereres verbrechen als die eines mädchens bildet, dennoch den abstand von 621/2 und 200 nicht genug begründet.

Die letzte Verfügung ist unmittelbar in das ripuarische ge- setz 35, 1 übergegangen, welches im ganzen die anschlage des salischen ziemlich einhält, wenigstens nicht bedeutend von ihnen abweicht, in seinem art. 34 aber, ohne zwischen notnunft durch hauseinbruch oder auf der strasze, ohne zwischen bloszem raub und vollbrachter nothzüchtigung zu unterscheiden, sind durch- gängig 200 seh. composition für den räuber bestimmt. hier erscheinen folglich die 200 seh. wiederum als Steigerung des ältesten satzes von 621/2 (2500 auf 8000 pfenn.), zumal in ähn- lichem Verhältnis die busze auch der helfer wächst, statt jener 30 seh. läszt die lex Ripuar. die drei ersten helfer 60, statt jener 5 und 3 die weiteren sogar 15 erlegen, dagegen findet sich der regius und ecclesiasticus homo, indem er nur 100 seh., seine helfer entweder 30 oder 71/2 zu entrichten haben, dem freien gegenüber erleichtert, in dem salischen gesetz war für

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den lidus bereits der wergeldsmaszstab durchgedrungen, für den ingenuus noch nicht, nirgends erwähnt das ripuarische die zu- rückerstattung der geraubten, setzt sie aber gewisz voraus.

Diese fränkischen 200 Schillinge für die notnunft begegnen auch in der lex Angliorum et Werinorum, deren Verwandtschaft mit dem altfränkischen recht durch Gaupp und Herm. Müller nachgewiesen worden ist, 10, 1 : qui liberam feminam rapuerit reddat eam cum sol. CC; daneben die merkwürdige weitere be- stimmung : et quidquid cum ea tulit, restituat, addens ad unam- 6 quamque rem sol. X. hier wird der restitution, des capitale, ausdrücklich gedacht, und noch eine busze von 10 Schill, für jedes stück, das die frau zur zeit der entführung an sich trug, festgesetzt, namentlich also für jedes kleid an ihrem leibe, für jeden ring am hals, arm und band, gesagt wird nicht, ob sie oder ihr vater und vormund diese letzte composition behal- ten soll.

Noch in dem rechtsbuch von Xanten, das als capitul. ter- tium anni 813 aufgeführt zu werden pflegt, findet sich §. 45: si cujus puellam sponsatam alius priserit solidos ducentos com- ponere faciat, in fredo sol. sexaginta. also ein fredum ist den 200 söl. hinzugetreten, wie es sich auch aus einem capitulare Hludo- vici I (Pertz 3, 211) §. 4 ergibt: qui viduam vel invitam vel volentem sibi copulaverit, bannum nostrum, i. e. sexaginta sol. in triplo componat, et si invitam eam duxit, legem suam ei com- ponat, illam vero ulterius non attingat; womit Ansegis capit. 4, 16 (Pertz 3, 314) stimmt.

Ich habe aber noch zwei andere stellen zur erläuteruug und bestätigung jener nebenbusze der lex Angl. et Werin. bei- zubringen, die gleichfalls fränkisches recht enthalten, des An- segis capitularien (gesammelt im jähr 827) besagen 4, 21 (Pertz 3, 314) folgendes: si quis sponsam alienam rapuerit, aut patri ejus, aut ei, qui legibus ejus defensor esse debet, cum sua lege eam reddat, et quidquid cum ea tulerit semotim unamquamque rem secundum legem reddat, et si hoc defensor ejus perpetrari consensit et ideo raptori nihil quaerere voluerit, comes singula- riter de unaquaque re freda nostra ab eo exactare faciat; sponso vero legem suam componat, et insuper bannum nostrum, i. e. sexaginta solidos solvat. alles dies ist auch in die Sammlung des Benedictus Levita (zwischen 840 845) eingegangen 1, 238 vgl. mit 2, 96 (Pertz 4^', 59. 78) und auszerdem in die langob. rechtssammlung I. 30, 13. das salische'und ripuarische gesetz wissen nichts davon, die unverkennbare einstimmung aber der lex Angl. et Werin. ist gleichwol eine solche, welche unmittel- baren Zusammenhang beider rechtsquellen ausschlieszt ; bei An- segis wird blosz von der braut geredet, in dem volksrecht von der freien frau überhaupt, und dieses bestimmt auch die erstat-

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tuDff der einzelnen Sachen genauer durch die zugäbe von zehn 7 Schillingen, was allenfalls im capitular unter dem reddat secun- dum legem gemeint sein kann, eigenthümlich dem letzteren ist aber wiederum die nähere ausfiihrung, dasz für den fall, in welchem vater und vormund sich mit dem räuber zu verglei- chen geneigt wäre, dennoch der graf das fredum auch von jeder einzelnen sache beitreiben, dem bräutigam die gebührende com- position und auszerdem ein vom fredum unterschiednes bannuni von 60 seh. entrichtet werden solle, zu diesen 60 seh. halte man die vorhin aus dem Xantner recht und einem capitular Ludwig des ersten angeführte gleiche summe, die bald fredum, bald bannum heiszt. die rückgabe der von der geraubten ge- tragnen kleidungsstücke liegt nun allerdings im begriff des capi- tale und konnte nicht unterbleiben, da nach allen volksrechten jede geraubte sache zurückerstattet werden musz, gewöhnlich auch noch daneben ihr werth verdoppelt oder höher verviel- facht, z. b. bei den Friesen in duplo (lex Fris. 8), bei den Bur- gunden sogar usque ad pullum in novigeldo (lex Burg. 9); so befremdet es durchaus nicht, dasz die lex Angl. et Wer. für jede einzelne mitgeraubte sache, ohne rücksicht auf ihren eigent- lichen werth, zehn seh. hinzugegeben haben will, solche zu- gaben sind auch sonst bei vielen compositionen etwas herge- brachtes. ^

Die andere stelle, zwar schon jünger, findet sich in dem Wormser familienrecht aus den 1020ger jähren, das ich auch in meine weisthümersammlung 1, 804 wieder aufgenommen habe. es heiszt da §. 23: si quis domum alterius cum armata manu introierit, et filiam ejus vi rapuerit, cuncta vestimenta, quibus tunc induta fuerat, quando rapta est, singulariter in triplum patri ejus vel mundiburdo restituat, et per singulas vestimento- rum partes bannum episcopo componat; postremum ipsam tri- plici sua satisfactione cum banno episcopi patri repraesentet; et quia legitime eam secundum canonica praecepta habere necjui- verit, amicis illius XII scuta et totidem lanceas et unam libram denariorum pro reconciliatione persolvat. gleich das domum cum armata manu introire klingt fränkisch und gemahnt an de casa vel screona rapere des salischen gesetzes; die anschlage der kleidungsstücke erscheinen hier deutlicher beschrieben, als Hin dem angl. und werin. volksrecht oder im capitular bei Ansegis; wer möchte bezweifeln, dasz dieser brauch möglicherweise schon sahsch und ripuarisch war, wenn auch die niedergeschriebnen volksrechte seiner geschweigen, d. h. ihn als etwas bekanntes voraussetzen? wir sahen, dasz die lex Repuar. das capitale über- haupt unerwähnt liesz. nur freilich wird damals jene zugäbe

' nach der lex Alam. 49. 50 sind beim mord die kleider des ermordeten als lurtiva zu componieren.

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zu den kleidern unbeträchtlich gewesen sein, die hier ansehn- lich erhöht ist; nicht allein soll die geraubte selbst mit drei- fachem wergelde, sondern auch jedes einzelne kleid in dreifachem werthe dem vater oder vormund und nochmals dem bischof (der den könig vertritt) dreifach als bannum entrichtet werden, endlich sollen die verwandten der braut zwölf schilde, zwölf Speere und ein pfund pfenninge als sühne empfangen; das sind ganz alterthümliche anschläg-e.

Abgesehn von dieser Steigerung der composition, wie sie das Wormser recht ausspricht, begegnen wir fast in allen übri- gen volksrechten höheren buszen für die notnunft, als in der fränkischen; nur das alamannische und bairiache beruhen auch auf geringen.

Die lex Burgundiorum 12, 1 legt dem räuber sechsfaches wergeld der Jungfrau zu zahlen auf, folglich, wenn es 150 Schill, betrug, 900 Schillinge, welches die fränkischen ausätze weit übersteigt; auszerdem noch eine mulcta von 12 seh. kann der Verbrecher nicht zahlen, so wird er den eitern des mädchens in gewalt und willkür gegeben.

Das alamannische volksrecht handelt tit. 51. 52. 54 vom raub der ehfrau, braut und unverlobten Jungfrau, letztere soll mit 40, die ehfrau mit 80, die braut mit 200 Schill, zurückge- geben werden, die beiden ersten ansätze scheinen gering, doch betrug das wergeld bei den Alamannen nur 160 seh. auch tit. 58, 2 wird die nothzüchtigung einer Jungfrau auf dem wege zwischen zwei dörfern auf 40 seh. angeschlagen, in der busze also kein unterschied gemacht zwischen raub und nothzucht. was aber nicht zu übersehen ist, der räuber der ehfrau und braut konnte mit einwilligung des ehmannes (und bräutigams) die geraubte behalten und heiraten, dann war er zu einer höheren composition von 400 seh. verpflichtet, ohne zweifei durfte er mit genehmigung des vaters ebenfalls die unverlobte Jungfrau behalten, hatte sie jedoch, auszer der composition, noch besonders zu erwerben ; .bevor er sich auf solche weise mit dem vater abgefunden hatte, gehörten diesem alle in der ehe mit dem räuber gezeugten kinder. nach 51, 2 sollen auch die kin- 9 der des räubers mit der geraubten ehfrau, so lange jene 400 seh. an den ersten mann nicht gezahlt sind, diesem angehören, d. h. sowol lebendig in dessen mundium stehn, als ihm im todesfall durch ihr wergeld vergütet werden, die frau gilt, vor erlegung der composition, eigenthum des ersten mannes und was sie von kindern gebiert, wird ihm erworben.

Den Baiern stieg das wergeld auch nicht höher, als auf 160 seh. ihr gesetz verordnet über den raub tit. 7 cap. 6. 7; für die geraubte Jungfrau sind 40, für die witwe 80 seh. zu componieren, auszerdem bei jener 40, bei dieser 60 seh. in den fiscus; für die braut setzt tit. 16 rückgabe (die sich bei der

J. GRIMM, Kli. SCHRIFTEN. VII. 3

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Jungfrau und witwe auch versteht) und 160 seh. coinposition fest, im ganzen stimmen diese ausätze zu den alamannisclien, nur dasz hier noch der fiscalischen mulcta gedacht wird, da- gegen mangelt die dort ausgedrückte statthafte Weigerung der rückerstattung unter zahking höherer composition; es versteht sich aber fast von selbst, dasz nach erlegung der busze dem räuber unbenommen Wieb, um die geraubte gesetzlich zu werben. Hält man die alamannischen und bairischen buszen zu den fränkischen, so gleichen die 40 seh. so ziemlich den salischen 621/2, die 80 für ehfrau (und witwe) der freilich beträchtliche- ren erhöhung von 200 für die ehfrau bei Saliern und Ripua- . riern. den hohen satz von 200 und 160 für die braut faszt man wol nur aus dem salischen gesetz, das ebenfalls 200 auf die notnunft an der braut legt, wenn sie druchte ducente ge- schah, also auch bei Alamannen und Baiern ist der feierliche und öflFentliche brautgang als bedingung der composition anzu- nehmen, denn sonst wäre schwer zu begreifen, warum das unverlobte mädchen nur 40, das verlobte 200 verbttszt werden sollte, oder will man annehmen, dasz dem bräutigam ein theil der busze zufiel? das salische gesetz wies ihm nur 15 seh. zu, ohne dasz die 62^/2 darunter litten.

Ich will hier absichtlich zunächst auf die angelsächsischen gesetze Athelbirhts übergehn, deren alter noch in den schlusz des sechsten Jahrhunderts fällt, sie bestimmen art. 82. 83. 84 der Thorpischen ausgäbe (art. 81 83 bei Schmid) 50 Schillinge für den ägend (den eigenthümer, d. h. vater oder vormund) des geraubten mädchens, und werden diese entrichtet, so steht es 10 dem räuber frei, mit dem ägend über den kaufpreis zu verhan- deln, dann darf er die Jungfrau ehlichen, und es versteht sich von selbst, dasz er sie zurückgeben musz, falls der handel nicht zu Stande kommt, das entspricht völlig dem alamannischen rechtsbrauch, war das mädchen braut (in sceat beveddod, auf dem schoosze verlobt, die gewöhnliche form der sponsalien), so gebührt dem bräutigam 20 seh. busze, die den salischen 15 gleichen; das benimmt den 50 seh. nichts, auf die der ägend anspruch hat. dasz aber diese 20 für den bräutigam sind, lehrt der Zusammenhang der worte: gif hio odhrum men in sceät beveddod si, XX scillinga gebete, d. h. diesem andern manne (odhrum men). den art. 84 lese und verstehe ich anders als die bisherigen erklärer: gif hio gengange verordhedh, XXXV scill. and cyninge XV scillingas, si redierit ad domum patris (vel tutoris), huic XXXV solidi, regi XV solidi componantur. gen- gange scheint mir redux zu bedeuten, und es wird voraus- zusetzen sein, dasz sie vor der rückforderung des vaters von selbst heimkehre, dann soll dieser statt 50 nur 35 seh. zu for- dern haben, dem könige aber der rest von 15 gebühren, die gewöhnhche lesart ga;ngang geveordhedh ist sinnlos und die

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auslegung : 'schwanger wird' übel gerathen ; niemand begreift, warum die Schwangerschaft der geraubten die composition min- dern und ändern solle.

Von diesen ältesten ags. gesetzen entfernen sich die hoch auflaufenden compositionen der jüngeren lex Saxonum und Fri- sionum.

Das altsächsische recht bewilligt tit. 6, 3 den eitern der geraubten Jungfrau 300 Schillinge, der Jungfrau selbst 240, und verordnet daneben ihre rückerstattung. tit. 10, 1 bestimmt weiter für die geraubte braut dem vater 300, dem bräutigam 300 seh. composition und 300 als kaufpreis, wenn sie der räuber zur ehe behalten will, eigen ist, was 10, 2 hinzufügt, dasz, wenn das mädchen auf der strasze mit seiner mutter gehend geraubt wird, auch dieser 300 seh. gezahlt werden sollen, im ersten fall beträgt also die entrichtung 540, neben dem capitale; im zweiten fall 900, ohne capitale; im dritten vermutlich 840, auszer der rückgabe; wäre 10, 2 eine braut zu verstehen (was ich bezweifle, da die braut mit groszem gefolge einherzieht, nicht allein bei der mutter geht), so hätte man 1200 anzusetzen, das altsächsische wergeld ist zwei ruthen, d. h. 240 Schillinge, da die ruthe 120 oder ein groszes hundert macht; der frauen ii kaufpreis aber durchgängig 300 seh. ich nehme nicht mit Gaupp (lex Sax. p, 140) an, dasz diese compositionen von dem raub einer edlen Jungfrau gelten, sie würden dann für die blosz freie auf i/e heruntersinken, statt 540, 840, 900 auf 90, 150, 160; für jene zwei ruthen wäre der Jungfrau selbst nur 1/3 ruthe = 40 zu zahlen; auch die friesischen sätze und jene Verdrei- fachungen der composition in den capitularien scheinen dawider zu streiten.

Im altfriesischen gesetz wird tit. 8 für jede geraubte sache überhaupt zurückgäbe in duplo vorgeschrieben, auszerdem 12 sol. fredum; tit. 9, 8 für die geraubte und entehrte Jungfrau aber ihr dreifaches wergeld, wovon sie das eine, der könig das an- dere, der vater oder vormund das dritte zu beziehen hat; jenes fredum von 12 seh. für die geraubte sache ist hier zu einem vollen, dem könig zahlbaren wergeld gediehen, das friesische wergeld ertrug nur 53^/3, früher 50 Schillinge, die ganze summe, welche der räuber entrichten sollte, folglich 160, früher 150. hierdurch bestätigt sich das vorhin über die sächsische compo- sition gesagte, die verdreifachten 50 verhalten sich wie dort die 540, 840, 900, in welchen ungefähr der dreifache satz von 240 = 720 erscheint, was nur durch einmischung des pretium von 300 statt des wergeldes gestört wird, wollte man die com- position der notnunft bei den Sachsen auf 90, 150, 160 herab- drücken, so würde sie z. b. der für die abgehauene hand be- gegnen, die überall einem halben wergeld gleich steht, also bei den Sachsen 120 für den freien, 720 für den edeln ausmacht.

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die Friesen berechnen die band zu 25 seh., der hälfte von 50, was einem sechstel jener composition des frauenraubs von 150 entspricht ; folglich werden die sächsischen 1 20 für die band auch etwa ein sechster theil der summe sein, die in Sachsen ftir die notnunft zu zahlen war = 720. der raub einer edeln würde bei den Sachsen viel höher, auf sechs bände oder drei wero-elder = 4320 schill. gestiegen sein, wenn man blosze Ver- dreifachung der 1440 annimmt; die einmischung des kaufpreises musz aber auch hier abweichungen herbeigeführt werden, welche uns den betrag genau zu bestimmen hindern.

Aus dem altnordischen recht führe ich hier blosz einige merkwürdige Vorschriften der isländischen Gragäs an; was das altschwedische und dänische darbietet, scheint geringeren be- 12 längs, festathättr, d. h. der abschnitt von der ehe verordnet tit. 38 42 (1, 353 356) über frauenraub. den räuber, wenn er auch die absieht der ehe hat, trifft samt seinen belfern Ver- bannung; die neun nächsten nachbarn des hauses, aus dem der raub geschah, werden zusammenberufen, hält jemand als helfer die frau in seinem hause verwahrt, .so ist ein fiordhungsdomr anzustellen, das auf unmittelbare herausgäbe geht, wird die ge- raubte auszer land geschifft, so verfallen alle in gleichen bann, die in demselben schiffe sitzen, und es wird den neun nachbarn ein gericht at festarhaelum , d. h. bei den pfählen, an welche das schiff befestigt ist, angesagt, beim raub einer braut kann sowol ihr vater oder Vormund als der bräutigam auf die Ver- bannung der Verbrecher dringen, die Verbannung scheint der eigentlichen vor gericht anzustellenden klage vorauszugehen, und es werden ohne zweifei buszen erkannt, deren betrage nicht angegeben sind, nach deren entrichtung aber jener bann wieder aufhören muste. beaehtenswerth, und mit den übrigen volks- rechten einstimmend, ist die schwere ahndung der geleisteten hilfe. zu dem gericht am schiffspfahl werden wir hernach im friesischen recht etwas ähnliches auffinden.

Unter den langobardischen gesetzen behandelt hauptsäch- lich Rothars ediet 186. 187. 191 den gegenständ, zum theil er- schöpfender als bei den übrigen Völkern, die composition steht auf 900 Schillinge, halb dem könig, halb den eitern der ge- raubten zu erlegen, leben die eitern nicht mehr, so fällt die ganze summe der königlichen curtis heim, es wird der wähl des weibs freigestellt, ob sie sich mit ihrem vermögen in das mundium des vaters, bruders, oheims oder des königs begeben will, so lange sie der räuber, unabhängig von der composition, nicht förmlich erworben hat. stirbt sie vor dieser zeit, so hat sie der räuber dem, dessen mundium sie erwählte, mit ihrem wergeld zu verbüszen. war sie einem andern verlobt, so muste auszerdem dem bräutigam die bedungene meta (brautgift) dop- pelt entrichtet werden, da das langobardische wergeld noch

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unter Liutprand (6, 9) 150 seh. betrug, so scheinen jene 900 ein hoher satz, obschon sie zur hälfte in den fiscus flössen. zwar konnte der raptor, wie bei den Alamannen, die frau in seiner hand behalten, muste sich aber erst ihr mundium erwer- ben, d. h. niit dem, in dessen gewalt sie blieb, eigens unter- handeln, die hälfte jener 900, also 450, betrachte ich als Ver- dreifachung des einfachen wergeldes von 150; die andern 450 13 waren weniger eigentliche composition als mulcta oder fredum.

Zuletzt sei von den volksrechten des wisigothischen ge- dacht, wo uns III. 3, 1 7 schon undeutsche Vorschriften be- gegnen, entrinnt die geraubte unbefleckt aus der gewalt des räubers, so hat er ihr die hälfte seiner habe abzutreten, unterlag sie ihm aber, so soll er sie durch keine composition erwerben können, vielmehr sein ganzes vermögen ihr zufallen, er öffent- lich 200 geiselhiebe empfangen, seine freiheit verlieren und den eitern der gemishandelten oder ihr selbst als knecht dienen, nur wenn er vorher mit einer andern frau eheliche söhne ge- zeugt hatte, geht auf diese seine habe über, während er selbst in knechtschaft geräth. wagt die geraubte sich ihm zu ver- mählen , so triffit beide todesstrafe ; gelingt die flucht zum ret- tenden altar, so wird ihnen das leben geschenkt, aber es erfolgt Scheidung und knechtschaft. war die geraubte einem andern verlobt und die eitern begünstigten hernach den räuber, so sind sie gehalten den verabredeten kaufpreis dem bräutigam vierfach zu zahlen, und der räuber verfällt ihnen als knecht; des räubers eigenthum wird sonst halb der geraubten, halb ihrem bräutigam überwiesen; falls er ohne vermögen ist, wird er verkauft und der kaufpreis unter das mädchen und den bräutigam gleich ver- theilt. hatte ein bruder als vormund den raub der Schwester gefördert, so verliert er an sie sein halbes vermögen und erhält 50 hiebe, von eigentlicher composition, im sinne des deutschen rechts, ist in allen diesen fällen keine rede.

Fassen wir nun die bisher erörterten volksrechte des alter- thums zusammen, so leuchtet ein, dass sie nicht auf alle hier entspringenden fragen antwort geben, zumeist angelegen ist ihnen die feststellung der composition, wodurch sich der räuber zu lösen vermag; über das gegen ihn stattfindende verfahren, um die geraubte schnell aus seiner gewalt zu retten, gibt es gar keine auskunft, und über das Schicksal der geraubten keine vollständige, sichere, im salischen gesetz wird ihre rückgabe neben der busze verordnet; damit scheint unverboten, dasz der räuber sie nachher um den gewöhnlichen kaufpreis vom vater oder Vormund erwerbe, kommt also die ehe später zu stand oder nicht, so hängt das mit jener composition nicht zusammen, nach ripuarischem recht mag es sich ebenso verhalten, wenn schon des capitale insgemein nicht erwähnt wird, das alaman- 14 nische gestattet dem räuber geradezu die entführte ehfrau und

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braut, warum also nicht die uuverlobte? zu behalten, sobald ehmann, bräutigam und vater einwilligten, nur dasz sich dann die composition erhöhte, d. h. in sie zugleich ein jenen geneh- mer kaufpreis mit aufgenommen wurde, fehlt die einwilligung, so kann zurückgäbe mit der geringeren busze nicht geweigert werden, im langobardischen und angelsächsischen recht wird die befugnis des räubers, die geraubte nach gezahlter busze zu erkaufen, eben so klar anerkannt, im altsächs. wie im alaman- nischen wiederum gleich ein bestimmter kaufpreis ausgeworfen für den fall, dasz der räuber das mädchen behalte, das bairi- sche und friesische gesetz schweigen von der thunlichkeit einer ehe zwischen dem räuber und der geraubten, verreden sie aber keineswegs.

Ich glaube, man musz als durchgreifenden grundsatz un- seres ältesten rechts gelten lassen, dasz eine solche ehe gestattet und un verwehrt war, wenn sich der räuber, unabhängig von der auf den raub gesetzten composition mit den angehörigen der geraubten vertragen konnte, in der that entsprang auch hieraus für die geraubte das wünschenswertheste Verhältnis, zu- mal ihre neigung oder heimliche einwilligung häufig zweifelhaft erscheinen muste. dieser erfolg der sache stimmt zu der volks- ansicht von dem frauenraub, die oben eingangs dargelegt wurde; war dem alterthum die heirat ein kaufgeschäft, so konnte, so- bald die übermütige gewalt des Werbers verbüszt war, der kauf wjeder vor sich gehn. in dem ausdruck nehmen, zur ehe neh- men, den die lateinische fassung der volksrechte durch tollere ad uxorem nachahmt, liegt beides, das friedliche kaufen imd das gewaltthätige rauben der Jungfrau, durch die composition und daneben erfolgte ehe gleichen sich die gestörten familien- verhältnisse wieder aus; um die geraubte und zurückgegebene würden nicht leicht andere freien, unsern begriiFen und sitten scheint zumal roh und verletzend, dasz sogar eine ehfrau dem räuber zu theil werden kann und der erste gatte, vorausgesetzt dasz er sich zur abfindung bequemt, nachstehen musz. allein selbst das epos begünstigt den Paris vor Menelaus und stellt den räuber fast im lichte des siegers dar. die gebrochne ehe herzustellen hält das alte recht für schwieriger, als eine neue zu begründen; den geldansprüchen des ersten ehegatten war nichts benommen, in Äthelbirhts gesetz art. 31 (bei Schmid 32) 15 findet sich ganz im sinn dieser rohen, aber nicht unreinen rttcksicht des alterthums verordnet: wenn ein freier mann bei eines freien mannes weib liegt, so kaufe er sie mit ihrem wer- gelde, erwerbe sodann mit seinem eigenen gelde ein anderes weib und bringe sie dem andern ins haus, d. h. der verletzte ehmann verliert nicht den werth seiner frau, und es wird ihm dazu eine neue gekauft; der sich vergangen hat, musz einmal das wergeld der gattin, dann den kaufpreis einer an-

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dem frau erlegen, die gerechtigkeit des alten gesetzes ist da- mit erfüllt.

Bei allen diesen Hergängen scheint sich die geraubte frau äuszerlicli sehr unthätig zu verhalten und von dem abzuhängen, was die parteien ausmachen, eine merkwürdige wähl, ihr miin- dium selbst zu bestimmen, wird ihr jedoch im langobardischen recht verliehen, und hiermit stehen, wie mich dünkt, andere wichtige rechte von hohem alter in Verbindung, auf welche ich im verfolg zu sprechen kommen werde.

Der christlichen, zu übermäsziger ausdehnung der ehver- bote geneigten, kirche war die ehe zwischen räuber und ge- raubter ein greuel, und es wurden schwere strafen auf den raub gesetzt, die lex un. C. de rap. virg. vel vid. (9, 13) verhängt tod über den räuber und bestimmt auszerdem : nee sit facultas raptae virgini vel viduae raptorem suum sibi maritum exposcere und ihn dadurch vom tode zu retten, concilienschlüsse erklär- ten sich laut gegen solche eben und in den pönitentiarien, z. b. des Theodor und Ecgberht in England hallt es wieder davon, bei den Westgothen, sahen wir, traf den räuber leibliche Züchti- gung und knechtschaft, todesstrafe nur, wenn ehe gewagt wurde, die capitularien der fränkischen könige sprechen verschiedent- lich aus: nunquam illam uxorem habeat; illam feminam ei ha- bere non liceat; womit man die aus Burchards Wormser fami- lienrecht oben angezogene stelle vergleiche, in einer constitutio francofurtana vom j. 951 unter Otto I. (Pertz 4, 26) heiszt es: ne oppressio virginum aut viduarum vel raptus ab ullis homini- bus fiat, raptores sine spe conjugii perpetuo maneant; quod si post haec jüngere se praesumpserint, utrique anathematizentur. erst allmälich liesz solche strenge nach, Innocenz III. verfügte im j. 1201 (c. 7 X h. t.): rapta puella legitime contrahet cum raptore, si prior dissensio transeat postea in consensum. das natürliche mittel machte sich wieder geltend, wodurch in vielen fällen den betheiligten allein zu helfen stan^.

Wir sind hiermit der betrachtung des späteren mittelalters 16 näher getreten, dessen rechtsbücher, den älteren compositionen entsagend, die strafe der notnunft schärfen und auszerdem noch andere eigenthümliche bestimmungen darbieten, im ganzen musz aber eine trennung der begriflPe frauenraub und nothzucht zum gründe gelegt und die grausamkeit der strafen, von welchen so- gleich die rede sein soll, hauptsächlich auf letztere eingeschränkt werden, gleichwol berühren sich beide verbrechen wie in den älteren volksrechten, und sind auch in den gesetzlichen Vorschrif- ten nicht überall zu sondern, die nothzucht wird gewissermaszen immer als ein raub angesehen, was sich in dem engl. Sprach- gebrauch, der rape für nothzucht beibehält, vorzüglich bewährt.^

' der nothzüchter raubt der frau oder Jungfrau ihre frauliche oder jung- fräuliche ehre, er soll auch noch nach der CCC art. 119 einem räuber gleich

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blosze gewaltsame entführung, wobei der ehre des raädchens geschont wird, gilt indessen für ein weit geringeres verbre- chen, als nothzucht, zu der nicht einmal ein raub gesellt zu sein braucht.

Von busze für die notnunft handelt es sich in diesen rechts- büchern also nicht weiter (eine ausnähme des fries. rechts soll hernach besprochen werden ^), es wird geradezu todesstrafe, wie 17 für mord und friedensbruch verhängt : die den man slat . . . oder wif oder maget nodeget, den sal man dat hovet afslan. Ssp. II. 13, 15. wegen keines andern vergebens darf ein haus aufgehauen werden: it ne si, dat dar maget oder wif inne ge- nodeget werde oder genodeget ingevort si. III. 1, 1, und dann wird seltsam hinzugefügt: al levende ding, dat in der notnunfte was, dat sal man unthoveden. ausführlicher noch im Schwa- bensp. (Laszb. 254): unde ist, daz ein maget oder ein wip in notnunfte genomen wirt, und wirt si in ein hus gefueret wider ir willen, oder ob ez ir drinne geschiht unde si ruefet und ir nieman hilfet noch gehelfen mag, mag man die Hute und daz hus uberziugen selbe dritte mit den, die ir ruefen haut gehoe- ret. man sol über die Hute rihten, also daz man in daz houbet abe slahe, man sol allez daz toeten, daz in dem huse ist, rinder unde ros, katzen vmd hunde, huenre und gense und enten unde swin unde Hute, junc und alt, unde allez daz lebende drinne ist, daz sol man allez toeten. unde ist si ein maget gewesen, und daz man daz selbe dritte erziuget, so sol man den, der ez da getan hat, lebendig begraben; unde ist ez ein wip gewesen, so sol man im das houbet absiahen, daz hus dar inne es ge- schehen ist, daz sol man uf die erde slahen. hierzu stimmt der text in Ruprechts von Freising rechtsbuch cap. 167 (Maurer s. 186), der unmittelbar mit dem Schwabensp. zusammenhängt; ebendaher hat das culmische recht 5, 40 (Leman 5, 167) ge- schöpft, eigenthümlich ist die fassung in dem rechtsbuch nach

mit dem schwert vom leben zum tod gerichtet werden, diese Vorstellung geht höher in das mittelalter hinauf, im Parzival 526. 527 klagt eine frau vor könig Artus dem richter an der tafeirunde:

Sit daz ir wsere ein roup genomen,

der nimmer möhte wider komen,

ir magtuom kiusche reine,

daz si al gemeine

den künec gerihtes bseten

und an ir rede traeten. der schuldige wird zum stränge verurtheilt:

man verteilte imz leben unt sinen pris,

unt daz man winden seit ein ris,

dar an im sterben wurd erkant

äne bluotige haut, hernach erfolgt auf dringende Verwendung anderer begnadigung; doch soll er vier Wochen lang mit den hunden aus einem tröge essen.

1 die busze im Schwabensp. (Laszb. 201 p. 95) ist aus Moses V. 22, 29.

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distinctionen 4, 10 (Ortloff s. 202): welch man eine notnunft beget in wichbilde oder in dorfern in eime huse, do der wirt hette rat oder tat an getan, oder iz eme zu liebe wolde gun- nen; komt daz gerufte in frischer tat, daz ez die nackebure hören, die daz irzugen mögen, ob die frouwe oder meit vor gerichte nicht komen mag, ob si darinne beslossen ist, so sullen die nackebure bi der höchsten buz deme gerichte daz irkundi- . gen, daz si daz gehört haben uz dem huse. daz gerichte sol daz hus offenen vmde die suchen, an der die not begangen ist. spricht si denne, ez si an ir begangen unde bede gerichtes unde ist der fridebrecher da, man sol ir zu haut richten mit deme swerte, daz houbt heruzwert, unde den corper under der s wellen uzzien. ist er aber vorfluchtig worden, so sol man in zu haut in die achte tun uf den hals, unde laden die gemeine darzu mit gerufte bi der hosten buze, unde brechen daz gebuwe 18 abe, da die not gesehen ist, waz denne darabe komt, daz ist des gerichtes unde die hovestat der gemeine.

In dies letzte rechtsbuch ist also die befohlne enthauptung alles lebendigen, das an der notnunft theilnahm (wie man die Worte des Sachsenspiegels 'dat in der notnunfte was' auslegen könnte), oder sich in dem haus befand, wo sie verübt wurde, nicht eingegangen, die latein. Übersetzung des Ssp. hat: omnia huic reatui praesentia animalia decollentur, was ein engerer aus- druck ist, da die deutschen texte von allem lebendigen reden und der Schwabenspiegel neben den thieren bestimmt auch die leute nennt, unter dem haus aber liesze sich nach den Worten des Ssp. und Schwsp. sowol das eigne des räübers denken, in das er die Jungfrau geschleppt, als auch das eines helfers, der es ihm dazu hergegeben habe, die distinctionen scheinen nur den zweiten fall anzunehmen, wir haben gesehn, dasz nach salischem und ripuarischem volksrecht die helfer des notnunfters zu schwerer composition gezogen wurden, und die lex un. C. de rap. virg. et vid, spricht allerdings sogar den tod mit über sie aus: ut hi qui hujusmodi crimen commiserint, et qui eis auxilium invasionis tempore praebuerint, ubi inventi fuerint . . . interficiantur. daraus kann man aber jene tödtung alles dessen, was in dem haus der notnunft athem hatte, unmöglich herlei- ten, die thiere sollen es gleichsam büszen, dasz sie der ge- raubten nicht beigestanden, oder durch ihr geschrei keine ret- tung herbeigerufen haben, zumeist fällt einem dabei die vorhin aus der Graugans angeführte bestrafung aller ein, die in dem schiff sitzen, in dem eine frau gewaltsam entführt wurde; so soll alles, was in dem hause lebt, der strafe verfallen.

Es ist eine Überlieferung ganz in dem geiste derer, von welchen unser altes recht erfüllt ist, wobei an wirkliche praxis gar nicht gedacht werden darf; wäre der brauch irgend in Übung gewesen, die annalen oder Urkunden würden eines vor-

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gekommnen falls doch einmal gedacht haben, ich entdecke in solcher mitverurtheilung der knechte, pferde und rinder bis auf hunde, katzen, hühner und gänse herab vielmehr anklänge an heidnische sühnopfer, wie sie uns Dietmar von Merseburg und Adam von Bremen bei verschiedenen gelegenheiten geschildert haben (mythol. s. 29. 32). die tradition davon schiebe ich so 19 hoch hinauf, dasz sie gewisz noch über die zeit der volksrechte 'hinausreicht, die sich ihrer zu erwähnen aus demselben gründe enthalten, der auch den Verfasser der distinctionen bewog, das, was ihm aus dem Sachsen- oder Schwabenspiegel bekannt sein muste, als rein unpractisch hier zu unterdrücken, von ähnlichen rechtssagen, wie man sie nennen könnte, deren Ursprung in das höchste alterthum sich erstreckt, wimmeln die weisthümer unsers landvolks noch in späteren Jahrhunderten; ich erinnere mich dabei einer stelle des Niedermendiger weisthums von 1563 (2, 492), wo von der wähl eines schöffens die rede ist und ge- sagt wird: weigere der gewählte sich des amts, so solle ihm der vogt durch den frohnen einen Strohwisch auf den hof stecken lassen und nachher noch ein, zwei, dreimal beschicken; werde er immer nicht gutwillig, so solle ihm der vogt eine busze setzen: so manich lebendig hertz vff dem hofe, so manich 15 albus, vnd alle tagh noch so viel, so lange bis er gehör gebe, diese busze wird ebensowenig vollstreckt worden sein, scheint mir aber völlig in dem sinne jenes enthauptens alles lebendigen in dem hause, für das Verhältnis des Sachsen- zum Schwabenspiegel ist die kürze des einen, die ausführlichkeit des andern nicht unwichtig.

Hingegen bezweifle ich nicht, dasz die häuser, worin eine solche gewaltthat geschah, wirklich aufgehauen und niederge- brochen wurden, nicht nur führen gerade dies die distinctio- nen, indem sie jener enthauptungen geschweigen, näher aus, sondern einzelne Statute, z. b. die goslarschen heben die allge- meine und für gültig erachtete Vorschrift des sächs. landrechts wiederum auf und verordnen, es solle wegen nothzucht kein gebäude abgebrochen werden, es war ganz den sitten des mittelalters gemäsz, wann waffengeschrei erscholl und die ge- meine dem geböte des richters, des schöflFen und des frohnen vor ein gebäude folgte, worin ein ungerichte verübt wurde, es mit gewalt zu öfihen und zu zerstören, häuser der mordbrenner, der brandstifter pflegte man öffentlich niederzubrennen, ebenso die der ungerechten richter, und noch bei andern gelegenheiten. Besonders al)er bestätigen und erläutern den gebrauch, in unserm fall, die friesischen landrechte, der latein. text der sieb- zehnten küre (Richthofen p. 32. 33) besagt: ubicunque matrona accipitur (d. h. nede nimen is) lacrimans et clamans, et sequi- tur eam scultetus cum plebe, quidquid ei factum fuerit, est no- torium. primitus illi matrone werield, et plebi pax, et sculteto

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solvetur suus bannus. dann heiszt es nochmals in anderer be- 20 Stimmung: ubicunque femina rapta accipitur, et ipsa deprehen- ditur infra domum et infra limen, et ipsa inde extrahitur cum plebis coactione et sculteti banno, fleus et clamans, tunc non oportet juramenta prebere, da bedarf es keines eides und be- weises, die that ist volkskundig, viel genauer reden aber die friesischen texte, zumal von Emsigo und Hunsingo (Richth. 34. 35. 100). weigert sich der räuber das geraubte weib sofort herauszugeben, sendet sie ihren freunden boten, die freunde dem frohnen, so soll dieser unverweilt ein gericht versammeln und so nah an das gewalthaus niedersitzen lassen, dasz er mit seines Speeres spitze dessen dachrinne berühren möge (thet hi tha osa mith sines speres orde retsia muge). mit königlicher gewalt soll er dann die frau herausnehmen, das brauthaus ver- brennen und der frauen erkenne man ihr wergeld, den leuten ihren frieden (fredum) und dem frohnen seinen bann, wird aber der räuber mit dem weibe flüchtig von dem hause zu einem andern hause, von dem andern zu einem dritten, von dem dritten in die kirche; so soll man die drei häuser brennen, die kirche erbrechen und das weib herausnehmen, und ihr wergeld setzen, den leuten ihren frieden, dem frohnen seinen bann, die gesetze der Brokmer (Richth. 166), jener zweiten lateinischen fassung näher tretend, ordnen, das wergeld anders, in dem sie dem weib 2y3 vom wergeld eines geistlichen, den leuten die hälfte dieser 2/3, also 1/3, und den redjeven zwei Schillinge bestimmen, klagt sie die höchste noth und bewährt sie mit 24 eiden, so soll sie ein volles wergeld des geistlichen empfangen, das haus wird den leuten ^ und den redjeven eine höchste mark überwiesen, kommt es zum kämpf (vor gericht zwischen der frau und dem notnunfter), so bleibt das haus stehen, sie bezieht ein geist- liches wergeld und das fredum beträgt die hälfte davon, man vergl. hierzu die latein. abfassung der küren (Richth. 137). end- lich die gesetze der Rüstringe (Richth. 542) werfen der frau 20 mark zur busze, den leuten 100 mark zum friedensgeld aus, und alle heiter sollen 30 mark erlegen, jedes haus, in dem sie eine nacht über gewaltsam gehalten wurde, soll in brand ge- steckt werden, bewährt sie, dasz ihr die höchste noth nicht 21 widerfahren sei, so mindert sich die busze auf 10, das fredum auf 30 mark; wurde sie blosz umhalst und geküszt, ist die busze 5 mark, das fredum 30. übrigens gestatten auch die Rüstringe zur rettung der geraubten das gotteshaus zu brechen (Richth. 129). man lese noch einige andere stellen der gesetze . von Hunsingo und Westergo nach (Richth. 239. 336. 474).

In allem diesem ist nun gar manches der erwägung werth und auf hohes alterthum deutend, es sei zuerst das unmittelbar

1 der gen. pl. thera liuda 166, 17 hängt von einem ausgelassenen verbo se (sit), vergl. 157, 11.

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unter der dachtraufe des hauses gehaltne gericht hervorgehoben ; der frohne soll mit der spitze seines Speers oder etgers die ose (im Ssp. ovese, ags. efese, ahd. opasa, goth. iibizva), den por- ticus des hauses anrühren, d. h. so dicht vor dem hause sitzen, dasz er der geraubten nahe sei und nichts von den thätern und heifern entrinnen könne, dasz sich ein feierliches gericht zu dem hergang selbst verfüge, kommt in unserm alten recht auch bei andern 1"ällen vor, z. b. bei der einweisung in das eigen- thum, wo das gericht zuweilen auf das grundstück oder vor das haus gelegt wurde \ noch mehr trifft aber die vergleichung jenes altnordischen rechtsgebrauchs zu, der, wenn der raub auf einem schiffe geschah, ein gericht an dessen pfähl zu halten befiehlt, kaum ist das schiff" wieder gelandet, noch ist das raubhaus uneröfnet, so bereitet sich alsbald die rettung.

Gericht im schiff" kennen unsere weisthümer bei andern gelegenheiten 2. es müste nur auch das verbrennen des schiff"8, wie des hauses, und dasz der richter mit seinem stabe den bord des schiff"es berühre, vorgeschrieben sein, um die ähnlich- keit noch gröszer darzustellen.

Das friesische recht hat die compositionen überhaupt noch lange aufrecht erhalten, nachdem sie anderwärts schon in stra- fen gewandelt waren, das dreifache wergeld der lex Frisionum ist nur anders ausgetheilt, den könig vertreten die leute (das Volk), die Brokmer weisen der frau '^/s, den leuten blosz \ 3 zu ; 22 dagegen die Rüstringe der frau nur 20, den leuten 100 mark, nach dem Hunsingoer recht soll ein anfall auf die braut beim kirchgang und im brautstuhl dreifache composition nach sich ziehen (Richth. p. 336). neben allen diesen geldbuszen steht aber auch die strafe des hausverbrennens, deren das alte volks- gesetz noch keine meidung thut.

Über die beweismittel sind einige Vorschriften gegeben, wenn das verbrechen nicht off"enkundig ist, kann sich die ge- raubte und überwältigte bald des eides, bald eines gottesurtheils bedienen, unter den gottesurtheilen kommen hier zwei in be- tracht, kesselfang und kämpf: szetel and comp allen etta ned- monda (Richth. 166): per duellum convincitur, mith compscelde wunnen (Richth. 24). diesen kämpf schildern jedoch die quellen nicht als etwas besonderes, und namentlich wird nirgends ge- sagt, dasz ihn die frau selbst zu bestehen habe, sie konnte ohne zweifei einen kämpfen für sich auftreten lassen, zwei süddeut- sche rechtsbücher stellen uns aber sehr eigenthümliche umstände eines kampfes dar, den die frau in eigner person mit dem ge- richtlich angeklagten notnunfter unternimmt, nach dem Augs-

1 Kopp, hess. gerichtsverf. 1, 501.

2 weisth. von Mernich (2, 316): der gelobende legt seine hand auf die phcht (prora), die heiligen werden gebracht und auf die plicht gelegt, dies heiszt ein stehend gericht.

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burger stadtbuch von 1276 (Freyberg s. 55) nemlich sol der man sin begraben unz an den nabel, unde sol er in siner hant haben einen aichinen stap, der sol einer dümellen lanc sin unde sieht äne gevaerde unde hantvollic. so sol diu frowe ein röclin an ir haben unde in ir stüchen einen füstgrözen stein, und in dem zweiten theil des rechtsbuches Ruprechts von Freisingen (Maurer s. 294) heiszt es: wirt aber der frauen und dem nöt- zwinger ein kämpf ertailt, so sol man in eingrabn unz an den napel, daz er sich umb mög gereiben, und sol im die tenken hant auf den rucken pinden, und sol im ain kolben in die recht hant geben, und sol stro umb in streuen, als verr als er mit dem kolben gelangen mag, und der frauen sol man ain stain in ain stauchen pinden, der ains pfundes swaer sei der statwag, und man sol in paiden grieswärtel geben nach kampfes recht, hiermit ist die zum theil ausführliche beschreibung in Westen- rieders ausgäbe s. 91. 92 zu vergleichen. oflPenbar sollen alle diese Vorkehrungen dem mann den kämpf erschweren, der frau erleichtern, d. h. beiden theilen die natürliche Verschiedenheit ausgleichen, vielleicht gelingt es noch frühere spuren eines gewisz viel altern brauchs zu ermitteln, der uns in der Augs- burger und Freisinger fassung ziemlich verschieden mitgetheilt 23 wird; auch in dem, was nach dem kämpfe geschehen soll, wei- chen sie ganz von einander ab. das stadtrecht von Augsburg will, dasz der unterliegende theil lebendig begraben, das frei- singische buch, dasz dem besiegten manne das haupt, der be- siegten frau nur die band abgeschlagen werde.

Doch wir haben überhaupt erst die art und weise der auf die notnunft gesetzten strafen näher zu betrachten.

Nach den beiden spiegeln soll den nothzüchter enthauptung treffen, und so ist auch in einer treuga wahrscheinlich Hein- richs VII. vom j. 1230 (Pertz IV, 267) ausgesprochen: raptus sive oppressio virginis per capitis decollationem punietur; si aufugerit, detentor ipse, a quo reus a judice postulatus fuerit, cum reo pari poenae et sententiae subjacebit. unter detentor zu verstehen ist hier derjenige, in dessen haus der räuber mit der geraubten entflohen war. die worte raptus sive oppressio lassen aber unentschieden, ob blosze entführung imd nothzucht gleich gestellt werden sollen; es ist kaum anzunehmen, dasz der raptor in jenem fall enthauptet wurde, ihn traf wol nur Verbannung, denn eine Verordnung Friedrichs I. vom j. 1281 (Pertz IV, 430) besagt: swer einem manne sine chonen hin- fueret, der ist in der ciehte; selbst der ehfrauenraub wird nicht härter als durch bann bestraft, man mttste denn die acht auf den fall einschränken, wo man des entflohenen Verbrechers nicht habhaft werden konnte, dazu stimmt das Augsburger stadtbuch von 1276 s. 55: ist aber, daz er (der notnunfter) nicht für- kumt, so sol man im dri stunt fürgebieten als denn reht ist.

ÜBEE DIE NOTNUNFT AN FRAUEN.

unde sol in der vogt ze aehte tuon umbe die nötnunft, unde mag ouch niemer üz der aehte komen äne der clager wort, unde sol man in an den £ehtebrief schriben. ebenso eine Genter keure vom j. 1228 (Warnkönig 11% 37): qui aliam mulierem vel domicellam vi rapuerit, unde clamor f actus fuerit, si captus fuerit qui eam rapuit, decapitabitur, si vero aufugerit, exlex erit, et si illi, qui in adjutorium raptoris fuerunt, sunt capti, decapitabuntur, si vero aufugerint exleges erunt. man vergl. die keur der vier ämter von 1242 (Warnkönig 11% li)4). die keur von Dendermonde a. 1233 verordnet enthauptung, deutlich für den fall der nothzucht: quicunque per vim feminam viola- verit, ei Collum cum assere, qui vulgo nominatur planke, 24debet abscidi (Warnkönig 11% 233). das stadtbuch von Gro- ningen von 1425 enthält 8, 24 (pro excol. jure patr. 5, 156): soe we ene vrouwe of ene joncfrouwe noetmundighet binnen Groninghe, wort he begrepen, men slae hem dat hovet of; ne wort he nicht begrepen, men legghen etwelike vredeloes; über- dies werden der frau 20 mark und den heifern eine busze von einer mark zuerkannt, gleiche strafe soll nach 8, 26 dem ent- führer einer ehfrau zu theil werden, wenn wirkhcher ehbruch hinzutrat.

Jenes abschlagen des haupts mit einer planke war schon erschwerung der strafe; nach dem Rheingauer landrecht des 14. jh. (weisth. 1, 542) soll dem überführten nothzüchter, wie dem mörder und brenner, das haupt abgeschlagen, dann aber der leichnam auf ein zehnspeichiges rad gesteckt werden, neben der enthauptung findet sich aber gleichzeitig und in denselben gegenden oft schon die grausame strafe des pfählens und leben- dig begrabens ausgesprochen, ein Eltwiller weisthum von 1383 (1, 547) sagt: den notzogir deilt man in den pal, im durch den buch zu slahen. noch bestimmter und härter das Cröver weis- thum (2, 381), indem es von der genothzüchtigten selbst die strafe vollstrecken läszt : und sulle den man uff' den rucke legen und ime den pal uff" den bauch setzen, und sulle das weib, die also von ime geklaget hat, den pal mit einem schlegel drei stund darauf schlagen, und sollen dan die rechten boden vor- bass durchschlagen, biss in die erde, und ine darin halten, biss er von dem leben zu dem dode bracht wurd. nicht anders die Frankenberger gewonheiten (bei Schminke 2, 755): man soll einen dürren eichen pfähl spitzen und dem notzüchtiger auf sein herz setzen; den ersten, andern und dritten schlag darauf soll die genothzüchtigte thun, die übrigen der henker. das ge- wöhnhche lebendig begraben wird aber ohne solches pfählen ergangen sein, und wo seiner nicht gedacht ist, kann man es nicht voraussetzen, swer die notnumpht begät, verfügt das Augsburger stadtbuch, an megeden, an wiben oder an varnden wiben, wirt der gefangen an der hantgetät, so ist diu rehte

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urthei}, daz man in lebendigen begraben sol. der Schwaben- spiegel unterscheidet zwischen der an einer Jungfrau und an einem weibe begangenen gewalt, jene soll mit lebendig begra- ben, diese mit enthauptung geahndet werden, wahrscheinlich wurde die pfählung blosz gewiesen und niemals ausgeführt, es ist wider die menschliche natur, zu glauben, eine frau werde 25 sich der ihr hier vergönnten räche vmterzogen und die drei ersten schlage auf den pfähl gethan haben, der an eines leben- den brüst gesetzt war; versagte sie sich aber den drei ersten schlagen, so durfte der gerichtsknecht auch nicht die folgenden wagen, die nur zu vollenden hatten, was jene begannen, es wird also durch die fassung des urtheils gewissermaszen in die bände der frau gelegt, dem missethäter das leben zu schenken. Es zeigte sich oben, dasz bei den Longobarden der wähl des geraubten, noch in räubers bänden befindlichen weibes an- heim gestellt war, unter welches mundium sie sich begeben wollte, dadurch, scheint es mir, konnte sie dem entführer die Werbung erleichtern oder erschweren, indem ihr wol bekannt sein muste, von welcher seite aus die forderung höher gespannt werden würde, und sie vermochte dabei den gefühlen und mah- nungen ihres herzens zu folgen, in der that ist kein gedanke natürlicher, als die ausgleichung der verwickelten Verhältnisse zunächst von dem ei)tschlusz der geraubten frau abhängen zu lassen, 'wie zwischen männer und väter gestellt die Sabinerinnen den frieden Roms zu stand bringen konnten, wird auch merk- würdigerweise bei jenem scheinraub der hochzeitsfeste die ent- scheidung ganz in den erklärten willen der Jungfrau gelegt. Vuk in seinem serbischen Wörterbuch schildert s. v. otmitza p. 531 sehr anziehend den hergang einer wirklichen entführung; kommt es zur klage, so musz der räuber mit der geraubten vor gericht erscheinen, und dann stellt ihr der richter die frage: ob sie gezwungen oder freiwillig (ili sila, ili draga volja) von den ihri- gen gegangen sei? antwortet sie: gezwungen, und ich möchte nicht mit dem manne leben, sollte ich auch in stücke gehauen werden, so steht es schlimm um den räuber; er musz ins ge- fängnis und schwere busze zahlen, sagt sie hingegen, was ge- wöhnlich der fall ist, nicht gezwungen, sondern gutwillig und ich will mit ihm sein, im waldgebirg und im wasser; so wird dem richter ein geringes bezahlt, wofür er den räuber mit den eitern aussöhnt, wie nun, wenn ich solche gebrauche auch in andern gegenden als rechtliche aufzuweisen vermag und selbst in deutschen? mit einem altböhmischen recht will ich beginnen, welches sich zunächst jener serbischen gewohnheit anreihen kann; es ist erhalten in einer von Andreas von Duba im 14. jh. abgefaszten gerichtsordnung, die neulich erst Andr. Kucharski in seinen najdawniejsze pomniki prawodawstwa slowianskiego 26 (antiquissima monumenta juris slovenici) Warszawa 1838 her-

48 ÜBER DIE NOTNUNFT AN FRAUEN.

ausgegeben hat; ich hebe die betreffende stelle^ nach der latei- nischen Übersetzung p. 464. 465 aus: de rapina fihae virgmis. si quis pater aliquem in judicio convenire vohient pro eo, quod filiam ejus virginem rapuit, terna citatione et ahis notificationi- bus praemissis in judicio querehim suam proponet. et si tunc citatus dixerit, quia eandem filiam de ejus consensu et bona voluntate recepit, 'et hoc volo probare, sicut mihi jus terrae inveniret'; tunc tenetur plebanum vel ejus vicariura, qui eos copulavit producere in testem, qui juratus super evangelio dicet veritatem, si affuerit consensus tiliae ejusdem, quando eos copu- lavit. et si pater dixerit: 'adhuc non credo eam consensisse, sed peto, quod statuatur eadem rapta coram vobis, ut ab ea ipsa audiatis, si ejus affuerit consensus', tunc eadem de jure statui debet infra sex septimanas et locari in claustro ad sanc- tum Georgium in Castro pragensi apud moniales, ut exspectet ibi Judicium primum. in quo judicio stans inter scamna, inter- rogata de praemissis, si confessa fuerit, se eum voluntarie rece- pisse in maritum, tunc pater eidem filiae et ejus marito citato praedicto mox capita manu propria debet amputare. si vero ipsa negaverit dicens in eum non consensisse; tunc ipsamet Caput amputabit suo marito eidem. si vero ipse citatus in ter- mino non comparuerit, tunc contra eundem tanquam pro capite obtento procedetur. hierauf wird ähnliches in bezug auf den raub einer witwe verordnet; bekennt sie, ihm gutwillig gefolgt zu sein, so wird der räuber von der klage entbunden, sagt sie, dasz es gegen ihren willen geschehen sei: tunc statim eidem rapienti citato ipsamet caput tenetur amputare, et redire ad dotem suam. die frage, ob der raub geschah mit oder ohne ihren willen (z jeje wöli, bez jeje wöle) gleicht ganz der serbi- schen ili sila, ili draga volja; nur das verfahren ist hier weit härter, niemals wird ein vater seiner tochter und ihrem ge- liebten, noch weniger die entführte ihrem entführer das haupt eigenhändig abgeschlagen haben, es war also beiden nur, wie schon Gaupp richtig anmerkt, die räche zuerkannt, deren sie ■27 sich nimmer bedienten ; sie lieszen Verzeihung für recht ergehen ^. gerade so verhielt es sich damit, wie nach altdeutscher rechts- überlieferung mit den drei ersten schlagen, welche die geraubte auf den pfähl in die brüst ihres räubers thun sollte, wer ge- denkt dabei nicht des altfränkischen gesetzes : quod si ingenua ripuaria servum ripuarium secuta fuerit, et parentes ejus hoc contradicere voluerint, offeratur ei a rege seu a comite spata et conucula. quod si spatam acceperit, servum interficiat, si autem

^ sie war früher schon aus der Prager hs. mitgetheilt von Gaupp gesetz der Thüringer s. 382. 383.

Gaupp a. a. o. 384 erinnert an die lex Julia de adulteriis coercendis, der vater soll den auf frischer that ertappten ehebrecher straflos tödten dür- fen, wenn er zugleich die tochter mittödtet.

ÜBER DTE NOTNÜNFT AN FRAUEN. 49

tonuculam, in servitio perseveret. auch da handelt es sich von einer wider den willen der eitern eingegangenen ehe, zwar nicht mit einem räuber, sondern knechte, und es wird wiederum der tochter freigestellt, ihren gemahl eigenhändig zu tödten oder mit ihm in knechtschaft zu leben, d. h. das gesetz will, dasz eine freie, die einen unfreien gemahl erwählt, ihrer freiheit ver- lustig gehe, wie aber die böhmische Jungfrau zwischen eitern imd gemahl stehend zu wählen hat, findet sich in einem irlän- dischen rechtsgebrauch für den fall, wo auf eine zweimal ver- heiratete frau beide männer anspruch machen, folgendes be- stimmt: their neighbours made this arrangement between them, that both the doors of the house should be set open, that Joyce should stand without seven steps from the streetdoor, and Thady in the garden seven steps from the backdoor, and that she should take her choice. solch ein in die mitte stellen gleichsam der selbst unschlüssigen frau ist aber noch eigentlicher ausge- drückt in einem altspanischen recht: wenn einer ein mädchen raubt, und eitern oder verwandte auf die gewaltthat' klagen, so musz er die geraubte herbeiführen und unter Zuziehung von geschwornen (fieles) wird nun die Jungfrau mitten zwischen den entführer und ihre eitern gestellt; geht sie nun zu jenem, so darf er sie ruhig und unangefochten behalten; geht sie aber zu den eitern und sägt, dasz sie gezwungen worden sei, so musz der räuber als ein feind aus dem lande weichen und der könig kann ihn richten lassen, wo er ihn erreicht ^. dabei möchte man noch eine spur des gothischen rechts entdecken, 28 das deutscher wäre, als jene anordnungen der lex Visigothorum. zuletzt kann ich aber die der frau anheim gestellte wähl wirk- lich aus deutschen rechtsquellen des mittelalters nachweisen, die Geuter keure von 1192 verfügt, wie folgt (Warnkönig 11'"*, 15): si quis violenter cum muliere concubuerit, et mulier ipsa, vel parentes ipsius super hoc querelam moverint, mulier in seque- stro ponetur consilio schabinorum, neque apud suos neque apud parentes illius; praeco autem cum tribus schabinis illum citabit, ut infra tertium diem justitiae se praesentet. si venerit, mulier statuetur in medio; quae si ad illum sponte transierit, liber erit ab omni forisfacto et absolutus. alioquin (d. h. si ad parentes transierit) capitali sententia punietur. si vero citatus infra tri-

' fuero viejo de Castiella 2, 2: esto es fuero de Castiella, que si un ca- vallero o escudero, o otro ome, lieva una duena robada, e el padre o la inadre o los ermanos o los parientes se quereUan, que la levo per fuerca, deve el cavallero o escudoro o otro ome aducir la duena; e el atreguado, deven venir el padre o los ermanos o los parientes, e deven sacar fieles, e meter la duena en comedio del cavallero e de los parientes. e si la duena fuer al cavallero, deve la levar e ser quito de la enemistat; e si la duena fuer a los parientes e dijier, que fue forpada, deve ser el cavallero o escudero enemigo dellos, e deve salir de la tierra, e si el rey lo podier aver, devel justiciar.

J. GRI.MM, KL. SCHRIFTEN. VII. 4

50 ÜBER DIE NOTNUNFT AN FRAUEN.

duum juri non paruerit, sine lege permanebit et omnis pos- sessio ejus confiscabitur. und in der keure von Farnes a. 1240 (Warnkönig II ^ 79): qui de raptu mulieris accusatus fuerit, justitia debet eum arrestare et mulierem si inveniantur, et debot eos tenere et adjornare ad tertium diem; et si venerint, debet esse vir ex una parte et mulier ex altera cum parentibus, et dicetur mulieri, quod eat cum illo, si voluerit. et si cum illo ierit, über erit ille, cui raptus imputabatur, et eam debet du- cere in uxorem. si autem cum eo ire noluerit, et de raptu conqueratur, fiet de eo justitia, si super hoc fuerit corivictus. praeterea si ad primam diem citationis non venerit, attinctus judicetur ad hoc. ich vermute, dasz sich noch mehr solcher bestimmungen, vielleicht aus nordfranzösischen coutumes bei- bringen lassen werden.

Eine reihe manigfacher rechtsgebräuche, denen allen ich hohes alter beizulegen geneigt bin, wie es für einzelne gar nicht bezweifelt werden kann, ist an uns vorübergegangen: die rück- 29 erstattung der einzelnen kleidungsstücke mit besonderer compo- sition, das gericht am haus bei der dachtraufe und an den Schiffspfählen, die enthauptung alles lebendigen im raubhause, das niederbrechen oder brennen desselben, der eigenthümlich geordnete Zweikampf der frau und des mannes, die drei schlage, die sie auf den pfähl durch seine brüst thun, die wähl, die ihr zustehen soll, mitten zwischen ehmann und vater gestellt, jenem zu folgen oder das leben zu nehmen, ein Widerspruch ist in diesen Vorschriften nicht; es liesze sich annehmen, dasz neben den geldbuszen auf die eine oder andere weise über das ge- schick der geraubten entschieden wurde, busze, bann und ent- hauptung waren allein praktisch, das übrige ist fast nur nach- wirkung althergebrachter rechtsgewohnheiten , deren Ursprung sich nicht mehr ermessen läszt. drei grundsätze durchdringen aber das ganze verfahren des altdeutschen rechts von der not- nunft: ihre sühnbarkeit durch composition, die Statthaftigkeit einer ehe zwischen räuber und geraubter, strenge gegen die helfer und hehler.

ALTFRIESISCHE KOSMOGONIE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 1. 2.

In einer handschrift des Emsigerrechts findet sich folgende merkwürdige stelle eingeschaltet (Richthofen s. 211):

God scop thene eresta meneska, thet was Adam, fon achta wendem; thet benete fon tha stene, thet fläsk fon there erthe,

ALTFRIESISCHE KOSMOGONIE. 51

thet blöd fon tha wetere, tha herta f'oii tha winde, thene togta (1. thochta) fon tha wölken, the(ne) suet fon tha dawe, tha lokkar fon tha gerse, tha ägene fon there sunna, and tha blerem on thene helga 6m, and tha scöpe (d. i. scöp he, scöp hi) Eva fon sine ribbe, Adames liana.

Hier sind heidnische kosmogonische Vorstellungen gemengt imter die christliche lehre von erschaffung der ersten mensohen. christlich ist dasz gott dem erschafi'nen den lebendigen ödem eingeblasen, was jedoch näher in den heiligen geist bestimmt wird, dann dasz Eva aus Adams rippe geschaffen wurde, den ausdruck liana oder lieber weiblich liane erkläre ich gramm. 1, 418 und verstehe darunter genossin, gemahlin. aber alles was vorausgeht scheint baar heidnisch, und schwerlich hat die phantasie irgend eines kirchenvaters Adams leib auf die hier vorgetragne weise sich aus acht sachen (wendem) zusammen- gesetzt, das gebein soll aus stein, das fleisch aus erde, das blut aus Wasser, das herz aus wind, der gedanke (das hirn) aus wölken, der schweisz aus thau, das haar aus gras, die äugen aus der sonne geworden sein, diese annähme kehrt den alt- nordischen mythus gerade um, zufolge dessen die bestandtheile der weit und erde aus eines ungeheuren riesen leib geschaffen wurden, wie Saemundaredda 33''. 45'' und Snorraedda 8 10 be- richtet steht, des Ymir fleisch bildet die erde, sein gebein die berge, sein schädel den himmel, sein blut die see, sein haar 2 die bäume, seine zahne die felsen, sein gehirn die wölken, die einstimmung ist so bedeutsam, neben aller Verschiedenheit, dasz uns in jenem satz ohne zweifei noch Überreste einer friesischen kosmogonie vorliegen, die ziemlich ungeschickt mit der christ- lichen Vorstellung vereinbart werden sollen, auch der leuchten- den sonne Ursprung aus einem äuge ist dem Norden freilich mit noch andern mythologien gemein, so wie gestirne aus in den himmel versetzten äugen erklärt werden, ja der heutige kinder- glaube nach den sternen deuten engein in die äugen greifen heiszt (mythol. 414). wie tief in unsern volkssagen die geheim- nisvolle beziehung des menschlichen leibs auf die erde und weit überhaupt noch wurzele ergibt sich aus den oft wiederholten erzählungen von felsen die ein abgehaunes stück von dem riesen oder von seen die sein entströmendes blut hervorbrincrt. vielleicht lassen sich aus angelsächsischen Schriftstellern ähn- liche annahmen belegen.

52 SINTARFIZILO.

SINTARFIZILO.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 2 6.

2 Es ist eine jetzt schon unbedenkliche annähme, dasz in

früher zeit manche sagen aus Deutschland nach Scandinavien übergeführt wurden die, unter uns ganz verschollen, dort er- halten Hieben, die längere dauer und, was damit genau zu- sammenhängt, die gröszere fülle der altnordischen Überlieferung steht dem verschwinden wie der armut unsrer heimatlichen ent- gegen; es macht freude, und bewährt den engen bund beider stamme, nachzuweisen dasz der Norden von unsern vorfahren empfieng was er uns rettete, solche mythen, nachdem unsre alte poesie untergegangen ist, werfen noch einen bleichen Wider- schein.

Ich rechne dahin hauptsächlich die gesohichte von Sieg- fpied und seinen ahnen, die wir in der Völsunga saga unmit- telbar an Odinn geknüpft sehn und ohne zweifei auf deutschem boden bereits auf Wodan zurückleiten dürfen, liest man die

s nordische erzählung aufmerksam, so wird ein beträchtlicher theil der namen und des Inhalts unnordisch erscheinen.

So ist gleich Sigi, der unmittelbare abkömmling des gottes [vgl. Sigfadir und Sigtünir], eine im Norden selbst ungebräuch- liche benennung, während das ahd. Sigeo oder Sicco, woraus sich die lesart Siggi [Sn. form. 14] erklärt, oft genug vorkom- men, jenes z. b. trad. fuld. 1, 129, dieses bei Ried no. 72 (a. 890). neben Sigi treten Skadi und dessen knecht Bredi auf, welche beide namen ich wieder nicht für nordisch halte; desto bekannter ist das ahd. scado, alts. scatho, ags. scada, welches latro, ne- quam bedeutet und auch als mannsname gefunden wird. Land- scade war noch im mittelalter im geschlecht der rheinischen ritter von Steinach hergebracht, wenn in der Edda ein Holgi Haddinga skadi heiszt (Saem. 140. 169), so läszt sich das aller- dings auf skadi damnum, pernicies beziehen, doch fällt auch Helgi in den hier untersuchten kreis. Brede kommt noch jetzt, z. b, in Hessen, als gangbarer eigenname vor, ich vermag ein ahd. Preto nicht nachzuweisen, nur zu mutmaszen. merkwür- dig ist, dasz nach dem ermordeten in schnee versteckten Bredi ein jeder grosze schneehaufe (skafl oder fönn) geheiszen wurde [Bredaskafl, Bredafönn]; vielleicht läszt sich dazu noch irgend ein ausdruck aus unsern volksdialecten halten*.

Den söhn des Sigi wage ich nicht anzuführen, weil die lesarten zwischen Rerir, Berir, Beirir und Verir schwanken, [Sn. form. 14 Verir, Rerir, Jerir]. von ihm aber stammt Völsüngr

* bredeman im wald. macht brede. weisth. 3, 427. 431.

SINTARFIZILO. 53

ab, welche benennung nichts mit dem altn. vols splendor ge- mein zu. haben scheint, sondern als ein patronymicum auf Vals oder Velsir hinführt, dem wir in dem goth. adj. valis ^vr^ato? begegnen, die ags. dichtung bewahrt uns die formen Välse Beov. 1787 und Välsing 1747, welches letztere gleichbedeutend mit Välses eafera (Valsi filius) steht und den Sigemund bezeich- net, woraus erhellt, dasz Reris söhne der name Välse, und erst dessen söhne oder Reris enkel der name Välsing gebührt, wel- chen letztern die nordische erzählung bereits Reris söhne bei- legt, ahd. lautet Välsing aber Welisunc (goth. Valisiggs), was noch bei Meichelbeck no. 240 zu treflFen ist, und mhd. zur be- nennung von Dietleibs Schwerte Welsunc verdreht wird.

Der aus seiner sterbenden mutter leib geschnittene Völ- sungr, d. h. der eigentliche Välse, vermählt sich mit einer wün- 4 scheljungtrau, deren name entweder Liod oder Bod war, und zeugt mit ihr eilf kinder, zehn söhne und eine tochter, deren ältester Sigemund, wie wir sahen, erst Välsing heiszen sollte, und nun des berühmtesten hehlen, Sigufrids, vater wird. Sig- mundr und Sigurdr sind freilich auch sonst noch übhche altnor- dische eigennameu, die sich aber nur nach unsrer sage einführ- ten und bei den übrigen deutschen stammen weit verbreiteter scheinen. Sigurdr ist gebildet aus Sigverdr, wie dögurdr pran- dium aus dagverdr, setzt also eine altniederdeutsche form Sige- ferd für Sigefred voraus; wäre der name im Norden altein- heimisch gewesen, warum gälte nicht Sigfridr? ein deutliches zeichen dasz beim Übergang der sage kein volles Verständnis dieser namensform waltete.

Bevor jedoch Siegfried dem Siegmund geboren wird, hatte dieser mit seiner eignen Schwester Signy = ahd. Siginiu, Sigi- niwi (eine häufige ahd. namenbildung), als sie ihm unerkannt genaht war, einen älteren söhn gezeugt, auf welchen es mir bei der folgenden Untersuchung abgesehn ist.

Diesen söhn nennt die altn. sage Sinfiötli und berichtet dasz er und sein vater Sigmundr in wolfsgestalt eine Zeitlang umgelaufen seien, das Beovulfslied gibt ihm den einfacheren namen Fitela, spielt auf ihre gemeinschaftliche fahrt an, läszt aber zwischen Sigemund und Fitela die Verwandtschaft eines oheims und neifen, nicht eines vaters und sohns bestehn *, welche abweichung mit der andern zusammen hängen mag dasz nach der ags. Überlieferung schon Sigemund als drachentödter und erwerber des horts dargestellt wird, während es nach der deut- schen und nordischen richtiger erst Siegfried ist. doch dies lassen wir bei seite.

Dasz das ags. Fitela völlig mit dem altn. Fiötli überein komme braucht kaum gesagt zu werden. Fiötli ist aber wie Sinfiötli der nordischen mundart fremd, die letztere namens-

* aber Sigmund ist zugleich vater und oheim.

54 SINTARFIZILO.

form deutet Biöru vir nodosis nervis robustissimus, also aus sin nervus, sehne, und fiötla nodare, vgl. fiötlur tricae, fiatl actus levis, fitla attrectare. das alles scheint gefehlt.

Ich kann nemlich die ahd. form des namens Sinfiötli dar- thun; sie lautet Sintarfizilo.

Bairische Urkunden des neunten und zehnten jh. liefern 5 wiederholt diesen merkwürdigen ausdruck als eigennamen, ob- o-leich ihn die herausgeber unkenntlich machen, bei Meichel- beck steht blosz no. 440 Sintarvihzilo ungetrennt, hingegen 4ä8. 495. 510. 517 ist fälschlich Sintar, Vizilo, 467. 510. 534 Sintar, Fizilo, 532 Sintar vizzilo gedruckt, als wären jedesmal zwei namen gemeint S [auch MB. 8, 379 (a. 828) Sintar. Fi/zilo]. zwar entspräche Fizilo ganz jenem ags. Fiteia und auch Sintar liesze sich als einzelner name hören, wie es wirklich no. 318 vor- kommt (wenn hier nicht durch versehn fizilo ausfiel); allein es wäre seltsam dasz zwei überhaupt so ungewöhnliche Wörter be- ständig in derselben folge hintereinander als namen aufgefülirt werden sollten, da sie eben in ihrer Verbindung Sintarfizilo sichtbar dem altn. Sinfiötli gleichstehn. auch Ried im cod. dipl. ratisb. no. 79 (a. 999) bietet die etwas veränderte form Sintar- fezzil (wie für Sintar, fezzil zu lesen ist) dar; die aus Meichel- beck angezognen Urkunden fallen sämtlich unter die freisingi- schen bischöfe Hitto (f 836) und Erchanberht (f 853). wie im 13n 14n jh. einzelne eigennamen der romanischen rittersage unter das volk drangen, so durfte sich im 9n und lOn oder früher mancher aus den einheimischen mythen behaupten die damals noch gangbar waren und bald untergiengen. hier lernen wir nun wie der alte held wirklich hiesz; aus Sinfiötli kann kein ahd. Sintarfizilo werden, wol aber aus einem alts. Sindar- fitilo, Sindfitilo ein altn. Sinfiötli. die volle ags. gestalt würde Sindurfitela lauten.

Ohne zweifei hieng der sinn einer so auffallenden benen- nung mit dem Inhalt der vollständigen sage selbst zusammen; ich will versuchen so gut es noch gelingen kann ihn zu er- schlieszen.

Das ahd. adj. fizil scheint genau das lat. petilus und ich habe gramm, 2, 559 das compositum fizzilveh, welches eine nähere bestimmung des begrifis der buntheit liefert, aus ver- schiednen glossen aufgewiesen. Grafi" 3, 426 erklärt es nicht, über petilus gewährt Festus 205, 22 Müll, folgendes, petilam suram siccam et substrictam vulgo interpretatur. Scaevola ait 6 ungulam albam equi ita dici. jene Zusammensetzung lebt noch

^ Meichelbeck zeigt seine Unkenntnis der alten sprachen öfter; no. 111 kommt die unsinnige stelle zum Vorschein usque ad magnum rubum qui vulgo dicitur Darpidern, Lachin, Zoder, Michilm, Eichi; man lese dar pi deru lächin z6 deru michilun eichi. [vgl. Müllenhoff bei Hpt. 7, 530.]

SINTARFIZILO. 55

im mhd., denn Flore 2734 [Sommer 2760], wo ein bunter zeiter beschrieben wird, ist die verderbte stelle zu bessern

er hjete stark gebeine,

hohen fizzelvehen fuoz. ein ags. fitelfah begegnet nicht, doch Fitela kann für sich weisz- füszig bezeichnen, gleich dem lat. wort, was soll jedoch die beifügung von sintar? ahd. sintar, mhd. sinder, ags. sindor ist sonst schlacke, scoria, spuma metalli, worin so lange die masse nicht ausgeglüht hat noch färben zu spielen pflegen; es scheint also der begrifi:' von fizil nur dadurch erhöht und Sintarfizilo drückt ungefähr aus was Fitela. da indessen altn. sindri silex und sindra scintillare bedeutet, könnte auch gedacht werden an flecken wie kieselsteine, oder funkelnde, am schwersten fallen wird es zu rathen aus welchem gründe Siegfrieds Stiefbruder den seltsamen namen führte, ich habe anderwärts gezeigt dasz das Verhältnis der stiefverwandtschaft durch bunte färbe ausge- drückt wurde [wie Erpr Hpt. 3, 152 der rothbraune Stiefbruder] und Sinfiötli war sogar ein von bruder und Schwester gezeugtes kind. steht er im gegensatz zu den echterzeugten (-j'vrjcfioi?) Welisungen? oder liegt darin eine andeutung seiner Verwand- lung in einen grauen wolf mit w^eiszfleckigem fusz?

So viel bleibt ausgemacht, Sintarfizilo und Sinfiötli sind dasselbe und jenes rührt aus der nemlichen mythe in welcher noch dieses erhalten ist. da aber Sinfiötli auszer der Völsünga saga bereits in Eddaliedern auftritt (Snem. 153. 154. 163), wo gleichfalls auf sein Umschweifen als wolf angespielt wird, so musz die übernähme des stofis der sage freilich in sehr früher zeit erfolgt sein, in Deutschland scheint selbst der untersuchte eigenname nach dem zehnten jh. auszusterben.

TYROL UND FRIDEBRANT.

Zoitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 7 20.

In der geschichte unsrer poesie ist kaum etwas dunkler 7 als das Verhältnis der sage von könig Tyrol von Schotten und seinem söhne Fridebrant. wir besitzen ein schönes [?nur str. 25 44] lehrgedicht, von einem unbekannten Verfasser, aber aus der besten zeit des dreizehnten jh., worin der alte könig seinem söhne erst zwei räthsel vorlegt, und, nachdem er dessen befrie- digende auslegung vernommen hat, eine reihe eindringlicher lehren ertheilt. etwas anderes und wahrscheinlich gröszeren umfangs war aber des küniges Tyrols buoch auf welches Boppo

56 TYROL UND FRIDEBRANT.

MS. 2, 236 dreimal sich beruft, wegen eines räthsels von sieben krönen oder frauen, deren in jenem gedichte nicht erwähnt wird, alle drei fragen beziehen sich auf Daniel den weissagen, in dessen biblischem texte nicht danach zu suchen ist. man sollte dem vollständigeren werk auch nur geistlich allegorischen Inhalt zutrauen, das gegentheil folgt aber schon aus dem Wart- buro-er krieg, wo MS. 2, 14^ eines zauberringes gedacht wird der dem könige Tyrol zum sieg im Schachspiel half, es musz also eine gröszere dichtung auch erzählender art gegeben haben. Dies erhellt nun weiter aus der weise in welcher Wolfram einen Fridebrant von Schotten in Gahmurets geschichte flicht, Parz. 16, 16. 25, 2. 25, 20. [52, 28.] 58, 7. keine meidung ge- schieht des vaters Tyrol, wol aber erscheinen um Fridebrant andere gar nicht romanisch klingende namen, Iliuteger von Schot- ten [Parz. 25, 9. 52, 18], Isenhart [25, 24], Hernant [25, 4], Herlint [25, 5]; zumal merkwürdig ist, dasz Fridebrant eine tochter Schiltungs zur ehe hat 48, 19, welcher Schiltunc doch zu den Schiltungen, Skiöldungum, der uralten deutschen sage gehören musz. noch in Albrechts Titurel tritt Fridebrant ver- schiedentlich, immer als nebenfigur, auf, namentlich 12, 26 30 und 21, 41 44, wo erzählt wird dasz er den Hernant schlug und dessen seh wert erbeutete; auch hier 15, 122 heiszt Schil- tung sein Schwiegervater. Tyrol wird eben so wenig genannt. Christians französischer Perceval mag auf diese namen und abenteuer nicht anspielen (wiewol man immer noch nicht nach- sehen kann); allein Kyot kannte sie vielleicht? denn in Hiutoger ; befremdet der erste theil und scheint entstellt; selbst Fridebrant ist unter ahd. namen kaum aufzuweisen, sondern nur Fridu- peraht, wiewol beide formen wechseln dürfen wie Hiltiprant und Hiltipraht. wären aber alle jene namen schon bei Kyot gewesen, so musten frühe schon deutsche Überlieferungen unter romanische gedrungen sein, wobei man auch Sigüne, Frimutel, Titurison und manches andere in dem räthselvollen grund der Gralssage zu erwägen hätte.

Noch mehr fällt auf dasz im Gudrunliede von einem Fride- schotten lande die rede ist. den Sigebant von Irlant, als er seine braut Uote von Norwaege abholt, geleiten frideschottische recken, 9, 3 [1. vuoren mit ir (vgl. 2, 382)] ; sie sind aber nicht aus seinem reiche, sondern norwegische lehnsleute, denn Uote sagt 30, 1 selbst do ich magetlichen in Frideschotten saz, und Hilde, ihre enkelin, wendet wider Hartmuots Werbung um Gu- drun ein, sein vater Ludwig sei ihres vaters Hagen mann in Karadin, aber auch in Frideschotten angesessen 611, 1.*

Ich zweifle nicht am Zusammenhang dieses Frideschotten - landes mit könig Fridebrant von Schotten, schwerlich geriethen jene stellen erst aus Wolframs Parzival in die Gudrun, son-

* was soll hier könig Otto?

TYROL UND FRIDEBRANT. 57

dem waren schon im zwölften jh. darin, eher scheint mir der mannsname Fridebrant ans dem örtlichen entsprungen.

Karadin, Karadie, das ich eben anführte (denn der übrige Spielraum des Gudrunliedes bleibt hier bei seite), könnte eine britannische landschaft sein, auf welche man des Ptolemaeus KopiTavot anwendet, womit der eigenname Caradoc, Coroticus zu vergleichen ist (Diefenbachs Celtica II*", 147). Gruonlant Parz. 48, 29 ist das Groenlands fylki der landschaft Vik in Norwegen, was wäre Frideschotten? sollte man an das engl, frith = firth sinus maris denken dürfen?* in Norwegen liegt eine gegend Firdir oder Firdafylki genannt, was gerade so aus fiördr sinus maris zu deuten ist; wegen des beisatzes Schotten musz aber eine britannische oder schottische landschaft gemeint sein die ähnlichen namen führte, es gibt dort mehrere flrths oder friths, namentlich die von Forth und Clyde (Diefenbach 271. 315) und die meerenge zwischen Schottland und den Orcaden hiesz Pet- lands firth**, Pentlands frith (Diefenbach 209. 240) altn. Petlands- fiördr (zwischen Katanes und den Orkneyjar) fornm. sog. 1, 200. 9 5, 33. 10, 125, also gerade auf der scheide des schottischen und nordischen gebiets, so dasz die sage mit gutem fug Fride- schotten in verbindu:ng mit Norwegen bringen durfte, läszt sich die Vermutung ertragen, so wäre auch annehmlich dasz ein könig Brand, von welchem ich doch wie von seinem vater Tyrol keine spur aufweisen kann, Firthbrand oder Frithbrand ge- heiszen, auf den Orcaden gewohnt und sich rühm erworben hätte, den heiligen Brandan aus Schottland oder Irland (welche beide länder sich oft vermischen) bringe ich schon deshalb nicht in anschlag weil ihn unsre dichter des 13n jh. von Fridebrant unterscheiden; auch war er kein königssohn. ob die bekannte sage der meistersänger, Wolfram von Eschenbach habe von seinem meister Friedebrand zu Siegbrunnen (?) in Schottland bücher empfangen, wie man vermutet, auf die stellen des Wart- burger kriegs von einem buche Brandans (MS. 2, 9'^'') zu be- ziehen sei, lasse ich dahingestellt.

Ausgemacht ist die beriihrung der geschichten Gahmurets mit denen von Tyrol und Fridebrant, wie auch schon jenes lehrgedicht des im Parz. auftretenden Amphortas vind des Flege- tänis (Parz. 453 455) gedenkt, viel mehr aufschlüsse würde uns die dichtung von Tyrol und Fridebrant gewähren, hätte sie sich vollständig erhalten.

Ein kleines seit vielen jähren in meinen bänden befind- liches bruchstück derselben wäre längst herausgegeben, sähe es nicht gar zu übel und verderbt aus. ich hofi'te immer eine ganze und bessere handschrift würde noch an den tag kommen, dasz ich endlich damit hervortrete bedarf freilich keiner ent-

* Diefenbach hall. lit. ztg. 1843 p. 57 vergleicht Brython. ** Petland Pehtland, Pictland.

58 TYROL UND FRIDEBRANT.

schuldigung, da es au sich schon zu wissen nützt eine solche dichtung sei bestimmt vorhanden gewesen und zwar gerade in der Strophe abgefaszt die auch dem ohne zweifel älteren lehr- gedicht eigen ist.

Die hs. ist auf pergaraent, wahrscheinlich noch aus dem Schlüsse des 13n jh., das format war wol quart, mit zwei spal- ten, von welchen die zweite oder äuszere jedesmal über die hälfte der länge nach weggeschnitten, auszerdem hat die schere aber auch jedes blatt oben ungefähr um ein drittel verkürzt, unten fehlt nichts, die vollständige spalte wird etwa vier stro- 10 phen, deren Zeilen nicht abgesetzt sind, die seite acht, das blatt sechzehn enthalten haben, will man jeder spalte fünf Strophen, dem blatt also zwanzig beimessen, so wäre kleinfolio anzuneh- men, die folge der blätter, wie ich sie gebe, scheint richtig, auch läszt der Inhalt keine grosze lücke vermuten, alle blätter haben dazu durch wurmfrasz viel gelitten, was noch zu lesen ist wird hier getreu mitgetheilt, zugefügt sind blosz die groszen anfangsbuchstaben jeder strophe.

In dem beginn des bruchstücks scheint Tyrol den Fride- brant anzureden und wegen gefangennähme der riesen zu prei- sen, dann wird erzählt dasz die königin (kaum Tyrols ge- mahlin, sondern eine andere, vielleicht die deren land durch besiegung der riesen befreit worden war?) fürsten und ritter- schaft zu einem hofspiel (ohne hämisch) entboten habe, es folgt eine Schilderung des glanzes dieser Versammlung und der Schönheit der frauen. auch Megram, von dem man nichts weiter erfährt, wird besendet, zwölf herrn und grafen tragen fahnen vor, die königin führt den Baldewin (etwa ihren eignen söhn) an der band vor die beiden könige und bittet für ihn um er- theilung der fahnenlehn, welche auch Tyrol und Fridebrant bewilligen. Fridebrant wird als mit belehnend dargestellt.

Auf der verschnittnen vorderspalte der seite D stand ver- mutlich der name Gahmuret, dessen Zusammenhang mit unsrer fabel schon vorhin angemerkt wurde, nur läszt sich nicht ab- nehmen, auf welche weise er etwa hier eingreift, gleich dunkel bleibt uns der name Velsiane auf seite A.

Die ankunft eines fürsten macht dem fest ein ende, der vor könig Tyrol klagt dasz ihm achtzig seiner leute erschla- gen seien und wahrscheinlich zur hilfe auffordert. Tyrol zieht nähere nachrichten ein und diese werden nun im verfolg ge- geben, zwei haibleute und ein meerwunder verübten diese un- that. diese halbleute sind die sogenannten elstermenschen, ne- grepies, mit ägelstermäl, zu welchen auch Feirefiz im Parz. gehört, halb weisz und halb schwarz über .den ganzen leib ge- theilt, altn. half litimenn , von hälflitr halbfärbig. ihre knappen führten kostbare mit steinen verzierte watsäcke und ritten auf dromedaren. der kämpf mit diesen haibleuten und dem meer-

TYROL UND FRIDEBRANT. 59

wunder wird umständlich erzählt, wobei die namen eines grafen ii von Massidam * und des burggrafen Sigeram erscheinen, nicht recht verständlich ist warum auf seite F Tyrol aus seinem lande vertrieben vorgestellt wird.

Die letzte seite beginnt aber wieder ein anderes abenteuer vorzutragen, dessen anknüpfung an das vorherige uns entgeht, denn kaum ist der hier besprochne teufel, den ein kapellan mit buch und Weihrauch verjagen soll, noch jenes meerwunder, den kapellan befällt furcht, er äpringt in ein gadem, wirft dessen thüre zu und ruft der teufel führe seinen herrn von dannen. ein knappe mit den kerzen scheint aber diesen nicht im stich zu lassen, hier hört das fragment schon auf.

Der ganzen Haltung nach musz das vollständige gedieht von ziemlichem umfang gewesen sein.

Es gebricht auch nicht an merkwürdigen ausdrücken und sprachformen, welche letztere sich einem niederdeutschen dialect, zuneigen, der aber mehr auf rechnung des Schreibers als des Verfassers kommen könnte, dahin gehört de für die, dese, rese, er für ir, ufte für ofte, gift für gibt, git. zachzich für ahzic kenne ich aus keinem mhd. werk, es ist das nl. tachtig und gemahnt an das alts. antahtoda, worüber ich anderswo umständ- licher sein werde, auch vangen A, 7 für gevangen ist nicht mhd. adelarn A, 7 statt des mhd. adelar steht im reim: gevarn, umgekehrt var für varn A, 13: dar. bremzelich B, 11 wird noch im nhd, brenzlich gehört, man mohte viur hän drüz ge- slagen nach Parz. 257, 20. hochgevertic und gebuz C, 12 statt des mhd. höchvertic, buoz. sind tinnekleider C, 3 schleier? die von der stirne bis zum fusz herab hängen. C, 9 daz serpant an den fahnen scheint weniger ein darauf gemahltes oder ge- sticktes bild, als besonders daran befestigt, vgl. Bit. 11157 den schilt unz üf die slangen versniden. wasecke E, 10 für wät- secke. F, 3 bi desen vlecken scheint nichts als ze disem male. G, 10 fällt ouch mit der bedeutung von nur auf. in eren stän G, 17 reverenter, wie dem ahd. era der begriff von reverentia, observantia beiwohnt.

Auch die schriftzüge bieten einiges ungewöhnliche, beson- 12 ders in dem buchstaben z, der fast wie z gebildet wird ; m und ein übergesetztes kleines t drücken mit aus B, 18. D, 2. 5 für et ist bekannt, auf seite H war der Schreiber sehr nachlässig und muste vier doppelt geschriebene Wörter durchstreichen, wo- für ihm einige andere ausgefallen sind, bei abtheilung der Wörter erlaubt er sich einen einzigen consonanten ins ende der zeile zu bringen.

* =: Mazidan im Parz.?

60

TYROL UND FRIDEBRANT.

"S

vn dines hoen prises guft vf erden vnde in maniger

luft so wunichlich kan gevarn dv bist der tugent ein adelarn ein ber- ch ZV marroch mir ein wint da- kegen zv nemene were vur daz de resen vangen sin

Nv hette de kunigin kunt getan den uursten die ir ri cheit han . vntfangen uon des kv ninges hant beide über wac vn über lant sie suln ane harnasch v- ar durch kurze wile zirme spil sus quamen sie al gemeine dar

Die bodescaft wart so uurnom daz islich herre solde kume mit alle sinen urowen wert des habe de kuninge ge gert des sa- ch man uberz geuilde varn so uil der werden ritterscaft wol geziter urowen scharn

cht

vnde

lin sie . . . cht . baz ir hoch . . . gruzeten sie gar

Svs zoch de zwe elpha at von nuwen . . da mit heiz sie in solden zwene rise vnde velsianen . hortich sagen . .

De kunTgin meit vur ir reit d . . spra .

ten siten

hochgelobten u . . ritet ZV . irinde bracht zw . n tirol

3. 1. wuniclichen 7. 1. vangen sint 21. 1. gezirter

TYROL UND FRIDEBRANT.

61

B

gelac

ucht uor

sol

daz der

daz sint ir

.... daz min urowe .... ZV dem (J wil prach ich wene mir ich entet der kuni . . . daz vmbereit ist . . n ist noch uullen- a sach vber den snite er riche wat

bat er bliben hie wende nie begie de

nicht gezeme daz

eme ich

ort sus ^

. . wi . . de risen h-

amen an daz zil daz

u

hurte quam de kunigin siez geheize haut ein uurste der heiz galferat der quam mit scalle so man sait daz beide gast vnde ouch der wert vnde daz huz von done wait

Da was von uremden landen niet

icheit ouch de landesherren ....

sach

wip man da manigen klaren lip an urowen de ouch mvnde tragfen bremzelich vnde rosenuar man m- ochte viur han druz geslagen

Nv sint de hoesten kumen gar ZV höbe man wart uil schire war daz man de kumende schone vntphec raanich vrowe dort gezi . . t ginc gift got den engelen sulche kleit in sime himmelriche so hat er .... chlichen uf geleit IVT" V wart ouch megram besät

2. 1. hat 16. 17. geziret 19.? wuniclichen

62

TYROL UND FRIDEBRANT.

c

15 nv stunt daz hochgeuertige wip wen in wart allen kumbers gebuz de tinne kleider tiure gent ir su- chen uf den vuz

Nv sint de kuningine hi zwelf heren vnde greuen bvri die heiz sie zwelf vanen dar tragen ob ich iz V rechte kan gesagen de waren silber wiz gevar daz ser- pant dran uon golde de truch nv d' vrowen gar

De kvniginne baldewine bider nant als wol sich hoch- vart gezam sie vurtin vur de kvnl gin san sie sprach den ich hie bi ban- den han de wil v dienstes wesen bi vnde lihet im kuninge riche mit vanenen daz lant zv gl . . . ri

De^ kunic tirol vnde fridebrant de vanen namen an de hant

geschemen nen da sie

u

il pre

ir

rosse vnde seh ge baldewin len komen . . wa . . da be h

Hort we . pellel . daz solden r de . . . res v . hitzen . . . den gap . . .

Nv het leit a den elphen de han . . . . . e reit .

13. 14. 1. hoher art

14. 1, vur de kunige 18. 1. vanen

TYROL UND FRIDEBRANT. 63

D

Q . . . te quam vnde we man clage 16

h vur wnde von im uor nam daz maniger ^

nde ouch sins im muste klagen er sprach vor-

nen vnde w^de howen vnde irslagen sint mir

umber da . . wol zachzich miner man daz kla-

en gar ane ge icht von liuten wen iz hat der

tiubel mir getan

mbe den vur- ^ er kunic tirol urogete in me

amuret der 1 ß er sprach herre iz quamen vb^

r dort uor kfi den se zwene man de sint halp liu-

ure weiz swe ten gelich ir wapen sin vmmaze

ore man in rieh mit in ein merwnder vert

n in des w^de sie engerten niens geleites da

wart laster mir beschert

. . ort da . . Jr ros de sint vmmazen stark swe

.... ab saz sere . . ch ein . . . or mich barch ein

. . vil da zw halp der nasen ist er blank vn

. gen im sin anderhalp daz har so lanc rechte

a . . e dem . . als den beren bequam

haben er i n liuten des mach ich uch

d nicht wol gewern

13. niens undeutlich, vielleicht mens für

mins? oder niemens? 16. sich einer vor mir?

18. anderhalp swarz, daz har

19. einem wilden

20. iener, iender den liuten?

64

TYROL UND FRIDEBRANT.

E

17 T^ a er daz swert ouch inne hat 1 / de hant er ofte scowen lat de ist im groz lanc wiz unde wiz dar an lit wol des wnsches vliz sie ist gestalt nach Hüten site vil öfter mir zeigete ichen weiz nicht w- az er meinte mite

Die sie zv knapen wollen han de sint dem tubele ge lieh getan sie uuren zwene wa secke rieh von steinen sint sie kostelich han ichz geprub3 rech- te dort so sint de steine tiure in eineme siclatun vwort

De dese secke vurent hie zwe dromendare . . . iten sie als ich in vnd^ de ougen sach min h'- ze scrichkes mir viach de zene in vz dem munde gan al sam zwen ebere wilde de wezzende vor hunden stan

gelouben.daz . . starken in den . . de tut vns grote . brüst ist iz ein . . vf gerichte . . s ho im gestriteu kan

Sin ysenkra . . swelch ende gedranc da sl . . lieh . . er swertes d . . schilt d damit .... scirmens . . .

Vor dem rt vom w veste wert vur listen swen iz mane zv hant . schilt vnde h . zv dechein . .

TYROL UNt) FRIDEBRANT.

65

F

lie nich gewinne

herter den ein

in tubel im den zi-

vnde ouch uon liu

e des scame der

. . dem . . och uil

n uf der strazen hette ouch vor uns az der greue uon esten also nahe . . ä . . ZV gesprach wer zeit im sei- haben sie sich gewät s namens in de sint uon rore starc der tsost sich brach gewort von golde har scarf ir snide . . vn ir ort

kvnig icht bekant den man da ti 18 rol hat genant nv hat in ellelende bracht daz wir bi desen vlecken des edelen ufte han gedacht

De rede enhalf nicht vmbe ei har sie gachte alle vor mir dar do maymete wart genant vn ouch er got her teruigant vil sper uf sie gestochen ward daz gulde sie hie wid^ al so daz da nicht Schil- de wart gespart

De erste zoist de da gescach als mir min marscalk sit ver- iach de tete d^ greue von massidam vn der burcgreue sigeram mit hur te sie uf ein and* triben ich clag min hoben mage de sint beide tot blibe

So ritterlichez ane kvme wa't nie toste me vur nomen ZV rechter maze ir galopeiz

17. 1. höbet mäffe

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII.

66

TYROL UND FRIDEBRANT.

G

19

rch torste iz nicht lan . die wile de heren uor im sint nv ob iz daz tier ich man

Vom dem getwerge wart ge scrit ZV hant daz tier mit Sprüngen wit vor mitte her I vnse scar wir drangen ouch mit im dar sin swert ist swere vn also scarf durch alle wape man der siege ouch eines zv dem tode darf

Daz merwnd' liez ich sin da karte ich ande herre bi . . . sehs vnde dritzich miner man ob ich de warheit spreche kan de hant de zwene mir gesla ge vnde dese zwene ircrazet waz ist daz ich von dem tubele sa

Da waren heren vn Q gen die diet die note von ein

kurn .... wir . . . . . we . . ist s ges . trage uo n

y^et

I / den

des sint ir mit s nv ko lazet . . de bi der .

Vf der min le der mit kegen mi . heiz mich den schilt merwnd^

2. 3 undeutlich

20. von einander schiet

TYROL UND FRIDEBRANT.

67

H

guten h

o . . dem

. . daz tor

. . not . .

. . nicht

h ich solde h

gen der gre-

at mich h'

. . rite wor

. . in dem

gesunt

vurnä

rage er bal

ein cäpel-

me k*

acht sovm

ent er andaz

. . uf a tor

... da vor

. . wirt nam l

. . vust al hie

20

luge der kappellan getruwet nicht daz got im nicht gehelfen muge

Der wirt gelobete sund' wan daz lucifer w'e sund' wan vz gelan vil manich cruce er nicht verbreit zo haut do rief der selbe wirt hin vmbe nach den kappellä nv bringj wiroch vn buch der tv

Der wirt d' Q tubel wolle lan muste in sorge stan von da nen stoup d^ cappellan in eim ga- dem daz er veste vant die warf er da zv hant kege sine urowen er do iach mine here vurt der tu- bel hinne mit minen ougen ich daz sach

Der knape in grozen eren stat der noch de kerze vor im hat sinen h'ren wolder rates wem ir seht wol wes de geste ges gern

2. 1. im noch gehelfen 4. sund' wan durchgestrichen 6. 1. verbirt

8. tv durchgestrichen. 1. ob vns der tubel

11. 1. ein gadem

12. 1. die tur

20. ges durchgestrichen

^3 UOTA ANO ATO.

UOTA ANO ATO.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 21 26.

21 Warum heiszt in unsern epen Kriemhildens und der bur-

gundischen Nibelunge mutier Uote, Hildebrands frau ebenfalls Uote, in Gudrun nicht blosz Sigebants mutter sondern auch seine gemahlin wiederum Uote? es scheint stehender name für Stammmütter und ahnfrauen der heldengeschlechter ; auch Vil- kinasaga cap. 151 nennt Hagens mutter Oda. [im liudulfinischen stamm steht oben an Oda, Liudulfs gemahlin, tochter des Bil- lung und der Aeda. Liudulfs eigne mutter heiszt Ida. Pertz Ö, 306. 316. Eaditha 6, 321. Oda, gemahlin des Osantrich, mutter der Erka (Helche), gemahlin Attilas. frau Ute Pröhles deutsche sagen 174. Utchen 271.] das wort ist sicher nur seiner bedeu- tung wegen zum eigennamen geworden, und diese kann keine andre sein als eben proavia oder abavia, atavia, des ganzen Stammes urahnfrau. kein dialect hat sie aber aufbehalten als der altnordische, in welchem, wie Biörn lehrt, oda (ich schreibe absichtlich nicht oda) den begriff' von avia magna ausdrückt, [helgoländ. oot avia. Ölrichs 69. 6t Ötker 401. 402. 405.] in der kerlingischen sage hiesz die stammfrau Berhta, wie das mythische wesen der ahnmutter welche noch jetzt in einzelnen geschlechtern erscheinen soll entweder auch Berhta oder geradezu die weisze frau, was dieses namens sinn ist, genannt wird.

Unsere heutige spräche ist arm an Wörtern die abstufung der vorfahren zu bezeichnen, aus einzelnen älteren sprachen und den volksmundarten läszt sich noch der ehmalige gröszere reichthum abnehmen.

Snorraedda gibt s. 199. 202 für die begriffe pater, avus und proavus die altn. ausdrücke fadir, afi* und äi; für mater, avia, proavia hingegen modir, amma und edda. in Rigsmäl werden dieselben sechs benennungen merkwürdig an die spitze der drei geschlechter, also nicht unter sondern neben einander gestellt, so dasz die unfreien von Ai und Edda, die freien von Afi und Amma, die edeln von Fadir und Modir abstammen sollen, diese dichterische anwendung jener terminologie scheint unbegründet, da die edeln gerade von den untersten vorfahren, nicht von den obersten hergeleitet werden; vermutlich war da- bei die meinung, dem adel eine unwidersprechliche abkunft zu 22 sichern, dem stände der freien und unfreien eine dunklere von ungewissen voreitern einzuräumen, unter den namen ziehen besonders äi und edda an.

* vgl. dlTCp'JS, CtTItpÜS.

UOTA ANO ATO. 69

Edda, das die berühmte benennung des buches geworden ist worin wie im gedächtnis der erfahrnen urgroszmutter die sagen der vorzeit bewahrt sind, müste nach den consonant- verhältnissen unserer verschiednen dialecte goth. izdö, ahd. ertä lauten [nicht ai])ei, eidi (s. 25)]; doch keine dieser formen läszt sich aufweisen, um so weniger wage ich ihre wurzel aufzu- klären, auch äi scheint zu mangeln; genau zugesehn ist es aber deutlich vorhanden, nemlich nichts als das ahd. ano ^, dem ein goth. ana entspräche ^ [mhd. ene, Schweiz, ähni (kaum auch anicho s. 25)]. äi steht für ani [Ani Sasm. 116**], wie die präp. ä für ana, gas für gans, })orr für Jjonar u. s. w. das ahd. ano, welches auch den Angelsachsen abgeht, aber ona gelautet haben könnte, drückt zwar avus aus, würde sich jedoch ebenso wol für die höheren stufen der ascendenz eignen, man ist bisher verlegen gewesen es zu deuten, ich führe es unbedenklich zu- rück auf das goth. anan spirare, prät. 6n; ana bezeichnet den der ausgeathmet hat, wie hana den der gekräht, buda den der geboten, nuta den der gefangen, giba den der gegeben hat; eine menge solcher schwachen subst. des begriflFs vergangner handlung bilden sich mit dem vocal des part. prät. starker verba. ano ist also ein verstorbner oder auch ein dem tode naher greis, was die Griechen IxTrsTtvsuxu); nennen, und nun wird uns zu- gleich das ahd. urano abavus aufgeschlossen, welches goth. uzana wäre, und sich aus uzön exspiravit, ISsTrveuae Marc. 15, 37. 39, bestätigt*; es ist gebildet wie uslij)a qui excessit, der seiner glieder nicht mehr mächtig, gelähmt ist, von usleij)an exire, denn lij)us, das womit man geht und sich bewegt, gehört zu leij)an, wie membrum zu meare. derselben partikel us oder ahd. ur mit der bedeutung super, ultra begegnen wir in der Zusammensetzung uralt vetustus, wofür ags. ofereald, engl, over- old, gerade wie anderwärts overano, overancho als glosse zu abavus oder atavus gesetzt wird, gl. Jun. 265. Hoffm. xxix. 2, 2; 23 unserm nhd. urgroszvater entspricht das nnl. overoudgrootvader. es ist das griech. uirspYYjpo?. nicht wenig wird aber meine her- leitung von ano bestärkt durch das altn. verbum ä respirare, pausare, welches ebenso jenem äi (qui respirat, pausat) zur Seite steht.

Unserer oberdeutschen insgemein an kraft und fülle die niederdeutsche überbietenden Volkssprache sind einige ausdrücke,

' fehlerhaft bei Graff 1, 282 ano, was schon durch die mhd. reime Parz. 710, 19. 763, 5, 764, 9. Wh. 157, 26 widerlegt wird, noch mehr durch die etymologie, welche Graff nicht anrührt.

^ 2 Tim. 1, 5 ist eben, an einer verletzten stelle, avo für |xa|i.fjLa gefun- den worden; ich würde ano vorziehen, da sich goth. v kaum dem lat. v in avia oder dem altn. f in afi vergleichen läszt. [oder abo? f. zu aba. vgl. Vedastes cognomento Avo (gen. Avonis) Greg. tur. 7, 3. aviones abavi Pertz 9, 102.]

* ausathemen Ettn. hebamme 304.

70

UOTA ANO ATO.

gewisz von sehr hohem alter, eigen, an deren auslegung ich mich hier versuchen will, avus ist ihnen allen ähni oder ehni; proavus urähni; die beiden höheren grade abavus und atavus werden aber gegeben pfuchähni und guckähni. diese abstufung scheint nach Stalder 1, 92 am genausten in Graubiindten beob- achtet; Schmeller hat blosz 2, 27 gugkene groszvater des grosz- vaters; Schmid 247 guggähni urgroszvater; Höfer 1, 335 guckönl ururgroszvater; [östr. vaterenl guckenl] ; Oberlin bringt guckan- frau aus einer Straszburger ehgerichtsordnung bei; dies wort gilt folglich im Elsasz, in Schwaben, in der Schweiz, in Baiern und Ostreich, eine stelle in Hermanns von Sachsenheim raoh- rin, die Schmid anführt, mag ein wenig aufklären: man findt noch guckengegel (? guckelgegen) vil, sie hon lang zeit gar wol verblüt, vnd nemen gern biern auss der glüt. schon Frauenlob sagt MS. 2, 228'' güggel giegen sinnes arm; giegen sind narren, güggel giegen abgelebte, alte narren*; ich weisz über dieses güggel und das mit ähni verbundne guck nichts befriedigen- deres zu sagen, pfuchähni hingegen, welches auch noch in 'pfuipfuchähni verstärkt wird, hängt offenbar mit der interjection pfui und mit pfuch foetor, altn. füki, zusammen und erklärt sich vollends aus der in Luzern in ganz gleichem sinn herge- brachten benennung stinkähni. vielleicht dasz sich auch guck auf ähnliche weise deuten läszt. [vgl. guege käfer, stinkkäfer.] man darf darin weniger roheit als alterthümliche einfalt und natürlichkeit des volks sehen, welches sich seine vorfahren im schosze der erde faulend und modernd vorstellt**, wurde aber ein uralter greis noch als lebendig betrachtet, so kommen ihm solche namen zu, wie bei den Römern decrepitus, dessen un- sichere auslegung bei Festus (71, 11 Müll.) ich herschreibe um 24 den Vorwurf abzustumpfen der den brauchen und anschauungen unseres volks gemacht werden könnte, vor denen doch am wenigsten die Sprachforschung erschrecken darf: decrepitus est desperatus crepera iam vita, ut crepusculum extremum diei tem- pus. sive decrepitus dictus, quia propter senectutem nee movere se nee ullum facere potest crepitum, der still da sitzt, ohne sich zu rühren und zu regen, beide bedeutungen von crepare, krachen und bersten, wären dabei in anspruch zu nehmen; Schmeller 2, 379 zeigt dasz auch unser krachen und krächzen von gebrechhchen, alten leuten gelten, eine ahd. glosse über-

* Gaugengigl n. pr. ** altn. hrotgamall decrepitus vgl. hrota. exoluerunt firstunchin sint. Hattemer IIP, 601». restunchen lichnamen. kehr. 511, 1. der in dem grabe erstunken was urstende 107, 34. 114, 55. vülen u. erstinchen. Rol. *'%r. , inde vul. Karlmeinet 296. in der erden irfülit. MS. 2, 226". erfulet, lange todt. Tit. 2840. seines vaters der nun lege und faulte. Aventin db8'\ schad ist es das er faulen sol. H. Sachs III. 3, 72^ hier faulen des geschlechts schon mehrere. Lessing 2, 252.

UOTA ANO ATO. 71

trägt decrepitus eben durch crachender; vgl. Schmid 324. Stal- der 2, 125.* zur erläuterung dienen die auf greise angewand- ten grie'ch. Wörter scp^o? (gekocht, abgemattet), xaj^uUavaTOs (ge- wissermaszen unser feige), xsTUfxßajjxsvo? (begraben) und das schon angeführte IxTrsTrvsuxo)? das an unser einfaches ano ge- mahnt, man möchte bei pfuchähni selbst an pfuchzen niesen, bei stinkähni an die ursprüngliche bedeutung von stinken olere denken und den sinn von abolitus erreichen, weitere aufschlüsse gibt vielleicht die vergleichung andrer sprachen, alle Slaven nennen den groszvater djed, poln. dziad, die groszmutter baba, und pflegen proavus durch pradjed, pradziad, urgroszmutter durch prababa, höhere grade durch wiederhohung des pra, pra- pradjed , praprababa auszudrücken ; im serbischen aber treffe ich ein, wie es scheint, zweimal zusammengesetztes tschukun- •djed atavus, tschukumbaba atavia, auf deren deutung sich Vuk nicht einläszt^ die Dänen (ich weisz nicht ob Schweden) stei- gern durch beifügung und reduplication des Wortes tip = nhd. zipf, zipfel, welches extremitas bedeutet, so dasz oldefader, oldemoder proavus, proavia, tipoldefader, tipoldemoder aba- vus, abavia, tiptipoldefader, tiptipoldemoder atavus, atavia aus- drücken, welche bezeichnung auch unter den Nordfriesen gilt, die nach Heimrichs chronik 1, 56 für avus alvar d. i. altvater, für proavus ehealvar, gleichsam uraltvater, für abavus tippalvar, und ebenso almem, ehalmem, tippalmem gebrauchen, dies tipp könnte noch in andern niederdeutschen volksmundarten vor- kommen **. insofern tipp nicht blosz gipfel, sondern auch den letzten punkt bedeutet und Henisch s. 1773 gucklin = tipflin, punctum setzt, wäre vielleicht in guckähni derselbe begriff zu 25 suchen, obschon wir hochdeutsch zipf, zipfel von tipf, tipfei unterscheiden.

Der altfriesischen spräche war atha pater, aldafeder avus, ethla proavus, wiewol es einmal auch für avus genommen wird, ethla ist nichts als diminutivform von atha, genau wie in ober- deutschen dialecten herrle und fräule, herrlein, fräulein, oder herrche, fräche avus und avia bezeichnen [wie die eitern senio-

* altn. gamall hiarsi cbbi. Biörn s. v. diin. en gammel knark. alter krachwadel. Simpl. 58. 511. franz. Simpl.'S, 243. alter kracher Simpl. ed. norimb. 1, 573. 3, 153. 182. alter griuslinc. MS. 1, 81». grüle, griilamutter groszmutter. Weinhold in Kuhns zschr. 1, 248. Fulda im idiot. 301 missähin (1. ähni) sch-wäb. tritavus (? mistähni). ein alter grünzeler senex. Ettners unw. doctor 167. alte und ausgoschosseno. Ettners hebamme 286. eine alte kalte bebende groszmutter. lust. Jurist p. 102. capularis senex, capulo mox efferen- dus. silicernium (coena funebris). vetus bustum. vetus sepulcrum. Forcell. s. v. senio combustus. von einer alten: dilapsa in cinerea fax. Hör. carm. IV. 13, 28. gr. hrxMz. Jac. Mel. 49. öSdvxot« xpEi? Ixt Xoir^ohi 2)((uv. Lucian 2, 143. <55dvxa; x^xxotpa; ?/u)v. 2, 152.

' in der lingua ignota Hildegardis heiszt pater peveriz, avus phazur, atavus kulzphazur.

** zigeun. ekokak verwandter, von eko zipfel.

72 UOTA ANO ATO.

res = herren] und alte glossen anicho avus, anicha avia ge- währen, [ange Lacombl. 3, 201. 202 a. 1330]. das einfache wort scheint aber aller lautverschiebung zu spotten oder sie nur un- regelmäszig kundzugeben, denn die griech. form ax-ca, lat. atta, haftet sowol im goth. atta, als im ahd. ato, atto (Graflf 1, 145) und ich habe lust jenes ahd. Uota, wovon ich ausgieng, dainit als ablaut zu verbinden, so dasz ato avus, uota avia, proavia, abavia oder atavia, beide zugleich aber pater und mater aus- drücken mögen*. Attila mag in goth. wie in einer finnischen spräche einen dieser begriffe enthalten haben (vgl. ungr. atya pater, [läpp, atzhie pater, schw. 1. attje]); auch ahd. erscheint die form azo, ezzo (Graff 1, 524) und Etzele, Etzel ist gleich dem altn. Atli ein sageberühmter stammkönig. das fries. ethla hält den richtig verschobnen laut, schwankt jedoch in edela, wie das einfache atha in atta. in den slavischen sprachen be- gegnet ot und otaz (böhm. otec, poln. ociec). aber neben atha und etha erscheint noch eine fries. form aita und aspiriert haita, welche, wie ich anderwärts dargethan habe, noch jetzt in dem hessischen heite, häte, für vater, fortlebt. [Vilmar hess. zeitschr. 4, 73 s. V. heite. heerd, ellerheerd bei Firmenich 2, 115]. nun- mehr dürfen wir auch das goth. aij^ei mater, ahd. eidi, mhd. eide heranziehen, dessen consonanz von eite wie goth. äi|)ei von atta abweicht; [mhd. aete (vater): unstaete. MSH. 3,217''. äte: häte Reinfr. 100^ ette pater MSH. 3, 216». 276». eide mater 3, 216\ 230»''- 235^. 237''. finn. äiti mater. läpp, ädne, etne]. zu- letzt sei des griech. xaxa, xsxxa, lat. tata, slav. tata, [djed, litth. dedas] erwähnt, weil ihm wiederum in niederdeutschen dialecten die form teite entspricht, ohne dasz uns die fehlende lautver- schiebung dabei stört, sogar das ahd. toto, mhd. tote patrinus oder compater könnte sich damit berühren.

Im griechischen werden tzcitztzo^ und jxotjxjxct durch die Par- tikeln Ttpo und dTTO zu den begriffen TrpoTraTCTro?, 7:po[jLajx[i7j , diro- TraTCTTO? und d-KO\idii\i-^ erhöht, ganz wie im lateinischen avus, avia zu proavus, proavia, abavus, abavia. das weitere otc::ot7r7:o? 26 ist klar, weniger atavus, nach Festus 13, 18 quia atta est avi, id est pater, ut pueri usurpare solent; wogegen aber Pott (etym. forsch. 2, 315) mit recht bemerkt dasz es dann attae avus heiszen müste, und der pater avi schon proavus genannt wird, was zwei stufen unter atavus bleibt. Pott deutet at in atavus durch ultra, was unserm ur und ofer gleichkäme. [Bopp vgl. gramm. § 425 (Berl. jb. 1830 nov. p. 702). vgl. Lobeck pathol. 51 iirmauTTO?, TraTnreTriTraTnro?. Plautus in Persa 1. 2, 5 pater avus proavus abavus atavus tritavus. tritavus, pater atavi, scheint zwar dem gr. xpiTranTro? zu entsprechen, da aber xpixo? lat. ter- tius lautet, musz stritavus erwogen werden, stritavum antiqui

* ato gl. fuld. ] 6a = attavus. ato : uota = finn. akka : ukko.

UOTA ANO ATO. 73

dicebant pro tritavo, qui est pater atavi et ataviae, ut stlitem pro lite. Festus. Rosz, Italiker p. 19. das stlitem paszt nicht, da es weder stlitavus noch litavus heiszt. stritare ab eo qui sistit aegre. Varro 1. 1. 6, 3. porro ita indicari videtur incessus eorum qui attae appellantur. unter attae hat Festus : attae ap- pellantur, qui propter vitium crurum aut pedum plantis insistunt et attingunt magis terram quam ambulant, quod cognomen Quinctio poetae adhaesit. attam pro reverentia seni cuilibet dicimus quasi eum avi nomine appellemus. in atavus scheint also attavus gelegen und stritavus der mühsam schreitende alte, die gewöhnliche ahd. Steigerung des begriffes ano ist altano oder jilterano proavus, urano abavus. [mhd. alter en. w. gast. 4276. 4453. min alter uran. Morolf 144. mins enen uren. Lohengr. p. 58. alderan. Wigam. 2698. Herbort unterscheidet eldervater avus 17823. 17992 und ane mütterl. urgroszvater 17825. 18022. vgl. 17854. 18096. altveter u. aldaldveter. altd. bl. 1, 162.] ags. finde ich ealdföder avus, ealdealdfäder proavus, ealdmödor avia, ealdealdmödor proavia; für abavus oder atavus könnte oferealdfäder angenommen werden, wie mnl. overalder- vader glosse von atavus ist (Diut. 2, 202). [mnd. overolder- vader (a. 1404) Lisch Hahn no. 224. ags. ford-faderas tritavos. Hpt. 9, 425'^]. das schleppende groszvater hat seit dem 16n jh. unser schöneres, einfacheres ane zurückgedrängt, und ist wie das engl, greatfather dem franz. grandpere nachgeahmt; dann steigern wir durch ur und urur. seltsam nehmen die Englän- der beide sprachen zu hilfe, greatgrandfather und greatgreat- grandfather *.

* dän. scliw. farfader, farfar. färöisch nach Lyngbye s. 370: 1. pater feäir (kinderspr. paapi), mater niouur (kdspr. mamma). 2. avus abbi, dän. bedstefader, avia omma, dän. bedstenioder. 3. proavus leng abbi, dän. olde- fader, proavia leng omma, dän. oldemoder. 4. atavus paapi til leng abbi, dän. tipoldefader, atavia mamma til leng abbi, dän. tipoldemoder. 5. tritavus abbi til leng abbi, dän. tiptipoldefader, tritavia omma til leng omma, dän. tiptipoldemoder etc. im kärntnischen Lesachthaie tatte vater, mamme mutter, nöine (nöindel, nüne, nündel) groszvater, nandel groszmutter, tÖite, göite pathe, toute, goute pathin. Frommann 2, 344. romanische dialecte. Oberengadin:

1. groszvater bapsegner, bapvelg, non; groszmutter mamma donna, mamma veglia, nöna (= herr vater, alter v., frau mutter, alte m.). 2. urgroszvater tatt, urgroszmutter tatta. 3. ururgroszv. bsatt, ururgroszm. bsatta, ander- wärts badatt, badatta. Oberland (Bünden), um eins verschoben: 1. tatt, tatta.

2. basatt, basatta. 3. guratt, guratta. 4. bisatgig, bisatgielia. Gröden: 1. neine, ava. 2. besavong, besava. irisch: avus seanathair, seanghaid. avia seanmhathair. proavus garathair. abavia seangarmhathair. tritavus teorgara- thair. gaelisch: avus seanathair. proavus seanseanathair, sinnseanair. avia garmathair. proavia seanmhathair, sinnseanmhathair. welsch: avus hendad. proavus hendaid. avia henfam. proavia hennain. cornisch: avus hendat. pro- avus dipog. abavus hengog. atavus gurhhog. Zeusz s. 1103. läpp, mutter- vater aigja. muttervaters oder muttermutters vater, Stammvater madaraig;ia. muttermutter akko. muttervaters oder muttermutters mutter madarakko. skr. pitämaha avus paternus, groszer vater. chines. pistü, der nase ahn = grosz- vater. Endlicher gramm. 182.

74 UOTA ANO ATO.

Einladender als alle diese etymologien ist die Wahrneh- mung, mit welcher ich mich anderwärts ^ beschäftigt habe, dasz im alterthum mehrere berge groszvater benannt wurden, in Hessen liegt ein Ällerhätenberg (von ällerhäte = alderheite), in der Schweiz ein Etzel, zwischen Schlesien und Mähren ein Alt- vater, am Taunus der Altkönig, in Westphalen der Teiteberg [, sonst Köterberg, auf der grenze zwischen Corvei, Lippe und Braunschweig. KHM. 3, 174. Heitstein. Parz. 404, 1. Heyten- berg. weisth. 2, 803. Heytenbaum 804. Tatenberc, Tatenried (Dadila). Förstem. 2, 1359. 1360. felsblock Altvater. Meier Schwab, sagen 97. Attenberg. Curtze 2, 4. Ettelsberg 2, 6. Guckeisberg 2, 7". Etzelberg in Hessen. Landau 217. Etten- berg. H. Meyer zürch. Ortsnamen 735. Etzberg, Etzelsberg, Etzisberg 736. Etzliberg, Etzelinesberg 737. Eilermutter bei Niederaula. Allvater berg bei Lahr. Lahrer proc. 265. berg Kaukasus bette des Boreas. vgl. Jupiters bett. Feldberg, lectu- lus Brunihildae, Windgelle. Hpt. 6, 291]. eine spitze der Kar- pathen heiszt poln. babie gory, höhm. babj horj, was man übersetzen darf groszmütterberg statt altweiberberg; schon bei Constant. porphyrog. ßa^ißapsta, wie Banduri meint für ßotßsiot- opsta, bei Anna Comn. p. 122 Par. ßaßotYopot. es verdienen noch andere gesammelt zu werden, ich kann aus Murawiews reise durch Turkomannien nach Chiwa (übersetzt von Stahl , Berlin 1828, s. Lx) den namen eines hohen bergs Sare baba hinzu- fügen, welches gelber groszvater bedeutet; nach s. 70. 71 des angeführten buchs soll Sare baba daselbst begraben liegen. [Vuk s. V. baba führt drei berge an: in Serbien, in der Herze- gowina u. Babin drob, intestina aviae, bei Belgrad, berg Baba. walach. märch. 283. der Groszvater. ungr. Simpl. 63. 65. 68. Babadagh, Väterchens berg, im westen Kleinasiens. Kochs ana- basis p. 13. am ein- oder ausgang des krainischen Woheiner thals heiszt ein Vorgebirge Babji sob (alten weibes zahn).]

BRUCHSTÜCKE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg, von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 27 30.

27 Zwei pergamentstreifen mit denen ein buch gefalzt war;

wie die von einander laufenden spaltenlinien zeigen, nicht einmal emes jnd desselben blattes. jeder streif gewährt vier abgeris- sene stellen, für deren folge sicher ist, dasz a dem b, c dem d

> Zeitschrift des hess. Vereins für geschichte 2, 139—142. [kl. sehr. 5, 301 ff.]

BRUCHSTÜCKE. 75

vorausgeht; auch lehren die um rande des ersten Streifens zur

rechten hand eingestochnen linienpuncte dasz hier a und b zur

vordem, c und d zur hintern seite gehören, schrift wol der ersten hälfte des 14n, das gedieht der zweiten des 13n jh.

Der verlöre gar sin recht

So sprichit ein knecht

Eya tach weres du veile

Daz ich din zu mime teile

Koufen muste ein pheninc wert

AI soltich min nuwe swert

Dar vmbe versezzen

Daz ich mich leides muste ir(gezzen)

»

Vn keret rechte gege d' . . . Dar men daz hier verkoufet Der wirt vz loufet Jegen den .iungen gesten Her wirt vullit vns des besten Dawider gebich v zehant Pheninge oder phant Sprichit die tanzes meisterin

Des begent se vnder (1. wunder)

Die vrowe hat dar vnder

Ir gewerp gesezzet 28

Alse men den hunt hezzet

Zu der läge an daz tier

Daz vergulden wirt daz bier

Des sint die knappen ir gereit

Sie sagint von manig^ houis(cheit)

Achten sie zu deiner wis Sie wenent beiagen den pris An der becherweide Des gewinnen sie beide Laster vnde schände Sus hat inme lande

Yg BRUCHSTÜCKE.

Verre vn wite Min vrowe rincwite Ir gesinde geleret

II»

Sie nu tetich iz gerne ^

Wen daz ich alsus bin vzaget

Wie . waz ist daz ir saget

Ir sult die rede gar verberen

Daz si . ich wil is vch geweren

Vn saget ime daz her sich wol gehabe

Vn nemet vngemotes abe

Ich inwil in nicht langer

11»»

80

I>iz ist vrowen triben lebin Men muz ir beidenthalben gebin Schiere sie ab^ swinget Da ienre stet vnde singet 29 Der is beworren in einer no(te)

Der quit alliz dorilote Ey wes willekome lieb' b . . Herre got vergeltiz v .

II«

stet

Do . . ach . . in mitten an dem brete

Tat ir daz . ia ich tete

Nu intruwen ist iz war

So muz ich immer daz iar

Behalden armiz wip

(Be)ide sele vnde lip

(Kum)e . mir ist loch rechte zorn

(Da)z ir mich sus falschaft hant . . . orn

Nu w

II d

Wie niezen

Nu inlat is vch nicht verdriezen Vn nemet dise zwene Schillinge Herre ich loufe vn springe

BRUCHSTÜCKE. 77

Vn wil mich is also vlizen Daz ir mirz nimb' sult vwizen Grute wi na sint irs noch kome Weiz got ich han wol vnome

Aus den eigennamen läszt sich noch wenig entnehmen, frau Rincwite ist wol des tanzes meisterin, welche den jungen leuten im wirtshaus bier schenken heiszt, und vielleicht einerlei mit der später genannten frau Tribe? vgl. umbetribe MS. 2, 72*. [triberin anstifterin rädelsführerin Anshelm 2, 4. diu triberinne Berth. 384. 403. ein verschamtiu umbetribe Ben. 328.] ein paar redensarten und ausdrücke sind bemerkenswerth ; so der wünsch dasz der tag feil und stückweise um pfennige zu kaufen sei. becherweide für zechgelag gemahnt an snabelweide MS. 2, 179* und sperweide Er. 9092 , besonders aber an die hüb- 30 sehen stellen im Trist. 6590. 6704. beworren in einer note, mit einem lied beschäftigt, dorilote! das romanische doren- lot! bei Ravalliere roi de Navarre 2, 183. [dorelot b. Roquefort. Wackern. afr. lieder 76. 78.] zu deiner wis achten = gering schätzen habe ich nicht mehr gelesen ; man darf nicht deheiner bessern, deiner ist deutlich, falschaft betriegerisch steht auch bei Herbort 17694; die folgenden worte sind vermutlich haut geborn, so dasz hier, tochter zur mutter redet. II'' weisz ich keinen reim auf u vobis, wenn er genau sein soll, denn was wäre lieber bu oder bru, biu, briu? bot für böte und hernach die Umsetzung herre iu vergeltiz got könnte etwas helfen.

Nachtrag.

Zu zeitschr. 1, 29. 3, 384.

Zeitschrift für deutsches alterthuni herausg. von M. Haupt, bd. 5. 1845. s. 74. 75.

Haupts berichtigung * ist ohne zweifei gegründet und ge- 74 boten, da sich gar kein anderes einsilbiges Substantiv vorfindet, das auf b anlautete, auf ü auslautete, als brü; denn briu ist hier unzulässig, da die mundart des gedichts kein iu, blosz u (= ^) gestattet, lieber steht in der handschrift vollkommen deutlich; es hat allen schein liebe dafür zu setzen, weil sich

* [Haupt sagt a.a.O.: in dieser zeitschr. 1,29 macht in der zeile ey wes willekome lieb' b . . die ergänzung der verlorenen buchstaben Schwierigkeit, sie müssen einen reim auf iu (vobis) ergeben: denn der nothbehelf, den Jac. Grimm vorschlägt, bot (für böte) und in der folgenden zeile die Umstellung

78 BRUCHSTÜCKE.

hier wol mann und frau unterreden, die zeile herre got auf diese, folglich die vorausgehende ei wes willekome auf jenen gezogen werden musz. dazu kommt, dasz brü oder briu, so ' viel wir wissen, nur eine frau bezeichnet, rührt das wort her aus dem französ. bru (nurus), so hat der Deutsche blosz zurück- genommen was ihm gehörte, denn bru ist nichts als unser brüt, alts. brüd, mit weggeworfenem linguallaut *, wie schon mnl. brulocht, nnl. bruiloft = mhd. brütlouft gesagt wird, auch kennen die andern romanischen sprachen den ausdruck nicht, was den deutschen Ursprung des französischen worts bestätigt; Ducange hat bruta, nurus, uxor filii. der begriff der heim- geführten braut gieng unmittelbar in den der Schwiegertochter und jungen frau über, wie nun in unserer stelle brü gemeint ist und wie Neidhart sein altiu briu nimmt, weisz ich nicht sicher, in einem 1685 gedruckten buch von den bösen weibern findet sich s. 75 der sächsischen gewohnheit gedacht, die braut in ihren hochzeitlichen ehrentagen herr braut zu heiszen. gienge das viel höher hinauf, so wäre sogar das lieber brü unseres textes noch zu rechtfertigen.

Indem ich diese hübschen, aufgeweckt gedichteten bruch- stücke wieder lese, fällt mir ihre ähnlichkeit mit den lautver- hältnissen, der spräche und dem stil des grafen Rudolf auf. ich rechne dahin das e fiir ae, das u für uo, u (== ü) für iu, das her für er, tach für tac, is für ist, is für es, die brechung 75 wes für wis, gebich für gibich (Rud. 16,26 gebe ich, 18,24 ' verpflege ich, 19,3 ich irgezze, vergl. vorliese 12,8 für verliuse), jenre (Rud. 23, 16), der nom. ^. fem. die für diu, nimber für niemer; kurz lauter dinge, die von der reinen mhd. spräche abweichen, auf den reim vlizen : verwizen, der auch Rud. 11,24 wiederkehrt, sei kein gewicht gelegt, mehr auf den kurz zu- geschnittenen dialog tat ir daz? ja ich tete (vergl. Rud. 9, 3.

herre, iu vergeltiz got, ist mir unwahrscheinlich, es kommt mir nämlich vor als ob hier nicht männer unter einander redeten, sondern frau Treibe, die schenkwirtin, von einem gaste, dem sie in ihrer geschäftigkeit nahe kommt, mit 'willkommen' begrüszt würde, ich glaube also, dasz lieb' ein Schreibfehler ist für liebe oder hebiu und dasz darauf wirklich briu folgte, dies finde ich, im reime auf driu, bei Neidhard Hag. 3, 228^: lüte also ruofte ein altiu briu 'wä sint diu miniu kint, daz si niht enspringent an die schar?' ob briu mit recht an das französische bru gemahnt, weisz ich nicht; aber wenn man es als scherzhafte bezeichnung eines weibes, hier der wirtin, fassen darf, so ist die stelle in Ordnung:

Diz ist vrowen Triben leben.

man muoz ir beidenthalben geben.

schiere sie aber swinget

da jenre stet unde singet.

der ist beworm in einer note:

der quit allez 'dorilote,

ey [wes] willekome, Hebe briu!'

'herre, got vergeltez iu.'] * so dru aus drut.

HAUPT UND HAUBE. 79

10, 3. 15, 8), auf das gleichnis alse men den hunt hezzet zu der Ijige an daz tier, auf die romanischen Wörter bru, dorilote (wie im Rud. gaste! , bonthard u. a.); anderes kann man bei dem geringen umfang der fragmente nicht erfassen, aber sie scheinen mir jedesfalls in den beginn des 13. jh., gleichzeitig mit dem gr. Kudolf zu setzen und es ist zu bedauern, dasz von beiden gedichten nur solche brocken vorhanden sind, die streifen waren eingefalzt in Jo. Frobenii studiorum liberalium mystis. Basil. 1520, der besitzer dieses buchs war J. G. G. Gottsmann, Eimbecae 1682; doch was hilft das?

HAUPT UND HAUBE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. 8. 136. 137.

Mir fiel als ich gramm. 1, 567 schrieb kein beispiel ein 136 für den Übergang der fünften reihe in die zweite, welchen doch die theorie begehrt, denn wie sich die laute ei, äi, i, zu i, a, e verhalten, müssen sich auch iu, au, u zu u, a, e. einen deut- lichen beleg liefert uns aber das wort haupt; es folgt im goth. häubi]^, ahd. houpit der fünften, im altn. höfud, gothländ. hafujj der zweiten reihe und schlieszt sich dem lat. caput an. die nothwendigkeit häubijj und höfud zu sondern habe ich s. 442 erkannt, ganz zweideutig bleibt die ags. form so lange nicht andre gründe bestimmen dasz entweder heäfod oder heafod ge- schrieben werden müsse, zwischen diesen und ea erkennen wir doch eine berührung gerade wie zwischen goth. au und altn. ö, welcher umlaut allerdings auf au, wie der umlaut e auf ai zurückführbar ist (s. 555).

Was im Verhältnis der consonanten von caput und haubij) von capere und hafjan widerspricht wollen wir hier unerwogen lassen, dafür aber das unmittelbar verwandte wort haube be- trachten, haube scheint das was den köpf einschlieszt, umgibt, haupt das was das hirn enthält und umgibt, haube alth. hüba, altn. hüfa, goth. wol nur huba oder hubö gehört zu der formel hiuba, häub, folglich zu haubiJD* ganz wie das romanische capa, das nach dem lat. capital, capitulum schon alt gewesen sein musz, zu caput.

Bekannt ist nun das ags. hafela oder heafela (welche beide mehr für heafod als heafod sprechen), worunter man die stirn- haut, die glückshaut versteht, wie ich zu Andreas 1143 erläu- tert habe, die mhd. dichter gebrauchen dafür hüetelin, aber auch batwät: daz er im den heim durchbrach ob den ringen

* vgl. Dietrich bei Hpt. 5, 219 ff.

30 MALBOTE.

durch die batwät (Lanz. 40'^) ; er sluoo durch batwat und durch hersnier (Diut. 70''); durch heim und durch batwät (Dietr. 93"'); 137 daz sie (die helme) sich muosten klieben unz üf die batwat (Rab. 700); vermuthch weil man diese haut auch im bade nicht ablegt, für denselben begriflf verwenden die romanischen dich- ter niemals cape, chape, sondern provenz. cofa, altfranz. coife, coiphe, quoife, welches unserm haube und dem ags. heafola näher tritt, span. ist cofia, ital. cuffia, mlat. cuphia weiber- haube. auch gelten beide bedeutungen, sowol die der glücks- haube als der ritterlichen binde, man sagt noch heute in Frankreich cet homme est ne coiffe (coeflFe), er ist mit einem heim geboren, ein glückskind. dann aber ist coife auch le bonnet que les Chevaliers portaient sous le casque et le cha- peron. obgleich die mhd. dichter hübe hatten, entnahmen sie doch den rom. ausdruck kuppe Trist. 7056. 7089. 9407; und mnl: gilt coifie Ferg. 2701, nnl. kuif neben huif. mehr an capa gemahnt dagegen das böhm. czepek haube, poln. czep, czepiec; w czepku urodzil, mit der haube geboren, glückskind. man er- kennt die weite Verbreitung des worts und des aberglaubens.

MALBOTE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 1. 1841. s. 206.

206 Moser osnabr. gesch. 2, 303 läszt in einer Urkunde von

1170 die zeugenanführung mit folgenden namen schlieszen Fre- dericus, Thietmarus, Malbodo, das ist falsch; man tilge das comma hinter Thietmarus und lese Thietmarus mälbodo, denn das letzte wort enthält nichts als das amt und geschäft des Thietmär, der gerichtsbote , frohne war. mälbodo, ahd. mahal- poto ist praeco, der das mahal oder mallum ankündigt, daraus kann nun freilich auch ein eigenname entspringen, wie z. b. Bode ein ganz häufiger ist und in alts. Urkunden selbst Fadar, Mödar, Bröthar, Sustar (Moser 2, 240. 241. 281), Vaderken (2, 321) als solche erscheinen; die traditiones laureshamenses ge- währen den eigennamen Mälbodo, Mälboto aus Karls des groszen zeit (no. 865. 1283. 1613). [Malbodendorp, Malpendorp. Lisch mekl. urk. II, 2. 5. 16. 101. 142. 266. Malbodo n. pr. Lacombl. 366 (a. 1149). Melbodo 367 (1149). Bruno frater Malbodonis 464 (a. 1178).] dafür aber dasz in jener urk. mälbodo würk- lich das amt ausdrücke entscheidet die Wahrnehmung dasz in vielen andern der böte als der geringste unter den zeugen an der letzten stelle aufgezählt wird, so a. 1254 (Kindlinger münst. beitr. no. 76 s. 195) Hermannus preco; a. 1339 (daselbst no. 144

ACC. BEI ADJECTIVEN. 81

s. 387) Thiderich de vrone und ander guder lüde genuch; a. 1320 (das. no. 126 s. 336) presentibus ceteris liberis ibidem ac uni- versis preconibus; a. 1263 (Böhmers cod. moenofrancof. s. 130) Rudegerus preco; a. 1299 (Höfers deutsche urk. no. 26) Hein- rich botil; a. 1299 (ebendaselbst no. 27) Bertolt Urleybin, der in no. 23 als butel bezeichnet wird. [Hasinzal (zagel) budel. Arnsb. urk. 410 am schlusz. Sigihart preco (zuletzt) MB. 6, 86. vgl. MB. 8, 439. 468. 522. zuletzt als zeugen beide weibel. Schreiber 2, 111, Joh. praeco Moser no. 164. Menricus budel zuletzt. Seibertz no. 347 (a. 1269). Volcquinus Stempel zuletzt. Lacombl. 539 (a. 1193). Hermannus Budde zuletzt. Moser no. 264.] es versteht sich dasz weder überall der gerichtsbote als zeuge vorkommt, noch immer an dem letzten platz; er ist zuweilen der vorletzte, z. b. bei Böhmer s. 23 hat der Sigefri- dus preco noch einen Heinricus arator hinter sich (a. 1215) und auf jenen Rudegerus preco folgen s. 121 zwei andere zeugen, wie bei Höfer no. 23 auf Bertold Urleyben zwei andere, no. 24 auf Heinrich bütil zwei andere, nicht selten ist auch der vil- licus zuletzt aufgeführt.

ACC. BEI ADJECTIVEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 207.

Wir sagen beides, ich bin des lebens müde und das leben 207 müde, des handeis überdrüssig und den handel überdrüssig, wie auch lateinisch vitae pertaesus und vitam pertaesus gilt, wo aber dem particip mehr verbalkraft zugeschrieben werden darf als unsern adjectiven. daher das lat. part. für sich stehend l)eide constructionen verträgt, unser adj. nur im geleit von sein und werden, oder hätte Bürger setzen mögen der kaiser und die königin den langen hader müde statt des langen haders? ich zweifle, müde sein oder werden nimmt uns die bedeutung eines einfachen verbums an das sich dem sinne von hassen, verachten und dergl. nähert, mhd. beispiele habe ich mir nicht angemerkt; ahd. finde ich blosz den gen. swer dirre werlt- arbeite muode ist W. 26, 25; urdruziu disses libes, vitae huius exosa N. Bth. 69 (Grafi' 67).

Nicht anders beurtheile man die redensarten los sein und werden, gewahr werden, ansichtig werden, welche beiden letz- teren schon gramm. 4, 756. 757 besprochen sind, steht der acc. dabei, so ist völlig die active bedeutung verlieren, gewahren,

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 6

32 ZU STATT DES ZWEITEN ACC.

ansehen vorhanden, durch den gen. hingegen wird der adjec- tivische begrif geschützt, beichtig sein für conüten ist aiiszer crebrauch, doch das gleichbedeutige geständig sein leidet wie- derum beide casus, ich bin ihm der schuld oder die schuld geständig, das mhd. gihtic werden, ahd. pigihtic werdan zeigen den gen., ih wirdu gote bigihtic allero minero suntono. [vgl. Graff 1, 1069. dero ih gihtig pin worten. N. Bth. 188.]

Vom casus abgesehn ist es zugleich armut und reichthum schon unsrer ältesten spräche dasz sie viele einfache verba durch adj. mit sein und werden umschreiben musz und kann, im goth. haben solche adj. gern schwache form, z. b. usfilma, ushäista, usvena, usgrudja (gramm. 4, 579. 590). doch sagt Ulf. auch sadcii vair}3and = saturantur. mhd. beispiele verdienen Sammlung: zundic werden incendi, anrnetic werden prodi, sümic werden, künftic werden, wunderhaft werden mirari, liplös wer- den perire. nhd. säumig, lässig, flüchtig, trächtig, mannbar, reif werden u. s. w.*

ZU STATT DES ZWEITEN ACC.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 1. 1841. s. 208.

208 Bei den Wörtern thun, machen, geben, nehmen, haben

u. a. m. setzen wir die präp. zu mit dem dat., da wo im griech. oder lat. ein doppelter acc. steht, schon goth, hiesz es täujan du guj)a, du Jjiudana (gramm. 4, 622); indessen bleibt auch zuweilen die griech. construction : hva gibij) manna inmäidein saivalös? xi SwtJsi avf}p(u-o? dvxaXXa-c|xa ■zr^q '^uyj^^ Marc. 8, 37; gibands vadi ahman II Cor. 1, 22 gibt den geist zum pfand (hier weicht die gr. structur ab); [II Cor. 5, 5;] ik veitvo}) guj) anaheita, e^w jxapxupa xov Osöv E7:ixotXou}xai II Cor. 1, 23; [I Cor. 9, 5 ni habam valdufni svistar qinon bitiuhan?] dagegen ei uns silbans du frisahtäi gebeima, iva lauxou? xuttov ööijxsv II Thess. 3, 9; [II Cor. 6, 18 vairj)a izvis du attin stjofxai ufiTv ek rcaxspa vulg. ero vobis in patrem.] belege für die präp. aus den späte- ren dialecten sind gramm'. 4, 823 825 gesammelt, merkwürdig haben schon die leges Liutprandi 6, 53 tollere ad uxorem, wie

* ahd. äno -wesan, werdan mit gen. Graff 1, 283. do daz der holt äne ■wart Parz. 27, 19. niht mohten äne des grözen schaden sin Nib. 982, 2. •wer hät_ mich mines kindes ane getan 964, 3. sit ich sin äne komen bin I-w. 4735. ern müese leides an gesten Wigal. 10605. ich bin trostes von ir äne MSH. 2, 316^. altn. an vera. seine waaren ohne werden Adelung s. v. ohne 903. los sein, werden nhd. mit acc. u. gen. satt, gewohnt, voll (?), werth.

GIBICHENSTEIN. 83

man mittellat. sagte iingere ad regem, in regem, ps. 123, 6 bei N. der unsih iro zanen ze weido ni gab, dedit in venationem. Matth. 22, 28 geban sin ferah zi losungu, Ulf. Marc. 10, 45 gibau saivala seina saun, [wcridant zi scäche erunt praeda. Is.] es finden sich aber noch hin und wieder mhd. beispiele des doppelten acc. , wie Doc. misc. 2, 206 ich mache dich ein wip (zu einem weibe). [En. 12439 er wolde si machen sin wip. gute frau 1345 diu gap ie den Ion den tot (= ze löne). klage 2001 man machte riter daz kint (Ih. ze riter).] für den dop- pelten acc. kann es freilich zweifelhaft bleiben welcher das eigentliche prädicat sein solle, z. b. consulem elegerunt legatum allenfalls auch heiszen: wählten den legaten zum consul. sol- chen zweifei löste aber, wenn nicht die nachsetzung des prä- dicierenden acc, der Zusammenhang der rede.

GIBICHENSTEIN.

. Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bei. 1. 1841. s. 572-575.

Gerade wie die nordische sage den namen Sigfrid nicht 572 mehr vollständig faszte (s. 4 [oben s. 53]) scheint ihr auch Gi- bicho Sntfremdet; sie hat dafür Giuki, was sich wiederum nur aus der Wandlung des F in V begreift, V erweicht dann in U. *

Das nordische V ist überhaupt dem lat. und goth. V gleich, also dem U nahe geblieben; während der hochdeutsche, alt- sächsische, zum theil auch angelsächsische laut, in W und V gespalten, jenes dem U, dieses dem F zuführt, darum nimmt ahd. V kaum, altn. V sehr leicht vocalische beschaflfenheit an. der eigenname, von dem ich hier handeln will, lautet ahd. Ki- picho und würde goth. Gibika lauten, die ags. form ist Gifica ^, die alts. Giveko, woraus sich die altn. Givki und Giuki ergibt, wie haukr aus havkr, hafukr, alts. havoc, ags. hafoc, ahd. hapuh, und goth. sicher nicht anders als habuks^. das ganz analoge

* anders über diphth. s. 50 [kl. sehr. 1, 156]: von Gifuca fiel f aus.

^ travellers song 38 Burgendum veold Gifica; vgl. 131 Güdhere.

^ der fassende, raubende, captor, acceptor, darum auch accipiter nicht aus cöxür-epo; oder dem sanskr. a<jupatra zu erklären [Pott 2, 278. 279], so schön das homerische beiwort mit den Vorstellungen unseres alterthums sich verträgt, die nach dem kreiszfluge groszer raubvögel zeit und wahrscheinlich auch räum bestimmten: svä vida sem valr flygr värlängan dag ok standi byrr undir bäda vaengi (Grägäs 2, 170), wozu vgl. mythol. 361—363. [ed. 2. 600]. so weit der hahn oder die henne fliegt (rechtsalterth. 105) klingt nur zahmer als ein älteres so weit der habicht oder weihe kreiszet, wie die Römer sagten fundos, quantum milvi volant (Petron. 37), quantum milvus oberrat (Persius sat. 4, 26).

6*

84 GIBICHENSTEIN.

Sipicho, goth. Sibika, ags. Sifeca, alts. Siveko hätte ebenso zu Siuki werden können, es hatte sich aber die apocope Bikki geltend gemacht, in der jüngeren Vilkinasaga blieb sogar Sif'ka (nach einem westfälischen Siveka) stehn für Sifki, da die weib- liche form Sifka anderwärts vorkommt, neben Giuki ist uns aber in der Edda Giaflaug als name seiner Schwester bewahrt worden (Saem, 211'') und beide liegen einander, wie geschwister-

573 namen oft, ganz nahe, goth. Gibika, Gibalaugs, ahd. Kipicho, Kepalouc [vgl. Gebeleizis]. so stehen sich zur seite Freyr und Freyja (goth. Fräuja und Fräujo), Sigmundr und Signy^; selbst unsere geschichte bietet mehrfache beispiele dafür an die band dasz geschwistern ähnliche namen ertheilt wurden, z. b. Otto des groszen kinder von Otigeba (Eadgifu) hieszen Liudolf und Liudgard. was sich in der sitte behauptete, wird in den mythen noch tiefern grund haben.

Zeigt sich nun Gibika an der spitze eines alten geschlechts (denn nicht blosz in der Edda nennen sich die Giuküngar, ge- wissermaszen die Niflüngar nach ihm, sondern auch die Bur- guuden führen in ihrem volksrecht [tit. 3 Gibica] ihre könige auf ihn zurück ^), so darf nach der bedeutung eines solchen namens gefragt werden, sie musz aber ungefähr mit der eines

" einfachen goth. giba, ahd. kepo d. i. dator, largitor zusammen- fallen, und die hinzugefügte diminutivendung soll, allem an- schein nach, blosz den begriflF des lieben, gütigen gebers her- vorheben (gramm. 3, 664. 665). von dem ahnherrn eines selbst schon mythischen heldenstamms ist es leicht zu einem höheren wesen, ja zu dem höchsten geber aller guter, Sto-uip idw/ auf- zusteigen, die Griechen dachten sich unter diesem letzten aus- druck zunächst Hermes, dann aber alle götter (Od. 8, 325. 335). Die hier versuchte erhebung des namens Gibika kann ich freilich nicht aus der Edda, deren lehre natürlich oft abweicht von dem .was bei andern deutschen Völkern geglaubt wurde, aber doch durch eine andere Wahrnehmung unterstützen.

Es gibt in mehrern landstrichen Deutschlands felsen und waldhügel die nach Gibika benannt sind, am bekanntesten dar- unter ist der Givikansten, jetzt Gibich enstein, bei Halle an der Saale, dessen die annalisten des eilften jahrh. als eines magde- burgischen Schlosses und königlichen gefängnisses erwähnen.

574 im jähre 1003 oder 1004 liesz hier Heinrich 2 den bairischen

' auch im Waltharius heiszt Guntharis vater Gibicho, in der Nib. not wird er bekanntlich nicht benannt, erst die Umarbeitung schob dafür Dankrät ein CNib. 7, 2. 565, 7. 1082, 6) und der dichter des Bit. 2617. 2620 nahm neben einander Dankrät und Gibeche auf [nach Lachm. als mitregenten]. beide lieszen sich identificieren , da in dank gratiae, grates, in gebe munus, gratia liegt, so dasz Dankrät und Gibeche munificus, gratiosus aussagen könnten, [nb. Thancarätesheim (tr. wizenb.) Dankrotsheim nach Strobel heute Dangolsheim bei Molsheim, ein fürste (könig) Gibeke, Etzels dienstman, Nib. 1283, 4. 1292, 2. 1918, wo Holzm. auch Gibeche.]

GIBICHENSTEIN. 85

herzog Heinrich aufbewahren (Pertz 5, 92. 805); im jähre 1014 wurde der Langobarde Ezilin (Pertz 5, 836), im jähre 1027 herzog Ernst von Schwaben (Wippo in vita Conr. sah pag. 474. Herrn, contr. ad h. a.), im jähre 1045 herzog Gotfried von Lo- tliringen (Lambert. Schaf nab. ad h. a. [Pertz 7, 153]), im jähre 1070 Ludwig der Springer von Thüringen daselbst gefangen ge- halten (Menken 1, 1 143. 1309).^ Urkunden des lOn jahrh. ziehen die form Givikonsten, üevikonsten vor; Heinrich von Gebechen- stein wird bei Spervogel MS. 2, 227'' angeführt, ein anderer Gevekenstein liegt bei Nienburg an der Weser [Wächter s. 89. 90], und es finden sich darauf heidengräber und ein sogenann- tes teufelsbett (Rathlefs Hoya 3,29. Spilckers beitr. 1, 1). ein dritter felsen namens Gibichenstein, oder entstellt Gübichenstein, Hübichenstein, wird mitten auf dem Harz im walde unweit des försterhofes in Grund angetrofien; von ihm gehen volkssagen auf die ich gleich kommen werde, den vierten und fünften vermag ich blosz aus gronzbestimmungen hessischer weisthü- mer aufzuzeigen, Gebichiskoppe bei Niederaula (weisth. 3, 340 [Landau Wett. 162]) und Gebicheborse bei Wetter (3, 344), wo koppe und borse nichts anderes als anhöhe, hügel aus- drücken.^ noch mehr beispiele werden sich weiterem forschen darbieten.*

Worauf es nun fjerner ankommt, Gibicho, Gebicho ist als mannsuame ungebräuchlich und selten, die Lorscher traditionen gewähren ihn kaum einigemal; mit welchem fug sollte der ge- nitiv vor stein auf menschliche anbauer und besitzer zu beziehen sein? besser deutet sich Gibichenstein, wie Brunhildenstein, Kriemhildenstein ^, Witgenstein u. a. m. nach beiden und höhe- ren wesen , welche auf solchen meist in der wildnis gelegenen felsen die sage hausen liesz. Überlieferungen des volks gewäh- ren hier willkommenste bestätigung. wie das teufelsbett des Nienburger Gibichensteins an viele andere und an Brunhilden- 575 bett auf dem Feldberg gemahnt, so sind neulich erst harzi- sche volkssagen kund geworden, in denen Gübich geradezu als

' in der letzten stelle wird Gibelstein, und bei Tietmar neben Givikan- sttn verschiedentlich Ivikansten gefunden (Pertz 5, 762. 824. 826).

- koppe vgl. schneekoppe u. s. w. borse scheint .borze bei Schmeller 1, 204. 205; die trad. fuldens. bei Schannat no. 444 haben einen ort Borsaha; eine. urk. bei Lacomblet no. 284 (a. 1117) einen wald Salebiirse.

* iirbs Giviconsten cum salsiigine ejus. ehr. Ottonis I. (a. 961) bei Höfer zeitschr. 2, 341. und der edel fürste von Baden daz alte Geberzenstein durch vohrte üf git. MS. 2, 235". in den proben p. 264 steht Gebichenstein. MSH. 2, 384 Gebzenstein. Geveckenhorst. Moser no. 274 (no. 271 falsch Giveten- horst). Gebichendorf unterg. ort bei Aniöneburg Landau wüste ortsch. p. 280. Pröhle Harzs. p. 56 62 Hibichenstein , p. 259 Hewekenstein. Kuhns sagen no. 290 Gäbkenstein, Giiwekenstein. Gilbikiessathas Hildesh. grenze bei Lüntzel p. 42. 51 oder liegt in Gilbikies biki bach?

^ ein Kriemhilten graben weisth. 1, 48 51.

gg HASEHART.

wohlthätiger zwergkönig auftritt ^ näheren bescheid von diesen dingen wird man etwa vor acht hundert jähren jenen gefan- genen auf Gibichenstein für die lange weile gegeben iiabcn. wir, unsrer eigenen vorzeit fremd geworden, können nur täp- pisch suchen das neue mit dem alten zu verknüpfen.

HASEHAKT.

Zeitsclirirt für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. .575 577.

575 Wenn zwei völker in lebendigen verkehr gerathen und aus ihren sprachen wechselsweise einzelne Wörter übernommen wer- den müssen, so ergeben sich bald von selbst dafür gewisse lautbestimmungen, wie sie den eigenthümlichen organen jedes Volks angemessen scheinen, ganz im Widerspruch mit dem erst später aufgestellten pedantischen grundsatz dasz die fremde form in Schreibung und ausspräche ängstlich gewahrt werden müsse, zum einleuchtenden beispiel gereicht die romanische Wortbildung ART oder ARD welche aus dem deutschen HAUT oder HARD schon sehr frühe eindrang und dem latein völlig unbekannt war. sie ist auch im deutschen kein ableitendes ele- ment, sondern blosz in der composition vorhanden; ihre häufig- keit aber und eben die von den romanischen Sprachwerkzeugen geforderte Unterdrückung des H, weil nun ein festerer anschlusz an das vorausgehende wort thunlich wurde, muste ART abstract und derivativ machen, unser deutsches HART, ursprünglich adjectivisch (goth. hardus, ahd. herti), konnte nur in zusam- mengesetzten eigennamen Substantivgeltung gewinnen (gramin. 2, 563. 581); den romanischen sprachen genügte es aber nicht namen wie Renard, Bernard, Gerard, Menard, Everard zu über- nehmen, die unserm Reinhart, Bernhart, Gerhart, Meinhart, Eberhart entsprechen, sondern sie zeugten nun auch, zumal die

576 französische, weitere nomina wie babillard, bätard, fuyard, vieil- lard, gaillard in menge. ^ einzelne derselben wurden späterhin in die deutsche spräche eingelassen, mit richtiger herstellung des ihr gebührenden H, z. b. stanthart Wh. 368, 7 aus estandart, etendard; basthard aus bastard, bätard, ital. bastardo; taphart aus tabard ; Bonthard gr. Rud. I, 22 aus einem zu vermutenden Bondard Springer, vgl. gramm. 2, 340.

^ Herrn. Harrys sagen Niedersachsens, zweite abth. s. 32 48. ^ ital. Bernardo, Gerardo, vegliardo, gagliardo. auf ähnliche weise ent- sprang Orlando, franz. Rolant aus ahd. Hruodlant, fränk. Chrodoland.

HASEHART. 87

Hierher gehört auch ein seltener mhd. ausdruck, der sich noch nicht hei den älteren dichtem, vielmehr erst im letz- ten viertel des 13n jahrh. darbietet, und sichtbar dem franz. hasart, hazard nachgeahmt, seiner wurzel nach also undeutsch ist wie stanthart basthart und taphart. ich kenne hasehart nur aus folgenden vier stellen. Ls. 2, 312 [GA. 3, 88] sagt meister Irregang, er könne

gewinnen und Verliesen

ein hasehart üf einem bret. in Langensteins Martina heiszt es bl. 122'*

üf hasehartes schanze setzen. in einem ungredruckten gedichte Rüdigers von Munre, an dessen schlusz jener Irregang wieder auftritt (Hagens grundrisz s. 345 [GA. 3, 78]) .

daz dich hasehart verzer! bei Herman Damen (Müll. 65% vgl. MSH. 3, 167)

her vurbüte in einem bere [biere]

hasehart umme sie alle, [hashart. g. frau 1093. schanz und hof hasehart. Ottoc. 312''.

Hasehard n. pr. Quedlinb. urk.] die beiden ersten jnale ist hasehart ohne zweifei Würfelspiel; die folgende Verwünschung mag auf spiel oder allgemein auf Unglück bezogen werden, ohne dasz eine personification anzu- nehmen nöthig wird, verzern ist perdere. [Hagen nimmt einen geist an und vergleicht nl. Osschaert.] in der vierten stelle er- kläre ich vurbüte nicht von verbieten, sondern von dem nie- derdeutschen büten tauschen (brem. wb. 1, 174. nul. buiten). S wendeler ist so leichtfertig, er würde in einem trinkgelag Tirol Metz Mainz und Trier um ein Würfelspiel vertauschen.

Was hasehart oder hasart eigentlich bedeute lehrt uns viel- leicht am besten das schöne fabliau von saint Pierre und dem jougleor bei Meon 3, 282. Peter bringt ein berlenc und drei 577 Würfel herzu; unter berlenc (sonst auch brelenc, brelan, vgl. Ducange unter belencus und berlenghum) versteht man das bret worauf gewürfelt wird, wie in der angezogenen stelle aus Ls. 2, 312 auch ein bret genannt ist, und berlenc, brelenc leitet sich wol selbst aus dem deutschen bretlin oder bretling her. das spielen oder würfeln heiszt aber nun v. 138 hazeter, und der geringere, verlierende wurf v. 183. 201 hasart. hierzu stimmt dasz des span. azar zufall und Unglück ausdrückt, bei dem ital. finde ich nur die bedeutung des heutigen franz. hasard ange- geben, auch das provenz. azars gilt vom Würfelspiel.

Raynouard hat eine wunderliche etymologie vorgeschlagen, er meint in diesen provenz. azar den nord. pl. asar, götter, und den begriff von fatum enthalten, weniger ungereimt stellt Ihre

WUOTILGOZ.

hazard zu dem schwed. haske, altn. häski periculum. sollte nicht das lat. as, ital. asso, franz. as zum gründe liegen? denn das span. azar bezeichnet auch das ass auf dem Würfel, d. h. die geringste, nachtheiligste zahl.*

WUOTILGOZ.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 577. 578.

577 Die ags. genealogien haben einen Vedelgeät, Guedolgeat, Yothelgeät, Vithelgeät, als Voflens söhn, der mit Saxneät auf gleicher hnie der abstammung stehend, hoch in das alterthum rücken musz (mythol. anh. vii. viii). der seltene name ist nun mit Sicherheit auch in den Nithartischen [nach Haupt Neidh. 117 nur in unechten] bauerliedern gefunden, wo man Uetelgoz MSH. 3, 200^ 208^ gewöhnlich aber richtiger Wüetelgöz 220''. 22 P. 24P. 278^ 279\ 280"' liest, in älteren Urkunden habe ich noch kein Wuotilgoz angetroffen, die mhd. form iehrt dasz ags. Vo- delgeat oder Vedelgeät zu schreiben sei und dasz die Vermutung Vedelgeät = Vendelgeät bei Zeusz s. 57 falle, ich hatte früher daran gedacht mit Vedelgeät die Vedergeätas im Beovulf zu vergleichen; dann müste auch Vedergeätas gesetzt werden, was bedenklich scheint.

Es kann uns vorerst an jener entdeckten gleichung Vedel-

578 geät = Wuotilgoz genügen; in den sinn des namens zu dringen wird schwer sein, sonderbar, die stelle 208*', er ist ein Uetelgoz, ich sichz an sinen ougen, sollte fast glauben machen in Ostreich sei er damals noch verstanden worden, wiewol auch die blosze abkunft aus einem bekannten bauergeschlecht oder die ähnlich- keit mit dem vater gemeint sein mag. mythologisch wäre her- vorzuheben dasz in dem eigennamen einmal das einfache Goz, Geät, dann auch der anklang an Wuotan, Voden selbst enthalten ist. Schmeller 4, 203 gibt wüeteln, wiedeln vegetare, pullulare, und Stalder 2, 457 wued geil, üppig, was noch dem dichter des ]3n jahrh. vorgeschwebt haben und zu der thätigkeit eines gött-

Ygl. Ducange s. v. azardum, azardus. Grandgagnage s. v. forzarder. as hasars (zum würfeln). Meon n. r. 2, 449. sp. el azar das as im Wür- felspiel, it. la zara Würfelspiel. altfranz. hasard numerus senarius, senio, daher: c'est bien tombe, c'est un coup de hasard (nicht du hasard) =• coup de six, sechs geworfen, vgl. Genin recreations philo!. 1, 131 135. Schmell. 2, 245 hassard, hasz, feindseligkeit. Schmidt Reichenf. 118 haben auf ihn einen hasard (sind ihm misgünstig).

GARSECG. 89

liehen, dem wachsthiim der erde vorstehenden wesens stimmen könnte, auch den Vod erwäge man der im travellers song als beherrscher der Thüringe aufgezählt ist.

GARSECG.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 578.

Für meine von Kemble angefochtene deutung dieses ags. 578 ausdrucks (mythol. vorr. xxvii) zeugen äuszerungen lateinischer Schriftsteller des fünften, sechsten jahrh. Apollinaris Sidonius sagt 8, 9 hie glaucis Herulus genis vagatur, Imos oceani colens recessus, Algoso prope concolor profundo. Jornandes gleich im eingang oceani intransmeabilis ulteriores fines non solum non describere quis aggressus est, verum etiam nee euiquam licuit transfretare , quia resistente ulva et ventorum spiramine quies- cente impermeabiles esse sentiantur. [vgl. den bericht des Car- thag. Himilco in Avienus orae marit. 117. 378. 380.] hiernach liegt es ganz nahe alga oder ulva, folglich auch gärsecg auf den begriff des oeeans anzuwenden, die sage von dem wegen des Schilfs unfahrbaren meer scheint spätem zeiten ausgestorben, welche desto mehr von lebermeer und magnetberg zu erzählen wüsten, es musz auch geläufig gewiesen sein die wogen des meeres zu denen eines getreidefeldes zu halten; Boccaccio dec. 1, 1 veggionvi si i campi pieni di biade non altrimenti ondeg- giare che il mare. und gehört nicht selbst die uralte Verwechse- lung des blühenden flaehses mit einem flusz (Paulus Diac. 1,20, haus und kinderm. no. 149) hierher?*

* Sidon. Apoll, ep. 4, 21 aequor agrorum, in quo quaestuosae fluctuant in segetibus undae. natantes campi. Virgil. gr. tppt'^, aufschauern der Wasser- fläche, der ilhren des Saatfeldes. turn, v. N. 129, 4 der wint durch eines kornes fluor so tobelichen nie geswanc. der wind ist im körn. Frisius ITS**. und kaum bewegte sich wie eine waizenflur, auf der sich zephyr wiegt, der occan. Oberon 7, 10. Luther verdeutscht das rothe meer stets durch schilf- meer, die vulgata hat mare rubrum, auch die ags. psalmen 135, 13. 15 on pam reädam sx. N. der rote mere. litth. szwendrü mares, nendrü mares, sehilfmeer, nach Luther. nendre ist ags. secg, engl, sedge, ir. seisg, w. hesg. ags. auch secgleäc, engl, sedgeleek carex.

90 SUM, SUMELICH.

SÜM, SUMELICH.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 1. 1841. s. 579. 580.

579 Der begriff des etlichen, von der ganzheit gesonderten leidet oder fordert es dasz diese daneben im genitiv oder mit bilfe von präpositionen ausgedrückt veerde, quidam eorum, qui- dam ex illis, de illis, ihrer etliche, etliche, einige von ihnen, unter ihnen, ebenso einige von den leuten, aus der menge, von, unter den männern. fas/t man aber das etliche weniger pronominal und mehr adjectivisch, so kann es auch das sub- stantivische ganze als bloszes adjectiv begleiten und quaedam quaestiones, einige fragen ist fast so viel als quaedam ex quae- stionibus, einige unter, von den fragen, nur dasz in der letz- ten ausdrucksweise das gesonderte mehr hervorgehoben wird (graram. 4, 740).

Ich habe, gnunm. 4, 457 gewiesen dasz die goth. spräche der genitivischen, die ahd. der adjectivischen fügung geneigt ist; das goth. manne sums würde ahd. sum man, sumer man gegeben werden; Luc. 15, 8 ist jedoch qino der nom. sg.

Das merkwürdigste ist aber, worauf ich hier noch näher kommen will, die ags. und alts. construction, wenn die ganz- heit durch das pronomen, nicht durch das subst. bezeichnet wird. ags. läszt sich für aume eover, sume hira sagen sume ge, sume hi; ein lat. quidam vos, quidam illi wäre unstatthaft; ein ahd. ir sume, sie sume kann ich nicht aufweisen, allen- falls vermuten, die alts. belege aus Hei. hat jetzt Schmellers glossar lOö** reichlicher zusammengestellt, sum it (einiges davon, aliquid ejus) fei 73, 7. 10; sum it bivallen ward 73, 13; sum ward it than bivallen 73, 19; sume söhtun sie (quidam eorum) 36, 18; sume wärun sie 36, '12. 37, 2; thoh sie sume lata wer- than 107, 22; suma sia gispräkun steht nicht 173, 16. dasz sum kein adv. (partim, ex parte) sei, wie allerdings das mnl. som genug verwendet wird (z, b. Maerl. 1, 133. 223), lehren die nom. pl. sume, suma.

Dieselbe construction gilt nun ferner für das mnl. som: het was hem let somen (es war einigen unter ihnen leid) ; some benediedise met eren ende some enseinde hise niet (einige der- selben segnete er und andere nicht) Maerl. 1, 80 wo some se wörtlich quosdam eos ausdrückt, [het willen wanen wel si some. Maerl. 2, 108.]

580 Allein sie musz auch für das mhd. sümelich behauptet werden; wie leit in sümelichen was (quibusdam illorum) Nib. 15Ü3, 4; man horte daz si sümeliche sungen Gudr. 1560, 4; ir sümelicher scheiden Gudr. 1690, 2; unser sümelicher beiten

EINTHEILUNG DER DEUTSCHEN DECLINATION. 91

MS. 1, 181"; den bot man sümelichen ros unde gewant Nib. 2G4, 4. [si sumeliche. Roths predigten 36, 42, diu liute 8iin)e- liche 43. daz ist in sümelichen leit. MS. 1, 73''. viel er sumelicher. Hoffm. fundgr. 1, 93. die tage sumeliche. ibid. 1, 109. sine recken sumeliche. En. 11163. ir sumelicher eide Nib. 1072, 1. ir sumeliche Tit. 3345. die herre sumeliche MS. 2, 132**. nu rate ich minen f'riunden sumen. Er. 7634. daz wart dinen jüngeren sümelichen zorn. v.glauben 2154. vgl. ein min. gramm. 4, 418. etr })at epli sumt. Völs. c. 2.] etelich, eteslich wird in soweit anders behandelt, als es gern im sg. (sümelJch im pl.) steht, und dann den gen. pl. bei sich hat; ir eteslicher MS. 1, 154^ Nib. 1883, 2. ir eteslicheu Nib. 457, 2 = si sume- liche. ^ zu beachten ist auch dasz dem alts. sum das persön- liche pron. fast immer nachfolgt, dem mhd. sumeliche stets vorangeht.

ÜBER DIE EINTHEILUNG DER DEUTSCHEN DECLINATION.

Bericht über die zur bekanntniachung geeigneten Verhandlungen der königl. preusz. akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1842. d. 31.jan. s. 31. 32.

Hr. Jakob Grimm las über die eiutheilung der deutschen (starken) declination. es wurden drei kennzeich en nach den vocalen A, J, U und deren ablauten, so wie weiter angenom- men, dasz die erste declination die genera scheide, die zweite und dritte dagegen masculinum und femininum zusammenflieszen 31 lasse, so sehr der Organismus des Verhältnisses zwischen sub- stantivischer und adjectivischer flexion in den deutschen spra- chen beeinträchtigt scheint, ergaben sich dennoch bestätigungcn 32 für jene theorie aus den adjectiven und vorzüglich aus der bil- dung der adverbien.

' Nib. 1887, 2 der sluog er etelichen so swseren swertes swanc; ich -würde vorziehen etelichem ; hier zu wagen den sluog er etelichen berechtigt keine lesart und der sg. swelher spranc geht voraus. 1885, 3 hat C sumeliche T. eteliche.

92 ALLERHAND ZU GUDRUN.

ALLERHAND ZU GUDRUN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M, Haupt, bd. 2. 1842. s. 1 5.

1 1. Gabilim 101, 1 heiszt Parz. 383, 2. 575, 27 daz gampi- lün und ist das zeichen [der Bertüne] in Ilinotes wappen. [ein tier eime capelune gelich. Roth. 4938. auch im schild.] zu- nächst denkt man dabei an xafxros iin:6xaji.Tco? l^.T,oy.d\lT.r^ seepferd. Festus cappas (campas) marinos equos Graeci a flexu posterio- rum partium appellant. doch zu erwägen wäre auch das ital. span. gambaro seekrebs, altfranz. jamble, gr. xajxapo? xatxaa- poc, lat. cammarus gammarus, mlat. gambarus, altn. humri, schwed. dän. hummer, franz. homard. ein seeungeheuer auf jeden fall.

2. Es ist eine schöne art dargebotne gaben so auszuschla- gen dasz man sie segne und preise, gleichsam ihren werth für den erhebe der sie behalten soll. Gudrun lehnt die von Ortwin und Herwic gebotnen ringe mit den Worten ab 1225, 1 got läze iu iuwer bouge beiden saelic sin! und wiederum die mäntel 1233, 1 got läze iu sselio sin iuwer beider mentel! gerade so Siegfried den ihm von Giselher angetragnen theil burgundiscbes landes Nib. 640, 3 got läziu iwer erbe immer s.x'lic sin! [got lone iu iuwer bouge Nib. 1575, 1.] schien höfischen dichtem diese formel zu gemein als dasz sie sie angewendet hätten? denn sie fände sich sonst öfter, [liute und laut diu müezen sjelic sin (beim abschied). Hartm. lieder 22, 5. wünsche mir ze velde u. nicht ze walde: vil saelic si der walt, darzuo die beide! Walth. 35, 22. die läze got unsaelic sin! Trist. 66, 36. dio vi salvi i bastoni e le mani. Pulci canto 2, 41.] ähnliche redens- arten mögen unterm volk häufig umgegangen sein, um abzu- lehnen und höflich zu wehren, in Ilolbergs eilftem juni 3, 6, als Studenstrup lust trägt zu einem schmucken röhr, aber hört dasz es nicht unter sechs thalern zu haben sei, ruft er vom kaufe abstehend aus gud bevare mine sex rigsdaler! = got läze mir si saelic sin! das büchlein vom salzburgischen Untersberg, Brixen 1782 s. 1 1 erzählt wie eine bäuerin ihren mann bei einer wilden frau mit langen haaren überrascht und sie angeredet

2 habe 'o behüte gott deine schönen haare, was thut ihr da mit einander?' sie will in gute sagen 'weich von hinnen und be- halt deine schönen haare für dich die meinen mann verlocken!' dieses feine mahnen thut auf die fremde würkung, vgl. deutsche sagen 1, 65. [got bhüet im sein gefild! (dem thier) Uhland 582. behüte gott eur grünes laub. Rückert ged. p. 236. noch heute schickt man dem ablehnen einer dargebotnen waare ihr lob vor- aus: das ist recht schön, aber ich kanns nicht brauchen.]

ALLERHAND ZU GUDRUN. 93

3. Hettel gehört nicht zum ags. Henden in scopes vidsid; es gibt sonst keinen eigennamen Henden, und das aitburgund. hendinus, goth. idndins bleiben billig aus dem spiel dabei, sogar für Henden schlage ich vor dort zu lesen Heoden, und dann träte Zusammenhang ein. denn Heden, Heoden (nicht zu schrei- ben Heden, Heoden) ist ahd. Hetan, das als einfacher eigen- name, besonders aber in den compositis Wolf hetan (trad. fuld. 2, 60. mon. boica 28 no. 52. 246), Pernhetan = altn.' Ulfhedinn, Biarnhedinn vorkommt, altn. d hier, wie oftmals, gesetzt für organisches d. Wolfhetan dreht sich auch um in Hetanwolf (Hedenulfus Pertz 1, 508. 2, 213). v^^as dies ahd. hetan, alts. hedan, ags. heden heoden, altn. hedinn (Saxo gramm. schreibt Hithinus) bedeute w^eisz ich noch nicht; die goth. form wäre hidan oder hudan (wie trudan = ahd. tretan). vom ahd. heidan paganus, goth. häij)ns, ags. hreden, alts. hethin, altn. heidinn steht es ab, wiewol Verwechslungen beider formen frühe begon- nen haben mögen, z. b. wenn der eigenname Paganus erscheint (Lacomblet no. 314. 330 a. 1132. 1139), war er doch eher Hedan als Hedan, Hethan. auch Heidenreich lautete wol ursprünglich Hedanric, ahd. Hetanrih? wie jenes Hetanwolf nhd. als Heiden- wolf Heidwolf HeidlofiF erscheint, dies alles über Hetan voraus- geschickt kann ich fortfahren. Hettel in der Gudrun halte ich für entsprungen aus Hetel Heten, und die ags. Heodeningas, altn. Hiadningar (gramm. 1, 352) werden ahd. geheiszen haben Hetaningä, Hetalingä, was allmählich entstellt wurde in Hege- linge, der letzten form entspricht in ags. und altn. berichten durchaus nichts, allerdings gab es einen ahd. Ortsnamen Hegi- linga (Meichelbeck no. 418) \ allein in unsrer dichtung ist Hege- linge name eines geschlechts der nur in den constructionen zen Hegelingen oder Hegelinge lant örtlich wird, noth wendig also auf einen stammherrn führt, der im lied nirgends Hegel, nur Hettel heiszt und dem ags. Heoden, altn. Hedinn gleich steht 3 nach welchem die Heodeningas, Hiadningar benannt sind, mit Hegeling kann Hygelac im Beovulf = ahd. Hugileih, altfränk. Chochilaich nichts gemein haben.*

4. In Gudrun klingen verschollene stammsagen und ort- lichkeiten des nordwestlichen Deutschlands an, zumal auf die Niederlande, Friesland und einen theil von Scandinavien bezüg- liche; hätten wir genaue geographische künde aus dem höheren alterthum dieser landstriche, so würden sich manche einzeln- heiten des gedichts aufhellen. Mateläne, der Hegelinge sitz, erinnert an ein niederrheinisches Mediolanium des Ptolemäus, das man im münsterschen Städtchen Metein an der Vecht, zwi- schen Horstmar und Bentheim, wieder findet, ältere Urkunden

^ vgl. Mone lieldensage s. 5*2.

* hegehiling Dronke p. 165, hecchiling p. 168.

94 ALLEEHAND ZU GUDRUN.

nennen es Matellia^ Peutingers tafel gibt nach Fletione ein Matilone, der o-eographus Kavennas nach Fletione ein Matellione an, welche formen dem Mateläne noch näher rücken. Fletione setzen andere westlicher nach Ysselstein und Matilone in die gegend von Rynsburgen. die altn. Überlieferung scheint von keinem ähnlichen ort zu wissen, bei Saxo gramm. s. 88 90 ist Hithinus ein rex aliquantae Norvagiensium gentis, Höginus (1. Högnius) ein Jutorum regulus, während unsere dichtung den Hagene in Irland, die ags. den Hagena in Holmrice hausen läszt. nach Saxo kämpfen beide, Hithinus und Höginus, auf Hithinsö, worunter er sich vermutlich Hedinsey [S.-em. 152"], nordwestlich von Rügen dachte, was noch heute den namen Hiddensee führt, aber Snorraedda 164 legt diesen kämpf nach Häey, einer der orkadischen inseln, was den Schauplatz wieder gegen Schottland und Irland schiebt, im Sörlajjättr (fornald. sog. 1, 403), wo sich bedeutende abweichungen des inhalts dar- bieten, heiszt dieselbe insel blosz Ha, in Gönguhrolfssaga (da- selbst 3, 284) wird umgekehrt Hedinsey weit ostwärts zwischen Gardariki und die Tartarei gebracht, man musz hinzunehmen dasz SörlajDättr den Hedinn aus Serkland d. h. Africa, Sara- zenenland stammen läszt, wie im Gudrunliede Siegfried könig aus Mörlant als bundesgenosz der Hegelinge auftritt, das alte Maurungania an der Elbe ist dabei nicht zu übersehn. 4 5. Sehr merkwürdig ist etwas anderes bestimmteres, nach

unserm epos wird zwar der kämpf zwischen Hettel und Hagene um Hilde auf dem gestade von Waleis gefochten, dagegen ein zweiter ähnlicher um Gudrun zwischen Hettel und den Nor- mannen auf dem Wülpensand oder Wülpenwerder. diesen aber darf man an die flandrische küste, wo sich die Scheide ins meer ergieszt, auf den sogenannten Cadzand Cassand setzen, wo noch im mittelalter ein ort Wulpia zu finden war. der keur- brief von Brügge a. 1190 (bei Warnkönig 2, 1, s. 85) nennt noch die Wulpingi, homines de Wulpia sive de Cassand. dort in der gegend sind genug landstellen vom meer verschlungen worden, zwischen Wülpen und Walchern hiesz aber die west- liche mündung der Scheide vormals Hedensee, Heidensee ^ was wiederum ein Hedenseiland gewesen sein wird, also den namen Hedens neben Wülpen aufbewahrt, die sage knüpfte ihren Schauplatz bald da bald dort an. dasz ältere lieder die erste Schlacht zwischen Hagene und Heten bereits auf dem Wülpen- werd geschehn lieszen ergibt sich aus der wichtigen stelle im Alexander 1831 [Weism. 1676], wo man freilich Hetenen für Hagenen* zu lesen und anzunehmen hat dasz nach dieser dar-

^ Ledebur Brukterer s. 327. 328.

TT ^ ^?l* ^^^ ^^''^^ ^^^ Flandern bei Warnkönig und Kluit hist. crit. comit, Holl. et Zeelandiae 1, 1, 114.

* auch bei Diemer 220, 23 hagenen.

ALLERHAND ZU GUDRUN. 95

Stellung Hagene umkam, während ihn die jüngere am leben erhält.

6. Hettels vater bleibt im Gudrunliede ungenannt; zufolge der nordischen sage ist Hedinn söhn des Hiarrandi, welchen namen man dem Horant (nicht llörant) des liedes gleichzusetzen hat, nur dasz Horant blosz als genosz des Hettel, nämlich als Schwestersohn des Wate und herr in Tenelant auftritt, jenem Hiarrandi entspricht der ags. Heorrenda, auch ein sänger bei den Heodeningen, wie Horant bei den Hegelingen, kaum also Heodens vater oder naher verwandter, den formen Hiarrandi, Heorrenda würde ein goth. Hairzanda, ahd. Herranto gleich sein, welche schwache flexion ich nicht angetroflPen habe, mhd. blosz die starke Herrant; Herant kann übertreten in Horant^, vgl. gramm. 1, 141. 153.

7. Man darf auch nicht Wate schreiben, da Wate durchs den reim Waten : gegaten (Alex. 1833) wie durch die ags. Schrei- bung Vada, altn. Vadi (und nicht Vaeda, Vädi) begehrt wird. [vgl. Hpt. 2, 380.] ohne zweifei ist Rol. 266, 19, weil Oigir aus Dänemark stammt, der dänische Wate des epos gemeint,

8. Für Nortlant würde ich Ortlant vorziehen, wie z. b. 565, 1 geschrieben steht, und weil es auf Irolt und Ortwin, die herren dieses landes (716, 1. 1642, 2), alliteriert, leicht konnte aus Ortlant Hortlant werden (466, 4. 520, 1) oder Hortriche (481, 1. 634, 3) und daraus Nortlant, wegen alter Verwechslung des H mit dem N; wie auch Normanie und Ormanie, Armenie schwanken, wovon ein andermal.

SIOZA.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. s. 5. 6.

Den reicheren gehalt der schönen ahd. spräche als ihn 5 ihre meist unbeholfnen denkmäler sammeln lassen ahnt man aus einzelnen verstohlnen formen die zu bisher aufgestellten regeln ausnahmen an die band geben und vorerst nur mit hilfe verwandter dialecte zu erklären sind, es macht mir grosze freude ihre spuren zu verfolgen, in Neugarts Urkunden las ich schon lange no. 155 a. 805 Wolfpoldes siaza und no. 226 a. 826 Wolfpoltes siuzza; es wird dadurch ein grundstück, ein wald- eigenthum bezeichnet, jetzt findet sich auch in einer unge-

* beispiele von Herrant und Horant sammelt Mone heldensage s. 59.

96 SIOZA.

druckten Fuldaer glosse, die Dronke nächstens herausgeben will, das bestimmtere siozza praedia. dahingestellt bleiben musz ob der sg. sioza fem. oder sioz masc. lautete; vor allem zieht uns das vocalverhältnis an. in diesem io, ia einen diphthong der fünften ablautsreihe, also ein goth. iu anzunehmen verbietet die völlige abwesenheit einer goth. wurzel siut saut sut oder ahd. sioz soz suz. es scheint also nur übrig eine brechung io = e oder ursprüngliches i zu vermuten, so dasz unser wort der be- kannten wurzel sit sat set oder ahd. siz saz saz anheim fiele, was sich auch mit der bedeutung grundstück oder besitzung wol vereinbart, in der zweiten stelle bei Neugart, die der diph- 6 thongischen auslegung günstiger wäre, wird vielleicht iu für ia verschrieben oder verlesen sein, ein ungebrochnes sez oder seza weisz ich nicht aufzuzeigen, geschweige ein mhd. sez seze oder siez sieze. ^

Aber die ags. spräche leistet uns gewähr; sie bietet nicht nur geseotu = gesetu (gramm, 1, 349)*'^, sondern auch seotol = setel, ahd. sezal dar. geseotu ist pl. eines neutr. geseote, gesete praedium, plantatio, niederlassung, anbau? noch mehr, bei Lye steht ferner das einfache seotu bucetum und siota (? siotu) stabula [Wright vocab, 289*], so dasz seote in einge- schränktem sinn einen Weideplatz für rinder im wald ausge- drückt haben mag, was dem ahd. siaza bei Neugart vollkommen angemessen ist. [siöt. Sasm. 6". siot sedes. 107". 109''. vgl. mhd. setze. Ziemann 384. Mazzensiez MB. 6, 503. 33% 71. Mazenzez 6, 508. Mazinsiez 6, 520. Mazensiez 6, 525. 535. de Matzin- siezon 33% 48. 49. in Hessen Süsz, Hohensüsz für Siesz, Siesze. Vilmar in der hess. zschr. 1, 270. 4, 93.]

ZU DEN MERSEBURGER GEDICHTEN-'

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 2. 1842. s. 188 190.

188 Das asyndeton, ohne welches im zweiten gedieht nicht vier,

nur zwei göttinnen sein würden, fordern folgende gründe.

1. ira gen. sg. fem. ist ahd. und auch alts. von iro gen. pl. geschieden, beide sondern sich wie goth. izos und ize. auch das

^ es bedarf kaum der bemerkung, daz z hier überall nur ■/, sein kann, oter burga geseotu, trans oppidorum praedia C. 302, 20, wo Thorpe zu geseotu bemerkt this word does not seem to occur elsewhere. im cod. üxon. soU aber nach Lye ein gesetu stehn.

•D 1-^ ^c^L ^^^f. <^°t<ieckte gedichte aus der zeit des deutschen heidenthums. Berhn 1842. [kl. sehr. 2, 1 29.]

zu DEN MERSEBURGER GEDICHTEN. 97

llildebrandsliecl liat nur iro eorum, kein ira; wenn im Heliand einigemal ira für iro steht, so scheint das fehlerhaft, da auch thero und alle übrigen gen. pl. o weisen und das ags. fries. a 189 meiden, erst im mhd. ir fallen beide casusformen schädlich zusammen.

2. bedeutete ira hier eorum, auf wen soll es bezogen wer- den? doch auf Phol und Wodan? dann folgte nothwendig dasz Phol und Wodan brüder, Sunna und Folla ihre Schwestern waren. Phols und Wodans brüderschaft ist aber beiden bedeu- tungen entgegen die ich von Phol versucht habe, noch weniger scheinen Wodan, Sunna, Folla geschwister. Sol, nach nordi- scher mythe, war tochter des Mundilfari, Schwester des Mäni (mond), nirgend werden Sol und Fulla geschwister genannt, zwar heiszt Fulla auch nicht der Freyja Schwester, sie steht vielmehr in nahem Verhältnis zu Frigg. und da Frigg (langob. Frea, ahd. Fria, slavisch Priye) verwechselt wird mit Freyja (ahd. Frouwa, Früa), so fragt es sich ob nicht in unserm denk- mal für Früa gesetzt werden müsse Fria? dann wäre Wodan vollends ein unpassender bruder, weil er Frias gemahl ist.

3. auf den ersten schein gemahnt früa Folla an domina Abundia, dame Habende, wie an frau Berhta, frau Hulda, frau Venus, doch diese ausdrucks weise beginnt erst im 12n oder 13n Jh., ich glaube nicht, dasz man im 8n oder 9n frouwa als bloszen titel vor eigennamen setzte, die ags. und alts. mundart haben das ahd. frouwa überhaupt nicht, späterhin scheint es aus der hochdeutschen in die niederdeutsche, bis in die nieder- ländische und friesische, eingedrungen, mhd. lesen wir freilich allenthalben vrowe Juno, vrowe Pallas, wie her Jupiter, her Adam und vrowe nahtigal; in den meisten anreden wird be- titelt, aber O. und N. verwenden frouwa, frowa nicht so. Maria heiszt auch später niemals frau Maria, sondern entweder Jung- frau Maria, oder sente Maria, oder unsere frau Maria (wie be- reits im Essener fragm. üsero früon sancte Mariun), was mehr als titel ist. O. 1, 3, 31. 1, 5, 7. 1, 7, 1 hat nur sancta Maria; N. ps. 21, 11 föne Mariun wombo; ps. 79, 18 Mariun sun. niemals ertheilt O. einer Elisabeth, Magdalena, Martha den titel frowa, noch N. im Marc. Cap. einer Juno, Minerva, scheint also früa Folla unstatthaft, so musz Früa ein von Folla ver- schiednes wesen sein, ich habe Folla für die göttin des reich- thums gehalten, lieber als für den vollmond, weil weder bei i90 der nord. Fulla, noch bei Abundia und dem lettischen Pilnitis des monds gedacht wird, nach dem Volksglauben spendet auch der neumond mehr fülle und segen als der vollmond (litth. pilna- tis, goth. fulli|)s). wie sich aber Abundia und Diana, Hulda, be- rühren, könnte dennoch bei Fulla der mond in betracht kommen.

4. wäre frau Folla recht, so müste es auch Sinthgiind sunna sein, und Sinthgund den eigennamen der sonne bilden.

J. QRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 7

98 ZU DEN MERSEBURGER GEDICHTEN.

einen solchen führt sie nun nirgend, obschon der ihm nachge- wiesene sinn auf sie wie auf ihre Schwester anwendbar wäre, würde aber dann nicht blosz Sinthgund, mit weglassung des appellativs sunna gesagt worden sein, der sonne nicht noth- wendiger das prädicat frau gebühren, als der Folla, selbst wenn diese der mond wäre? in der handschrift ist nach Sinhtgunt der den haupteinschnitt des verses bezeichnende punct gesetzt, und im folgenden vers könnte er hinter Früa ebenfalls stehn. dürfte, wenn frua bloszer titel wäre, zwischen ihm und dem eigennamen, so wie zwischen dem eigennamen Sinthgund und dem appellativ sunna die metrische ruhe eintreten? ich zweifle. Sind nach allem diesem Früa und Folla, Sindgund und Sunna vier eigene göttinnen, drückt ira ejus, folglich schwe- sterschaft je zweier unter einander aus, so darf das wegbleiben der copula dem nach stuont (gramm. 4, 216. 346. 950), [beim dual (gr. 4, 294), bei namen von mann u. frau. (tr. fuld. no. HH)] an die seite gesetzt werden^ und auf weitere l)estätigungen hoffen, ich führe noch einige stellen aus der Edda an. ls(Mfr, Asolfr Ölmodssynir Sa^m. 116"; Ani, Omi oro bornir Arngrims synir 116''; Amr ok löfur, Mär llö*"; Vinbiörg, Valbiörg 235''; glöar Gullinbursti, Hildisvini 114% diese letzte fügung ist zwei- deutig, da Hildisvini auch der dat. sein könnte und dann dtis comma unterbliebe; [ärtid, «fi, aldrtila 89''; drucko hra'gifr, IIu- ginn hiartblod saman 235\] aus der mhd. poesie lassen sich vielleicht bessere beispiele sammeln, als folgendes, Nöupatris, Eskelabön der manegen pris bezalte Wh. 106, 23; [üf bluomen gras 460, 30; hat man in iht getan minen konen mägen. Nib. 692,2; aber was ist konen? sonst konemägen; sunge sagte Tit. 2897; mit veil hamer zangen 3531; vater muoter beide, pass. 348, 5; gote mir willekomen; ahd. sunu fatarungo. Hild.; du din! Personenwechsel 32 (kl. sehr. 3, 274); finn. suvin talvin sommer und winter; lat. huc illuc, jam jam, undecim, duo- decim ; ä'vosxa, owosxa; ainlif, tvalif; vingt-^un, trente-deux; einige zwanzig für einige und zwanzig.]

CREDE MIHI.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. s. 191.

191 Wenn Hartmanns reine deutsche spräche einem abt die

betheuerung crede mich für crede mihi zweimal in den mund legt (Gregorius 853. 1456), so musz sie unter den klosterleuten

, . l ^^\^^ zwischen hera duoder im ersten gedieht scheint die copula gleich absichthch ausgelassen.

OREDE MIHI. 99

sehr im schwang gewesen sein, auch Reinmar von Zweier MS. 2, 124" sagt diu glihsenheit diu birget vil unreines, . dur Juden und dur vürsten golt so ist man ir ze Kome holt, ir Crede mich kan Schatzes wol gevären, und nochmals MSII. 2, 203" dii trüwe ich nimmer vinden süeze sele, crede mich (: sich), [crede mich, sprach der münich. GA. 2, 43. crede michi, bruo- der; worte eines abtes Wh. 156'' (Lachmann bei Hpt. 5, 42). do sprach der münech: crede mich, mönch u. gänslein 83. 265, (PfeiflPer bei Hpt. 8, 98. 104.) bruoder, sprach er (der ein- siedel), crede mich. cod. birkenst. 217. vindob. 104 grede. Archi- poeta s. 51 (kl. sehr. 3, 52.)*] auch im Wahharius 807 wird mihi crede eingeschaltet, und man darf Otfrieds giloubi thu mir, thaz giloubi thu mir, thes gilaubi thu mir (2,14,61. 3,20,178. 4, 5, 34. [5, 20, 40]), thaz giloubet ir mir, thes giloubet ir mir (4, 10, 6. 19, 53) oder giloubi mineu worton (5, 7, 4. 13, 4), [gelaub mich, sp. der leute 51] schon für eine blosze Verdeut- schung dieser formel halten, so natürlich auch die eigne spräche auf den ausdruck führt, was ich aber hier bemerken wollte ist dasz noch im ]7n jh. in dem niederrheinischen kloster Rom- mersdorf eine speise, seien es klösze oder ein backwerk, unter dem namen crede mihi verabreicht wurde ; ein Heimbacher weis- thum von 1627 (1, 619 meiner Sammlung) besagt, der alt burge- meister empfanget dem hoffneren im closter 30 crede mihi vnd ein stuck keesz, das vber 19, doch nit 20 heller werth sei. im Hennebergischen hiesz nach Reinwald 1, 70. 2, 62 eine gewisse art klösze herr gott behütes, oder abgekürzt blosz hütes. [an- ders Brückner henneb. id. 19. Stieler 998 mehlklösze horr be- hüt uns.]

ZU CREDEMIHl (2, 191).

Zeitschrift für deutsches alterthum, herausg. von M. Haupt. bd. 7. 1849. s. 562. ölvS.

Lancelot ed. Jonckbloet s. 306 z. 45722 32 562

Gariet brachte ut ere male ene dwale deine ende wit, die vor gode liede wel sit, die wel werdech sin der eren, ende spreidese vor die heren. hi trac vort uter male mer dan .vii. bi getale

* Cicero in prosa sagt mihi crede. auch Horat. sat. 2. 6, 93.

7*

100 DAS ER ÖRTL. APPELLATIVE UNADJECTIVISCH.

credemicken wit alse en sne,

die hi daer hadde: ic segs u me,

dat hise leide altemale

vor die heren optie dwale. schneeweisze milchbrote auf einem tuch reinlich vorgelegt. Ducange s.v. credemica: chartul. S. Vedasti atrebat. fol. 264: ad pontem de Werdin debet cellarius xii alletia (allecia beringe) et credemicas. es ist zu verwundern, dasz sie in keiner stelle des Reinardus erwähnt sind.

Aber nun das romanische micha, michia bei Ducange, wo in einer Urkunde wiederunl beringe und weiszbrot verbunden stehn, 'et chascuns avera une miche et deux harankes'; in einer andern heiszt es 'circa sepulturam meam distribuet pauperibus tredecim albos panes seu miccas'. merkwürdig bei einem pro- venz. dichter (Kaynouard s. v. micha) pas barutelatz val be michas de claustra, d.i. klostersemmeln, klösterliches gebäck^. dies provenz. micha, franz. miche, was noch heute pain blanc bezeichnet, unterscheidet sich von mica, franz. mie krume, wenn gleich hin und wieder mica für micha geschrieben wird. auch im Deutschländer mycke = wytbroit, semele, bei Stalder 2, 208 micke semmel- brötchen, migge, 2,212 mitchi, bei Schmeller 2,658 mütschelein, art feinern bäckerb rots, vergl. Frisch unter mutschel mütschel. 563 wer sollte glauben, wenn es nicht gewiesen wäre, dasz alle diese Wörter aus dem credemihi der klostersprache, zuletzt mit weg- werfung des ersten theils der Zusammensetzung, stammen? oder will man annehmen, mica liege doch zum grund und nur im scherz sei credemihi, credemichi darauf angewandt worden?*

DAS ER ÖRTLICHER APPELLATIVE UNADJECTIVISCH.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. 8. 19L 192.

Den schein des adj. hat höchstens der nom. sg. masc. in

191 Nürnberger tand, Berliner witz, Frankfurter kaufmann, das uns fast wie guter, schlechter, alter lautet, doch in allen andern fällen schwindet er. Nürnberger tandes, Berliner waare, Frank-

192 furter geld. dies unveränderlich haftende er unterscheidet sich

^ Meon 4, 190 il ert niez ä un prior,

de miches ot vescu maint jor, d. h. von klostersemmeln, feiner speise.

* walon. cremiche narbe Grandg. 1, 138 denkzeichen?

FRAU KEIN WILDES TRIER. 101

also auch von organischen adj. auf er, wie mager, heiter, die überall flectieren. es ist nichts als der vorgesetzte gen. pl., den die frühere spräche oft auch dem regierenden subst. nachsetzt, z. b. ein Schilling Regensburger, Constanzer = Regensburger, Con- stanzer Schilling, wie man ihn zu Re^ensburg, Constanz ausprägte, die ahd. spräche sondert jenen festen gen. pl. -äro bestimmt von guoter und magar. wenn nun allen eigennamen und örtlichen ap- pellativen ein groszer buchstab gebührt, so folgt, dasz er jenen gen. nicht entzogen werden darf, und es unrichtig ist zu schreiben leipziger druck, berliner handschrift statt Leipziger, Berliner.*

FRAU KEIN WILDES THIER.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. s. 192.

Schon gramm. 4, 650 ist auf redensarten hingewiesen wor- 192 den die mir uralt scheinen, will eine frau ihrem geliebten seine blödigkeit vorrücken, so sagt sie ihm ich war ja kein wildes thier das du zu meiden brauchtest, bei dem von Kürenberg MS. 1, 38'' j6 enwas ich niht ein eher** wilde, als der lieb- haber sich nicht sie zu wecken getraut hatte. Iwein 2269 ir möhtent sitzen näher baz, min vrouwe bizet iuwer niht. MS. 2, iy5^ sin möht mit linden henden min niht erslän. auch unser noch gebräuchliches einem den zahn weisen kann dazu genom- men werden: si zeiget mir den wolves zant Ben. 386. es musz andere stellen mehr geben, deren ich mich jetzt nicht entsinne, [diu frouwe beiz umbe als ein grusch Helbl. 1, 1216 (Nemnich wb. der naturgesch. gruschel, grusel anserculus). ietweder den andern an grein, als er in wolde bizen. Herb. 10368. ir sult min ezzen niht. Parz. 131, 24.]***

SCHON MEHR ÜBER PHOL.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. s. 252 257.

Neuentdecktem pflegt sich bald anzuschlieszen was vorher, 252 weil alle beziehung fehlte, noch unbeachtet blieb, so auffal- lend der heidnische name Phol zuerst erscheinen muste, bietet

* das rechte schon bei Zeusz herk. der Baiern. 1839. s. 18. ** MF. 8, 15 ber. *** vgl. Weinhold zschr. 6, 462.

102 PHOL.

er sich glücklicherweise an andern stellen weiter dar, und alle zweifei über seine mythische echtheit schwinden.

Das wichtigste ist dasz die traditiones fuldenses und pata- vienses ihn in ''uralten Ortsnamen gewähren; glänzendes zei- chen für die nothwendigkeit diese sprachquelle sorgfältig zu

erforschen. i o i

In den fuldischen Verzeichnissen begegnet bei bchannat s. 291 no. 85 die merkwürdige stelle Widerolt comes tradidit sancto Bonifacio quicquid proprietatis habuit in Pholesbrunnen in provincia Turingiae^. Pholesbrunno ist das heutige dorf Pfuhlsborn unfern der Saale, von den städten Apolda Dornburg (dem alten Doringeburc) und Suiza gleich weit, etwa andert- halb stunden abgelegen 2. man wird aber auszerdem denken dürfen an Falsbrunn, Falsbronn, auf dem Steigerwald, an der rauhen Eberach, zwischen Prölsdorf und Theinheim, auf würz- 25.} burgischem boden, nicht fern von der bambergischen grenze, ungefähr in der richtung zwischen Eltmann am Main und Schlüsselfeld; zwar in einer später zu Franken gerechneten ge- gend, doch früher konnte es wiederum zu Thüringen gehören, das sich südöstlich noch weiter, bis ins bairische gebiet, er- streckte.

Den andern gleich beziehungsvollen namen liefern mir die traditiones patavienses in einer zwischen 774 und 788 fallenden Urkunde, Pholesauwa^ späterhin wird Pholesowe, Pholisowe gefunden*; und es ist das jetzt noch bestehende dorf Pfalsau (auch Pfahlso geschrieben) im niederbairischen landgerichte Grriesbach, pfarrei Höhenstadt, etwa vier stunden von Passau liegend.

Schwerlich ist der genitiv eines dieser namen auf einen menschlichen eigner oder besitzer zu deuten, bei der groszen Seltenheit des eigennamens Phol, den wie Wuotan, Donar sterb- liche sich beizulegen anstand nahmen, dürfen sie uns verschol-

1 meinem freunde Dronke, der auch den codex verglichen und die lesart genau so gefunden hat, verdanke ich diese mittheilung.

2 Staatshandbuch des groszherzogthums Sachsen -Weimar 1840 s. 138, in noch ungedruckten Urkunden des klosters Hausdorf erwähnt, eine undatierte, etwa zwischen 1285 und 1310 ausgestellte hat Ludolphus de Phulsborn; eine von 1356 dominus Heinricus de Phulsborn, eine von 1362 Henricus dictus Schonehufe plebanus in Pfolczburn, vergl. Schmidt die Lobdaburg bei Jena (Jena 1840) s. 126. in der ehemaligen vogtei Dorla (im kreisze Mühlhausen) kommt eine wüstung Pfuhlrode vor (Förstemann neue mitth. 2, 272) oder Ful- rode (Wolf gesch. des Eichsfeldes 1, 104). das dorf Pfullendorf bei Gotha (gewöhnlich Foliendorf genannt) heiszt in urk. des 14n jh. Phulsdorf. Pfullen- dorf und PfuUingen in Schwaben sind bekannt.

^ MB. vol. 28 pars 2 no. 23; das im reichsarchiv zu München liegende diploni schreibt pholefauuua.

* MB. 28, 2 s. 30 no. 33. 29, 2 s. 263 ; daselbst s. 264 in einer tradi- tion des 12n jh. Huch de pholsu. 9 s. 404 a. 1138—47 Sigifrit de Pholespiunt. s. 435 a. 1156 72 Cuonradus de Flones. Rupertus de Flonspouint (im index Flonspeant). 5 s. 399 a. 1290 Wolfram de Phalspiunt.

PIIOL. 103

lenen Pholsdicust bezeugen, und dem gewicht der einzelnen Zusammensetzung wird durch das übereintreffen der beiden sichtbar hinzugefügt.

Pholesbrunno wird also mythisch gefaszt werden müssen, nicht wie Hrabanes prunno (Eccard Fr. or. 1, 674), Lullanbrunna (Lüntzels Hildesheim s. 22), Botinbrunno, Scalchobrunno, Ila- puchopruuno, und solcher örtliöhen benennungen mehr, des gottes Verhältnis zu dem brunnen verstehen wir freilich nicht, in der nordischen mythologie kommen auszer Balders brunnen auch Mimisbrunnr und Urdarbrunnr vor, der quell in welchen Odin dem weisen Mimir sein äuge zu pfand setzte und das heilige wasser der norn. wie wenn Phol und Mimir in naher berührung ständen? der letztere ist dem nordischen glauben wo kein gott, doch ein göttliches, erhabnes wesen, bei welchem selbst Odin sich rathes zu erholen nicht verschmäht, ja es scheint dasz Odin und Mimir dem begriffe nach einigemal in einander übergehn. man hat hier die benennungen Vidrmimir, Vidrir, Heiddropnir und Iloddropnir zu erwägen. Sa^m. 195'' werden Heiddraupnis haus und Mimishöfud hinter einander ge- 254 nannt. ein Pholeshoubit wäre nur erst aufzufinden.

Auch die Zusammensetzung mit aue eignet sich ganz zu der annähme eines altheidnischen cultus. nicht nur auf bergen wurden die götter verehrt, auch auf inseln oder von bächen und Aussen eingeschlosznen auen, da wo fruchtbare wiesen trift, Wälder schatten gaben, so das castum nemus der Nerthus in insula Oceani, so Fosetes land mit seinen weiden und quellen (mythol. s. 144). nach nordischen göttern heiszen Odinsey (Onsöe) in Norwegen (fornmannasögur 12, 33) und Odinsey (Odensee) auf Fühnen, sonst auch Odinsve (ve heiligthum, ge- weihter ort) benannt; Jjorsey (wäre ahd. Donaresouwa) forn- mannasögur 7, 234. 9, 17; Hlesay (Lässöe im Kattegat); viel- leicht Niardey (f. Niardarey) forum, sog. 2, 6. 3, 593; andere mehr, wie gerichte und Zweikämpfe häufig auf auen und inseln statt fanden, scheinen sich auch die christlichen kirchen gern solche platze auserlesen zu haben, eine menge klosternamen in Deutschland gehn aus auf -aue, z. b. Reichenau in Alemannien. Breitenau in Hessen, ein hersfeldisches nonnenkloster zu Aue an der Geisa wurde von abt Ludolf nach Blankenheim an die Fulda verlegt; merkwürdig wird in einem gedieht des 13n jh. vom nonnenkloster Aldenburg in der Wetterau bei Wetzlar der ausdruck gebraucht in der megde ouwe (Diut. 1, 357). nun können solche auen auszer nach göttern auch nach helden oder späteren eigenthümern genannt sein, wie z. b. im norden Sam- sey, Vitilsey nach Siimr und Vifill, oder jene Reichenau (Augia dives) früher Sintleozesouwa, nach einem gewissen Sintleoz ^,

' schlechtere formen Sintloz, Sintlac, Sindloch, stehen Pertz 5, 147. Eccard Fr. Orient. 1, 348: das allein richtige Sintleoz sichert Neugart episc. Constant.

104 . PHOL.

255augiae insulae dominus, hiesz, der seine besitzung der kirche hino-ab. allein wie bei Pholesbrunno ist auch bei Pholesouwa die anwendung auf den gott vorzuziehen.

Ich wüste den eigennamen Phol als menschlichen wieder nur aus einer andern Urkunde der trad. fuld. (Pistor. 1, 142) anzuführen, wo signum Voles steht, Schannats abdruck no. 483 aber Vuoles liest, weder Wöl noch Vuol = Fuol erscheinen sonst, aber Vol = Phol befremdet nicht, Dronkes fuld. glossen liefern phuoza pedes f. vuoza; so wird noch später gar oft z. b. phiehe == viehe geschrieben (weisth. 2, 290), Phumberg neben Vünemberg (Böhmers cod. francof no. 61. 74). dennoch musz das beinahe festgehaltene PH in Phol Pholesbrunno Pholesouwa bei künftig einmal zu versuchender deutung des namens ange- schlagen werden.

Darum sei noch eines andern eigennamens, wenn schon unsicher, gedacht. Resch annales ecclesiae sabionensis (Sehen, später Brixen, in Tirol) liefern 3, 672 den seltsamen manns- namen Heitphol, in einer commutatio inter Albinum episcopum et Oudalricum (aus dem lOn jh.). die anmerkung 728 zu dieser Urkunde gibt jedoch Heitphoc, wodurch man, wenn zweimal verschrieben wäre, auf die lesart Heitpholc geräth, und in der that enthalten andere bairische Urkunden Heitfolcus (Ried. no. 40 a. 848), Heidfolch (Ried. no. 72 a. 890), Heidfolc (Meichelbeck no. 634), Heidfloc (Meichelb. no. 502), Heitvolc (Längs reg. 3, 15 a. 1251). man vergleiche Sigifolc, Sigifloc (Meichelb. no. 427. 663). [vgl. Mone anz. 5, 488.] folc, obgleich den begrif von agmen, cohors ausdrückend, könnte doch wie das entsprechende slavische polk, pluk in mannsnamen vorkommen; das zeigt der berühmte name Svatopolk, Svatopluk, Zuentepolch, ja die Ver- setzung polk und pluk, Heitfolc, Heitfloc, Sigifolc, Sigifloc recht- fertigen einander, das ahd. heit, ags. häd bedeutet ordo, ordo sacer, religio, das altn. heidr honor, dignitas, und erinnert man sich der eddischen nymphe Heidr, der mythischen namen Heid- rün, Heiddropnir, so gliche unser Heitfolc dem slav. Svatopolc (d. i. agmen sacrum) aufs haar, aber selbst die form Heitphol lasse ich noch nicht fahren, sondern halte für möglich dasz phol und pholc sich berührten, und hätte die versuchte Zusam- menstellung zwischen Phol und Mimir irgend grund, so würde selbst Heitphol gemahnen an Heiddropnir. 256 Aber noch stärker Pholesbrunno an Balder, und die gleich

nach dem ersten eindruck des gefundnen denkmals behauptete

s. 536 und cod. dipl. Alem. uo. 188 (a. 816). diesen eigennamen durfte Graff 4, 1123 nicht unter HL bringen, ihm gebührt gleich den übrigen Adallioz, Keginleoz, Wolfleoz, Hruodleoz ein reines L, wie die vergleichung des bekann- ten isländischen Ulfliotr = Wolflioz lehrt, das altn. adj. liotr turpis, deformis oder was es eigentlich bedeutet habe, musz also auch 'in einem ahd. lioz, leoz aufgestellt werden, und in einem goth. Huts, wovon liuta hypocrita, versutus, dolosus. jf ■> »

PHOL. 105

identität zwischen Phol und Balder. denn von jenem Balders- brunnen, mit dessen wasser der siegreiche gott sein durstendes Leer labte, weisz ja Saxo grammaticus s. 42, noch heute führt Baldersbrönd zwischen Kopenhagen und Roskilde den namen; sollten nicht andere örter mehr, auch des Innern Deutschlands, dafür zeugen? Chmels regesta Ruperti no. 1069. 1074. 1836 aus späten Urkunden von 1400. 1404 haben ein Baldebrun, Balde- buru unweit Hagenau, das aus Baidesbrunn, Baldersbrunn ver- derbt sein könntet und weitern sich hier blicke, nicht nur auf'i57 die jüngeren sagen von Karl dem groszen (myth. s. 103. 104), der uns mit gleichem füg Wuotan wie Balder verträte, sondern selbst auf Castor und PoUux im hain der Nahanarvalen bei Ta- citus (Germ. 43)? den Pollux kürzen eidschwüre in Pol, dasz er unserm Phol ganz ähnlich wird, und die römischen Castores erscheinen am brunnen der Juturna rosse tränkend, [vgl. Creu- zers ausg. von Cic. de nat. deor. p. 212. 213.]

Halten wir das gewissere fest, dasz Phol nach Thüringen gehörte bestätigt nun Pholesbrunno einleuchtend, Pholesouwa

' Haupt gibt liierzu folgende anraerkung: 'Balclebrunno auf der Eifel' erwähnt Graft' 3, 311, leider Avie gewöhnlich ohne angäbe seiner quelle, ich schliesze hier eine ungedruckte Urkunde an welche zu der deutung von Balde- brunn aus Baldersbrunn . ein ähnliches beispiel gibt, sowie die nachfolgenden bemerkungen verdanke ich sie der gütigen mittheilung des hn. hofrath Gers- dorf. 'In nomine sancte et individue trinitatis amen, nos Eckinhardus burg- grafius dominus de Starkinberch omnibus Christi fidelibus hanc literam visuris in perpetuum. quoniam ad modum aque detluentis mundi hujus figura prae- terit secum rapiens in obliuionem rerum gestarum memoriam necesse utique est ut qu§ memoria indigent quibus subsistant indiciis muniantur. unde et presenti indicio perhenni constare voluimus nocioni quod quidani noster fidelis Einkerus de Baldershain obtento super eo consensu seniorum nostrorum et nostro qu^dam ex his qu§ de iam dictis senioribus nostris et ab nobis nomine feudi habuerat duodecim videlicet agros cum lignis sitos in campo iuxta vil- lam Hartinrode quorum longitudo pertenditur a pratis vill§ in Luthwinshain usque ad agros illorum in Hartinrode. latitudo vero a metis lignorum mar- chionis rustici de Frankenowe usque ad semitam qua itur de Lutwinshain in Hartinrode in dotem perpetuam ecclesi^ Korbisen vendidit legitime etc. testes hiiius rei sunt nobilis vir auunculus noster Hcinricus iunior aduocatus de Flaue, dominus Rewso auunculus noster de Gera etc. datum in Starkinberch anno dni m. ccc. xxvii. vi. Idus lunii. Baldershain, jetzt Baldenhain, ein zum herzogthum Altenburg gehöriges dorf, liegt in einer sehr fruchtbaren von laub- und nadelholzwaldungen vielfach durchschnittenen gegend am an- fang des sogenannten Reichstädter grundes, anderthalb stunden von Ronne- burg, zwei stunden von Gera, an der ehemaligen straszo von Gera nach Altenburg, die in der Urkunde genannten dörfer sind sämmtlich nur unge- fähr eine halbe stunde nach osten Südosten und westen davon entfernt, in alter zeit gehörte Baldershain unstreitig zum gau Geraha, nicht zum gau Plisni. sollte nicht auch in der nähe des Thüringer waldes oder in Ober- franken ein gleichnamiger ort sich finden? in meinen Sammlungen finde ich Johann Truchsesz von Baldersheim ritter, den P. Jovius im chronicon Schwarzburgicum (vergl. Schöttgen und Kreysig diplomatar. 1, 257) als Unter- händler der gräfin Margareta von Schwarzbarg in sachen der herrschaft Brauneck in Franken im j. 1403 anführt.'

1

lOß DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS.

weist auf Baiern, Heitphol noch südöstlicher. Thüringen und Baiern (oder alterthümlicher ausgedrückt, Hermunduren und Markomannen) verehrten also diese gottheit; ob andere deut- sche Stämme, ist uns noch verborgen.

DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS.

Zeitschrift für deutsches alterthuni herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. s. 257—267.

257 Hans Sachs, dessen poesie am reinsten und eigensten in den fabeln und schwanken waltet, deren stoflP und umfang seiner lebenserfahrung und ganzen sinnesart am meisten ent- sprach, hat einen lieblichen, dem hauptinhalt nach ihm bereits überlieferten mythus dreimal verschiedentlich behandelt, zuerst 1553, 23 sept., in dem spiel, wie der herr Evae kinder segnet (band 3 theil 1 bl. 243), dann 1553, 6 nov. in der comedie der ungeleichen kinder Eve (band 1 theil 1 bl. 10 18), endlich 1558 in dem schwank von den ungleichen kindern Eve (band 2 theil 4 bl. 83), jedesmal trefflich und ausgezeichnet, doch wird man kaum anstehen der letzten undramatischen erzählung noch den Vorzug zu geben, es ist darin alles abgerundet und bis ins einzelne vollendet, der dichter scheint von dieser fabel gar nicht ablassen zu können und wiederholentlich band an sie zu legen um ihr endlich die gelungenste form zu verleihen.

258 Als Adam und Eva aus dem paradies vertrieben waren, bauten sie die unfruchtbare erde und erzeuuften viel kinder mit einander, nach dem verlauf der zeit liesz ihnen der allmäch- tige gott durch einen engel entbieten dasz er zu ihnen kommen und ihren haushält schauen wolle, da war Eva froh der gnade gottes, kehrte und schmückte das ganze haus mit gras und blumen und begann ihre schönsten kinder zu baden strählen und flechten, legte ihnen neugewaschne hemden an und er- mahnte sie wie sie sich vor dem herrn höflich neigen, ihm die bände bieten und züchtig prangen sollten, ihre ungestalten kinder hingegen barg sie ins stroh und heu oder versteckte sie ins ofenloch, aus furcht der herr werde sein misfallen darüber äuszern. als nun gott der herr eintrat, standen die schönen kinder in der reihe, empfiengen ihn, neigten sich, boten ihm die bände dar und knieten nieder, der herr aber fieng an sie zu segnen, legte seine bände auf den ersten knaben und sprach 'du sollst ein gewaltiger könig werden,' zu dem zweiten 'du ein fürst,' zu dem dritten 'du ein graf,' zu dem vierten 'du ein ritter,' zu dem fünften 'sei ein edelmann,' zu dem sechsten 'sei

DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS. 107

ein burger,' zu dem siebenten 'sei ein kaufmann,' zu dem achten 'du werde ein gelehrter doctor!' gab ihnen also allen seinen reichen segen. Eva jedoch dies mit ansehend und die milde des lierrn erwägend gedachte, ich will auch meine ungestalteu kinder holen dasz sich gott ihrer erbarme, lief hin und langte sie aus dem heu, der krippe und dem ofenloch und führte sie vor gott, eine unlustige gestrobelte grindige ruszige grobe schlüchtische rotte, da lächelte der herr, sah alles an und sprach 'ich will sie auch segnen,' legte dem ersten auf seine bände, 'du sollst werden ein bauer,' dem andern 'du ein lischer,' dem dritten 'sei ein schmied,' dem vierten 'sei ein lederer,' dem fünften 'ein weber,' dem sechsten 'ein Schuhmacher,' dem siebenten 'ein Schneider,' dem achten 'ein hafner,' dem neunten 'ein karrenmann,' dem zehnten 'ein schifmann,' dem eilften 'ein böte,' dem zwölllen 'du sollst ein hausknecht bleiben, dieweil du lebest!' wie Eva das alles anhörte, sagte sie 'herr, wie theilst du deinen segen so ungleich? hab ich doch alle kinder geboren und deine gnade sollte über alle gleich ergehn.' der herr aber versetzte 'Eva, das verstehst du nicht, mir gebührt -259 und ist noth dasz ich die ganze weit mit deinen kindern ver- sehe; wenn sie alle fürsten und herrn wären, wer wollte körn bauen, dreschen, malen und backen, wer schmieden, weben, zim- mern, bauen, graben, schneiden und nähen? jeder soll seinen stand vertreten, dasz "einer den andern erhalte und alle ernährt werden, wie im leib die glieder.' da antwortete frau Eva 'ach herr, vergib! ich war zu rasch, dasz ich dir einredete; dein göttlicher wille geschehe an meinen kindern.'

In dem spiel ist alles umständlicher angelegt und ausge- führt. Adam, der im schwank gar nicht mithandelt, vernimmt des engeis botschaft und heiszt Eva die kinder putzen und baden; sie bringt aber nur einen theil und versteckt die andern in die streu und hinter den herd. als gott eingetreten ist und mit Adam und Eva geredet hat, wendet er sich auch zu den kindern, läszt sie beten und das vaterunser hersagen; dann segnet er sie durch händeauflegen und macht den ersten zum könig, den zweiten zum ritter, den dritten zum burgermeister, den vierten zum kaufmann; hernach nimmt er sie mit, ihnen den lustgarten zu weisen, unterdessen bereut Eva ihre häsz- lichen kinder vor dem herrn verborgen zu haben, Adam räth sie noch herbei zu schaffen, und als der herr wieder eintritt und scheiden will, kommt sie eilends mit den vier ungestalten kindern gelaufen; sie sollen niederknien und beten, könnens aber nicht, auf Evas bitten läszt es der herr die armen kinder nicht entgelten und legt ihnen auch die bände auf; der erste knabe soll ein schuster, der andere ein weber, der dritte ein Schäfer, der vierte ein bauer werden. Eva beschwert sich über die ungleiche austheilung, wird aber zur ruhe verwiesen.

108 DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS.

Die comödie, nur wenige monate nach dem spiel gedichtet, scheint Überarbeitung desselben, vermutlich auf äuszeren anlasz, um sie auf mehr personen einzurichten, unternommen, viele Worte und ganze sätze sind aus dem spiel eingeschaltet, die hauptänderung besteht darin dasz Abel und Kain namentlich auftreten, Kain sich nicht waschen und schmücken lassen will, auch hernach mit den übrigen ungehorsamen kindern verkehrt betet und gottlose reden ausstöszt. Abels und Kains opfer und 260 der brudermord kommen mit in die handlung, Satan und sein gefolge erscheint persönlich ; dadurch wird die segnung der ungleichen kinder und der unterschied der stcände zurückge- drängt, so dasz von manchen schönen ausführungen abgesehn der haupteindruck der comödie doch dem des spiels nachsteht, es ist wolgefälliger dasz die im segen hintangesetzten kinder nur als ungestalt und vernachlässigt, nicht als boshaft darge- stellt werden.

Daraus leuchtet recht des dichters liebenswürdige beschei- denheit hervor, dasz er jedesmal seinen eignen stand, den des Schuhmachers, aus der mitte des verabsäumten und geringen geschlechts entspringen läszt.

Hans Sachs, der alles dichtet und doch nichts erdichtet, sondern gern aus einer namentlich angeführten quelle beglau- bigt, nennt sie im eingang des spiels nicht; bei der comedia aber läszt er den herold sagen dasz sie ursprüngklich hat zugericht im latein Philippus Melancthon, und nun zu gut dem gemeinen mon auch in teutsche sprach ist gewendt. und vornen im schwank heiszt es wiederum die gierten haben zugericht vor jaren ein lieblich geticht. von Melanthon ist aber unsere fabel eben so wenig ursprüng- lich ausgegangen, er erzählt sie dem comes Joannes a Weda ^ in einem brief vom 23n merz 1539^ und sagt facere non potui, quin adjicerem narratiunculam, quae in quodam poemate extat, non illam quidem historicam, sed venustam et erudite confictam, admonendae adolescentiae causa, ut cogitet et discrimina ordi-

' Johann iv graf von Wied, ein freund und anhänger der reformation, war durch Peter Medmann , vertrauten rath erzbischof Hermanns von Köln an Melanthon empfohlen worden, im mai 1543, auf der reise nach Bonn, sprach Melanthon bei dem grafen zu Wied ein. (J. St. Reck gesch. von Isen- burg, Runkel, Wied, s. 160.)

^ epistolae selectiores aliquot Ph. Melanthonis editae a Casparo Peucero. Viteb. 1565. 8. s. 342 363, und epistolarum Ph. M. über primus editus a Lasparo Peucero. Viteb. 1570. 8. s. 377—397, wo auf der letzten seite fälsch- lich lo36 für 1539 gedruckt steht, es gibt auch einen einzelnen druck, ad comitem Joannem a Weda epistola. Francofurti apud C. Egenolph 1539 auf zwei octavbogen. o r

DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS. 109

num divinitus instituta esse, et unicuique elaborandum esse, ut 261 virtute suam personam tueatur. das gedieht worauf" sich hier bezogen wird musz doch auch lateinisch abgef'aszt gewesen sein, weil sonst kaum erudite confictam gesagt wäre, was von Hans Sachsens Vortrag abweicht ist folgendes, kein engel bringt die botschaft von gottes vorhabendem besuch, sondern Eva schaut zum fenster aus und sieht ihn mit den engein nahen, sie hatte gerade schon wegen eines bevorstehenden festtags die kinder zu waschen begonnen, war aber noch nicht mit allen fertig ge- worden, die ungewaschenen heiszt sie also sich in heu und Stroh verstecken, aber die gewaschnen dem herrn entgegentre- ten, mit ihnen hält nun gott eijie förmliche kinderlehre. Abel sagt das credo weitläufig her, nach ihm werden Seth und die Schwestern geprüft, alle bestehn aufs beste, dann aber befiehlt der herr auch Cain und die übrigen herzurufen, deren abwesen- heit dem allwissenden nicht entgangen war. Cain erscheint trotzig mit Strohhalmen und heufasern im ungekämmten haar, er kann das credo nur verkehrt und verstümmelt herausbringen und äuszert sich frech, darauf läszt der herr den Abel heran- treten, legt ihm bände auf und weiht ihn zum priester, den Seth zum könig, den bäurischen Cain aber zum knecht. als Eva wehklagt, tröstet sie gott, reicht den kindern beim ab- schied die rechte und wird von der mutter noch eine strecke weit vom haus begleitet, Bis er sie heimkehren heiszt und in eine wölke gehüllt gen himmel steigt.

Von dieser anmutigen, reinlichen einkleidung entfernt sich, wie man leicht sieht, die comedia des Hans Sachs in vielen stücken, indem er einzelne züge ausläszt oder hinzufügt, den anachronismus dasz Abel und Seth zusammen auftreten ertragen beide Vortragsweisen.

Es gibt von Erasmus Alberus ein gespräch zwischen gott, Adam, Eva, Abel, Cain, von der schlangen Verführung und gnade Christi, Berlin 1541, wiederholt Erfurt 1544, das ich mir nicht habe zur einsieht verschafien können, um zu ermitteln ob darin auszer den biblischen Vorgängen im paradies auch noch die fabel von den ungleichen kindern berührt wird, man darf €8 bezweifeln, weil sonst auf dem titel wol der Unterscheidung der stände gedacht wäre.

Wichtiger aber ist uns eine stelle aus Agricolas sprich- 26-2 Wörtern, die über die jähre 1558 1553 1539 hinauf, bis zu 1528 zurückweist, ich hebe darum die ganze erzählung nach dem plattdeutschen Magdeburger druck aus, no. 264 bl. 127^'. Etlike Seggen yn schertzes wise, de vörsten, heren vnde eddel- lude hebben eren ortsprung dar her, do Adam radede vnde Heua span, krech Heua vele kinder. vp eine tid wolde vnse here godt tho Heua ghan vnde beseen, wo se hushelde, nu hadde se euen all ere kinder vp einmal by einander vnde wusck

110 DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS.

se vnde smuckede se. do öuerst Heua vnsen heren godt sach kamen tho sick, hadde se sorge, he mochte er eere vnküscheit vorwiten, dat se so vele kinder hadde, vnde ging tho vnde vorstack etlike ynt stro, etlike ynt höw, ethke in de auenkulen, de alderhöueschten öuerst behelt se by sick. vnse here godt sach de smuckeden kinderken an vnde sprack tho einem also, du schalt ein köninck wesen, tho dem andern, du schalt ein vörste syn, tho dem drüdden sprack he, du schalt ein eddel- man syn, tho dem veerden, du schalt ein börgermeister syn, tho dem vöfften, du schalt ein schulte, ein vagdt edder ampt- man syn. do nu Heua süth , dat ere kinder, de hervor weren, so ricklick begauet weren, sprack se, here, ick hebbe noch mer kinder, ick wil se ock hervor bringen, do se nu quemen, we- ren Se vngesmucket, swart vnde vngestalt, dat har hengede en vull stroes vnde hoüwes, do sach se vnse here godt an vnde sprack, gy scholt buren bliuen, köye vnde swyneherden, acker- lüde, etlike van iuw schvllen in den steden hautwercke driuen, bruwen, backen vnde den ersten heren denen.

Neben dieser mehr zu dem schwank als zu den draraen und Melanthon stimmenden darstellung der fabel sei noch eine spätere, schlechtere aus dem schlusz des 16n jh. beigebracht, wie sie in Georg Rudolf Widmanns warhafftigen historien von den grewlichen vnd abschewlichen sünden, so D. Joh. Faustus hat getrieben. Hamburg 1599. 4. 1, 237. 238 angetroffen wird.

Adam war sonderlich ein astronomus, und wie man fabu- liert, so hab er viel kinder gehabt, als er autf dem erdtreich 2G;i und anszer seinem vertriebnen land dem paradis seine wohnung vmb Damasco hette, verhiesz ihm gott, er wolle auff ein zeit einmahl kommen und sehen wie er lebe, da ihn nun der herr auf ein zeit visitiert, war des Adams hüt und behausung be- schlossen, der herr klopffet an, als aber Adam und sein weib Heua durch ein loch den herrn ersahen, erschracken sie sehr, denn sie schemten sich, das sie so viel kinder haben solten, der herr würde ihnen diesz aufmutzen, derhalben sie behend etliche kinder in die winkel- und andern örtern verschoben, eines under das hew, das ander under das dach, das dritte under die garben, das viert in ofen, das fünfft in den keller, das sechst under die küfen, item under das weinfasz, eins in ihren alten peltz, in ihr bereit tuch, damit sie hat die kinder bekleiden wollen, etliche under das leder und so fortan, die schönsten kinder aber, so schön von angesicht und haar, liesz er in der stuben. da nun der herr in die behausung hinein kam, und ihnen den segen wünscht, gab er denen kindern, so er gesehen und umb ihn stunden, die handt, sagte zu den eitern, seid friedlich, erschreckt nicht vor mir, wie ihr zuvor gethan habt, den alhie bleibt mein segen! segnet derhalben die kinder umb ihn und sprach, ei lieben kindlein, wachset und

DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS. 1 1 1

mehret euch, du sei könig, fürst, grutt", Jurist! und theilte also iiUe enipter aus. da nun die eitern sahen, zu was hohem stand sie gesegnet worden, gedachten sie an die andern kinder, be- gehrten ihrer Wohlfahrt auch und zogen die ungeschatfne kinder herfür, sagendt, herr, hie sindt noch mehr meine kinder. da nun der herr mehr solchem kinder sähe, da sjjrach er auch das benedicite über sie und sagte, sei du wechter, baur, meurer, ackerman, kemmichfeger, gerber, decher, keller, kubier, bendei-, kürszner, Schneider, schuster! daher nun diese weldt also be- gabt worden.

So unbeholfen und verworren hier alles vorgetragen wird, lassen doch einzelne abgehende oder hinzutretende umstände schlieszen dasz Widman weder aus Hans Sachs noch aus Me- lanthon und Agricola schöpfte, sondern einem andern schrift- lichen oder mündlichen bericht folgte, der herr findet das haus verschlossen und klopft an, Adam und Eva erschauen ihn durch eine lucke; auch bei Melanthon schaut Eva durch das fenster '264 und sieht gott von weitem kommen, während ihn bei Hans Sachs eine botschaft des engeis verkündigt, den von Widmann und Agricola vorgegebnen beWeggrund, dasz Eva wegen der menge ihrer kinder verweis von gott fürchtet und einen theil davon zu bergen sucht, kennen Melanthon und Hans Sachs nicht; es ist viel mütterlicher dasz Eva die schönen ausliest, die häszlichen versteckt; doch stimmen darin Agricolas und Melan- thons erzählungen dasz Eva beim waschen der kinder für den festtajx von dem besuch überrascht und die unsrewaschnen bei Seite zu bringen genöthigt wird, bei Hans Sachs läszt erst nach empfangner botschaft Adam den befehl zum scheuern des hauses, zum streuen der maien und schmücken der kinder er- gehn. die catechisation mangelt in der letzten darstellung ganz, doch wird in ihr das verstecken und hernach der unterschied der ämter mehr im einzelnen ausg^eführt.

Alle solche abweichungen machen eine lebendige und all- gemeinere Verbreitung der sage von den ungleichen kindern Evas im ganzen laufe des 16n jh. wahrscheinlich*, die gar nicht auf einen der angeführten erzähler zurück geführt werden darf, vielmehr schon früher, namentlich im 15n jh. und länger bereits gangbar gewesen sein musz. vielleicht war jenes latei- nische gedieht, worauf Melanthon sich bezieht, noch im 15n jh. abgefaszt; im Km werden die lateinischen dichter schon zu namhaft, ihre arbeiten stellen sich durch wiederholte abdrücke sichrer, das ältere und fast volksmäszige umgehn dieser sage

* auch Seb. Franks sprichw. haben dio sage, in Guttensteins auszug p. 117. vgl. Rochholz kinderl. p. IGl. ferner Valten Schumann (in Leipzig) nachtbüchlein. der ander theil. 1559. p. 26. fabel, wie gott hat die edellcut geschaffen, weil Adam u. Eva noch auf erden giengen, und Eva die kinder aus dem bachofen . holt, woraus die handwerker.

1 ] 2 DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS.

wird am sichersten dadurch erwiesen dasz sie auch in den kreisz dramatischer vorstelhmgen aufgenommen war. schon zwölf jähre vor Agricolas Sprichwörtern im j. 1516 oder noch früher, im j. 1509, wurden zu Freiberg im erzgebirge feierliche spiele gehal- ten, deren Joh. Bocerus in seinem gedieht Fribergum in Misnia (Lips. 1577. 4. folio K. 2. verso) und daraus Michael Neander in seiner orbis terrae succincta explicatio (Lips. 1597. 8. s. 140 146) gedenkt, eine im morgenblatt, Jahrg. 1808 no. 278 mitge- theilte nachricht enthält darüber folgendes, in pfingstfeiertagen den 11. 12. 13 mai 1516 sind die ludi solemnes, so man zu Freiberg gehalten, auf öffentlichem markte mit groszer pracht 265 und kosten agiert worden, da denn der herzog Georg zu Sachsen neben seiner gemahlin und ganzer hofhaltung, wie auch viel andere hohe und niedrige Standespersonen zugegen gewesen und zugesehn. hierzu hat ein ehrsamer rath zum actore ver- ordnet Hans Rudolfen, den damaligen stadtrichter, und ihm Hans Pfeffern, der hernach stadtvoigt worden, zugegeben, sieben jähr zuvor 1509 ist genanter Rudolf gleichfals actor gewesen neben Nicolaus Ferner, dem fürstlichen Schlosser, man hat aber, wie gedacht, alle drei pfingstfeiertage nach einander agiert, den ersten tag ist die geschichte gespielt worden von dem fall der engel, von erschaffung und fall der menschen, von aus- jagung derselben aus dem paradiese und von den ungleichen kindern Adams und Evas, wie sie gott der herr angeredet und examiniert, die personen dieses tags sind gewesen gott der himmlische vater, Raphael, Michael, Gabriel drei engel, Cherub auch ein engel, Lucifer, Belial, Satan drei teufel, Adam, Eva, die schlänge, Abel, Seth, Jared, Henoch, Methu- salem, Lamech sechs gehorsame Adams söhne; Kain, Dathan, Achan, Nabal, Esau, Nimrod sechs ungerathne kinder, samt dem ehrenholde, den zweiten und dritten tag wurden Vor- stellungen aus dem neuen testament und die des jüngsten ge- richts gegeben.

Hieraus ist freilich nicht genug über die innere behand- lung der fabel von den ungleichen kindern zu entnehmen; da aber in Hans Sachsens comödie die sechs gehorsamen und sechs ungeraten sün Eve ganz mit den nemlichen namen auftreten, so darf man voraussetzen, dasz der nürnbergische meister mit der hergebrachten einrichtung des älteren spiels bekannt gewe- sen sei und daran nichts wesentliches abgeändert habe, solche spiele werden auszer Nürnberg und Freiberg an manchen an- dern orten Deutschlands aufgefiihrt worden sein, allem anschein nach schon während des 15n jh., wiewol sich unter den mir bekannten fasznachtspielen des Folz und Rosenblüt das von den ungleichen kindern Evas nicht erwähnt findet, noch weniger ist es mir gelungen in den mhd. dichtungen irgend eine spur der fabel zu gewahren.

DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS. 113

Wozu also hier sie genauer untersuchen? ich traue iljr dennoch ein weit höheres alter zu.

Durch die poesie und den Volksglauben unserer Vergan- genheit ziehen auch faden geistlicher Stoffe die der christlichen, '-'66 biblischen quelle unangemessen waren, nicht die apokryphi- schen bücher sind damit gemeint, welche in frühen Jahrhunder- ten fern vom deutschen boden entsprungen mehr auf gelehrtem woge allgemeinen eingang fanden, ganz abgesondert von dieseu erscheinen in kleinen vereinzelten sagen zügen und selbst namen hin und wieder beziehungen auf gestalten des alten oder neuen tostaments; sie gereichten zu unschuldiger erheiterung oder aus- schniückung des glaubens, die kirche liesz ihnen weder billi- gung noch tadel angedeihen. dahin rechne ich auszer vielen thier- und pflanzennamen, die auf Maria oder den teufel ange- wandt wurden, zumal alle Überlieferungen, in deren mittelpunct sanct Petrus und noch einige andere heilige sich bewegen, seine Verleugnung des herrn, der hahnkrat, selbst das durch den Schlüssel empfangne himmlische thürhüteramt benahmen ihm gleichsam an würde, wenn auch nicht an gewicht, und er- leichterten den anfing weltlicher sagen, faszt man dessen art und weise näher ins äuge, so werden sich leicht uralte, heid- nische Überbleibsel ergeben, welche duldsam und fast unverhin- derlich färbe und gewand des neuen glaubens annehmen durften, ihr dasein und Ursprung wäre sonst kaum zu begreifen.

Wie nun Petrus bei jedem anlasz gern aus der himmli- schen Wohnung in die alte irdische heimat zurückkehrt, wo er sich mit seinen freunden letzt oder mit Spielern und lands- knechten umtreibt, so sind mir die Wanderungen der götter auf der weit ganz besonders ein zug unsrer einheimischen mytho- logie. das alte testament läszt gott den herrn nur im paradies vor den erstgeschaffnen menschen, hernach noch vor Noah und Abraham leiblich erscheinen; später richten engel seine befehle aus. in der griechischen fiibel werden Zeus Hermes Apollon Athene und andere himmlische dem sterblichen geschlecht häufig sichtbar und nicht minder oft zeigen sich in der nordischen zumal Odin Thor Ilanir und Loki. so besucht Thor seine freunde die Thellebönder zur brautlauft; diese schöne norwegi- sche sage (bei Faye s. 4) kennt auch eine schweizerische Über- lieferung, begnügt sich aber mit dem einkehrenden zwerg statt des gottes. vor allem gehört hierher das eddische lied von Kigr dem Wanderer, dem ich gerade unsere sage von den ungleichen 267 kindern an die seite stellen möchte, unter jenem namen zieht Heimdallr der gott zu den drei menschenpaaren und gründet den unterschied der drei geschlechter*, dieser mythus von dem

* meirr lagdiz liann niidrar reckjn cn ä hlid hvara hion salkynna. Sapiti. 101». 102*». got mage vil wol sin undir ir beider dechin der dritte geselle. Karaj. II, 15.

J. QRIMM, KL. SCHKIFTKS. VII. 8

11^ DIE UNGLEICHEN KINDER EVAS.

einkehrenden, die stände festigenden gott mag von frühe an in manigfacher form bei den heidnischen Deutschen umgegangen und fortgepflanzt worden sein, er trug sich zuletzt in geschickter anwendung unvermerkt auf Adam und Eva über, aus dem bloszen gegensatz zwischen Abel und Cain, aus dem über Caius nachkommen gesprochnen fluch allein leitet sich nicht die Um- ständlichkeit der ganzen erzählung, der durch das fenster ge- wahrte besuch gottes, sein anklopfen, die festliche ausschmückuug des hauses^ und der kinder, ihr theilweises verheimlichen und die genau ausgedrückte gliederung der stände her. zwar weicht ab dasz hier die kinder schon geboren sind, in der Edda erst nach des gottes anwesenheit geboren werden, dasz hier alle von einem paar, dort von dreien ausgehn; doch diese Verschieden- heiten konnten oder musten auf den langen wegen der alten fabel leicht erwachsen, im eingang der Völuspä heiszen alle menschen, die meiri ok minni (gröszern und kleineren), megir Heimdallar, des gottes söhne, und wenn der umziehende Petrus schon in gedichten des zwölften oder gar zehnten jh. nachzu- weisen ist, wird auch jener göttliche besuch bei Adam und Eva, den ich höchstens bis zum jähr 1509 hinauf bringen konnte, viel ältere grundlagen in der geschichte unsrer poesie ansprechen dürfen. *

ÜBER UMLAUT UND BRECHUNG.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd, 2. 1842. 8. 268 275.

268 Etwas in meiner jüngsten darstellung der deutschen vocal-

laute ganz neues, die annähme von brechungen, woran auch altn. und ags. grammatiker nicht dachten, hat noch kein auf-

sehn erregt, auszer bei Adolf Holtzmann, der neulich in den Heidelberger jb. 1841 s. 770 777 und, wie er pflegt, sehr scharfsinnig darüber gesprochen hat. er faszt die merkwürdige

' koni hann at sal, sudr horfdu dyr, var hurd hnigin, hringr var i gsetti, geck hann inn at pat, golf var sträd. Ssem. 103''.

* some Icelanders of the present day say, that one day, when Eve was washing her children at the running water, god suddenly called her. she was frightened, and thrust aside such of them as were not clean. god asked her if all her children were there, and she said, yes; but got for answer, that whät she tried to hide from god should be hidden from man. these children became instantly invisible and distinct from the rest. before the flood came on, god put them into a cave and closed up the entrance. from them are descended all the Underground people. Keightly fairy myth. 1, 252. 253. woher? bei Finnus Johannaeus 2, 368 steht nichts, vgl. myth. 539. 540.

UMLAUT UND BRECHUNG. 115

erscheinung nur anders auf. während ich die Brechung des i und u vom uinhint des a trenne, bringt er diesen damit zusam- men, und nimmt ahd. umlaut des a durch i, des i durch a, des u durch a an, woraus e, e und o, nach meiner bezeich- nung, entspringen, die sache ändert sich nicht, sie wird nur verschieden erklärt.

Es wäre hübsch und einfacher, käme man mit den drei umlauten des a, i, u ab, d. h. könnte man überall die e, e, o abhängig machen von einem i und a der nachfolgenden silbe. noch vollständiger würden fünf altn. umlaute erwachsen, zwei für a in e und ö, je nachdem i oder u folgt, zwei für u in o und y, insofern a oder i folgt, einer für i in e bei nachfolgen- dem a, so dasz auf a durch die nachstehenden vocale zweimal eingewürkt würde, ebenso vielmal auf u, nur einmal auf i. ge- borgen bleibt der reine vocallaut in allen fällen, wo jedem der- selbe vocal folgt (a a, i i, u u) und, weil i lediglich durch a afiiciert wird, auch wenn ihm u nachtritt (i u). für den umlaut ergeben sich die formein e i, ö u, e a, o a, y i. die Wichtigkeit der regel leuchtet zumal ein, wenn abgefallne vocale der zweiten oder dritten silbe aus beschaflPenheit des vocals der ersten errathen werden sollen.

Meine bisherige darstellung entzieht die formein e a, o a dem umlaut und überweist sie der brechung. gründe welche sonderung des gebrochnen lauts von dem umlaut an- rathen sind nachstehende.

1. die brechung scheint älter als der umlaut, von dem der goth. dialect durchaus noch nichts weisz, der ahd. blosz den beginn , nicht die Vollendung aufzeigt, e und o dagegen 269 sind schon dem goth. ahd. und allen übrigen dialecten bekannt, wenn gleich in abweichender gestalt.

2. im goth. hängt die brechung blosz von den consonauten r und h ab, in den übrigen sprachen von consonantischen und vocalischen einflüssen zusammen, so jedoch dasz jenes r und h überall noch, wiewol auf andere weise, sie bedingen, auszer- dem aber auch zumal im ahd. nachfolgendes a gefordert wird, während nachfolgendes i und u beide das i und u der wurzel schützen, mir schien als ob aus blosz consonantischer brechung der Gothen sich im fortschritt eine consonantisch vocalische im ahd. ags. und altn, entfaltet habe, späterhin sogar ist, zumal im mnd. mnl., die vocalische ausgedehnt worden auf formen die ursprüngliches i und u in der letzten silbe haben, z. b. sege ahd. sign, vrede ahd. fridu, scheuen ahd. scinun. auch die schwed. dän. präterita vierter reihe nehmen im pl. e für i in die Wurzel, und sonst viele subst. zeigen solches e, z. b. schwed. dän. smed faber, led artus, altn. smidr, lidr. das nhd. sommer schwed. sommar dän. sommer nnl. zomer zeigen o, da doch mhd. sumer ahd. sumar auf ein goth. sumrus (wie widar, pipar

IIQ UMLAUT UND BRECHUNG.

auf vi|3rus, bibrus, gramm, 1, 147. 453) schlieszen lassen, also der brechung nicht unterliegen sollten, dennoch schritt sie vor.

3. Umlaut durch i zeigt sich in den tlexionen weit sichrer als brechung durch a. zwar in ahd. conjugation erster und zweiter reihe gewähren hilfu hilfis hilfit helfames helfat holfant; lisu lisis lisit lesames lesat lesant (und trutu trotames statt tritu tretames liesze sich theoretisch vermuten) zureichende beispiele, neben welchen in dritter reihe tragu, tregis, tregit, tragames u miaut weist, der natürlich an anderer stelle vortritt, auch in fünfter reihe bietet sich das part, scopan, logan dar, da doch in vierter nur scinan tripan nicht scenan trepan steht; erst jene späteren mundarten gewähren würklich scheuen, schreven f. ahd. scinan, scriban. dies i in scinan erklärt sich Holtzmann aus einem übergewicht des i und i in vierter conjugation, so dasz das einzige particip nicht zum e habe gelangen können, doch 270 war ei in seein, treip (nd. sehen, dref) dem e nahe genug, in der declination^ erscheint aber gar kein gebrochner im Wechsel mit ungebrochnem vocal; man hätte ihn namentlich ahd. in den ersten starken declinationen zu gewarten, denn wie neman nimu sollten perc, wec, nest, got, hof im instrumental pirku, wiku, nistu, gutu, hufu, vorzüglich fem. wie gepa, peta, erda, giwona im dat. gipu, pitu, irdu, giwunu zeigen, konnte hier wiederum das i und u in der wurzel nicht durchdringen? oder sind die u der flexion unorganisch, wie das der dat. pl. auf um statt am in den ersten declinationen? weshalb mit recht kein wiktim, nistum, gutum, pitum, irdum, giwunum erfolgte, dürfen wir aber uns einlassen auf solche Verdächtigung der würksamkeit ahd. flexionsvocale, so müsten wir auch dem u in der prima sg. lisu, nimu, hilfu kraft abstreiten die brechung zu hindern, weil goth. lisa, nima, hilpa gelten, in den zweiten declinationen sollte das thema i wenigstens im dat. sg. der brechung räum lassen, doch nirgend begegnen die formen screta, scelta, vohsa f. scrita, scilta, vuhsa, obschon der nom. sg. nach abgelegtem thema i sogar rückumlaut gewonnen hat, ast, gast, pale, .anst, arn, womit die umgelauteten casus esti, gesti, pelgi, ensti, erni tauschen, man musz in den zweiten declinationen Übergänge aus erster und dritter anschlagen, und (]en ahd. dritten gewährt das thema u schütz vor brechung. längst entsprach keine ahd. flexion genau mehr dem goth. au des gen. dat. sg. wer wollte den nom. masc. und neutr. erster decl. nach abgelegtem thema a der flexion gebrochnes e, o in der wurzel statt i, u zutrauen, wo sich die reinen laute zumal vor doppelconsonanz bewahr- ten? nie erscheint fesc für fisc, so angemessen das e in lescan, lisku scheint, im ganzen folglich darf der mangel der bre-

' ich nehme jetzt nur drei starke declinationen mit dem thema a, i, u an, wie ich anderwärts (in einer academischen Vorlesung [oben s. 91]) ent- wickelt habe und in der grammatik umständlich ausführen werde.

UMLAUT TTND BRECHUNG. 1 1 7

chungen in ahd. declination, neben den entwickelten umlauten, diesen ein lebendigeres, jüngeres, jenen ein zäheres, älteres prineip bezeugen.*

4. den umlaut sehen wir fast ganz von vocalischem, die brechung wesentlich von consonantischem einflusz abhängig, es ist doch bedenklich, das goth. ai in bairan, vairpan anders auf- 271 zufassen als das ahd. e in peran, werfan. allerdings macht groszen unterschied dasz das ahd. e theils ausgedehnter theils eingeschränkter gilt als das goth. ai, es findet sich auch in neman, lesau, kepan = goth. niman, lisan, giban, und hört wieder auf in pirit, wirfit = goth. bairij), vairpij). ein goth. naiman, laisan, gaiban wäre unglaublich, eher liesze sich denken dasz bairi]^, vairpi}:) nahe an biri}), virpi|i grenzten, doch ge- rade wie h und r goth. brechung veranlassen, welcher vocal auch nachher folge, hindern ahd. m und n, wenn andere con- sonanten daneben stehn, alle brechung, wenn auch a folgt, es heiszt primman, rinnan, limfan, pintan, prinkan, dinsan und particip. prumman, runnan, lumfan, puntan, prunkan, dunsan, niemals premman promman, so dasz diese durchführung des i, u völlig der des goth. ai, in bairan, bai'iran gleichsteht, und' der von vocalen bedingte Wechsel des reinen und gebroch- nen lauts nur. in den übrigen ahd. formen zulässig wird, freilich in den meisten, den umlaut des a durch i, sobald er einmal platz gegriffen hatte, scheinen consonantische einwürkungen wenig zu kümmern, es heiszt spannu spennis, gaugu gengis, fara feris, wahsu wehsis. die in position verbundnen m und n hemmen aber die brechung auch in Substantiven erster decl.

* [hierzu gibt Jacob Grimm im selben bände der zeitschr. s. 571. 572 folgende ergänzung:] die starke flexion des nomens zeigt in erster declination kein i auszer dem goth. gen. -is, der ahd. schon zu -es, alts. sogar mitunter zu -as geworden ist: man wird also von wec nur weges, kein wiges (goth. vigis) erwarten dürfen, aber in schwacher form war dem gen. und dat. ahd. -in geblieben, wie goth. -ins und -in gelten: hier könnte von pero kepo komo volü ein gen. und dat. piria kipin kumin vuhn eintreten, wofür ich keinen belog kenne; bald verdünnt sich auch -in zu -en. unorganisch wird das i der flexion nicht sein, obgleich ags. -an und selbst altn. -a stattfinden, da, freilich nur ausnahmsweise, umlaut des a durch ahd. -in bewürkt ist. wie der dat. henin gallo lehrt, für den jedoch meistenthcils hanin vorkommt, das i war also frühe hier seiner kraft beraubt, ganz unwürksam erscheint das schwache weibliche u in bezug auf i und u der wurzel: man findet immer chelä chelün, scelta scelttm, hosä hosiin, währeiid dasselbe ü (oder mag es schon verkürzt u sein) altn. allgemein a in ö wandelt, amma ömmü, aska (Jskü. umgekehrt haben die ahd. wörter tilä mamma. pipa trenior überall i bewahrt, d. h. auch im nom. sg. kein e angenommen, noch besondere auf- inorksamkeit verdient das -u oder -iu der ahd. nom. sg. fem. und nom. acc. |)1. noutr.; denn zwar neben kerer holer wird nicht kiriu huliu gebildet, doch u'eben deser allerdings disiu disu, was sich wiederum der ausnähme ellu elliu von aller an die seite setzen läszt, da die regel smaler smalu, klater klatu weist, nämlich ellu wäre spur eines alten umlauts des a durch u und gliche dem altn. öll, das sich zu aller allaz verhielte wie disu zu deser.

118 UMLAUT UND BRECHUNG.

wie sind, wint, hrinc, munt, stimna, stunta, im gegensatz zu chneht, wolf, helfa, molta, herta.

5. der ahd. mhd, umlaut stätigt noch andere unterschiede günstig, wo im analogen fall die brechung unwiirksam scheint, denn wie von den adj. lengi, herti, festi die rückumlautenden adv. lango, harto, fasto gebildet werden, dürfte nun auch neben irri, durri ein adv. erro, dorro stattfinden, wenn schon nicht der nposition zugefallen neben lindi ein adv. lendo. die analo- gien lassen aber im stich, irran goth. airzjan hat ein dorran goth. I^aürsjan zur seite, so schön das transitive durran abste- chen würde von dem intransitiven dorren, nie erscheint ahd. dorah per, immer durah; soll es erklärt werden aus einem vor- gewicht von duruh, durih? goth. Jjairh zeugt eher für -ah. in Ordnung sind turi janua und tor porta, turili ostiola, doch gleich stat und steti wechseln tor und turi nicht, sondern der

272 reine oder gebrochne laut haften im einzelnen wort wie sie sich einmal festigten, warum behauptete sich kein alts. hiru gladius, wie heran, birid, sondern heru = goth. hairus? warum alts. ehu = goth. aihvus? da doch sidu, widu, sinu gelten, warum mhd. niete mulsum neben site mos = goth. midus und sidus, wie zu vermuten steht? ahd. scheinen mitu und metu zu schwan- ken, warum schon bei Tacitus Nerthus, Hermundliri, kein Nir- thus, Hirmunduri? die goth. brechung vor r und h ergibt, auch von dieser seite, sich als die älteste, freilich heiszt es ahd. hiruz = goth. hairtus, altn. hiörtr, also für hiruzu, wäh- rend donar mehr zu goth. ])unrs als zu Jjunrus berechtigt.

6. rathen es diese erscheinungen zusammengenommen an im ahd. und mhd. umlaut und brechung abzusondern, so be- gehren es noch entschiedner im ags. eigenthümliche. denn während der umlaut des a in e, des u in y ordentlich ergeht, weicht die brechung des i in e, des u in o öfter von der ahd. ab und richtet sich wieder nach consonanteinflüssen. es bleibt namentlich der reine laut meist schon vor einfachem m und u: niman ahd. neman, numen ahd. noman, aber auch andere Wörter führen ihn durch, z. b. gifan ahd. kepan, gifen ahd. kepan; ongitan ahd. intkezzan, ongiten ahd. intkezzan. hingegen bricht sonst die prima sg. präs. den vocal: ete ahd. izzu, bere ahd. piru, Stele ahd. stilu, brece ahd. prichu, wo man anzunehmen hätte, der ausgang -e. müsse ursprünglich gleich dem goth. -a, nicht wie im ahd. -u gewesen sein, obwol jene niman, gifan, ongitan auch hier nime, gife, ongite behaupten, in der zweiten und dritten person tritt freilich itst, it; birst, bird; stilst, stild; bricst, bricd ein. was ferner u angeht, so haftet es ags., wo es nach ahd. regel zu o werden sollte, z. b. in fugel ahd. fokal, l)unor ahd. donar, vulf ahd. wolf; doch in boren, brocen, svol- len, vorpen stimmt es zu ahd. poran, prochan, suoUan, worfan. von besonderer Wichtigkeit ist nun weiter dasz neben i und e

UMLAUT UND BRECHUNG. 119

häufiy: eo stattfindet und zwar mit beiden wechselnd, nicht nur wird vita und veota procer, frido und freodo geschrieben, Sündern auch ef'or aper und eofbr, gefon oceanus und geofon, fela multum und feola, feder penna und feodor, setel thronus und seotol; ja es können die drei formen frido, freodo, fredo 273 gelten, e und i verhalten sich gar oft wie die ahd. z. b. in den ableitungen fidre ahd. gifidiri, von feder; gevidere tempestas, ahd. giwitiri, von veder. eo habe ich als ursprüngliche, der Ver- engung in e vorangehende brechung dargestellt, die dem goth. ai noch näher steht, und das wird dadurch bestärkt dasz sie wiederum vor r haftet, zumal wenn durch einen zweiten con- sonant position erwächst; veorpan, beorgan, hveorfan gleichen dem goth. vairpan, bairgan, hvairban mehr als das ahd. werfan, pergan, huerpan; nur vor st, sc gilt e, berstan, J)erscan nicht beorstan, J^eorscan. auch scheint für ein höheres alter des eo zu sprechen dasz ahd. spuren von ähnlichem ia oder io vor- kommen, die bald verschwinden, so das neulich aufgefundene sioza (oben s. 5 [kl. sehr. 7, 95]) = ags. seotu. ohne zweifei ist also eo ein laut der uns das Verhältnis zwischen goth. ai und ahd. e vermittelt und nicht gestattet letzteres lediglich von dem vocalischen einflusz des folgenden a abhängen zu lassen. dazu kommen noch die ags. ea und ä, welche neben dem rei- nen a auftreten, ja dessen Übergang in o, die ich sämtlich lieber der brechung als dem umlaut vergleiche, ea hält sogar gleichen schritt mit eo in bearh, vearp, cearf von beorgan, veorpan, ceorfan, entwickelt sich aber auch vor positionalem 1 in healp, gealp von helpan, gelpan und in andern fällen, weder dieses ea für a in den starken prät. vearp, healp, ahd. warf, half, noch das ä in gäf oder geaf, am wenigsten das ä in däg, däges, scräf, scräfes, ist aus folgendem a abzuleiten, weil dieses gerade den reinen laut in dagas, daga herstellt, wie es das u in dagum, scrafu thut. o in gomel, noma, svongor wird durch m und n gewürkt. und die mnl. spräche hat vor positionalem r gebrochnen laut ae für a (gramm. 1, 279), da sie doch für i blosz verengtes e zeigt, ich geschweige hier der andern mnl. so wie der friesischen vocallaute die noch einschlagen.

7. aber die altn. spräche zeigt uns jene ags. i, eo in regel- mäszigerem Wechsel gewisser flexionen, dergestalt dasz hier das ursprüngliche i nur durch ein nachfolgendes i der endung ge- halten wird, hingegen sobald a oder u folgen , die brechung ia oder deren umlaut eintreten , welcher letztere auch da statt 274 findet wo u früher vorhanden, später weggefallen war. es tau- schen demnach angenehme formen wie biörn biarnar birni, Niördr Niardar Nirdi, und freilich dieser einflusz des i scheint dem von i herrührenden umlaute des a in den analogen formen lögr lagar legi zu gleichen, ist aber kein umlaut, da der um- lautende vocal niemals denselben laut zeugt, vielmehr musz maa

220 UMLAUT UND BRECHUNG.

sagen dasz in birni die flexion i den urlant schütze, in legi das a umlaute. Holtzmann will dies altn. ia für jünger halten als das e, und allerdings fällt die ab Wesenheit jenes in den starken conjugationsformen auf, es heiszt bera, gefa, nicht biura, giafa; doch sehe man das gramm. 452 aufgewiesne biarga, gialda (wieder im positionsfall) und erwäge wie gangbar die ags. beor- gan, weorpan gerade in starker form sind, auf der andern seite ist altn. e weiter vorgeschritten als. ahd. und ags.; man sagt selbst brenna, renna für brinna, rinna (gramm. 454) neben spinna. ja es nimmt den ganzen sg. präs. ein: et etr, gef gefr, nem nemr, berg bergr, verp verpr, obschon in dritter reihe um- laut des a in e gewürkt wird, el elr, stend stendr. ein nicht undeutliches zeichen das^ hier umlaut und brechung auf an- dern gründen ruhen, in die Ursachen des wechseis zwischen i, ia und e überall zu dringen ist schwer genug; von den adj. iafn nnd diarfr, die auf gleichem fusze stehn, wird sowol efna als dirfa geleitet; ahd. behaupten epan und epanon den selben laut, pidirpi aber schwankt seltsam über bald in piderpi, bald in piderpi d. h. umgelautetes pidarpi, und die nemliche Un- sicherheit ist in pidirpan piderpan pidarpan piderpan. offenbar war hier die ausspräche nicht mehr mit sich einig, da sie doch in den meisten andern fällen die laute reinlich sonderte.

Was endlich die bezeichnung der beiden e betrifft, so ist sie mir gleichgiltig, sobald man sich darüber einmal verstän- digt. Holtzmann will q für e (wie altn. o für ö), dagegen« e für e, welches e unleugbar dem gebrochnen o äuszerlich gleich stände^, ich hatte e vorgezogen um an das ursprüngliche i zu 275 erinnern und weil der typus unsern druckereien nicht abgeht, dies spricht auch für das nord. ö, dem man in Dänemark schwerlich wieder entsagen wird, dasz in ahd. hss. ae und q für e, e und e erscheinen weisz jeder.

VORANGESTELLTE GENITIVE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. s. 275. 276.

275 Nicht blosz wurzeln formen rectionen, sondern auch ein-

zelne Wortstellungen erhalten sich in der spräche lange Jahr- hunderte hindurch, ich will hier einige fälle behandeln wo der genitiv dem Substantiv das ihn regiert beständig vorausgeschickt wird, in eigennamen und Zusammensetzungen verhärtet sich diese fügung häufig, aber auch dem losen genitiv pflegen in

' schon Lachmann in seiner auswahl hatte e = e, folglich e = e ange- nommen.

VORANGESTELLTE GENITIVE. 121

gewissen redensarten wir noch heute immer den vorrang zu lassen, z. b. wenn es heiszt von rechts wegen, aus leibes kräf- ten, seiner bände werk, so setzte die alte spräche dem mit einer präposition verbundnen worte ende, bedeute es nun das vorderste oder hinterste, jederzeit den gen. voraus. Hildi- brunt was eo folches at ente; that he wurdi is aldres at endie Hei. 82, 10; dryhten sinne driorigne fand ealdres ät ende Beov. 557G; \yX väs sund liden eoletes ät ende Beov. 446; [lifes ät ende Beov. 5642; landes ät ende Cajdm. 185, 25; saes ät ende Caedm. 207, 13; sundes ät ende exon. 361, 6; feores ät ende exon. 445, 4; bordes on ende exon. 496, 15; herges on ende exon. 489, 5]. wenn Andreas 221 mit vorge- schobner präp. ät meres ende gesagt ist, möchte man auch da zu lesen vorschlagen meres ät ende, [ebenso mit ande- ren Substantiven, und nicht nur beim genitiv: sundea te lone Hei. 65, 12; ledes te lone Hei. 100, 2; thes te lone Hei. 101, 21 ; wammes te lone Hei. 119, 5; weres te lone Hei. 166, 28; sigo- res leäne Beov. 2036; veorce (veorca, veorces?) to leäne Credm. 3, 18; fremena to leane Cnedm. 170, 27; lifes leane exon. 285, 2; songes leane exon. 322, 22; liutum on laste El. 30; flöde on laste Caedm. 93, 13; fäder on laste Caedm. 97, 33; (vgl. on last däge Cicdm. 147, 33); tires täcne Beov. 3306; cvealmes on öre Caedm. 153, 32; herges häme Ciedm. 206, 23; leödum läfe Cjedm. 203, 17; vräctum on andan Beov. 1410; eldum on andan Beov. 4622; aetes on venan Caedm. 188,9; viges on venum Caedm. 188,30; veiln on venura Caedm. 191, 11; vyrme on villan Beov. 4608; freän on fultum Beov. 5320; hrefne hröre Beov. 4891]. mhd. belege sind mir fol- gende zur band, gie des hoves an ein ende Gudr. 1618, 4; wiset des hoves an ein ende Rah. 197; triben began des heres unz an daz ende altd. bl. 1, 342; [des heres an daz ende Dietr. 3276;] ich kum es an ein ende Nib. 791, 3; [lief die stiegen (var, der stiegen) an ein ende Nib. 1998, 3;] unwizzer dinge kam an ein ende Greg. 1197; nu bin ich ze wäre diner maere an ein ende komen Hahns Stricker 4, 283; ich bin des üf ein ende bräht Silv. 5190; [der werlt an ein ende Alex. 4888; der werlt an daz ende Alex. 5492 ; der werlt ein ende Albr. v. H. 52*"; vlouc des mers ein eilde Osw. 1151 ; des buoches ein ende Ulr. 1605; des grünen anger an ein endt Keller erz. 86]. noch in späteren Volksliedern meine ich gelesen zu haben gieng des weges an ein ende*, denn allerdings sind solche fügungen eher episch als dasz die höfischen dichter sich ihrer gern bedienten, sicher findet auch die phrase statt er kam sins libes an daz ende**, wie gestuont sins libes an der freide Gudr. 495, 4; daz

* dos grünen waldes ein ende. Ambras. 47; höret der red ein ende. Uhland 1, 247: des Niederlands ein ende. altd. bl. 2, 138. [oben s. 23.] ** das seines leidens ein ende sein werde. Luth, 3, 540''. Jena 1581.

122 WAR DIE EIDE?

man so manigen recken sehe sins libes in der freide Bit. 11370; 276 reit SUIS libes en freise Er. 6096 ; miner sele ze freise Haupts zeitschr. 1,318, und ähnliches.* die analogie bald der vorge- setzten genitive (aldres, libes), bald der von der präp. abhän- genden Substantive schlägt dabei an, man dürfte auch bei at orde, in der mitte gleiche Stellungen erwarten, aus der goth. spräche gehört hierher das bekannte seina misso, entsprechend dem altn. sin ä milli.

WAR DIE EIDE?

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 2. 1842. s. 569.

569 Ich bin verschiedentlich nach dem veortsinn des Spruchs

den ich einer schrift vorgesetzt habe gefragt worden ; so wenig verbreitet ist die künde unserer alten spräche dasz leser an der Partikel war anstosz nahmen denen ein homerisches tt';^ ver- ständlich gewesen wäre, mich zieht es an wahrzunehmen wie nahe in solchen ausbrüchen des gefühls die griechische poesie zu der deutschen stimmt und das menschliche herz von selbst ewige formein findet, war sint die eide komen? Nib. 562, 3 wird auch Rol. 76, 12 ausgedrückt wäre chömen die eide di si mir swuoren? bei Homer steht das futurum, ti-^ orj auvUsd-'oci TS xal opxia ßr^asTat T|[xiv; II. 2, 339, jenes i:-^ Ißotv opxia; wird aber durch 7q] Ißav eu^rtoXat; U. 8, 229 nachgewiesen, ebenso •Koö TOI dusiXai; II. 20, 83 und ttoü toi aTrsiXoti oi/ovTat; IL 13, 219 und 'KJ^ oV; toi [xsvo? oi/s-ai; II. 5, 472; war kömen dine sinne? Nib. 784, 1. nicht anders bei Äschylus Choeph. 900 7C0U St] XoiTca Ao;iou {xavTsutxotTa ra -Kuboyp-^cSTa. , Tiis-a o' suop- XfoaaTa:**

* des meris in ein insulam. kehr. 5640; guotes gibe ich ir die wal. Ben. 395; wins ein fuoder. teufelsnetz 5555; ires herzen ein trost. Uhl. 1, 185; trug aber gelds die menge. Luther. 24, 338 (Irm.); geldes die menge, n. pr. prov. bl. 7, 116; es ist seines ruhms ein Stückchen, erzn. 141; so lange ich nun der Sachen ein kind bin. erzn. 103; ich bin meiner noth eine einige ursach. Philand. 1, 645; reicher eitern kind. Lpz. avant. 1, 92; ehrlicher, geringer leut kind. Felsenb. 1, 386. 'B b

** J'iclita quonam migravit concordia nobis? Walthar. 1255. sulen die eide sin verlorn, die dine man hänt gesworn? En. 4186. war ist din guot gerihte nu komen? kehr. 5955. war sint komen die sinne min? MS. 1, 65". war kam luwer schoener lip? 1, 81"^. war sint nu miniu jär gedigen? 1, 167». war mir si komen min sanc? 1, 172\ war kam iuwer sclioene varwe? 1, 181". o we war smt verswunden alliu miniu jär? Walth. 124, 1. war kom min

ÜBER DAS WERGELD DER FREIEN. 123

BEMERKUNGEN ZU SCHAUMANNS AUFSATZ ÜBER DAS WERGELD DER FREIEN NACH DER LEX

SAXONUM.*

Zeitschrift für geschichtliche rechtswissenschaft. bd. U. 1842. s. 385 398.

Es handelt sich um folgende stelle der lex Saxonum : qui 385 nobilem occiderit MCCCCXL solides componat, ruoda dicitur apiid Saxones CXX solidi, et in praemium CXX solidi.

Der Verfasser des vorausgehenden aufsatzes bildet sich ein, für solidi sei zu lesen denarii. da nun auch "in den übrigen bestimmungen des ganzen gesetzes, die mit dem wergeld in genauem einklang stehen, solidi angegeben werden, so müste jedesmal verschrieben und durch die bank zu ändern sein, alle handschriften aber, namentlich die den ausgaben von Tilius und Herold zum gründe liegenden, dann auch die später vergli- chenen Spangen bergische und Corveier haben, bei manchen ab- weichungen unter einander, beständig solidi; es übersteigt jeden ;586 glauben, dasz etwa fünf und zwanzig mal von vier Schreibern derselbe fehler begangen und unberichtigt geblieben sein sollte in büchern, die nicht blosz gelesen, sondern auch vor gericht gebracht und angewandt wurden, schon aus dieser Ursache musz es bei der hergebrachten lesart lediglich bewenden.

Noch mehr, tit. 2, 3 u. 19, 3 findet sich ein solidus major von 3 drimisen^ dem minor von zweien entgegengesetzt; hier wäre es rein unzulässig solidus mit denarius zu vertauschen, weil kein denarius von drei oder zwei drimisen, die selbst zwölf oder acht denare betragen, denkbar ist. ja, tit. 4, 8 wird ein furtum trium solidorum uno denario minus aufgeführt, wo die beifügung der geringeren münze über die richtigkeit der grösze- ren vollends den zweifei wegräumt, gesetz und abschreiber unterscheiden da zwischen solidus und denarius, warum sollte anderwärts hundertmal dieser von jenem verdrängt worden sein?

Einer an sich so bedenklichen Vermutung werden andere gründe kaum gehör verschaffen, vielmehr der ganze einfall. dem zu liebe sie aufgebracht worden ist, scheint noch haltloser.

trüt? Parz. 109, 19. war kom din röter munt? 252, 27. war kam mein klarer wein? heldenb. 1590. 124'"'. wa ist mein gute milch hinkommen? seh. u. ernst 1550. cap. 114. ach wo bleibt ihr theuren schwüre? Günther 277. wo bleibt dein letzter schwur? Geliert 3, 393. wo bleibt dein treues herz? 3, 394. ro^ (?Xes; TToy TpdiztC'xi; Demosth. 19, 189. ot tosoötoi Be Spxoi, oü? iö(jio3a;, xai -za Saxp'jct i\ äxotpci o(yt~ii. Lucian. dial. mer. 1. c' äit am bheil na mionnan mor', a Mhanuis? 'dh' fhagas far an dh' fhuaras.' Scan Dana 105". caite bheil do mhionna mora? fhagas iad in dealt an fheoir. append. 330.

* [ebd. s. 362 384.]

' drimisa ist der ahd. dem angelsächs. thrims und latein. tremissis ent- sprechende ausdruck.

124 ÜBER DAS WERGELD DER FREIEN

Die lex soll unter nobilis nicht einen edlen, sondern den freien überhaupt verstehn, für den ein wergeld von 1440 schil- hngen zu hoch, von 1440 pfenningen hingegen angemessen er- achtet wird.

387 Ich will hier dahingestellt sein lassen, ob die Sachsen, bevor sie den Franken unterlagen, Freiheit und adel schon in zwei stände sonderten, oder ob sie es nicht thaten. es mag nur bemerkt werden, dasz eine beinahe nothwendige gleichung, wie zwischen dem freien und knecht den litus, so zwischen dem fürsten und freien den edeln anzunehmen hat: in den Ver- hältnissen des adels spiegeln sich die der litenschaft vielfach ab, und umgedreht, das aber scheint ausgemacht, dasz das säch- sische, unter Carl dem groszen abgefaszte volksrecht beide Zwi- schenstufen des nobilis und litus anerkennt, dasz die oft an- gezogenen stellen bei Nithard, Rudolf und Widukind diese im neunten und zehnten jahrh. fortherschende Vorstellung bekräfti- gen, das für Sachsen gegebene capitular von 785 (Pertz 3, 49) unterscheidet nobiles, ingenui, liti, servi, das von 797 (Pertz 3, 76) Saxones nol^iliores, ingenui et liti. in diesen capitula- rien, in jenen äuszerungen der Schriftsteller sieht hr. Schau- mann ohne hinreichenden grund fränkische gewohnheit und einrichtung, er will nur die lex Saxonum gelten lassen, nun tit. 2, 4 derselben ist ausdrücklich der servus a nobili occisus dem a libero vel lito occisus gegenüber gesetzt, und sollte die lesart liberto für libero, obgleich keinen guten sinn darbietend, vorgerückt werden, so hebt die bestimmung tit. 4, 8 für das fredum beim diebstahl, wo nobilis, liber und litus geschieden sind, desgleichen in tit. 17, wo von einem liber sub tutela no- bilis geredet wird, jedes bedenken, diese stellen lassen sich

388 weder als verderbte noch als fränkische einschaltungen ausmer- zen, oder jeder erklärer dürfte mit dem ganzen Inhalt des ge- setzes seinen mutwillen treiben.

Nach dem anschlag der meisten volksrechte, namentlich der fränkischen und friesischen, beträgt das wergeld des litus die hälfte von dem des liber, und niemals steht es so niedrig, dasz es nur den zwölften theil des letztern ausgemacht hätte, wenn folglich 2, 8 verordnet ist: litus occisus CXX solidis com- ponatur, mulcta vero vulnerum ejus sive mancationum per omnia duodecima parte minor quam nobilis, so kann dieser letzte aus- druck keinen bloszen liber meinen, wol aber stimmt der zwölf- fach erhöhte ansatz des litus gegenüber dem edlen zu der Vor- stellung, die man sich von dem zwischen beiden liegenden wergeld des freien zu bilden hat. wir sahen das gesetz zwei oder dreimal die stufen nobilis, liber, litus scheiden, wie wäre es möglich homicidia und vulnera nobilis auf den liber zu be- ziehen, für den die summen nach allen analogien nirgend passen? aus dem erhöhten wergelde des edlen das des freien sicher zu

NACH DER LEX SAXONUM. 125

folgern, bat seine Schwierigkeit, da die Verhältnisse vielfach schwanken, von dem litus zu dem über aufzusteigen, ist weit zulässiger, wo aber die wergelder des nobilis und litus, wie in unserm fall, gegeben sind, darf mit groszer Wahrscheinlichkeit das des freien nach beiden ermessen werden, kaum ein zwei- fei bleibt darüber, dasz unter den Sachsen der freie damals 240 sei. stand.

Allerdings ist die freiheit grund der übrigen stände , und 389 aus dem .wergelde des freien das des edlen erhöht, das de& litus erniedriort worden, an solche basis halten sich auch die andern volksrechte, und es kann befremden, dasz das sächsi- sche, gleich mit den werten de ictu nobilis anhebend, im ganzen ersten titel lauter buszen für edle setzt, nicht anders eröJÖPnet den zweiten jener ausgehobene satz: qui nobilem occiderit, und die 2, 3 angegebene compositio liti wird ausdrücklich als zwölfter theil der compositio nobilis bezeichnet, auf den ersten blick scheint das wergeld des freien ganz übergangen.

Sagen dürfte man, dasz es als bekannt und un verrückt vorausgesetzt blieb, während vielleicht für das des edlen eine erhöhung eingetreten war, die jetzt öffentlich ausgesprochen werden sollte, ein friesischer nobilis stand nur anderthalbmal, ein thüringischer dreimal so hoch als ein liber, sechsmal höher gestellt war bei den Angelsachsen der mercische, solch eine sechsfache Steigerung musz nach der lex Saxonum vermutet werden, wenn das wergeld des litus um die hälfte geringer als das des liber ist, 120 weisen auf 240, 240 auf 1440 sol. ; die 240 waren längst eingeführt, der höhere anschlag für den no- bilis sollte nunmehr bemerklich gemacht und auf alle buszen angewandt werden, auch in jenen beiden capitularien sind buszen, freilich keine wergelder, in abweichendem Verhältnis bestimmt, 785 dem nobilis 60, dem ingenuus 30, dem litus 15 sol., 797 dem nobilis 12, dem ingenuus 5, dem litus 4, da- neben dem nobilis 4, dem ingenuus 2 und litus 1 sol., ja im 390 volksrecht selbst wird ein fredum, verschieden vom wergeld- ansatz, dem nobilis auf 12, dem liber auf 6, dem litus auf 4 sol. gerechnet (wofür ich keine fränkische sitte in anspruch nehme), hier steht der edle nur doppelt so hoch oder 1 \ g mal höher als der freie, was, wenn ein schlusz auf die wergelder taugt, nachherige Steigerung des nobilis und zugleich das jün- gere alter der lex bezeugen würde, falls aber auch diese Stei- gerung schon lange bestand, so ist möglich, dasz den abfasser der lex irgend ein anderer grund bewog, die einzelnen buszen nach ihrem höchsten satz aufzuführen, ohne dasz sich dadurch die eigentliche grundlage derselben, das wergeld der freien, ab- änderte.

Der erste titel berührt gar keine composition der freien so wenig als der liten. ich war jedoch auf den gedanken geratheu

126 ÜBER DAS WERGELD DER FREIEN

(RA. 273. vgl. 289. 661. 676), bei der angäbe des wergeldes, wonach sich alle übrigen buszen zu richten haben, sei im ein- gang des zweiten titeis mit den werten: riioda dicitur apud Saxo- nes CXX sol. et in praemium CXX sol. dennoch eine solche bestimmimg enthalten, diese worte haben mit dem wergeld des edlen an sich nichts weiter zu schaffen, dessen betrag zu 1440 sol. feststeht, wie aus den compositionen des ersten titeis, z. b. der des auges von 720, oder des daumens von 360 sol. erhellt, da sich dieser glieder werth wie 1/.2 oder 1/4 zu dem 'des ganzen menschen verhält, die 120 sol. ruoda und 120 sol. praemium treten also jenen 1440 nicht hinzu, sondern sind da-

391 von unabhängig, beide zusammen ergeben 240 sol., gerade den gesuchten ertrag des freienwergelds, wie er zur Verringerung des litenwergelds in voller analogie steht und zu der sechs- fachen erhöhung des edlenwergelds sich verhalten musz. nur entspringt die frage, warum nicht einfach gesagt wurde: qui liberum occiderit, CCXL sol. componat? eine antwort hierauf könnte alle knoten lösen, mich dünkt, es kam weniger darauf an, das bekannte auszusprechen, als eine hergebrachte termino- logie des sächsichen rechts zu wahren, welche das Verhältnis der 1440 zu dem gangbaren wergeldstypus mit einem mal kund gibt, und das verrathen die worte: dicitur apud Saxones, ein ausdruck, der sonst im ganzen gesetz nicht wiederkehrt, hier galt es einem technischen namen des wergelds, den die sächsi- schen rechtsgelehrten im munde führen mochten, und die zer- spaltung des gesammtbetrags von 240 sol. in zwei gleiche hälften musz einen historischen grund gehabt haben, ich mutmasze weiter, ruoda war der alte einfache satz des wergelds, zu dem sich noch eine andere abgäbe gesellte, die man praemium (sächsisch longeld?) oder vielleicht interpraemium (nach der nicht Übeln lesart bei Tilius, vgl. interpretium) nannte, entweder war dies praemium eine im laufe der zeit erfolgte Wiederholung der alten ruoda, oder die sonderung beider bezieht sich auf ihre verschiedene anwendung, so dasz ruoda der eigentliche ersatz für den todtschlag, das capitale, hingegen praemium das, was auszerdem an den kläger entrichtet werden muste, bezeichnet.

392 beide namen und betrage waren aber so geläufig, dasz ihre beziehung auf das normalwergeld des freien gar nicht ausge- drückt zu werden brauchte, sie sollen blosz das Verhältnis jener sechsfachen Steigerung entnehmen lassen, nicht erst festsetzen, was längst festgesetzt war. wenn keins der andern volksrechte solchergestalt zwischen zwei betragen des wergelds unterschei- det, so bricht vielleicht eine spur des altsächsischen brauchs in dem unterschiede hervor, den, wie man weisz, der Sachsen- spiegel zwischen wergeld und busze macht, obschon in jener spätem zeit die busze als ein geringerer betrag weit unter dem wergeld bleibt, wie dem sei, ganz vorzüglich zieht uns die

NACH DER LEX SAXONUM. 127

benenniingj ruoda an, die für sich betrachtet sehr klar ist, und nichts anders als virga aussagt; sie scheint einer uralten sinn- lichen ernüttelung des wergelds, als es noch nicht in münze veranschlagt, sondern in vieh oder getraide zu entrichten war, anzugehören, mit der ruthe wurde gemessen und eingehegt, noch heute erscheinen dabei oft duodecimalzahlen, wie wir sie in den compositionen der lex Saxonum fast überall walten sehn, die hergäuge unseres alterthums sind selten noch anschaulich aufzuweisen, ich forsche gern allen spuren nach, die sie hinter- lassen, meine oben s. 383. 384 schnöd abgelehnte mahnung an den waizenberg des Sachsenspiegels (RA. 675. 676) ist immer ganz triftig, warum mit dem tagelöhner unnöthige umstände gemacht werden, wäre schwer zu begreifen; es war die tradi- tion eines uralten wergeldes, die sich zuletzt in diese unprakti- sche anwendung flüchtete, ruthe und zwölfzahl spielen dabei eine wesentliche rolle, wie bei der ruoda von 120 Schillingen .'?9.'J der lex Saxonum. im Witzenmühlenrecht finde ich die weite eines zaunes vom andern so bestimmt, dasz er 9 stige rutlien, jede ruthe 16 fusz lang, entfernt liegen soll, d. h. wiederum 2880 fusz, die Verdoppelung von 1440^. ruoda könnte schon im beginn des neunten jahrh. den Sachsen die blosze zahl 120, oder das grosze hundert ausgedrückt haben, wie Leo neulich wahrscheinlich gemacht hat, dasz im salischen gesetz die worte walt und thoal, welche auf galisch rand und rahmen ausdrücken, gerade dieselbe zahl 120 bezeichnen.

Wie deutet nun herr Schaumann unsere freilich dunkele stelle, von der aber allein licht über das ganze gesetz auszu- gehn vermag? ihm sind die 240 solidi ruoda und praemium zu 240 denaren geworden, die er auf 20 grosze Schillinge be- rechnet, und zu den 1440 Schillingen, d. h. ihm 1440 Pfennin- gen = 180 kleinen Schillingen, schlägt, welche 1680 pfenninge zusammen das wergeld des freien ausmachen, und dem fränki- schen satz von 200 Schillingen einigermaszen, nämlich nach Carls schlauer politik, blosz scheinbar gleichen sollen, wegen der ausdrücke ruoda und praemium wird auf die niedersächsi- sche geschichte verwiesen, und alles dort ausgeführte stehe jetzt nur noch besser zu erweisen und zu vertreten, es wäre schade, und ist auch kaum möglich, dort sehen wir das capitular von 797 herbeigeholt, und was darin von districtio und wargida be- 394 stimmt ist, auf ruoda und praemium angewandt, billig hätte die überflüssige emendation von ruoda (wie alle handschriften einmütig lesen) in ruoga, rüge, das auf gut altsächsisch sogar wruoga oder wruog lauten müste, dem Ileineceius und seiner zeit belassen werden sollen; wargida kann nicht wargilda (ein ganz falsches wort) bedeuten, sondern ist condemnatio, das go-

' weisth. 3, 233. wo man §.13 lese: und wen he vor des immetuns der stan geit.

^28 ÜBER DAS WERGELÜ DER FREIEN

thische vargitha. districtio und wargida, die entweder zusam- menfallen, oder für welche beide den spruchthuenden landleuten (pagensibus) nur die summe von 12 sol. gebühr zu eutrichtei) ist, haben mit den 240 sol. ruoda und praemium für die kla- gende partei nichts gemein, ich vermute, dasz das capitular die 12 sol. wieder von dem nobilis meint, dann hätte der in- genuus sogar blosz 5 sol. wargida zu zahlen gehabt, welche besondere Vorstellung herr Seh. sich von der ruthe des Sach- sensp. 3, 45 mache, die er ohne allen fug in ein masc. rüde verwandelt (oben s. 383 u. sächsische gesch. s. 88), errathe ich nicht, da die in letzter stelle verheiszene spätere ausführung von mir wenigstens vergebens gesucht worden ist.

Wenn die echtheit unseres textes unangreifbar dasteht, so bleibt nichts weiter übrig als sich in geduld zu fassen, um ihn hinzunehmen wie er ist; die Verständnisse können allmälig folgen, ich habe eine Vermutung über ruoda und praemium auf- gestellt, die gern besserer weicht, die alterthümer unseres münz- wesens, worauf es bei erwägung des inhalts vorzüglich au-

395 kommt, liegen noch sehr im dunkel, so viel reiz ihnen gerade aus der Schwierigkeit erwächst, das germanische wergeld war ursprünglich in vieh und getraide bestimmt und mit diesen au- sätzen das Volk vertraut; es scheinen manche Zahlenverhältnisse von dem älteren maszstab auf den jüngeren, der ihn nachher zu vertreten hatte, übergegangen, duodecimal und decimal-

, zahlen greifen in einander, doch mögen sie beide gleich früh angewandt worden sein, die uns von den Römern zugeführte münze entwand sich bald dem reinen pfund- und unzengewicht, und gestaltete sich in soliden und denaren, die auf schwan- kendem fusz zu dem pfund standen, so viel Verschiedenheiten finden statt, dasz es im einzelnen sehr schwer zu ermitteln ist, ob der gehalt des solidus oder des denars abänderung erfuhr, je gröszer der vorrath an münze wurde, muste ihr werth fallen, die wergelder bedurften anhaltender erhöhung; umgekehrt nahm der reichthum an heerden ab, und der preis des viehes war im steigen, bei den roheren stammen galt das vieh weniger, die münze mehr, bei den vorgeschrittenen das vieh mehr, die münze weniger, im salischen gesetz wird ein Saugkalb zu 3 sol., ein jähriger stier zu 15 sol., ein zweijähriger zu 35 sol. angeschla- gen; den Alamannen, die naiv ihr vieh gleich den menschen in drei classen sondern, galt ein optimus bos nur 5 drimisen (P/3 sol.), ein medianus 4 drimisen (II/3 sol.) und der minor sollte jedesmal geschätzt werden, das ripuarische gesetz rechnet

396 fürs wergeld den erwachsenen ochsen nur zu 2 sol., das säch- sische unterscheidet zweierlei solidi, einen gröszern von drei, einen kleinern von zwei drimisen, dieser soll des einjährigen, jener des sechzehnmonatlichen ochsen werth haben, an einem wergeld von 1440 sol. = 1440 einjährigen ochsen wird nieders.

NACH DER LEX SAXONÜM. 129

gcsch. s. 85 überhaupt gezweifelt, ich sehe nicht, warum das vieh unerschwinglicher gewesen sein soll, als die münze; konn- ten für den erschlagenen Ripuarier 100 alte ochsen (für den ingenuus in truste ihrer 600) gezahlt werden, so war in dem viehreicheren Sachsen das freienwergeld von 240 ochsen, die nach salischem maaszstab nicht die hälfte galten, und gleichviel zweijährigen, d. i. ausgewachsenen, ziemlich gerecht; jedes volk wird mit dem gezahlt haben, was ihm am bequemsten war, geld oder vieh. vermutlich aber bildeten unter den Sachsen 120 einjährige ochsen den alten, nachher verdoppelten satz. leider gewährt das friesische volksrecht, dessen preise so viel eigenthümliches darbieten, nirgends den des viehes.

Je tiefer man in das wesen aller compositionen eindringt, desto mehr überraschen ihre feinen genauen bezüge, zumal auf die Verhältnisse der eideshelfer. zuweilen lassen sich die älte- ren geringeren betrage, die in einzelnen ausnahmen haften, er- kennen; zuweilen gelingt es, noch kleinere nebengelder, die der eigentlichen composition angehängt wurden, von ihr abzulösen und sie in ihrer ersten gestalt zu erkennen.

In dem fortgange des mittelalters wuchs die Verwirrung des geldes und der compositionen dadurch, dasz aus dem pfund 397 oder der mark nur denare geprägt wurden, und die solide blosz als ideale münze dazwischen traten, das alte wergeld aber all- mälich vor den überhand nehmenden strafen verschwand, blosz in gewissen gegenden und für einzelne fälle dauerten die wer- gelder. daher z. b. die im Sachsensp. 3, 45 noch aufgeführten im Schwabensp. (cap. 255 Wackern. 310 Laszb.) weggelassen, dagegen die im Sachsenspiegel angegebenen buszen, wiewol un- vollständig aufgenommen sind; einer von den mehreren grün- den, die für das höhere alter des Sachsensp. zeugen, wider vergleichung des späteren rechts mit dem alten ist an sich nichts einzuwenden, da einzelne gebrauche zähe durch lange Jahrhun- derte ziehen; nur scheint es mir gefährlich, die wergelder des eben angeführten artikels im Sachsensp. noch unmittelbar zu denen der lex Saxonum mit der forderung genauen einstimmens zu halten, wenn Eike von Repgow hier fürsten, edle und freie in busze und wergeld völlig gleichstellt, und blosz die beiden ersteren durch Zahlung in geld, ohne dasz sich die betrage än- dern, geehrt wissen will; so darf das die gründlichen Standes- unterschiede in dem 400 jähre älteren volksrecht nicht um- stürzen, und nicht einmal stimmen die 18 pfund zu jenen be- haupteten 1440 Schillingen, da 18 pfund 360 Schillinge = 4320 Pfenninge, folglich das 3 fache ertragen, denn es ist gezwungen, die 360 nach dem veränderten münzfusz auf 180 herabzubringen und dann jedem Schilling nur 8 denare einzuräumen, da sich die späte fortdauer jenes Unterschieds zwischen kleinem und 398 groszem Schilling mit nichts beweisen läszt. viel passender

J. ORIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 9

130 ZUR SYNTAX DER EIGENNAMEN.

dürfte der nennwerth von 360 sol. dem alten von 240 sol. an die Seite gestellt werden, zwölfzahlen stecken hier allerwärts, es kann nicht fehlen durch irgend eine berechnung die zahl von 1440 oder 240 oder 360, wie man ihrer bedarf, herauszu- bringen, noch geringeren belang scheint endlich die magde- burgische Verordnung vom j. 1276 haben zu können, in welcher ein wergeld von drei talenten, d. h. damals 6 marken, bestimmt wird, die ausdrücklich zu 44 Schillingen geprägt werden sollen, was 132 Schillinge = 1584 pfenninge ausmacht, es ist rein will- kürlich von jeder mark 4 Schillinge schlagschatz abzurechnen, um nur 128 Schillinge anzusetzen, die freilich auf 1440 pfen- ninge leiten, ähnliche Verordnungen würde eine uns abgehende Sammlung für altdeutsches münzrecht noch andere nebeneinan- der stellen können, ohne dasz sich daraus irgend eine bestäti- gung der hier bestrittenen ansieht gewinnen liesze.

ZUR SYNTAX DER EIGENNAMEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 3. 1843. s. 134 139.

134 Notker, bei dem wir doch zuerst die ahd. prosa in natür- lichem flusz antreflfen, hat einen bemerkenswerthen schwung für die Stellung des genitivs von eigennamen denen sich noch ein anderes nomen appositiv verbindet, er läszt dies voran gehen, dann das subst. von welchem der gen. abhängt folgen, und schlieszt mit dem eigennamen.

Ps. 50, 1 daz er mit Bersabe slief sines berechnehtes che- nün Uriae (bei B. der frau seines knechts U.)- Bth. 3 pi des cheiseres ziten Zenonis. Bth. 20 gagen sines leidares hazze Cipriäni (odiis Cypriani de-

latoris). Bth. 226 umbe des chuninges willen Aristei. Bth. 226 üzer des chuninges riebe Alcinoi. Cap. 15 in des fliegenten gotes kewalt Cupidinis (in potentiam

volitantis superi). Cap. 37 erwegetiu föne des foreleisen secundedo Mercurii (prae-

cedentis officio concussa). [Cap. 40 mit tero bruodero baldi Castoris unde PoUucis.] Cap. 46 legeta si zu sinero muoter minna Majae.

Die zusammengehörigen genitive werden durch das sie be-

135 herschende subst. getrennt*, doch geschieht es nicht noth wendig

* vgl. Cap. 11 wanda si diu altesta tohter ist providentiae ; 108 daz üzer demo bluote ward Gorgonae.

ZUR SYNTAX DER EIGENNAMEN. 131

oder aller wärts, z. b. ps. 33, 1 liest man riebe minis fater Da- vidis und uicbt minis fater riebe Davidis. [Btb. 225 diu cbenün sines bruoder Menelai.]

Dasz die pompbaft scblieszenden genitive in jenen belegen lauter fremde namen sind tbut nicbts zur sacbe, es bätte eben- wol beiszen dürfen pi des cbuninges ziten Otacberes; ferner, glaube icb, wäre aucb zulässig gewesen dem eigennamen die vordere, der appositiou die bintere stelle zu verleiben, z. b. umbe Aristei willen des cbuninges.* beides beweise icb aus dem ags. spracbgebraucb.

Boetb. cap. 19 bvät sint nu }ms visan goldsmides bän Ve- londes? wo sieb die metriscbe Übersetzung ausdrückt bvaer sint nu J)äs visan Velandes bän \)äs goldsmides? der lat. text hat auch trennend ubi nunc iidelis ossa Fabricii iacent? was N. gerade nicht nachahmt, er setzt Btb. 100 war ist sär nu daz krab des ketn'ien Fabricii ? statt des ketrüen grab Fabricii. ^ [hredcyninges häm gesobte eästan of Ongle Eormanrices. exon. 319.] aber die ags. prosa liefert genug andere beispiele.

Kembles cbartae [1, 115.] 2, 131 in usses dryhtnes naman bae-

lendes Cristes. [ 1, 278 and väs Biornvulves rice Mercna cy-

ninges. 1^ 295 Edelmodes läfe aldormonnes.

2, 58 on J)äs hälgan apostoles naman An-

dreas. 2, 300 Ealdred Lifinges sunu J)äs ^egnes.

4, 54 be Cnutes däge cinges.

5^ 253 be l^äs kinges däge Adelstänes.]

Thorpes anal. 51 |Durb Ädelredes haese Myrcna cyninges (iussu

Äthelredi Merciorum regis). daselbst 84 on Ädelredes dagum kynges. chronol. sax. 538 be Älfredes bene Vestseaxne cyninges (prece

A. W. regis). [homil. 1, 330 u. ö. to |)äs heähfäderes vununge Abrabames.

420 J)äs godes temple Martis.

430 on l^aere vudevan legerstove Quiriace.

434 sobte |)äs hälgan sacerdes fet Justines.

Marc. 6, 17 bis broder läfe Pbilippes.]

Aus dem altnordischen fällt mir die hergebrachte Stellung von saga oder qvida zwischen die genitive ein, Olafs saga

* Otfr. III. 10, 10 Davides sun thes guaton. IV. 4, 43 Davides sun thes kuninges. fr. th. 13, 14 daz arfullit werde in im Esaiases foraspel quedantes. 23, 35 fona Abeles bluote des rehtkernin. ibid. untaz Zachariases bluot des Barachies sunes.

' oder Wielandes, wenn er darauf gekommen wäre wie Alfred in Fabri- cius faber zu sehen, was auf den berühmten Veland leitete; auch fidelis ist passend mit visan vertauscht.

9*

132 ZUR SYNTAX DER EIGENNAMEN.

Tryggvasonar, Sigurdar qvida Fafnis bana, Brynhildar qvida Budla dottur, Helga qvida Hundings bana u. s. w. diese ags. und altn. stellen versichern uns dasz auch Notkers weise un- nachgeahmt vi^ar. freilich läszt sich aus Ullilas keine ähnliche structur beibringen, dem sein text dazu keinen anlasz geveährte; es war natürlich diesem folgend zu sagen in dagani Herodis J)iudanis Luc. 1 , 5 ^ ; gibid imma frauja stol Daveidis attins is 136 Luc. 1,32; ungothisch würde aber ein in Herodis dagam ]^iu- danis, Daveidis stol attins is, oder in |)iudanis dagam Herodis nicht gewesen sein, auch versteht es sich dasz die trenn ung der zusammengehörigen Wörter nicht auf den fall des genitivs einzuschränken ist, z. b. der acc. durch das verbum getrennt werden kann; N. ßth. 56 heiszt es also Gregörius Johannem zeh constantinopolitanum.

Aus der mhd. [und mnld.] spräche gehört nun ganz hierher die neigung von den eigennamen oder appellativen der fürsten und edeln die apposition ihres landbesitzes durch ein andres wort oder mehrere zu trennen, dieser besitz wird aber nicht mit dem genitiv, sondern den präpositionen von oder üz be- zeichnet.

Parz. [30, 13 des küneges man von Azagouc]

45, 11 üz der küngin laut von Zazamanc.

[1^^5 13 gap Ithers tot von Gaheviez.

317, 10 der küngin sun von Zazamanc.

811, 15 Gahmurets sun von Zazamanc]

Lanz. 4418 in des küneges lande von Maroc.

5066 ze des herzogen hüse von dem wizen se.

Walth. 21, 1 des fürsten milte üz Osterriche.

85, 10 der den werden fürsten habe erslagen von Kölne.

Wigal. 8063 eins vil edeln fürsten tot von Merän.

Ulr, frauend. 92, 27 mit hurte er an den gräven quam von Tyrol. MS. 2, 152'' waz mac diu küneginne wol jehen von Ungerlant?

2, 132'' danne der edele kröne trage üz Beheimlant.

Amgb. 4'' ich bin des gräven künfte vrö von Osterberc.

des vürsten tot üz Beigerlant.

Wartb. Simr. 1 (MS. 2, P) in des edeln fürsten dön von Dü-

rengen laut. [ 1 (MS. 2, P) des fürsten tugent üz Osterrich.

4 (MS. 2, P) ich bin des kempfe üz Osterrich.

25 so man dem edelen sin gezelt von Dürengen

lant sluoc bi daz wazzer.

134 des edelen ritterschaft von Henneberc.

MS. 1, 154* min meister klaget so sere von der Vogel weide.]

2, 210'' des küneges kint üz Ungerlant.

* ebenso T. 2, 1. 8, 1 in tagon Herodes des cuninges nach dem lat. in diebus Herodis regis.

ZUR SYNTAX DER EIGENNAMEN. 133

Ben. [360 er ist Mildeboldes swester sunt von Pemriute.]

440 in des hant von Riuwental warf diu mati;t ir bal. 454 warf ich den bal in des hant von Riuwental.

Suchen wirt 18, 295 der des küniges banier truoc von Frank- riche.

[Serv. 1, 3236 doer der gravinnen bede van Loen.

Nib. 956, 2 Sifrides helde von Niblunge lant.

1808, 3 sins herren ingesinde von Burgonden lant.

Wh. 440, 15 des küneges vane von Tandarnas.

Trist. 8733 des küneges marschalc von Irlant.

Wigam. 3696 des küniges wartman von Rerat.

4327. 5359 des küniges tohter von Rerat.

Rudolf Wh. (MSH. 4, 868^') meister Gotfrides kunst von Straz-

burc.

Dietr. u. ges. 1004 des küniges ritter üz Ungerlant.

Sigenot 1 daz her Dietrich nie mait von Bern.

Bert. V. Holle (Hpt. 1, 77) de der eoning troch von Ungerlant. _ (Hpt. 1,83) von Holle heiz ich Bertolt.

Mai 174, 17 nach dem bischove wart gesant von Anderwile.

MSH. 3, 170'' grabe Heinrich der ist gekleit von Holtseten in daz lob.

Helbl. 4, 203 an des herzogen gebiet von Beiern.

Heinr. Trist. 6584 diu starb in siner minne Tristandes.

Lohengr. 3821 bischof Wiprecht er het besant von Lütich.

6038 nach des rat von Kriechenlant.

Renner 1225 swer meister Cuonräten hat gesehen von Wirz- burc.

1284 mit den drin künegen ich daz erziuge von Kolne.

Appenz. kr. 156 wie es dem schenken war gangen von Landegg.

Altsw. 21, 3 des königs sal von Frankenrich.

Karel 1, 190 sconinx amie van Vrankerike.

1, 1202 van sher Jans vaert van Mes.

Lanc. 19, 953 des keysers volc van Almanie.

27, 124 van Lanceloets halven van Lac.

31, 259 op heren Lanceloets seilt van Lac.

Kausler 1, 203 des hertoghen dochter van Sassan lant.

1, 5064 grave Boudins wijf van Henegauwe.

1, 5179 ende trike up sinen broeder verwarf van Inge-

lant. Maerl. 3, xiii verstaet dat Jacob moet van Maerlant rüsten terre stede.

3, 17 hoe si den rike an gingen strideu van Roma.]*

* ebenso Hei. 2, 18 thie kesar tharod fon Rumuburg. 2, 20 thuru thes kesures thanc fan Rumuburg. 156, 14 iro herron bodo fan Rumuburg. Saem. 133 Ölrün Kiärs döttir af Vallandi. Vilk. ed. Cav. 80 konung Nidungs dotter af Jutland. ib. Didrik konung Thetmarsson af Bern.

134 ZÜB SYNTAX DER EIGENNAMEN.

Beiderlei nachsetzung, die des genitivs wie des örtlichen begriffs, behalten auch die Chronisten und Urkunden des 13n 14n 15n jh. bei. 137 Fritz Closener s. 20 Cunrat grave Cunrates son von Hessen.

[55 Karle des kuniges sun von Behem.]

59 des bischofes gesinde von Triere.

61 an sant Thumons dag von Kantelberg.]

72 durch bete willen Johannes Twingers.

73 in sante Johannes cappele baptisten.

Königshofen s. 283 des küniges tohter von Ungern.

334 herzog Leopoldes tohter von Österrich.

Lindenblatt s. 198 des koniges boten von Bohemen.

203 des koniges vater von Polan.

Johann von Guben zitt. jahrb. 6, 1 by des geczyten von der Li-

pen. [vgl. ib. die anm.]

6, 7 dez son von der Lipen.

8, 1 8 von dez volg von Michilsberg.

Homeyers Ssp. 1, 25 Scrapen kind von Jersleve.

Heidolves kindere von Wininge.

[ richtst. s. 83 des wunderliken hern Janes kinder van

Boek.] Schöpflin no. 768 (a. 1290) mit mines herren hant von Phirt,

graven Diebaldes. Günther 3, 531 (a. 1371) uf sente Andreas abent des heiigen

aposteln. 3, 281 (a. 1342) vor sente Margareten dage der heii- gen juncfrawen.

3, 526 (a. 1371) uf sente Marcus dag des heiligen

ewangelisten. 3, 528 (a. 1371) uf sente Vitus und Modestus dag der

heiligen merteler. Höfers deutsche urk. s. 15 (a. 1261) na sente Mathies dage des

apostelin.

s. 17 (a. 1251) unser vrowen dage der la-

szire (lateren). _ s. 29 (a. 1275) an unser vrouwen avende

der lafsir. s. 59 (a. 1300) an sente Andreses dage des

apostels.

8. 284 in sente Johanneses daghe baptisten.

Rugian. landbrauch tit. 184 von des bischofs gerichte van

Roschilde. Pupikofer no. 14 (a. 1282) das hain wir an hern Eberharten

gesetzet von Stufenegge.

138 no. 18 (a. 1285) an hern Ruadolfes stat von Sulzberch.

no. 18 (a. 1285) in maister Hainrichs hof des chus-

ters von Costenze.

ZUR SYNTAX DER EIGENNAMEN. 135

Pupikofer no. 14 (a. 1282) ze unser vrowe tult der jungern. Wigahds archiv 2, 18 to «Johannes hus Kyneken.

2, 20 (a. 1361) to Johannes hus van Lone.

Kindlinger 2, 201 [= weisth. 2, 211] dragen in mins herren sal

van Colne. weisth. [1, 411 der herschaft lute von Lare.

1, 668 Werners sun des Swäbes.]

1^ 674 alle frige nutze eines appetes sint von Ebers- heimmunster.

Mindener urk. no. 20 (a. 1308) twischen Gerwiges hus van Meit- sen unde Ernestes hus des pipers.

- no. 28 (a. 1320) Diderikes wif des wevers.

Detmar 1, 31 koninghes Lodewighes sone van Vrankriken.

[ 1, 98 do wan Otterberghe greven Bernarde af van der

Welpe.

1, 124 des heren sone van der Lippe.

1, 130 nam koningh Wilhelm hertoghen Otten dochter

van Brunswic.

1, 130 Conrad des keisers sone Vrederikes.

1, 134 des koninghes broder van Engheland.

1, 142 wart deme marcgreven antwordet van Branden-

borch. 1, 142 gheboren van hertoghen Albertes dochter van

Sassen.

1, 143 koning Lodewighes broder van Vrancriken.

. 1, 150 marcgreven Otten suster mit deme pyle.

. 1, 164 sunte Thomas avende des apostel.

. 1, 184 koning Erikes dochter van Norweghen.

1, 184 Agnes greven Gherdes wif van Holsten.

. 1, 197 hertoghen Kodolves suster van Sassen.

. 1, 210 vor unser vrowen avende der lateren.

1, 217 hertoghen Albertes sone van Brunswic.

1, 250 Otten des koninghes broder van Denemarken

Woldemeres.

1, 253 des koninghes marschalk van Denemarken.

. 1, 267 weder eren adeldom der vursten (wider der f.

adel).

_ 1^ 270 bi sunte Johannis daghe baptisten.

1, 272 reden in syne slote des van Mekelenborch. 1, 334 de des koninges dochter hadde van üngeren.

1, 344 in des hertogen lant van Pomeren.

1, 415 marcgreven Otten lüde mit dem pyle.

1, 416 heren Otten broder van Plone.

1, 416 hern Hermannes broder Ryben.

2, 93 dit is des koninghes hovet van Polen.

2, 181 des hertighen begher van Holsten.

2, 294 by sunte Johannes daghe baptisten.

136 ZUR SYNTAX DER E[GENNAMEN.

Limb. ehr. (ed. 1720) s. 47 um s. Johans mess baptistae.

99 in des herzogen land von Jülich.

MB. 27, 76 (a. 1301) in herrn Rugers hant von Kadoltstorf.

Matth. V. Kemnat s. 119 in des Samuels hus des Juden.

Amiet reg. Fraubrunn, no. 74 (a. 1304) mit minre vrouwen wil- len von Kiburch und mit mins herren willen von Torberch.

no. 293 (a. 1391) nebent Wielantz hus des

schuomachers.

Schreiber freib. urk. 1, 117 (a. 1291) nebent hern Johanses hus

Ederlins.

Arnsb. urk. no. 350 der frauwin lantsidele fon deme throne (sanc- timoniales de throno).

no. 655 of Hermannis fordern huse von Hohungen.

no. 666 in unsir vrauwin ere Marien.

no. 778 in hern Hermans hob von Olmene.

Kepkos chronik 27*^ de seine herzöge hadde des konincz dogter

van Lambarden Desiderii.

33* bi des güden bischofes ziden sente Odelriges.

_ 47d in (Jen seinen ziden wart greue Herman er-

slagen van Winzenbürg.

48" mit des bischof Wichmans helpe van Made-

bürg. 50* dat erhüf he an er günprechtz süster kin-

deren uan Alsleue. mon. Zoll. 3, 8 (a. 1333) elliu unsers vorbenanten herren chint graf Fridriches.

3, 9 (a. 1333) der ed ein unser lieben mueterlinfra wen

Margarethen.

3, 12 (a. 1333) umb Herman den jungen gekauft haben

von Tanne.

3, 20 (a. 1334) an sande Peters und Pauls tage der

heiligen zwelfpoten.

3, 40 (a. 1337) in unsers lieben swagers und pruders

burchgraven Johans hant des vorgenanten. Jonckbloet 3, 628 (a. 1363) des marcgraven menestrelen van Baden.

3, 629 (a. 1363) des meysters vedelaers van Pruyssen.

3, 629 (a. 1363) des marcgraven pypers van Baden.

3, 640 (a. 1368) des graven pipers van den Berghe.

3, 641 (a. 1368) des hertogen menestrele van Beyeren.

3, 644 (a. 1369) des joncheren pipers van Nassouwen.

3, 644 (a. 1369) des heren menestrele van Valken-

steine. Gaupp stadtr. 1, 116 nach der reht von Kolmer. Böhmer cod. dipl. Moenofr. 508 (a. 1330) an sente Thomas abinde

des apostelin.

ZUK SYNTAX DER EIGENNAMEN. 137

Böhmer cod. dipl. Moenofr. 517 (a. 1332) nach sente Mathies tage

des apostolen.

521 (a. 1333) sider sines vader seligen

tode hern Cunrades. mitth. d. thür.-sächs. ver. 3, 4, 74 hat gigangen vor Henczen ka- mern von Hopplingerade. Megenberg 218, 20 tuont wider Samuelis 1er des weissagen.

284, 17 vor unsers herren gepurt Jesu Christi.

Spiegel d. leute 3 besieh ob das deines sunes rok si Josephes.

11 legten in in seines vater grap Isaac u. seines

enes Abrahames. Roth pred. s. 48 die lut die in der stat waren ze Gabaon.

s. 51 unseres herren diemuot des heiligen xpes.

Grieshaber pred. 1, 7 durch des wissagen munt Ezechiels.

1, 20. 29 durch des wissagen munt herren Da-

vides. 1, 59. 107. 159 durch des wissagen muntlsaias.

1, 82 durch des wissagen munt Johels.

1, 86 des kunges knet Amalechs.

2, 85 in des kuniges her von Assirige.

vaterländisches s. 271 sancte Johannes bruder ewan-

gelisten. Leyser pred. 84, 9 ich sten in des keisers gerichte von Rome. Pfeiffer mystiker 1, 41, 25 des keisers swester Octaviäni von Rome.

1, 66, 33 daz der keiser vernam Dyoclecianus.

1, 152, 3 wir begen hüte des grözen heiligen tac

sante Kyliäns. ,

1, 163, 24 Eufemias sun von Rome.

1, 189, 14 durch Herödianam sines bruder wip

Phylippes.

, 2, 448, 25 meister Eckehartes tohter von Strjiz-

burc. Keisersberg brosaml. 52*^ Joseph gefiel der frauwen wol Pha-

raonis. Stadens reise s. 1 1 2 des königs schiffe von Hispanien. Dullers beitr. s. 128 (a. 1550) des rentmeisters son von Elffeldt. schimpf u. ernst 1555 cap. 222 des königs hengst von Hispania. Simpl. ed. Kell. s. 277 hoho, dis ist des cammandanten kalb zu

Hanau.]

und so in unzähllichen andern fällen, namentlich werden auch die präpositionalen willen und wegen auf solche weise zwischen- geschoben.

Detmar 1, 27 durch siner zuster willen Ghertrud markgref hinnen.

[ 1, 376 van coninges wegene van Francrike.

2, 98 van rades wegen des bischopes van Hildensem.

- 2, 181 umme dotslachtinghe willen der Vresen.

138 ZUR SYNTAX DER EIGENNAMEN.

Detmar 2, 210 umme des koninghes willen van Polen.

2, 340 van des landes weghen to Hessen.]

Kindlinger 3, 470 (a. 1367) umb bede willen des vorg. mins heren.

3, 471 (a. 1368) umme bede willen vrauwen Ri-

charden. Schreiber freib. urk. no. 52 (a. 1296) von der wegen von Freiburg, weisth. 1, 503 (a. 1338) von mins herren wegen von Hanauwe.

von eins fauts wegen zu Münzenberg.

Dahls Lorsch s. 38 (a. 1300) von des stiftes wegen zu Lorse.

63 (a. 1423) von des bischofs wegen zu Mainz.

Kindlinger 3, 377 (a. 1339) van Gerlages wegen van Beveren. Duelli misc. 2, 242 von graf Conrads wegen von Helfenstein. [Kantzow 2, 15 um furcht willen der Türken.

Pfeiffer myst. 1, 137, 19 durch sines heiligen mertelers willen

sancti Albäni.] 139 Einigemal auch ohne dasz orts- oder eigennamen im spiel

sind, z. b. Kantzow 2, 430 umb tiefe willen des sehes; Hansel- mann no. 116 (a. 1350) durch heiles willen siner sele; [Detmar 1, 54 dorch sunde willen des volkes; 1, 58 dor not willen sines landes; 1, 135 dorch hette willen der tyd; 1, 181 dor hette willen des landes; 1, 220 dor bede willen der vorsten; 1, 393 dorch gunst willen des keysers; 1, 441 van beveles weghen des paveses; 2,285 umme beterynge willen des depes; 2,295 umme armodes willen des stichtes; 2, 300 umme bede willen des rades; Ludolf V. Suchen s. 63 dorch sunde willen der lüde; Seb. Frank zeitbuch 220** von sippschaft wegen des geblüts; Hätzl s. lxix von lieb wegen irer herren.] die Ortsbestimmung liesze sich leicht in ein adj. oder appellativ verwandeln, von des Helfen- steiners wegen grafen Conrades. am kühnsten scheint die con- struction, wenn der blosze artikel elliptisch vorausgeht, in des haut von Riuwental = in die band des (herren) von Riuwental ; von der wegen von Friburg = wegen der (herren oder leute) von Friburg. Ernestes hus des pipers, Diderikes wif des we- vers gleicht, wenn man den eigennamen in die letzte stelle rückt, des pipers hus Ernestes, des wevers wif Diderikes, völlig der notkerschen weise, von welcher ich ausgieng. unsere heu- tige spräche hat diese, wie gezeigt worden ist, altdeutsche frei- heit fahren lassen und sich um einen nachdrücklichen schlusz des Satzes gebracht.*

* vgl. Kosegarten in Höfers zschr. f. d. wissensch. d. spräche ], 353—358.

MANNSNAMEN AUF -CHART, -HARI, -AR. 139

MANNSNAMEN AUF -CHARI, -HARI, -AR.

Zeitschrift für dcutsclics alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 3. 1843. s. 139 151.

Ich will zeigen dasz die altfränkisch mit chari, goth. mit i.i9 hari, ahd. mit hari heri, ags. mit here, altn. mit ar zusam- mengesetzten eigennamen dieselben sind, ein Verzeichnis musz vorangehen.

Dem griech. K, lat. C hat nach dem gesetz der lautver- schiebung deutsches CH zu entsprechen, wie dem T die aspi- ration entspricht, dem P PH entsprechen sollte, da aber die goth. mundart CH in H und PH in F milderte, während sie richtig TH behielt, so ist auch ahd. dieses H und F geblieben, nicht wie es sollte G und B eingetreten, obgleich für goth. TH richtiges D sich einfand, diese Störung näher auseinanderzu- setzen gehört nicht hierher; es sei blosz bemerkt dasz in den ersten Jahrhunderten, wie die Schreibung deutscher namen bei Römern lehrt, das organische CH gegolten haben musz und dasz es sich auch in eigennamen, vorzüglich altfränkischen, be- wahrte.

Hiernach ist das altfränk. Charibert = ahd. Heriperht, folg- lich die Umstellung Bertachari = ahd. Perhtheri, und so sind alle namen auf -chari zu fassen, deren ich folgende sammle, uo Audcharius Mabillon no. 14 (a. 690). Otachar trad. patav. no. 36 (a. 899). [Oatochar MB. 9, 10 (a. 769.)] Aunacharius Greg, turon. mir. Mart. 4, 13. concil. paris. iv (a. 573). concil. autisiod. (a. 578). concil. matisconense 2 (a. 585). Baldacharius. Palda- char trad. patav. no. 20 (a. 818 38). Baudacharius Marini no. 76 (sec. 7). acta Ben. sec. 2 s. 165. Beracharius Mabillon no. 23

(a. 696). Bernachar Schannat no. 79. Bertacharius Blat-

charius Mabillon no. 26 (a. 706). 27 (a. 709). Kopp tachygr. 1, 377. Clotachari Mabillon no. 8 (a. 671). Chlodocharius id. no. 28. 31 (a. 710. 716). Chrötcharius Mabillon no. 15 (a. 691). Hrödachar Schannat no. 8. Eburachar, Ebrachar. Erachar Schan- nat no. 222.* [Araharius Amm. Marc. Gumoharius id.] Gun- tracharius (1. Gunthacharius) Marini no. 76. Cundacchar trad. patav. no. 14 (a. 788). Gundacchar ibid. no. 34 (a. 788). Heli- sachar Kopp tachygr. 1, 432. Lacomblet no. 17. MB. 28% 10 (a. 814). 31, 42 (a. 817). Imnacharius Marini no. 76 (sec. 7). [Greg. tur. 4, 13.] Leubacharius conc. paris. 2 (a. 555). conc. aurel. 1 (a. 511). Magnecharius Mabillon no. 24 (a. 697). Ragna-

charius Sindachar trad. fuld. s. 525. Theudacharius

Marini no. 114. Theodachar. Warnacharius Marini no. 64 (a. 653).

* merkw. das ahd. adj. erachar, antelucanus. Grafif 1, 437.

140 MANNSNAMEN AUF -CHART, -HART, -AR.

convent. clipiacens. (a. 659). Wiliachariiis Greg. tur. mir. Mart. 1 23. 3, 13. Wolfachar .... meistentheils zeigen diese alten namenbildungen vor dem ch ein a, nur Audcharius, Blatcha- rius, Crötcharius nicht.

Chari gestaltet sich, zumal bei lateinschreibenden, gern in cari (wie Catti für Chatti), die form acer oder accar für achar darf also nicht befremden. Odacar Schannat no. 49. Odaccar Lacombl. no. 65 (a. 855). Ötacar trad. fuld. 603. 605. Chlo- thacarius Marini no. 59 (a. 627). Eburacar Schannat no. 78. Gnndacar trad. fuld. 603. 605. llildicar Schannat no. 196. Hruadacar trad. fuld. 603. Sindacar trad. fuld. 603. 605. Snel- lacar trad. fuld. 603. Theotacar, Thiotacar Schannat no. 380. 385.

Hari oder umgelautet heri ist die gemeinahd. form, und gewöhnlich schon das a vor dem h ausgestoszen. Alpheri im Waltharius. Ansheri. Ascheri. Baldheri Schannat no. 448. Pald- heri trad. pat. s. 35. Berhtheri, Berthen. Bernheri, Blatharius polypt. Irmin. 88\ Dietheri. Theotheri trad. fuld. 603. Egis- 141 heri Schannat no. 354. Einheri Schannat no. 200. Engilheri trad. pat. s. 69. Erpheri, Erpharius. Fastheri. Frumiheri Schan- nat no. 469. Fruotheri tr. lauresh. Gamalheri tr. lauresh. 3179. Gewinahari Ried no. 20 (a. 819). Giselheri tr. pat. 55. Goz- heri, Közheri trad. pat. 55. 65. Grimheri tr. pat. 55. Gundheri Ried no. 41 (a. 849). patav. s. 24. 69. Cundhari tr. patav. s. 12. Hracheri Schannat 200. Lantheri tr. fuld. 609. Liutheri .... Mahtheri Ried no. 43. 87 (a. 852. 901). Meginheri Ried no. 21 (a. 821) tr. patav. s. 22. fuld. 615. Muotheri Schannat 471. Mootheri no. 429. Nandheri Schannat no. 290. 302. Nandha- rius tr. fuld. 608. Ofthere Neugart no. 273 (a. 837). Önheri tr. fuld. 2, 49 (ad Önheres fontem). Ötheri tr. fuld. 613. Ortheri tr. fuld. 605. Schannat no. 393. Rätheri tr. patav. s. 7. 15. 25. Reginheri Schannat no. 347. Rihheri tr. patav. s. 5. Stilliheri Schannat 313. Sundarhari Schannat 340. Sundarheri tr. pat. 48. 59. Suäbheri Neugart no. 145. Suuefheri Schannat no. 72. Waltheri häufig. Weifharius Neugart no. 213 (a. 822). Werin- heri Ried no. 71. 88 (a. 889. 901). Willeharius Pertz 1, 6^ Wintheri tr. pat. s. 91. Wolfharius trad. fuld. 609. Wonatheri, Wonadheri, Wunatheri tr. fuld. 1, 44. 59. 127. 2, 16. Schan- nat 203. 205. Wunnaheri. Wurmhari Neugart no. 59 (a. 774). Wurmheri Goldast tom. 2. no. 94. noch einige andere hat Graff 4, 986. im latein wird nicht selten das H unterdrückt und ge- schrieben Bertarius, Guntarius, Reginarius, Waltarius, Wilarius für Bertharius, Guntharius, Reginharius, Waltharius, Wilharius.

Beispiele des ags. here in eigennaraen. Älfhere Kemble 2, 330. Äschere Beov. 2647. Ealhere Kemble 1, 197. Folc- here Kembl^e 1, 36. Gislhere cod. exon. 326, 4. Gudhere 322, 20. Ohthere. Oshere Kemble 1, 289. Rjedhere. Rondhere. Sighere. Sceafthere cod. exon. 320, 20. Scefthere Kemble 1, 39. Sig-

MANNSNAMEN AUF -CHART, -HARI, -AR. Ul

here, bei Beda 3, 30 noch Sigheri. Valdheri Beda 4, 11. Viilf- here cod. exon. 325, 29. Vulfheri Beda 3, 30. Vynhere Kemble 1, 172. Vyrmhere cod. exon. 325, 29.

Für die goth. form können wir nichts aus Ulfilas schöpfen, doch eine der Urkunden bietet Auftahari oder Ufitahari. man darf also mit ziemlicher Sicherheit ein Aunaharis, Bairhtaharis, 142 Gunthaharis, Raginaharis, Thiudaharis, Viljaharis, [Valisaharis Hclisarius. Jörn. u. d. Geten p. 57. (kl. sehr. 3, 232)] vermuten, der griechisch schreibende Procop konnte das H in der Mitte nicht bezeichnen, sein 'Pa^vocpi? (b. goth. 4, 34), Asuoepis führen auf Ragnaharis, Liudaharis; doch sein BctvoaXapio? auf Vandalareis und gehört gar nicht in unsere reihen, wol aber Winitharius bei Jemandes cap. 48, Araharius der name eines quadischen mannes, Fruinarius (= Frumiheri) der eines suevischen königs. auch die lex ßurgund. schreibt Gundaharius, Gislaharius.

Die meiste abkürzung gegenüber den viersilbigen fünfsilbi- gon goth. und fränk. namen dieser Zusammensetzung haben die altnordischen erfahren; sie sind gleich den nhd. Günther, Wal- ther oder Walter, Werner zweisilbig geworden.^ in den Nib. erwächst Volker aus Folcheri.

Im latein geht das anlautende H bei der Zusammensetzung nicht verloren (exhortor, exhaustus, perhibeo, obhaereo), der Grieche aber entsagt ihm und macht aus aXcoto?, aijxa, ip7ra>, lazr^^i aiy\idk(i)TOi;, 6iai[xo?, irspispTroi , IviaxTjixi, aus aipsuj £;a'p£<u, nur nach «tto, iri, xaxa, jast« läszt er die aspiration haften und acp, 4<p, xai>, jx£{> bewürken, aJpeto ftcpaipsto, icpaipsto, }i£i>aip£o>, zuooi xai^Etjou>. wenn in irgend einer deutschen spräche gefühl für das behalten oder weglassen des H zu suchen ist, so wäre es die altnordische, zwar finde ich nicht dasz aus athuga, üthall ein aduga, üdall werde, wenigstens drückt die schrift derglei- chen nicht aus, und in den meisten Zusammensetzungen bleibt das H, selbst in eigennamen, vanheill, einherjar, Arnhöfdi, Alf- hildr, Grimhildr, Lyngheidr, fothvatr. ausnahmen sind aber beachtenswerth. einardr pervicax entspricht dem ahd. einherti, steht also für einhardr; ebenso likami (ahd. lihhamo) für likhami. aus dem ahd. eigennamen Nidhad (Neugart no. 74 a. 779. 268 a. 835), ags. Nidhad (cod. exon. 377, 17) ist altn. Nidudr (Siera. 133) statt Nidhadr geworden, und Saxo gramm. schreibt Gri- milda, Regnilda für Grimhilda, Regnhilda. den einleuchtend- sten beleg sollen mir aber unsere hier verhandelten eigennamen 143 hergeben, die sämmtlich das H auswerfen und es bereits in früher zeit gethan haben müssen, als der umlaut von her noch unentwickelt war und har = goth. haris gesagt wurde, es sind hauptsächlich folgende. Agnar, Alfar, Domar, Einar, Framar,

' Sigotachar bei Schannat no. 79 halte ich für ein doppeltes composi- tum; mit Sigotac (sächs. Sigedag) verband sich nochmals heri, also goth. Sigudagaharis.

142 MANNSNAMEN AUF -CHART, -HARI, -AR.

Gardar, Giafar, Grimar, Gunnar, Hröar, Hreidar, Ivar, Onar, Ormar, Öttar, Eagnar, Sigar, Steinar, ülfar, Valdar, Vikar, Yngvar; lauter composita, die sich nach dem entwickelten Ver- hältnis leicht in die übrigen dialecte übersetzen lassen, z. b. Agnar in ein frank. Aganachari, goth. Aganaharis, ahd. Agan- heri; Alfar in ein goth. Albaharis, ahd. Alpheri, ags. Älfhere; Dömar in ein ahd. Tuomheri u. s. w. * zu den vorhin ange- führten latinisierten Guntarius, Frumarius stimmt also die nord. form und man könnte sich einbilden dasz sie geradezu aus ihnen entsprungen sei. nachtheilig scheint die Vermischung mit dem organisch abgeleiteten, unzusammengesetzten -ar in hamar (ahd. hamar); doch von der ableitung -ari (dömari, skapari, gramm. 2, 128) bleiben sie durch den abgang des i gesondert, während nhd. Werner, Walter sowol mit donner, hammer als mit rich- ter, Schöpfer gemischt sind, merkwürdig ist mir neben Einar (= ahd. Einheri) der pl. einherjar (ii.ovo\idiyoi).

Die gewonnene übersieht wird nicht zweifeln lassen dasz Chlothachari Chlothar Lothar und Luther der nämliche name ist. gleich nothwendig stehen nebeneinander Baldachari und Bald- here;^ Gundachari Gundacar Gunthere Gunnar; Ragnachari Reinheri Ragnar; Warnachari Werinheri Wernhere; Theodachari Dietheri; Wiliachari Wiliheri; Magnachari Meginheri Meiner; Crimheri Grimar; Wolfachari Wolf heri Vylfhere Ulfar; Wurum- hari Vyrmhere Ormar. da aber eigennamen überhaupt ihren besondern lauf halten und das masz der andern Wörter nicht an sie gelegt werden darf, so erklärt es sich warum an gleichem ort und gleicher zeit zuweilen ältere und neuere formen zu- sammen gelten. Graff 4, 219 schlieszt ganz übereilt dasz in Urkunden des 9n lln jh. Gundachar nicht für Gundahari ge- 144 nommen werden könne, seine annähme Gund-achar ist unstatt- haft, noch im 13n jh. reimen unsere dichter Gundacker : wacker; man dachte freilich nicht mehr an die Identität des namens mit dem gangbaren Günther, wie sich heutzutage einer Otto, der andere Otte nennt, darf auch in einer Urkunde des neunten jh. ein Guntachari neben Guntheri stehen.

An diese betrachtungen der form schliesze ich einige über die bedeutung. wenn das goth. harjis (so schreibt Ulf. be- kanntlich für haris), ahd. heri, ags. here in der composition enthalten sind, so kann ihnen ursprünglich nicht der sinn von exercitus, agmen beigewohnt haben; ich vermute dasz sie blosz miles ausdrückten, was eine ahd. glosse (GraflF 4, 983) [und ein- heri einkämpfer**] zu bestätigen scheint, in jedem der auf-

* Vidar = Witheri; Lofar Saem. 3a.b = Lobaheri Graff 4. 986, Giafar b. Saxo Gevarus = Gebaheri, Fialar = Filheri, Sigar = ags. Sigehere.

^ woraus zugleich folgt dasz der nord. gott Baldr dem ahd. namen Paltar entspricht; Paltheri fordert ein altn. Baldar.

^ vgl. erachari früh auf seiend, warum nicht eracheri? und wie vom adv. er? doch setzt eriro airiza den pos. adj. voraus.

MANNSNAMEN AUF -CHARI, -HART, -AR. 143

geführten namen ist der begriflf eines einzelnen kriegers oder beiden enthalten, und der erste theil des compositums liefert dazu die nähere bestiinmung. dieser erste theil ist zuweilen ein adjectiv (einheri, gamalheri, bcrahtheri, baldheri, fastheri, frumiheri, snellheri, stilliheri), weit öfter jedoch ein Substantiv das den begrifi' des kämpfers ausmahlen konnte. darunter kommen aber schwere, dunkle Wörter vor, deren einige näher besprochen werden sollen.

AUN EAN ÜN.

Aunachari, Onheri, Onar stimmen, und die ags. form war ohne Zweifel Eünhere. noch folgende weitere Zusammensetzun- gen mit demselben worte sind mir bekannt. Aunemundus lex Burgund. Mabillon no. 7. Marini no. 64 (a. 653). Fumagalli no. 5 (a. 742). ags. Eänmundus rex Kemble 1, 140. Aunolfus Pertz 6, 113. Aonolfus frater Odoacri, Eugippii vita Severini cap. 39.* ags. Eänulf Kemble 2, 373. 380. Eänvulf (a. 845) Ingram s. 91. [ags. geneal. VII.] ahd. Onolf trad. wizzenb. 19. 151. Schannat no. 320. Onold trad. lauresh., daher Ünoldesbah = Onolzbach Anspach. Aunefrit Fumagalli no. 10 (a. 769). ags. Eänfrid (a. 617) Ingram 8.32. Eänfrid Kemble 1, 106. Ünfridinga castellum Pertz 1, 56. ünhart trad. patav. s. 19 (a. 818). Öngast Ried no. 29 (a. 833). ags. Eanberht Kemble 1, 58. 103. 128. Ingram s. 85. Eanbald Ingram s. 77. 82. Ean- gisel Kemble 1, 137; ich meine Aunegisil in fränk. urk. ange- troffen zu haben. Ongis cod. lauresh. Nun auch frauennamen. 145 Aunegildis lex Burgund. 52. ahd. Onhilt Neugart no. 943 (a. 830). Onhildis polypt. Irminonis 133". Goldast unter den burgund. frauennamen hat gleichfalls Onhild. Onsuind Schannat no. 145. ags. Eantled (a. 625) Ingram 33, wäre ahd. Unflat, ahd. On- räda polypt. Irmin. 259". hierzu kommt endlich der unzusam- mengesetzte mannsname ahd. Ono trad. patav. 76 (a. 1013), ags. Eäna (a. 689) Kemble 1, 34.

Niederschlagend für unsere kenntnis von der alten spräche ist es ein wort das ehdem so lebendig gewesen sein musz gar nicht mehr zu verstehen; Graff hat es nicht einmal in seinem buch, zwar führt er ein paar jener eigennamen auf 1, 302, verkennt sie aber so sehr dasz er ihnen kurzes o beilegt, für 6 entscheidet nun und eän: die gleichung wird nur durch das altn. Ünar gestört, für welches man Aunar erwarten sollte; ich werde aber eine analogie dafür anführen.

Die formel goth. äun, ags. eän, ahd. 6n gehört in unserer spräche zu den seltnen und ist jederzeit schwierig; es werden auszer unserm wort nur noch sechs andere sein, goth. dauns odor, altn. dann; goth. läun praemium, ags. leän, ahd. Ion, altn.

* Idatins p. 18 Anaolfus ? Aunolfus.

144 MANNSNAMEN AUF -CHARI, -HART, -AR.

laun; goth. säiins redemtio, altn. wiederum sön für saun und die ausnähme Onar bestätigend; ags. beän faba, altn. baun, ahd. pöna; goth. hauns humilis, ahd. honi, ags. heane; goth. skäuns pulcher, ahd. sconi.* ganz ähnlich lauft goth. äin, ags. an, ahd. ein, und wenn gründe vorhanden sind, in beiden das n für blosz ableitend zu halten, zwingen andere ihm schon ein so hohes alter beizumessen dasz es mit in den ablaut aufgenom- men wurde; das ahd. adv. liuni fere scheint mir verwandt mit Ion praemium, säuns mit siuns visus, und für skäuns darf ein verbum skiunan, skäun angesprochen werden, das in skeinan, skiiin überspringen könnte, auch runa secretum ziehe ich zu dem altn. raun tentamen, vermittle beide wiederum durch ein verbum riunan, raun, lauter betrachtungen die es gestatten für unser aun ein verbum iunan, aun zu mutmaszen.

Was nun bedeutete äuns oder, wenn es neutrum war, aun? rathen liesze sich leicht, vis, robur, so das/- Onheri, Onfrid, 146 Onolf ausgesagt hätten was Meginheri , Meginfrid , Meginolf, Ellanheri, Ellanfrid, EUanolf? Üno, ags. Eäna wäre was Me- gino? die mhd. dichter bedienen sich einigemal des wertes 6n, Rudolfs weltchronik (nach der Königsb. hs. 29**) hat Crist herre süezer vater 6n, das scheint aber eher ein griech. (uv, als das uralte deutsche 6n. Lye führt ein ags. eanian parturire, cniti an, eanod enixus und geeane eova foetae aves gen. 33, 13; das ist das engl, yean, aber mit der bestimmteren bedeutung lammen (franz. agneler). also mit eov ovis, goth. avi, zusammenhän- gend, und eanian, nicht eanian, zu schreiben? doch liesze sich eänian verteidigen und aus eäcnian concipere, parturire erklä- ren, eäcen praegnans ist das altn. aukin, alts. ocan, und wir müssen wiederum unser äuns, 6n beiseite liegen lassen, eine einzige stelle wo ülfilas das ihm gewisz bekannte äuns, äun angewandt hätte wäre allen zweifei zu lösen hinreichend, ich finde im finnischen onni fortuna, esth. ön, gen. önne; wer mag aber so blind in fremde sprachen, die sonst kaum verwandt sind, hinein vergleichen?

HELIS.

Der seltne, jedoch unbezweifelbare name Helisachar (bei GrafF 4, 859 in einen örtlichen verwandelt) macht nicht minder zu schaflFen; gleichviel wäre Helisheri, was mir nicht vorgekom- men ist, wohl aber Helispert Neugart no. 195, wofür Elispret no. 178, wie Elisachar in polypt. Irmin. 211^. den einfachen mannsnamen Elis haben die tradit. fuld. öfter, z. b. 613. 618. 619, das fem. IHsa MB. 28% 173 (a. 940) und einen seltsamen manns-

* altn. hraun aspretum, vgl. ags. hreän, ahd. hronaga Graif 4, 1165. honon ululare Graff 5, 753. frono. goth. Täunasis, ahd. Zon? vgl. ags. teona und tun. ahd. chron garrulus. goth. gaunon lugere.

MANNSNA.MEN AUF -CHARI, -HART, -AR. 145

namen Elisom, Elisam das polypt. Irmin. 6''. Ifj". 16''. aus der Heldensage sind Jlsan und Ilsung, Else und Eisung bekannt, kaum steckt in jenem alten, wie es scheint echtdeutschen namen das biblische Elisabeth, Helisabeth ; lieber stelle ich dazu die llelisii, welche Tacitus neben die Nahanarvali setzt, und weil so früh kein umlaut des a in e statt fand, so musz Helis = Hilis angenommen werden, wozu llisa stimmt, dieser grund lehnt auch eine vergleichung des goth. adv, halisaiv (aegre, {loyic) ab, und in diesem halis scheint -is comparativisch (gramm. 3, 590). über den sinn von helis bleiben wir also noch ganz unaufge- klärt, auf irgend eine weise, glaube ich, wird mit helis auch 147 der ahd. frauenuame Helispii, gen. Helispün zusammenhängen, trad. fuld. 1, 33 s. 49.9 (doch 2, 175 s. 610 steht Elisba). ab- leitungen auf -ha sind in unserer spräche überaus unüblich.

SUMTH. SUND.

Meiner Vermutung (gramm. 2, 209. 477) dasz sund aus sumth hervorgegangen scheine thun auch einige hierher gehö- rige eigennamen Vorschub. Marini no. 76 hat Sumthaharius und Sumthulfus in einer Urkunde des siebenten jh., dem ersten entspricht die ahd. form Suntheri trad. patav. 28. man würde sie für gleichbedeutend mit Sundarheri ^ erklären, lehrte nicht jenes ältere sumth ein anderes, zwar kann ich keinen namen Suntolf, Sundwolf, und gerade wieder Suntarolf aufweisen, doch mögen beide zusammen gegolten und ganz verschiedenes be- deutet haben, wie Suntheri und Suntarheri. Sundhilt trad. fuld. 2, 32 scheint richtig und von dem sonst vorkommenden Sind- hilt verschieden.

UFT. OFT.

In einer der goth. Urkunden las man den namen Aufta- hari, Maszmann hat Ufitahari hergestellt, wenn der das i bil- dende zug noch als herabgehende Verlängerung des dachs vom t angesehen werden darf, so entspringt Uftahari, welches vor- züglicher scheint. Auftahari (falls ein vor dem u stehendes zeichen a abgibt) und Uftahari hätten grammatisch gleichen anspruch auf richtigkeit. vorerst wird Procops "O-Totoi; (bell, goth. 1, 11) ganz dasselbe sein, wie 'Pa'-jVap'.? Raginahari; wenn der lat. text Optarit gibt, so scheint das nich einer griech. ge- nitivflexion 'O-Tctpioo? eingeführt, wie man Viliarit für Viliaris und ähnliches findet; den acc. setzt Procop "<)-77.piv. Gregor, turon. [10, 3] bewahrt uns die form Optacharius^ und ahd. ur-

' Sundather trad. fuld. s. ">38 entweder in Sundarher oder in Snndacher zu bessern.

* Aptacharius.

J. GUIMM, KL. SCHIUFTEN. VII. 10

146 MANNSNAMEN AUF -CHART, -HARI, -AR.

künden gewähren Oftheri, Neugart no. 273 (a. 837), wahrschein- lich ist bei Ried no. 21 (a. 821) Ostheri zu bessern in Oftheri, die trad. patav. s. 35 geben den ort ad Oftherigon, wofür ich

148 lese Oftheringon, wie noch eine jüngere Urkunde MB. 28'', 456 (a. 1280) Oftheringe schreibt. Goldast verzeichnet unter den alamannischen namen Ofteri, 1. Oftheri. aber noch andere Zu- sammensetzungen erscheinen. Opteramus (das wäre = Oftahra- ban, Ofthraban) bei Agobardus (ed. Baluzii 2, 160. 162. a. 874); Oftmär im cod. lauresh. 769. unter den Angelsachsen begegnet ein seltner name; ein a. 692 oder 693 gestorbner bischof von Worcester hiesz Oftför Beda 4, 23. Kemble 1, 35. latinisiert Oftforus Kemble 1, 37, Oftoforis 1, 41; sollte das nach analogie von Christophorus gebildet sein? ich kenne im zweiten theil der composition sonst kein -for, das doch -för, ahd. -fuor sein müste. uns liegt hier mehr an dem ersten theil.

An PT neben FT wird man keinen anstosz nehmen, Ul- filas liebt jenes nicht, ich glaube er würde von skapan die secunda praeteriti skoft bilden, nicht sköpt, wie er gaskafts ableitet, nicht gaskapts. er schreibt hafts, haftjan, und solches FT ist auch der ahd. und ags. mundart gemäsz. doch das Merseburger gedieht hat uns neulich hapt heptidun dargeboten und die altn. spräche setzt haptr und skapt. wie in dem an- geführten Optacharius, Opteramus können also einzelne mund- arten sich dem PT zugeneigt haben, auf die griech. Schreibung "OiTTapis will ich kein gewicht legen ; "OcpUapt; würde den goth. namen zu sehr entstellt haben.

Ich erkläre nun uft, oft nicht etwa aus einer nachahmung des lat. namens Optatus, sondern halte sie für rein deutsch und suche daraus einen Schlüssel zu gewinnen für eine unserer dun- kelsten Partikeln, im goth. wird bekanntlich ufta saepe von ai'ifto forte, icrtuc, d'pa, Ta/7. unterschieden, für letzteres scheint nur ein einzig mal ufto zu stehn, Matth. 27, 64, ist aber wol bloszer fehler, sonst ertrügen die lautregeln beides, vor FT tritt zwar sonst keine brechung ein, es heiszt iftuma, hliftus, nicht aiftuma, hlaiftus, skufts nicht skaüfts; aber sie könnte gerade bei aüfto begonnen haben und noch schwanken, aüfto hat man sorgsam von ufta zu scheiden, wurzelhaft dürfen sie immer zusammen gehören.

Ufta lautet ahd. ofto, alts. ofto, oft, altn. opt, wir sehen in allen späteren dialecten den goth. reinen vocal schon gebrochen.

149 die bedeutung der partikel ist ebenso unzweifelhaft als ihre ab- stammung unbekannt. Graff 1, 184 ermittelt nicht das geringste, denn was ist mit dem stamm u und der wurzel uf geholfen? 8. 185 fällt ihm freilich der mannsname Oftheri ein, übel aber ein Ortsname Oftenmedinc, den man nach weisth. 2, 472 beseitige, sieht man sich nach demselben begriff in andern sprachen um., SO ist das griech. TroXXaxi?, das span. muchas vezes völlig klar,

MANNSNAMEN AUF -CHARI, -HARI, -AR. 147

und das böhm. casto, russ. tschasto aus Cas, tschas (tompiis) entsprungeD, wie man aiuli in vorschicdenen gegenden Deutsch- lands, z. b. in Hessen zeitlich für oft hört, doch das lat. saepe liegt im dunkel; man hat es aus asi in) gedeutet oder mit sae- pes = sepes verglichen; die verwandten partikoln crebro und frequenter zeigen welcher sinn darin liegen könne: gerade so ist das ital. spesso aus dem lat. spisse hervorgegangen, und ahd. wird diccho, mhd. dicke allenthalben für frequenter, saepe ge- setzt, mir scheint nun saepe verwandt mit sub supra supre- mus, wie das Iranz. souvent, altfranz. sovent, ital. sovente an SUF, ital. sovra sopra gemahnen und sovin aus supinus, souve- rain soverano aus supremus entspringen.

Kaum bezweifle ich auch nahen Zusammenhang zwischen ufta (saepe), aftuma, iituma (ultimus) und den präpositionen uf (sub), ufar (super), af, afar, aftra, die begriflfe ultimus und supre- mus stoszen an einander, ufjö mis ist 2 Cor. 9, 1 verdeutscht TTspiaaov jioi scti, ufjö kann die schwache neutralform des adj. sein, lieber nehme ich es für ein subst. supervacuitas, das was drüber hinaus geht, allen partikeln liegen sinnliche bedeutun- gen zum grund, die aber sehr versteckt spielen und in der einen spräche mehr, in der andern weniger wach geblieben sind.

Da die mit heri zusammengesetzten eigennamen in ihrem ersten theil ein verständliches wort zu enthalten scheinen, darf man auch für uft und oft in Uftahari, Oftheri einen frischern begrifi' mutmaszen als ihn uns die partikel ufta, ofto gewahren läszt. Uftahari, Oftheri musz einen tapferen, stolzen Streiter bezeichnen, wie in superbus super liegt, könnte ein subst. ufts superbia, fortitudo ausgesagt haben.

Dafür schlage ich noch etwas anderes an. neben ufta gilt eine abgezogenere, darum auch im vocallaut gebrochne partikel 150 aüftö, der die fast enclitische bedeutung des griech. xa/a, apot, iato?, des lat. forte zusteht. ~aya ist aber aus -ra/uc, forte wo nicht unmittelbar aus fortis, doch mit dem nahliegenden fors gebildet, ich weisz nicht, wie nah das vieldeutige apa zu dpE-n^ gehört, alle dergleichen partikeln sagen ursprünglich etwas lebendiges aus, was hernach abblaszt.

Aber es ist nicht genug diese bedeutung von aüftö wahr- zunehmen, wie die brechung aüftö den vorschritt der abstrac- tion anzeigt, so scheint der hochdeutsche dialect, dem nun gebrochnes ofto für goth. ufta (saepe) galt, jene schwächere enclitica noch weiter, und mit einem bekannten Übergang des FT in HT (kraft verderbt in kracht, niftel in nichte) aüftö in oht verwandelt zu haben, zwar gewähren uns die unvollstän- digen ahd. quellen diese partikel nicht, doch das mhd. oht, eht, endlich ot und et erscheint desto häufiger: es wäre unmöglich dasz ein solches wort dem ahd. gemangelt hätte und in seiner gestaltung musz das goth. aüftö dem mhd. oht, ot vermittelt

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148 MANNSNAMEN AUF -CHART, -HART, -AR.

gewesen sein. [altn. ött crebro = oht f. opt.] wir sehen im Hei. ein alts. odo forte (17, 8. 99, l(j), das Schmeller anschei- nend wolbefugt zu odi faciHs rechnet; es könnte wiederum dem goth. aüfto verglichen werden.

Um aber nochmals zu unsern eigennamen zurückzukehren, ich finde kein dem goth. Uftahari, ahd. Oftheri gleiches ags. Ofthere, sondern statt dessen mit dem nämlichen wandel des FT in HT Ohthere; so heiszt einer der reisebeschreiber in Alfreds periplus und ein held im Beov. 4756. 4784. 5852. 5860, die bei- den ersten stellen schreiben mangelhaft Ohtere, wie auch in der chronik bei Ingram s. 129. 131 Ohter für Ohthere gesetzt jst. diesem ags. Ohthere entspricht nach der oben gegebenen regel das altn. Ottar (Sa;m. 114 120), da dieser dialect überall laugen vocal vor TT = ags. HT fordert, hätte sich PH in opt auch für den eigennamen behauptet, so würde dieser Optar lauten.* aus dem goth. ogan, öhta (metuere) läszt sich Ohthere nicht deuten; das wäre eine für beiden unziemende bedeutung, und sie würde Ohthere zu schreiben gebieten, wofür sich nirgends 151 ein analoges ahd. Uohthere, goth. Ohtaharis anböte, während umgekehrt Ohtheri und Uftahari für die Umwandlung des ags. Ohthere aus Ofthere streiten.

Ahd. weisz ich neben Oftheri die vollere form Oftachari nicht zu belegen; von beiden scheint es rathsam Otheri und Otachari abzusondern, die ein goth. Audahari, ags. Eadhere, altn. Audar forderten, d. h. deren erster theil von aud, öt, eäd (opes, felicitas) zu leiten wäre, womit auch die ahd. namen Ot- mär (Graff 2, 865) = Audomärus und Öthram (Graff 4, 1147) gebildet sind, der berühmte name Otachar oder Otacher, wie das Hildebrandslied und N. im prolog zu Boethius schreiben, hat nur das räthselhafte, dasz das einfache a der zweiten silbe in zweisilbiges oa, ova erweitert wird; bei Cassiodor und Mar- cellinus steht Odoacer, bei Eugippius cap. 7 Odouacher, cap. 31 Odovacar (oder Odobagar), doch cap. 38. 39 Othacar. beim anonymus Valesii Odoacer, bei Jornandes de regnor. succ. Odo- acer, bei Jornandes de reb. get. cap. 46 Odovacer, [in Span- genberg tabulae neg. 167. 169 Odovacar gen. Odovacris (eh. a. 489); ags. Eädvacer c. exon. 380, 30.] dachte man sich eine Zusammensetzung mit wakar (vigil)?

* Uptar = Octar, Jornand. c. 35.

lÖNAKR UND SEINE SÖHNE. 149

lUNAKR UND SEINE SÖHNE.

Zeitsflirift für deutsches alterthuni herausg. von M. Haupt, bd. 3. 1843. s. 151 158.

Die sage von lonakr und seinen söhnen Hamdir, Sörli, 161 Erpr ist voll bedeutsamer, gros/artiger züge, die ein hohes alter und weitreichende Verbreitung kundgeben, in der Sieniundar- edda sind ihr zwei besondere lieder gewidmet, Godrünarhvata und Hamdismäl; Bragi der alte hat sie in einem gedieht be- handelt aus dem stellen in skäldskaparmäl Sn. 145 nntgetheilt werden, eine Strophe steht auch Sn. 340. die dichtersprache hat einige stehen bleibende ausdrücke aus dieser f'abel genom- men, neben der erzählung jener lieder wird eine prosaische Snorraedda s. 142 144 und eine davon merkwürdig abwei- chende Völsüngasaga cap. 39 42 gegeben.

Aus den liedern ist wol die älteste gestalt des mythus zu entnehmen. Godrün wird von den wellen, die die unglückliche nicht verschlingen wollen, zu lönakurs land getragen, der sie heiratet und mit ihr drei söhne, Sörli, Erpr, Hamdir zeugt; Sigurds tochter, die schöne Svanhildr wird neben ihnen grosz 152 gezogen, um Svanhild läszt lörmunrekr auf des Bicki treulosen rath durch seinen söhn Randver werben, das geschäft bringt Randver an den galgen und Svanhild unter der rosse hufe, die sie nicht zertreten können bis ihre strahlenden äugen verhüllt sind, nun sinnt Godrün auf räche, sie treibt ihre söhne den lörmunrek zu morden, ungern machen sich Hamdir und Sörli auf, unterwegs auf Erpr stoszend fragen sie diesen, wie er ihnen zu helfen gedenke? '■wie der fusz dem andern oder die band der andern' antwortet er. was mag fusz dem fusz, band der band helfen? meinen sie, tödten ihn und mindern ihre kraft um den dritten theil. lörmunrekr wird benachrichtigt dasz die rächer nahen, er trotzt den Giukungen. sie hauen ihm bände und füsze ab, niemand vermag ihnen zu widerstehen, kein Schwert beiszt ihre kleider. da ruft lörmunrekr brüllend seinen leuten, steine auf sie zu werfen, .jetzt wäre auch sein haupt ab, wenn Erpr unser bruder lebte, den wir unterwegs tödteten!' sagt Sörli, doch den steinen erliegen die beiden, Sörli fällt am giebel des saals, Hamdir sinkt am rücken des hauses.

Obgleich in dem prolog zu Godrünarhvata Sörli, Erpr, Hamdir ohne unterschied als brüder genannt sind, so fällt es auf, dasz in Hamdismäl Sörli und Hamdir leibliche vollbürtige brüder (sammadrar) heiszen, Erpr hingegen sundrma-dri (diversa matre genitus) genannt wird, auch schelten sie ihn hornüngr (spurius, illegitimus) und iarpskamr (? skammr), den braunen kleinen (zwerg), und dies hängt sicher mit seinem namen Erpr

150 lONAKR UND SEINE SÖHNE.

selbst zusammen, das altn. iarpr bedeutet badius, rothbraun, ags. eorp, Ctedm. 190, 4 wird das braune heer der Äs^yptor (eorp verud, Thorpe versteht es falsch) dem bleichen (vigblar 190, 24) der kinder Israel entgegen gesetzt; im cod. exon. 433, 21 ist eorp unvita fuscus idiota, gleichfalls herabwürdigend, ahd. lautet das adj. erf und der daraus gemachte eigenname Erf, Erpho, woher Erfesfurt = Erfurt (thüring. Erpesfurt). Graff 1, 406 mengt diese namen unter erpo (heres), womit sie nichts gemein haben, deutlich' halten auch Sörli und Hamdir zusam- men und verachten den Stiefbruder, der mutter liebling; er 153 scheint also nicht für lonakurs söhn gegolten zu haben? es geht nicht klar hervor.

Snorri weisz nichts von dieser Verschiedenheit; er legt allen dreien schwarzes haar, wie den übrigen Niflungen bei^; nach ihm rieth Gudrun ihren söhnen, die sie mit schwertfester rüstuug ausgestattet hatte, lörmunrek im schlaf zu überfallen und auf einmal niederzuhauen, Sörli sollte ihm die bände, Hamdir die füsze, Erpr das haupt abschlagen, die zwei ersten machen sich ohne Erpr auf die fahrt, den sie unterwegs finden und befra- gen, wie er ihnen helfen wolle? er antwortet "helfen wie die band dem fusz.' sie meinen, das sei nichts, wie könne der fusz auf die band stützen? sie erschagen den bruder, weil sie der mutter zürnen, deren liebling Erpr war (|)vi at hon unni honum mest), die sie in solche gefahr gesandt hatte, nun setzen sie den weg fort. Sörli stolpert und erhält sich indem er die band zur stütze nimmt; da besinnt er sich und sagt 'besser wäre, wenn Erpr lebte!' als sie darauf den schlafenden lörmunrek überfallen und ihm bände und füsze abhauen, erwacht er und ruft seinen leuten. da sagt Hamdir 'jetzt wäre auch sein haupt ab, wenn Erpr lebte!' ihnen konnten keine waffen etwas an- haben, doch lörmunrekr befahl sie mit steinen todt zu werfen und das geschah.

Nach der Völsüngasaga hatte die mutter den söhnen

schwertfeste kleider gegeben, aber empfohlen sie vor steinen in

acht zu nehmen. Hamdir und Sörli stoszen unterwegs auf Erp

und fragen ihn, wie er ihnen beistehn wolle? 'wie band der

band, fusz dem fusz.' das dauchte sie wenigf, sie erschlugen

•11"

ihn und giengen weiter, da strauchelte Hamdir und stützte

sich auf die band: 'Erpr hat wahr gesagt; ich wäre gefallen, hätte mich nicht die band gestützt.' bald darauf strauchelte auch Sörli und stützte sich auf beide füsze: 'ich wäre hin ge- fallen, hätten mich nicht die füsze aufrecht gehalten.' bei lör- munrekr angelangt, hieb ihm Hamdir die bände, Sörli die füsze ab. 'nun wäre auch sein haupt ab, lebte Erpr unser bruder noch.' nun entstand ein heftiger kämpf, sie erwehrten sich

^ auch Bragi nennt sie hrafnbläir, rabenschwarze.

lÖNAKR UND SEINE SÖHNE. 151

tapfer der incMicje, doch kein schwert bisz sie. da kam ein ält- licher mann mit einem au<^e und sprach 'ihr seid mir kluo;e 154 leute, dasz ihr nicht mit diesen niännern ferti«^ werdet.' 'gib uns ratli' sagte der könig, 'wenn du kannst.' der alte versetzte 'werft sie mit steinen todt!' aus allen ecken flogen jetzt steine und Hamdir und Sörli lieszen ihr leben, bei dieser darstellung ist vor allem merkwürdig dasz Odinn, der unter dem alten ein- äugigen zu verstehen ist, ^ auf lörmunreks seite steht imd rath- schläjje <;ibt wie die Niflun<Ten zu verderben seien, und nun wage ich eine mutmaszung. Saun. 272' ist eine von den erklä- rern bisher unverstandene oder unbefriedigend gedeutete stelle, hitt qvad |)ä Hrodrglöd, stod uf hledom mefingr mailti vid mög j^enna. Hrodrglöd schien eine frau und man hat daraus nicht sehr glücklich lörmunreks mutter gemacht; aber die folgenden worte drücken Verwunderung aus dasz zwei männer gegen zehnhun- dert krieger ausdauern könnten, was mir völlig zu jener ein- mischung Odins stimmt, und es fragt sich, ob nicht Hröptr gladr (Odinus laetus) gebessert werden dürfe, womit sich auch das stod uf hledom (gradibus celsis insistens) und ein näheres Ver- ständnis des schwierigen ausdrucks mefinnrr einigen liesze.

fechon solche abweichungen der einzelnen berichte ver- sichern uns des hoben alters das dieser sage in der nordischen poesie zukommt; was man auch von der abfassung der eddi- schen lieder in der form welche sie uns überliefert hat urthei- len möge, Bragi des alten lebenszeit wird in den schlusz des achten jh., etwa in die tage Karls des groszen, gelegt, und sein sktildgedicht setzt doch die einfachen lieder voraus, so be- kannt war allen dichtem die begebenheit selbst dasz für stein grand Hamdis ok Sörla (das verderben H. und S.) zu sagen ein gewöhnlicher tropus würde-.

Alle anzeichen deuten darauf hin dasz der mythus in an- dern theilen Deutschlands noch früher zu haus war und von da erst nach dem norden gebracht wurde. Jornandes kannte ihn bereits in der mitte des sechsten jh., er sagt nur beiläufig 155 dasz Ermanaricus die Svanihilda unter rossetritten habe tödten lassen und nun von ihren brüdern Sarus und Ammius über- fallen und schwer verwundet worden sei. man merke dasz er nur zwei brüder nennt, dieselben welche die that vollbringen, fünfhundert jähre später verlegen die annales quedlinburgenses (Pertz 5, 31) den Vorgang in die zeit des kaisers Anastasius (ausgang des 5n jh.); ihre kurze meidung lautet Ermanarici a fratribus Hemido et Serila et Adaccaro, quorum patrem inter-

' deutsche injthologie s. 133 (der zweiten ausg.). [nb. eo tuinulto super- veniens Othinus. Saxo gr. p. 157.]

'■' Hamdis serk (lorica bellica) fornm. sog. 1, 171 (12, 42), Hamdis kla;di 5, 30"? (12, 123), Sörla serk 11, 138 (12, 239), lauter stellen aus skalden.

152 lÖNAKR UND SEINE SÖHNE.

fecerat, amputatis manibus et pedibus turpiter, iiti digniis erat, occisio. endlich das chronicon urspergense* nimmt an dasz Ermenricus unter Valentinian und Valens (in der zweiten hälfte des 4n jh.) herschte und a duobus fratribus Saro et Ammio, quos coniicimus eos fuisse qui vulgariter Sarelo et Hamidiecus (vielleicht Hamidieus) dicuntur, vulneratum fuisse. Sarus und Ammius hat dieser chronist aus Jornandes, Sarelo und Plami- diecus aus liedern die noch im 13n jh. erschollen.

Sarus, dünkt mich, würde im goth. lied Sarvus, und Am- mius HamaJ^ius gelautet haben, beide namen scheinen bezüg- Hch, Sarvus gehört zu sarv pl. sarva (arma), Hama]iius ist zusammengesetzt aus hama (tegmen) und ])iu8 (puer, miles), Sarvus bedeutet also armatus, Hamaj)ius miles armatus, lorica- tus; wir haben gesehen dasz die mutter beide beiden in unzer- schneidbare rüstungen gewaffnet hatte, eine stelle bei Ulfilas Eph. 6, 11 gahamoi) izvis sarvam bietet uns beide Wörter unge- sucht nebeneinander, die jüngere poesie zieht für Sarus das diminutiv vor, ahd. Sarilo, Serilo, altn. Sörli, assimiliert Sölli, das ö (umlaut des a durch u) würde sich besser aus goth. Sa- rula = Sarvila (wie magula für magvila, gramm. 3, 666) ergeben, dem Hamajoius entspricht ein häufiger ahd. eigenname Hamadeo (wie Sigideo, Irmandeo, Isandeo), noch mhd. Hamdie MSH. 3, 213''; die altn. form Hamdir, Hamdir hat gelitten, sie müste Ham]3yr, Hamdyr geschrieben sein, dasz der dritte bruder ahd. Erf, alts. Erp, ags. Eorp geheiszen haben werde ist bereits nachgewiesen, altn. wäre larpr recht, das beibehaltene Erpr neben dem im Hede selbst angewandten lebendigen adj. iarpr mag wiederum die Übersiedlung der sage aus sächsischer gegend 156 bezeugen, war Erp kein schwarzhaariger Nibelung oder Gibi- chung, sondern jener beiden Stiefbruder (was ich nicht anders zu erklären weisz als durch die bedenkliche Vermutung, Gudrun [oder Herkja] habe ihn mit Atli gezeugt), so konnte er wol ihnen zum gegens-atz der braune oder der fuchs heiszen.

Bisher ist gar nicht nach lonakr gefragt worden, dem vater unsrer beiden, dessen Jornandes, der annalist und chronist in ihren kurzen erwähnungen der fabel geschweigen. ich stehe nicht an zu behaupten dasz er im goth. lied Aunaharis, ahd. Onacheri müsse geheiszen haben, was, wie oben gewiesen wurde, mit dem späteren Onheri einerlei ist. da nun sonst in der altn. spräche das volle -achari gar nicht erscheint, immer -ar = -heri, so folgere ich daraus von neuem entlehnung der namensform mit der sage. Onar d. i. Onheri ist die benennung eines zwergs Saim. 2^ Sn. 11, 16; Sn. 123 heiszt die erde döttur Önars^; an welcher stelle Resen bemerkenswerth liest döttur lönakurs, zum

* Eckehardi uraug. chron. Pertz 8, 130.

' döttur Onars vidigrcena Sn. 123. [ed. hafn. 1848. 1,320 Onars,. Anas, Anas, lonakurs.] eikigroena Onara fliodi. fornm. sog. 1, 29. 12, 27.

lÖNAKR UND SEINE SÖHNE. 153

völligen beweis der f/leichheit beider namen. du hier zwei mal an verschiedener stelle Onar für Aunar erscheint, mag ich das 6 nicht für einen saxonismus ausgeben, noch aber bliebe das anlautende I zu erläutern; warum wurde lunakr für Onakr ge- sagt? entweder hatte eine ags. form Eanhere einflusz, da auch andremal altn. io dem ags. ea nachgebildet scheint, oder man gerieth fälschlich auf die analogie des altn. lön =^ Johann, engl. John, und würklich findet sich auch statt des ags. P]änberht in dem namen eines erzbischofs geschrieben laenberhtus, Jamber- tus, loanberhtus, lohanberhtus (Kembles urk. 1, 166. 168. 170. 180. 183. 184). der name sah christlicher aus, und so mochte auch Elisberht dem Helisberht vorgezogen werden.

Viel zu sagen wäre über Bikki = ahd. Sipicho, ags. Si- feca, nach einer in, der nordischen mundart beliebten aphaeresis; ich verspare das auf einen andern ort, um mich hier noch über einen theil der sage zu verbreiten.

Diese hilfe, die ein bruder dem andern leisten soll, wie die band der band, der fusz dem fusz, die band dem fusz, ist tief aus dem menschlichen gemiit gegriffen; sie wäre als bloszes gleichnis schön und wird hier noch durch die Vorgänge aus- 167 drücklich bestätigt, die welche ausgehen, durch abhauen der bände und füsze au ihrem feind die räche zu kühlen, werden an den gebrauch der eignen bände und füsze gemahnt, bei bänden, füszen, äugen wie bei brüdern bedient sich die griechi- sche spräche ihrer glücklichen dualformen, diese glieder haben etwas brüderliches, und eine hübsche stelle aus Xenophons memorabilien gehört hierher, 2, 3, xal jxT|V äosXcpu) -js, a>? Sfxot öoxsi, 6 behg £7:oiV|(j£v i-i jxsiCovi (ocpsXsia dXkr^Xrny r^ ysips xal TtoSs xal i^cpbaX[i.(ü xal taXXa oaa aosXcpa scpuasv av^ptoTiot?. '/&ips.(; fxlv ^a'p, zi 8eoi aüxa? -a ttXsov öp^uia? oil/ovxa atxa -oir^aai, oux (2v ouvaiTO u. 8. w. die Römer brauchten von solchen zwillings- gliedern fraterculare oder sororiare. Festus 297, 30 sororiae (1. sororiare) mammae dicuntur puellarum, cum primum tumes- cunt, ut fraterculare puerorum. Plautus in Fribolaria 'frater- culabant mulieri papillae primum, sed illud volui dicere, soro- riabant.' auch das hohelied vergleicht die brüste weidenden rehzwillingen. ^ ein trockner hessischer chronist des 16n jh. (Lanze, bd. 1 s. 273 der Casseler hs.) geräth von der Uneinig- keit eines brüderpaars redend auf vergleichung der bände und füsze, so nah lag sie: aus dem allem befinden wir klerlich, dasz diejenigen, so irer brüder freundschaft begeben und bei andern frembden naw freundschaft suchen und machen wollen, nichts anders thuen wider die, so inen selbs entweder aus grobem Unverstand oder wansiimigkeit ire eigene hende und fuesze ab- hauwen und inen dornach an derselben stette andere eiserne

' geräthe das sich ähnlich ist betrachtet die naive spräche des alteilhums als verbrüdert, Air brodr Knifs. Sn. 133.

154 SCHWEDISCHE VOLKSSAGEN.

hende und faesze lossen an machen, welche ob sie wol die form und gestalt haben, haben sie doch weder krafft noch macht, bekannt sind die worte des sterbenden Micipsa zu Ju- (Turtha und seinen söhnen Adherbal und Hiempsal (Sallust. b. jugurth. 10], quis autera amicior quam f rater fratri? in unsrer sa':«-e bieten die abweichenden darstelhingen sogar den doppelten ausdruck dar dasz nicht blosz haud der band, sondern auch band dem fusz beistehen solle, und das erinnert an 1 Cor. 12, 15, wo der apostel den fusz unbrüderlich reden läszt, zclv zi~(^ 6 158 TTOus, oTi oux zi\i.l "/£ip, oüx ii;j,l £x TO'j swaaTO^. hier wird wie- derum die gemeinschaft und dienstverbundenheit der glieder vorausgesetzt. *

SCHWEDISCHE VOLKSSAGEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 4. 1844. s. 500—508.

500 Endlich wendet man sich auch in Schweden, dessen ab- gelegene unberührte strecken, gleich den norwegischen, mehr davon austragen als die übrigen länder unseres Stammes, zur Sammlung der noch unter dem volk lebenden lieder sagen und gebrauche, den reichen vorrath konnte man ahnen nach dem was gelegentlich und fast wider willen in historischen oder geo- graphischen werken angeführt war. auch dort hat sich die nei- gung der Sammler zuerst auf die lieder gerichtet, den svenska folkvisor von Geijer und Afzehus (1814 1816) folgten svenska fornsänger von Arvidsson- (1833. 1837, der dritte band soll 1843 erschienen sein), demselben Afzelius danken wir svenska folkets

501 sagohäfder (1839 1843 in fünf abtheilungen, aber noch unge- schlossen), welches werk nicht auf eigentliche Sammlung aus- geht, sondern die ganze schwedische geschichte aus ihm zu- gänglichen liedern und sagen zu erläutern sucht, wobei viel willkommnes und unbekanntes mitgetheilt, dennoch ein gewisser zuschnitt des Stoffs vorgenommen wird, der uns dessen voll- ständigere nutzung nicht entbehrlich macht, nur wenige mär- chen stehen bei Afzelius; unterdessen überrascht die ungemein frische Sammlung norwegischer von Asbiörnsen und Moe (Chri- stiania 1842), der sich eine gleich ansehnliche schwedischer bald an die seite stellen möge.

* so ist iwer fuoz u. iwer haut daz wip. warnunge 1088. die fingere helfent einen andern, fundgr. 2, 14. vgl. Saxo gramm. ed. Müll. 204. 207. bare is back without brother behind it. Nialssaga. vgl. andbahts. ein falke dem der flügel zerbrochen ist sagt: so ist mir ohne meinen flügel wie einem bruder ohne den andern. Vuk 3, 68. neue ausg. 2, 50.

SCHWEDISCHE VOLKSSAGEN. 155

Erst neulich ist mir /.ugelaugt Runa, en skrift för fäder- neslandets fornvänner, iitgifven af Kicliard Dybeck (Stockh. 1842. 1843), in vier heften, womit bedauerlich schon das buch geschlossen wird; wie es scheint haben die unnöthigen vielen bilder es zu kostspielig gemacht, und man musz wünschen dasz der strebsame herausgeber auf" andre weise fortfahre bekannt 7Ai machen was von treu und ^einfach aufgezeichneter volks- überlieferung bereits in seinen bänden sich befindet, er ist ein schlichter landmann (dagakarl), der noch selbst mit dem pflüg zu acker geht, in der Volkssprache heimisch, vom werth der sage und des lieds, wie sie auf dem lande fortwähren, lebhaft durchdrungen; ungelehrt aber wolunterrichtet: frän späda barn- domen drog han ock alltid heldre tili skogs an tili boks, och da han ännu ett barn stod och beundrade fosterbygdens 'nat- tomhöljda' borgar (er scheint aus Westmauland gebürtig), lyss- nade tili vallhjonesängerna (hirtenlieder), af hvilka han inhäm- tade rätt mänga af en oforgätlig, nu hädangängen, moder, tankte han väl ingen ting mindre, an att derom skrifva prosa eller dälig poesi. dälig läszt sich fast nicht übersetzen.

Das buch beschreibt nun schwedische landschaften nach ihren wäldern, bergen, bügeln, thälern und theilt sorgfältig mit was sich von sagen, liedern, denkmälern daran bindet; feste und trachten werden nicht vergessen, einzelne merkwürdige nachrichten aus handschriften oder seltnen werken beigefügt, alles sehr löblich und dankenswerth; seinen etwas schwär- merischen ton musz man dem begeisterten Verfasser zu gute halten.

Ich wähle aus dem im vierten stück s. 23 46 gegebenen 502 hundert schöner dalsländischer sanken einiore besonders anzie- hende.

Die zehnte, ein mann in Höklida gieng auf seine wiese und mähte, da kam eine riesin gelaufen und sagte ihm 'wirst du jemand sehn, so schweig!* damit fuhr sie ihres wegs. gleich darauf kam der riese geritten und fraofte den mann 'hast du jemand gesehn?' der mann schwieg, deutete aber mit dem Wetzstein nach der seite wohin die riesin gegangen war. der riese fuhr ab. als am folgenden tag der mann sich wieder auf seiner wiese einfand, kam die riesin und warf einen scharfen stein nach seinem haupt, wovon er starb, dies geschah bei einer tanne, die von der zeit an fahl und verdorrt stand.

Hierzu musz sage 48 [auch 51. 71] genommen werden, ein mann lag in einer waldscheune und ruhte, da kam eine riesin durch das feister der scheune gesprungen auf der flucht vor einem wolf, der ihr in vollen zügen nachsetzte, die riesin setzte sich ins fenster, ihre füsze nach auszen herab, sie hielt sich für gerettet, schlenkerte mit den füszen und sagte spöttisch zum wolf:

15r5 SCHWEDISCHE VOLKSSAGEN.

lasse tar tä,

om du kan nä! ^ der mann, der in der scheune lag, sagte:

tasse tar tä,

när han kan fä! - sogleich hüpfte der wolf in das fenster auf, zog die riesln nie- der, welche dem mann zurieil 'dir und deinem geschlecht soll es nimmer wol ergehn!' und risz sie in stücken.

In beiden sagen wird die treulosigkeit dessen gestraft der einen fliehenden gast dem nachfolgenden feinde deutlich oder undeutlich anzeigt, das erstemal thut er es blosz durch deu- ten, nicht durch worte, und hier haben wir in lebendiger volks- überlieferung die dem mittelalter schon geläufige, unter die phädrischen fabeln gestellte (appendix fab. a Marq. Gudio ex ms. Divionensi descriptarum no. 23): lupus, pastor et venator.* 503 der wolf, vom Jäger verfolgt, flieht zum hirten und bittet ihn nicht zu verrathen. dem fragenden Jäger sagt der hirte 'er floh linkwärts', mit den äugen nach der rechten seite winkend, den wink aber verkannte der Jäger und entfernte sich, lupo tune pastor 'quas habebis gratias quod te celarim?' 'maximas lin- guae tuae' lupus 'ago' dixit, 'at oculis fallacibus aeternae cae- citatem noctis imprecor.' Aesop hat die fabel nicht, aber sie steht bei Marie de France 42 und ist von mhd. dichtem zwei- mal behandelt (Reinh. fuchs s. 32!^. 348), das einemal mit der bedeutsamen annäherung an die schwedische sage, dasz der Jäger ein wilder mann (= turs oder riese) ist, und der wolf zum bauer, der sein heu schobert, flüchtet, der zweiten schwe- dischen sage ist der wolf zum Verfolger geworden, da er weit besser den flüchtling d. i. varg, vargus exul (RA. 733) bezeich- net, hier aber schweigt der mann nicht, er reizt den wolf zum aufspringen gegen die sich sicher wähnende riesin. der ersten sage mangelt der fast wesentliche zug des äugen winkens, viel- leicht dasz er vollständigeren fassungen nicht abgeht, dafür gebricht der lat. und mhd. fabel die räche und Verwünschung von Seite der riesin. zuweilen gewinnt alles iiuten ausgang. nach sage 51 war eine frau mit backen beschäftigt, als die riesin kam, vor dem wolf fliehend der sie verfolgte, die frau trieb mit einem ofenschieber den wolf in die flucht, da rief die riesin 'du sollst glück haben und krummhörniges vieh' (wel- ches man für das beste hält).

Das nachgewiesne Verhältnis bestätigt mir, was ich längst glaubte, dasz den besten und ältesten äsopischen so wie phä-

' tatze nimmt zehe, wenn du kannst kriegen.

'•* tatze nimmt zehe, da sie kann fangen. Remicii fab. 12: vulpes venatores effugiens et lignarius. Babr. 50. Wal- dis 3, 44. Poggii facetiae p. m. 274. kalt und warm blasen, waltschrat a. w. 3, 325. Bonerius no. 91. Zingerle 2, 103 waldmännlein. Ph. Dieffenb. 2, 106.

SCHWEDfSCHE VOLKSSAGEN. 157

(irischen fabeln würklichc volkssagen zum gründe liegen, die wir, sobald uns die nordische, finnische, litthauische Überliefe- rung näher bekannt sein wird, noch groszentheils in diesen, und zwar mit roheren aber frischeren motiven aufzudecken hoflfen dürfen, das wirft licht auf die beschaff'enheit und den Ursprung der fabel und stellt sie in engen Zusammenhang mit der ältesten poesie der Völker überhaupt.

Sage 57. bei Gillanda in Kölandasocken steht ein unge- heurer grabstein. ein riese, der in der gegend wohnte, war austregangeu und hatte sich so lange unter dem bloszen himmel verweilt dasz der aufgehenden sonne strahlen an ihn fielen, da verwandelte er sich in diesen stein. sage 65. auf einer höhe 504 bei Frendö in Fergelandasocken findet sich der grundwall einer begonnenen baute, ein riese hatte unternommen jede nacht steine auf die stelle heranzutragen wo jetzt B^ergelandakirche steht, in einer nacht aber, während er geschäftig war einen solchen stein zu tragen, hatte er damit gezaudert bis die sonne aufgieng. da verwandelte er sich in einen groszen stein, wel- cher noch zwischen Frendö und Fergelandakirka bei Skriketorp aufrecht steht, und der stein, den der riese im augenblicke der Verwandlung trug, liegt daneben.

Nach 3, 24 [sv. folks. 1, H8] hauste in einer waldhöle bei ßerga in Taxingesocken (auf Hernön in Södermanland) ein riese der menschen und gut raubte, eines tags hatte er einen knaben ergriffen und wollte ihn eben zur hole schleppen, als der knabe rief 'halt, lieber vater, schau auf zum himmel,* da wirst du eine schöne Jungfrau sehen.' der riese erhob seine äugen, in welche die strahlen der sonne fielen, da zersprang er und der knabe entkam, ähnliches meldet ein färöisches lied von Gange- rolf (antiqv. annaler. Kbh. 1820. 3, 295. 296) und eine norwe- gische sage bei Faye s. 15 vom jutul in Spirillen, hier aber mengen sich riesen mit zwergen, denn beide sind bergmänner und können kein Sonnenlicht ertragen (vergl. mythol. s. 435. 1195).

Mythol. s. 631 gedenke ich der schwarzen kuh, und auch sonst wird in Deutschland, Schottland und im norden von eibi- schem vieh in blauer, schwarzer und grauer färbe berichtet, zufolge der ersten dalsländischen sage wohnen in Tonshög berg- riesen, welche ihr schwarzes fettes vieh bei nacht auf den um- liegenden triften weiden, eine frau mit namen Stina wohnte vor wenigen jähren dort in der gegend; sie konnte nie feuer unterhalten eh die sonne untergieng, denn bei tag löschte ihr der riese immer das feuer aus. mitternachts sieht man auf der höhe ein licht brennen, es scheint ganz hell und bei diesem schein weidet der riese seine herde. die riesin kommt dann aus dem hügel und trägt einen silbernen stab. sie melkt ihr

* vgl. austr littu nu! Ssem. Hö*».

]58 SCHWEDISCHE VOLKSSAGEN.

vieh das aber blutrothe milch gibt, und wo etwas davon aufs feld gesprengt wird, erscheint dieses ganz, versengt. 505 Sage 28. schiffer giengen auf einer abgelegenen insel im

Wenersee ans land. sie trafen da einen riesen, welcher sagte dasz er hier wohne seitdem er vor Öhrbjelle (der glocke) aus Borrekoll entwichen sei. dort habe er, fügte er hinzu, einen o-roszen schwarzen stier zurückgelassen, und ermahnte sie ihn aufzusuchen, das thier solle ihnen gehören, als die männer bald darauf nach Borrekoll gelangten, suchten sie den stier mehrere nachte hintereinander, sie hörten wol in den nahgelegenen Wäl- dern vieh brüllen, konnten es aber nicht finden, der diesen stier erlangen kann wird niemals irgend noth leiden.

Sage 47. auf Berg in Ödsköldsocken liegt ein berg mit einer groszen riesenkammer, in welcher vordem riese und riesin wohnten, sie hatten eine schwarze kuh, die sie auf den um- liegenden wiesen weideten, noch sieht man im berg wo die kuh an eine eisenkette gebunden stand.

In Westmanland (3, 14) geht die sage, dasz bei Angsjön von zeit zu zeit das von den leuten auf der weide gelaszne vieh in den berg geführt (bergtagen) wurde, vorzüglich schwarz- farbiges, dem die berggeister begierig nachstellen, sie wissen es so an sich zu ziehen dasz es nicht mehr auf das locken der menschen hört, selbst wenn man ihm die schönsten namen gibt, ein mittel dagegen ist, drei blühende blumen zu nehmen und sie dem vieh zu fressen zu geben, indem man spricht en blomma en, det gör en, en blomma blä, det gör tvä, en blomma te (= tili, zu) det gör tre. übrigens ergibt sich, wenn jemand auf solche art ein stück vieh verliert, meistentheils dafür ersatz, ja zuweilen fand sich anstatt des vermisten im stall ein schöneres und fetteres, allzeit aber schwarzes, ganze herden solches schwarzen, fetten, glänzenden viehs erblickt man nachts in den wäldern. *

In einem hof von Westanforssocken (in Westmanland) hatte jemand eine schwarze kuh, die ein weib zur weide führte, diesem trug die bergfrau einen tausch der kuh gegen zwei schwarze geisze an. man hörte im berge rufen din svarta ko, mina tvä svarta getter! eines abends sagte es die hirtin zu, ohne es ernstlich zu meinen, und morgens standen im stalle zwei geisze an der schwarzen kuh stelle.**

* arjnenta eorum (alforum), si non quidem numero sunt permulta, magno- pere tarnen quaestuosa, quae pariter ac domini invisibilia sunt, nisi quando apparebant, quod sereno aere et splendente sole plerumque fieri solet, nam cum intra suas habitationes solem non videant, in apricum saepe exspatian- tur, ut solis fulgore exhilarentur. Job. Einn. bist. eccl. 2, 369. fettes vieh der huldre Asb. 1, 67. 201.

** sage von Biörn und dem bergbüi, dessen hafr zu jenes geiszen kam. Landn. 4, 12.

SCHWEDISCHE VOLKSSAGEN. 159

Sage 6^. ein widder stand frühmorgens vor der stalltliür 506 zu Klappe in Odeborgsockon. das mädchen kam und meldete ('S der hausmutter, die fragte, welche färbe der widder habe, das mädchen antwortete 'schwarze" und die frau sprach 'sage nie ein wort davon." bald darauf lammten alle schafe, und seit der zeit fand man in diesem hof immer die besten lämmer.

Mythol. 8. 507 mutmaszte ich recht; auch in Södermanland wird folgendes erzählt [runa 2, 3], ein riese lag an seinem ende, die riesin gieng aufs feld, wo sie einen mann den acker pflügen fand, sie nahm mann, pflüg und vorgespannte ochsen in ihre schürze, trug sie zum berg dem sterbenden riesen hin und sagte, 'sieh vater, was ich da für kleines zeug (tingestar) auf dem felde fand.' der riese schaute auf und erwiderte 'lasz du die in ruhe, das sind die nach uns kommen und nach uns den acker bauen werden." der sterbende riese weissagt seines geschlechts hinsterben.

Es darf nicht verwundern dasz auch unter dem schwedi- schen landmann ein uralter rechtsbrauch (RA. s. 668 flf. weisth. 3, 222) unverschollen ist. bauern von Dräggesta in Westman- land hatten einen hirtenhund getödtet der nach Ekeby gehörte, die Sache wurde vors gericht auf Lundboaberg gebracht und der Spruch gefällt, die angeklagten sollen schuldig sein den kla- rem so viel körn zu geben dasz der todte hund in einer leeren Scheune (i en tom hinge) aufgestellt davon bedeckt werde, die verurtheilten erboten sich jedoch den Ekebyern, die damit zu- frieden waren, einige flecken landes abzutreten und diese heiszen seit der zeit Hundana.

Bei Frostaby in Köpingsocken (Westmanland) findet auf einer anhöhe sich ein kreis von steinen, in der mitte steht ein spitzer fünf eilen hoher, in alten tagen, und auch wol jetzt noch, sah man, wie die sage geht, einen eher um diesen mittel- stein im kreise wandern und hörte ihn grunzen (framgrymta) sve sve ryggabörst, vill du fa i läa först (2, 7). zu Röleby (Gunnilbosocken) hingegen, wird erzählt, sollen in einem wald zwei zäune mit einem gegen die enden ofihen weg 507 gewesen und in diesem weg ein eher gesehn worden sein, in dessen rücken ein blankes goldmesser steckte, das thier wan- derte ohne unterlasz auf und ab in dem weg und grunzte skär och ät, skär och ät! d. i. schneid und isz; unverständlicher sind mir die worte des ersten ebers, doch läszt sich rückenborste nicht verkennen, dieser umgehende eher gemahnt an die vielfachen spuren des heidni- schen Frödienstes (mythol. s. 44. 194—196. 632. 1201) und ich fürchte nicht mehr dasz man die von Notker angeführten reime, worin der borsten und hauer des GuUinbursti gedacht wird.

IQQ SCHWEDISCHE VOLKSSAGEN.

auf den erymanthischen eher deuten wolle. * wie die geloben- den auf den sonargöltr die bände legten, vielleicbt scbwerte und messer in ibn steckten, wie noch beute bei gastnialen die feierliche gesundbeit ausgebracht wird wann das messer im bra- ten steckt, so läszt auch Hans Sachs im Schlaurafi'enland die gebratenen säue umgehen:

jede ein messer hat im rück, damit ein jeder schneid ein stück und steck das messer wider drein;'''* in diesem scherz sogar hat sich der heidnische brauch erhalten.

Ich schliesze mit einer 1, 21 zwar aus des verrufenen Rud- becks Atlantica 4, 70 entnommenen, aber auf volkssage (wie auch angegeben wird) gegründeten erzählung. könig Toril rich- tete seinem vetter oder söhn Erik die hochzeit aus, zu welcher sich auch viel armes volk eingefunden hatte, als das gastmal zu ende war stiesz ein anderer könig auf eine alte bei der hochzeit gewesene hexe und fragte sie wie alles abgelaufen sei. das weib antwortete, niemals habe sie dergleichen gehört und glaube nicht dasz je solches wieder geschehen werde; da seien mehr menschen gewesen, als sie zählen könne, thiere, vögel, fische ohne zahl, er fragte, wo sie denn so viel fische fiengen. sie antwortete, Toril brannte mit blitz ein groszes meer auf, da fiengen sie so viel gebratene fische dasz alle pferde in seinem (des fragenden königs) reiche die fische nicht auf sich laden 508 könnten, er fragte, wo sie so viel vögel fiengen, sie antwor- . tete 'derselbe blitz brannte alle w^älder im lande auf, davon bekam man so viel gebratene vögel.' er fragte, wie man so viel thiere fieng. sie antwortete 'der blitz verzehrte so viel städte, da fiengen sie beide leute und thiere gebraten.'

Unverkennbar ist dieser Toril kein anderer als Thor selbst, und die volkssage hat uns einen echten mythus aufbewahrt.

508

JAHRSGANG.

Zeitschrift für deutsches altei'thum herausg. von M. Haupt, bd. 4. 1844. s. 508 511.

Peter Rudbeck, den man nicht mit Olaus verwechseln darf, theilt im 56n capitel seiner ungedruckten smäländska antiqvi- teter folgende merkwürdige in Dybecks Runa 4, 82. 83 ausge- hobene nachricht mit.***

* aber Haupt 6, 281! ** vgl. schindmesser im ars. wörterb. 1, 565. *** vgl. Wieseigren, uy Smälands beskr. s. 409. 411. 412. 456. Rääf, Ydre härad s. 105.

JAHRSGANG. IGl

Julirsgang nach alter sitto zu gehen, es war in Smälaiid iilthergeljrachter brauch die beschaöeuheit des künftigen Jahres zu erforschen und vorauszusehen alles was sich im jähre er- eignen wird, wie die ernte ausfallen, wer im hof sterben soll oder nicht, ob ein groszes sterben eintreten, ob ein auszer landes gefahrener heimkehren, krieg ausbrechen, feuers- oder Wassers- not h über haus oder über Stadt konunen, böse Zauberei statt finden, gute fischerei und jagd zu hoffen sein wird, und anderes mehr; und diese sitte jahrsgang zu gehen hat sich vom heiden- thum her Iiis auf jetzt (den schlusz des 17n jh.) in Smäland erhalten, gilt aber für eine besondere kunst luid heimlichkeit, und es wird folgendermaszen dabei verfahren.

Fünf nachte im jähre sind vor andern dazu auserseheu, 1 Thomasnacht, 2 julnacht, 3 Stephansnacht, 4 neujahrsnacht, 5 dreizehntentagesnacht. die den jahrsgaug gehen wollen fasten nachmittags und oli'enbaren es keinem menschen, sagen es nie- mand dasz sie ausgehen, und kein feuer dürfen sie den tag schauen, geschähe es aber dasz sie irgend ein feuer an dem tage im hause gesehen hätten, so schlagen sie feuer mit stahl und stein und glauben von diesem feuer werde das hindernis gedämpft das aus dem andern feuer entspringen könnte, nicht mehr dürfen folgen, als zwei und kein wort sollen sie reden, 509 sobald sie aus der stube treten, noch zurück schauen, nicht lachen, es komme ihnen auch noch so lustiges und seltsames vor, noch weniger erschrecken, sondern ernst, still und schwei- gend gehen.* erst gehen sie nach dem kirchhof, wenn sie sich dahin und wieder heim in der nacht zurecht finden können, und da schauen sie viel seltsame Sachen ; zumal wenn ein groszes sterben im bevorstehenden jähr eintreten soll, so werden hier die i^anze nacht von vielen sichtbaren leuten gräber ijeorraben; soll gute ernte erfolgen, so schauen sie auf den ackern kleine männer grosze garben tragen und es dünkt sie als ob sicheln und Sensen in den steinen rauschen, und kleine mause schwere lasten frucht tragen, grosze biertonnen gefahren werden, kom- men sie an ein haus, so klopfen sie sachte an die wand und sagen 'wird hierin jemand sterben?' dann antwortet der wel- cher sterben wird 'ja," oder, wenn keiner von denen stirbt die im hause sind, 'nein , und diese antwort geschieht hastig, sie schlafen nun oder wachen, bricht krieg aus, so hört man greu- lich im walde hauen als solle stürm gestiegen werden, gerüstete männer reiten auf und ab auf den wegen und pfeifen erschallen, soll miswachs eintreten, so zeigt sich nur wenig volk auf den ackern, kleine garben werden zusammengetragen, das volk sitzt auf den feldsteinen traurig und weinend, feuer und Wasserflu- ten erscheinen an den höfen, die sich das jähr über ereignen

* Haupt 3, 190.

J. ClIUMM, Kr,. SCHIUKTES. VII. 11

162 JAHRSGANG.

werden, und zauber, spuk und unzählige Vorbilder lassen sieb blicken, aber so viel seltsames oder lächerliches vor ihre äugen komme, den jahrsgang gehenden ist es streng verboten darüber zu lachen: verziehen sie nur den mund zum lächeln oder bre- chen sie in laute lache aus, so bleibt ihr mund schief stehen.

Sind sie nun sieben jähre lang so gegangen und haben sich gebührend betragen, so erscheint im siebenten jähre an dem letzten tage des jahrsgangs ein reitender mann, aus dessen hals das baare f'euer schlägt, dieser mann hat einen runstab im munde; ist nun der, vi^elcher jahrsgang geht, dreist und schnell, dasz er hinzu springen und dem andern den stab aus dem munde nehmen kann, so w^ird er durch das bei sich tragen 510 dieses stabs klug und weise, so dasz er alles weisz wonach man ihn fragt, ja er soll neun eilen nieder in den erdboden sehen können und anderes mehr.

Haben sie aber noch zwei jähre länger und ohne fehl den gang gethan und kommen spät abends auf den kirchhof, so fin- den sie da viele kleine knaben, welche varfvar heiszen, alle mit hüten auf dem haupte, spielen und unendlichen scherz treiben, in der absieht den ganger dadurch zum lachen zu bringen, lacht er nun, so ist all sein neunjähriger gang umsonst und er musz von neuem neun jähre gehen, falls er den hut haben will, richten aber die knaben nichts durch ihr spielen und scherzen aus, so suchen sie ihn durch schreckliche, seltsame erscheinun- gen fortzujagen; misglückt ihnen alles, so müssen sie ihm stand halten und können nicht von ihm weichen, ohne dasz einer den hut im stich lasse, so sehr sie mit ihm ringen und rufen 'du erhältst den hut nicht, auszer du kannst ihn einem von uns mit gewalt oder gesch windigkeit abnehmen!" doch zuletzt läszt ihn einer gutwillig los. dieser mann, solchergestalt ausgerüstet mit dem Stab und hut (hvarfshatten), gilt für einen Weissager und weisz alle verborgenen dinge, ohne dasz er nöthig hat weiter jahrsgang zu gehen, wenn er weissagen will nimmt er den hut aufs haupt und den stab in die band.

Soweit der bericht, dessen Veröffentlichung wahrscheinlich auskunft darüber verschaffen wird, ob noch heutzutage in Smä- land oder andern schwedischen gegenden spuren jener gewohn- heit zurückgeblieben sind, von den deutschen Weissagern habe ich myth. 1060 70 zusammengestellt was sich auffinden liesz. in Niedersachsen dauert der glaube an voraussichtige menschen, sogenannte vorkiekers zulängst, es seheint aber eine gäbe, die ihnen selbst lästig und nicht erst mühsam erworben wird, auf Scheidewegen, auf dächern und an Wasserfällen lauscht der mensch den künftigen dingen, es pflegt gewöhnlich in der neu- jahrsnaeht, wo sich altes und neues jähr scheiden, zu geschehen*,

* vgl. Burcard, -wormat. (myth. anh. XXXVI) supra taurinam cutem in bivio. wrapped in buUshides. Macaulay 3, 305. Finn. Johann, bist. eccl.

JAllRSGANG. 163

aber die dreizehn tage, in welchen den alten göttern und gei- stern noch eine gewisse macht gelassen ist, schicken sich über- haupt zur Weissagung, den ausdruck varfvar verstehe ich nicht, wenn er nicht mit dem nachher gebrauchten hvarfshatt ver- wandt sein soll; das altn. hvarf bezeichnet plötzliches verschwin- 511 den, hverfa aus den äugen entrückt werden, hvarfshatt ist also der unsichtbar machende tarnhut oder die nebelkappe (mythol. s. 431), die vorzüglich zwergen beigelegt wird, und die als knaben geschilderten varfvar oder hvarfvar scheinen elbische wesen, die ihren hut ungern an den mann ablassen, das ist das charakterische der ganzen meidung dasz die kraft des weis- sagens einmal von dem runstab des reiters, welcher Oden sein könnte, dann von dem hut der elben abhängig gemacht wird, gleich seinen geistern trägt aber Oden selbst den beziehungs- Tollen hut oder mantel, dessen der jünger der Weisheit so wenig entrathen kann als ein (in drei statt neun jähren vorbereiteter) doctor der philosophie hutes, mantels und Stabs.

DIE MÜLRADSPRACHE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 4. 1844. s. 511. 512.

Ich weisz nicht ob auch bei andern Völkern das klappern 5ii des mülrads in worte gesetzt wird, dem unsrigen musz es von alter zeit her bis auf heute geläufig gewesen sein.* schon in

Islandiae 2, 3G9. 370 (Havn. 1774) von dem alfafolk redend: domicila et habitationes non secus quam homines subinde mutant idque ipsa novi anni noote prima, unde arioli et ardeliones quidam hac nocte in compitis ex- eubare solebant, ut variis et ad id destinatis adhibitis exsecrationum famulis a transeuntibus futurorum revelationem exprimerent (qualis fuit famosissi- mus illo Jonas Kruck, qui seculo 15 vixisse perhibetur, cujus prophetia dicta Krucksspä de mutatione religionis aliisque futuris a talibus semidiis illi revehvtis circumfertur, quae nugae ab inepto quodam Brynjulfi Svenonii circa a. 1660 revera scriptae sunt), reliqui autem talium non periti, prae- sertim familiarum capita hoc vespere liberis et subditis severe injunge- bant, ut eadem nocte verbis et factis graviter et modeste se gererent, ne invisibiles hospites, et futuri forte proximi et accolae laederentur aut quodam- modo offendi possent, hinc cubitum euntes quidam nee exteriores domuum nee coenaculi fores claudebant, sed accenso lumine instructaque mensa adven- titios aut adfuturos appositis, si placeret, frui jubebant, intraque sui territorii fines, si ibidem habitare allubesceret, salvos ac sospites sibique faventes vivere optabant. ut perantiqua est haec superstitiosa persuasio, ita diu et ad patrum fere memoriam apud quosdam viguit. so werden den weissagenden narren tische gedeckt (myth. 380. 383. 384).

* Eckehardi minimi vita Notkeri balbuH cap. 17 fertur de beato viro, cum quadam die per dormitorium transiret auscultans, erat enini molendinum juxta vicinum, cujus rota tarde volvebatur propter penuriam aquae garriens quos-

11*

164 I>IE MÜLRADSPRACHE.

der heldensage, als Heime vor Dietleib auf der flucht ist und an einen flusz gelangt, svä er sagt, at mylna var i änni oc geck mylnan, enn Heimi heyrdist svä til sem mylnu hiolin heti svä 'slag slag" oc 'drep drep!' svä J)6tti Heimi, sem eptir honura foeri hinn gamli Bitrülf'r oc maelti vid sun sinn Thetleif 'liögg högg' oc 'drep drep!" in der zum gründe liegenden niedersäch- sischen sage wird es aber wol geheiszen haben drip en slach! denn wir werden aus den andern beispielen sehen dasz die formel lieber vom laut auf den ablaut springt (gramm. J, 562). das märchen vom machandelbom läszt den vogel fliegen, un he flog wit wech na ene mal, un de mal güng 'klippe klappe, klippe klappe,' un in de mal dor seten twintig mälenbursen, de hauden enen sten un hackden 'hick hack, hick hack, hick hack,' un de mal güng 'klippe klappe, klippe klappe, klippe klappe.' dem auf die Wanderschaft gehenden handwerksgesellen haben erst die raben zugeschrien 'er zieht weg, er zieht weg!' dann 512 drei alte weiber umzukehren gerathen, er schreitet tapfer zu, an des dorfes ende sagt ihm die müle 'kehre wider, kehre wider!' (mhd. kerä helt nu kere!) und er antwortet 'müle geh du deinen klang, ich will gehen meinen gang." raben frauen und müle waren ihm ein rechter angang (mythol. s. 1077). hübsch er- zählt ist im Renner 7876 91

ein mül mit einem redelin

bi einem kleinen dorfelin

hete hie vor ein armer man.

so wazzers dem redlin zeran

und ez niht hete vollen swanc,

mit jämer ez umbe gie unt sanc

'hilf herre got! hilf herre got!

dir ist alleine bekant min not.'

was da bi ein dorf vil gröz

bi dem ein kreftic wazzer floz;

daz treip zwei reder krefteclich,

die slaberten mit einander glich:

'hilf oder läz, hilf oder läz!

diu erd si trocken oder naz,

so hab wir doch guot tac unt naht;

uns wirt so manec sac her bräht.' aus der Wetterau meldet Phil. DieflPenbach [s. 282] folgende sage, bei Rodenbach liegt eine müle mit einem gang, die ge- wöhnlich kleines wasser hat und deren rad gar langsam um- geht, an dieser müle gieng ein bursche vorüber zur kirchweih

dam dabat quodammodo vocum sonos, quod audiens homo deo dignus, statim fuit in spiritu et illud elegans dictamen edidit de possessore suo, nectareum modulamen eructavit, scilicet eodem almo spiritu ac toti mundo ad salutem propinavit, sequentiam dico quae est de sancto spiritu: sancti Spiritus assit nobis gratia!

WODAN UND FREA BEI DEN WINILEN. 165

und das langsam drehende rad schien ihm zu sagen 'juckt dich dein bnckel? juckt dich dein buckel?" das war schlimme vor- hedeutung. auf der kirb tanzte er lustig; es dauerte nicht lange, so bekam er streit und faszte eine gute tracht schlage, als er nun abends heimkehrte und wieder an der müle vorbei- kam, war das wasser von gewitterregen stark angeschwollen, das rad drehte sich rasch und sagte 'hat dich dein buckel ge- juckt? hat dich dein buckel gejuckt?" hier ist auch aus dem präsens in präteritum, wenn man will, in reduplication überge- gangen; wie jenes i in a fällt, ohne zweifei werden ähnliche geschichten noch anderwärts in Deutschland gehört.*

WODAN UND FREA BEI DEN WINILßN.

Zeitschrift für deutsches alterthuin herausg. von M. Haupt, bd. 5. 1845. s. 1. 2,

Die bekannte stelle des Paulus Diaconus 1, 8 ist wichtig i genug, sie erlangt aber noch weit hohem werth für uns da- durch dasz sie denblosz zum spott mitgetheilten mythus aus iilterer Überlieferung schöpft, die unter den Langobarden gang- bar gewesen sein musz. der prologus edicti Rotharis erscheint nämlich in einigen handschriften ungleich vollständiger als er bisher bekannt gemacht worden ist. mein freund Bethmann, der künftige herausgeber des Paulus Diaconus, dessen gelehrter Untersuchung ich hier nur in bezug auf diesen mythologischen gegenständ vorgreifen will, hat mir den nachfolgenden eingang aus der Madriter handschrift mitgetheilt. **

In nomine domini. incipit origo gentis langobardorum. id est sub consule qui dicitur (Sca)danan quod interpretamur in partibus aquilonis ubi multae gentes extant. inter quos (so) erat gens parva quae guinnilis vocabatur. et erat cum eis mu- lier nomine gambata habebatque duos filios. nomen uni ybor. nomen alterius alo. ipsi cum matre sua nomine gambata prin- cipatum teneba(n)t super guinniles. moverunt se ergo duces guandalorum. id est ambri et assi cum exercitibus suis et dice- bant ad guinniles. aut solvite tributa aut pr^parate vos ad pugnani et pugnate nobiscum. Tunc responderunt ybor et alo cum matre sua. melius est nobis pugnam parare quam guanda- lis tributa persolvere. tunc ambri et assi hoc est duces guan-

* rede klingt wie mülradlauf. Deutschfranz. 299. meklenb. die müle rief: help herr gott! help herr gottl Lisch jb. 5, 75. KM. do. 171.

** Bethm. in Pertz aroh. 10, 358. " vgl. Abels übers, des Paulus (1849) s. 3. 235.

166 WODAN UND FREA BEI DEN WINILEN.

dalorum rogaverunt godän ut daret eis super guinniles victo- riam. respondet godan dicens quos sol (so) surgente antea videro ipsis dabo victoriam. eo tempore gambata cum duobus filiis suis id est ybor et alo qui principes erant super guinniles ro- 2gaverunt fream uxorem godän ut ad guinniles esset propicia. Tunc frea dedit consilium ut sol surgente venirent guinniles et mulieres eorum crines solut? circa faciem in similitudinem bar- bae et cum viris suis venirent. Tunc luciscente sol dum Bür- geret giravit* frea uxor godan lectum ubi recumbebat vir eins et fecit faciem eins contra orientem et excitavit eum. Et ille aspiciens vidit guinniles et mulieres ipsorum habentes crines solutas circa faciem et ait. qui sunt isti longibarbae. et dixit frea ad godan sicut dedisti nomen da illis et victoriam. et dedit eis victoriam ut ubi visum esset vindicarent se et victoriam haberent. ab illo tempore guinniles longobardi vocati sunt, et moverunt se exhinde longobardi et venerunt in golaidam etc.

Ofienbar sind diese worte nicht erst aus dem buche des Paulus in die handschrift des prologs eingegangen, wie die wichtige abweichung von dessen erzählung anzeigt, sondern von älterer zeit an im prolog gewesen, dessen ganze übrige fassung ein viel höheres alterthum in anspruch nimmt, auch hat Paulus die sage nicht verändert, sondern anders woher als aus dem prolog genommen, der zug dasz Frea frühmorgens Wodans bett verrückt und sein antlitz nach der aufgehenden sonne dreht, ist schön und märchenhaft (vergl. no. 44 vom gevatter Tod, der die kranken im bette umdreht), das ganze zeugnis, wenn man auch dem prolog oder dieser stelle darin nicht das alter des edicts beilegen will (und warum sollte man zweifei und beden- ken tragen?) wird nunmehr um Jahrhunderte älter und für die mythologie bedeutender.

DIE HELDENSAGE V^ON ALPHERE UND WALTHERE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 5. 1845. s. 2 5.

2 Seitdem Karajans glücklicher fund bruchstücke des vermu- teten epos von Walther und Hildgund gewährt hat, ergeben sich leicht einige aufschlüsse mehr über die Innern Verhältnisse dieser schonen dichtung. sie musz auf breiterer grundlage ruhen als das latemische lied erkennen läszt. nach ihm stammt Wal- there aus Aquitamen und sein vater hiesz Alphere. Aquitania

3 entspricht dem ahd. namen Wasconolant (= Vasconia, Gascogne),

* girare tourner. Ducange 3, 523.

HELDENSAGE VON ALl'lLEKE UND WALTHERE. 167

und bei der grossen aber schwankenden ausdehnung, die diesem zwischen Spanien und Frankreich gelegenen theil des alten Gal- liens zusteht, hält es schwer auf die Stadt oder bürg zu rathen welche sich als Alpheres Stammsitz ansehen liesze. der Sanct- galler dichter verschweigt ihren namen, obgloich er vorher Cha- lons (an der Saone) als den ort des burguudischen reichs be- zeichnet hatte wo Hildgundes vater Herrich, der verbündete nachbar Alpheres, hauste. Walthere musz als ein ursprünglich westgothischer held betrachtet werden, der sich von burgundi- schen und fränkischen unterscheidet, darum heiszt er auch noch in den jüngeren deutschen liedern von Späne oder der vogt von Späne; weil aber Aquitanien bald dem fränkischen reiche zufiel, so begreift sich wie er von unsern dichtem abwechselnd Wal- ther von Kerlingen genannt werden kann, in den bruchstttcken wird auch seine heimat nicht so weit hinaus gegen westen ge- dacht; Volchere geleitet ihn von dem Khein her durch den Wasechen wald und Ortwins von Metz land durch Burgund, das aber hier gar nicht für Hildgundes Vaterland gilt (die viel- mehr aus Arragonien stammt), sondern Günthers reich, das der nibelungischen Burgunder, meint, aus diesem Burgund wird nun unmittelbar, wie es scheint, in kurzer frist, das land der eitern Walthers erreicht, deren hauptstadt den namen Lengres führt. * dies kann aber nichts andres sein als Langres, die alte civitas Lingonum, die zwar nie zu Aquitanien gerechnet wurde, sondern wenigstens späterhin einen theil von Burgund bildete,** früher abgesondert erscheint. Walthers vater heiszt in den bruch- stücken nicht Alphere, sondern Alpker, ganz wie das ältere Folchere in Folker und Gunthere Sigehere Giselhere in Gün- ther Sigher Gisilhor verderbt wurden, allerdings gibt es einen ahd. namen Alpker (goth. Albgäis, ags. Alfgär) der von Alphari, Alpheri (goth. Albharis, ags. Älfhere) völlig verschieden ist und jene entstellung erleichtert haben mag; dasz nur Alpheri*** die rechte form war, folgt aus dem in Waltheri, dem namen des sohns, und Rätheri, dem des enkels, wie so oft geschieht, sich wiederholenden zweiten theil.

Wichtiger sein wird es wahrzunehmen dasz der in Diet- richs flucht und der Räbenschlacht auftretende Walther von Lenges oder der Lengesaere kein andrer sein kann als unser 4 hier nach dem Stammsitz genannte held:

Dietr. 5884. iu komt von Lenges Walther und Hagene der starke. 9218. von Lenges her Walther

bestuont den starken Huzolt.

* Mone anz. 8, 604. *♦ Aubery p. 179. *** A.ventin p. m. 50'' macht daraus Albar, Alber.

168 HELDENSAGE VON ALPHERE UND WALTHERE.

Räb. 47. Walther der Lenges:«re

sprach alze hant

'zwäre her Bernsere,

und waern mir nähe miniu lant,

ich br^eht in helde guote

die iu hülfen mit unverzagtem muote.' 712. Walther der Lengesasre

der bestuont mit ellens hant

Heimen den starken, man dürfte die lesarten Lenges, Lengesa^re eben so leicht än- dern in Lengers, Lengers?ere, als in den bruchstücken Lenges vorschlagen an die stelle von Lengres oder Lengers ; doch wer- den beide formen gestattet sein, weil die letzte durch den heuti- gen namen, die erstere durch das alte Langohas bei Pertz 6, 370 unterstützt wird, wie aber, dasz in Dietrichs flucht auszer- dem 8612 Walther von Kerlingen, und zwar als Ermrichs mann, folglich Dietrichs feind, erscheint, da jener Lengesrcre als ein heunischer held von Helche zu Dietrichs beistand entsendet wird? der Verfasser des gedichts mochte sie sich beide als ver- schiedene vorstellen, der Lenges^re war ihm aus der frühern zeit von Walthers thaten, als er noch bei Etzel verweilte, der Kerlingfere aus der spätem zeit nach der flucht zu obren ge- kommen, auch in der Vilkinasaga steht Walther, gegen den schlusz seines lebens, auf Ermenrichs seite. als Etzels dienst- mann kann der Lengesasre vollkommen richtig neben Hagene auftreten, beide waren in der geiselschaft genossen.*

Dies hier von Walthere; aber auch die sage von Alphere, seinem vater, ist uns nicht verschollen, und ich zweifle kaum dasz es davon eiDische lieder gab. ich kann sie freilich nur in einem höfischen gedieht aufweisen, in dem von der Heidenin, welches aus dem Koloczer codex s. 189—240 gedruckt steht, und 5 schon durch anspielungen auf Dietrich, Hagene, Ecke 938—42. 1256.57 Zusammenhang oder bekanntschaft mit unserer helden- sage verräth. der held des abenteuers, welcher als ein gräve gesezzen über Rin, d. h. als Kerlinger, bezeichnet wird (165. 362. 649) sagt 747 ausdrücklich

ich bin Alpharius genant und han ouch bürge unde lant einhalbe (1. enenthalben) über Rin.** die kämpfer welche er zu bestehen hat, Ringelolt, W^olfhart, iituban, Kuonrich, wiewol einige entstellt scheinen, sehen wie- derum aus nach deutscher Überlieferung; flir den ersten könnte

* ^.'j*^- ^^P- .84 ist Walther Ermenrichs schwestersohn und wird von ihm (om Attila vergeiselt. Walthers mutter ist Biterolfs Schwester. Bit. 671 9920 J.nnenrichs vater und Dietlint Dietliebs mutter sind bruderkinder. Bit. 4590. Au:.lnn^luS\rulUu. ''' ^"" ^^'^"'^^^ (Löwenberg?) vgl. Simrocks

ABOR um DAS MEERWEIB. 169

Kingolt vermutet werden, für Tituban Dietman. denn man darf annehmen dasz die Heiden, zu denen der schon christliche Al- pharius über den Rhein zieht, angefeuert von der Schönheit einer heidnisclien frau um die er werben will, nichts anders als im- bekehrte Deutsche sind, die art und weise wie er nach langem dienst die geliebte durch die ihm freigestellte wähl einer hälfte ihres leibes erwirbt, dadurch ihrem ehemann abspenstig macht, und endlich mit sich in seine heimat entführt, wo sie getauft wird, ist sehr anziehend geschildert.

4887 ein laut der grave koufte, die heidenin man toufte; vorher nannte sie sich Demuot (7;j5) oder besser Diemuot, wel- ches schon frühe als eigenname vorkommt; ob sie ihn in der taufe wechselte oder beibehielt ist nicht gesagt, eben so wenig dasz Alphere und Diemuot unsern Walthere erzeugten, wie ich mit bedeutender Wahrscheinlichkeit vermute, die begebenheit mit der Heidin und dem getheilten leib liegt auch einem spä- teren, roheren gedieht zum gründe, das die alte sage viel mehr verbirgt und heidnische namen einschwärzt; der held heiszt Wittich vom Jordan, und wenigstens klingt Wittich an einen berühmten namen der heldensaije.

ABOR UND DAS MEERWEIB.

Zeitschrift für deutsches altertlium lierausg. von M. Haupt, bei. 5. 1845. s. G-10.

1" von himelriche der got gvter vnd ouch sin zarte mvter Uer herre von dem steine gie sein swert er da niht enlie sein halsperk was im zu swere sein enmoht der here vor krankeit niht getragen dan die het er in dem loche gelan daz het er e selten getan der edel vnd der kvne man vnd sinen heim vil lieht der ysenhosen enmoht er niht ouch getragen, die must er da lan alsvst nam er vrlovp vnd gie von dan der edel kvne wigant also rvmt er do daz laut

170 ABOR UND DAS MEERWEIB.

Do gie der herre balde ZV einem nortwalde drie tage in einem vorste daz er get . . . wen niht (entor)8te vor manchem wurme vreisam vncz er zu einem berge quam dar vz spranc ein brvnne kalt daz niemant was so siech noch so alt swan er sich darinne gebatte vnd sich damit gelabte ern wurde snelle in der stvnt beide starc vnde gesvnt in allem dem gebere sam im arges niht were In der selben liten svnsren also witen an den bovmen obene daz was wol zv lobene P die deinen vogelin vber al

da was ein wunnenclicher schal da stvnden wurtze sv^ze

donen moht im die mvze (mohten in die vüeze?) niht verrer getragen dan do saz der nothafte man nider an daz grvne gras slafes im do not was aventure wie aboren vant als im got von himel sant ein vil wildes mer wi^p die machte gesvnt sinen li®p die trvc in in ein burc gvt des wart er vil hohgemvt ' Do slief er vnlangen

sein swert het er gevangen

in beide sine hant

ein wildes merwi'^p in do vant

die was durch kvrtze wile gegan

vnde wolde sich do gebatet han

jn der selben liten

des phlac sie zallen ziten

daz selbe wise merwi^p

so jvngete sich aber ir alter li*p

alda vant sie den helt gvt

des wart gevre^wet do ir mvt

ovch genoz sin der wigant

daz si in bi dem brvnnen vant

' die hier eingerückten sechs verse im ms. roth geschrieben.

ABOR UND DAS MEERWEIB. 171

wan sie machet in in kvrtzer stunt

beide vrisch vnd wol gesvnt

die wile er bi ir was

des half im got duz er genas üeht do gewan sie den mvt

daz sie im was senfte vnd gvt 2" in eine burc sie in trvc

da gewan sie im allez des genvc

daz im dvrft vnd not was

da von er ovch schiere genas

sie badet in mit vlize

kleine linwat wize

leite sie im an sinen li^p

vntz daz listige wi"p

mit ir gvte daz an im gewan

daz er sie minnen began

des was sie vro vnd gemeit

ovch was der helt bereit

daz er des niht enliez

swez sie bat oder hiez

vil kleine in ouch des verdroz

wand erz wol wider sie genoz

darvmbe dorftiz in niht geruwen

wand sie meint in mit truwen Eine wurtzen sie her vur trvc

sie was listic vnde klvc

des herren heil sich do h^hvb

die wurtzen sie vf einem berge grvb

daz nie kein irdisch man me vernam

noch sit noch e nie vf en quam

wan daz sie mit ir vederbogen

darnach vf den berc was gevlogen

da nam sie die wurtzen gvt

des was der helt wol gemvt

wan al sin heil lac dar an

sine not verwant der kvne man

des half im die wurtz vn daz merwi^p

daz er behielt ere gvt vnd li*'p Als abor der wurtzen geaz

da stvnt im sin hugede baz 2** den in der werlde keinen man

groz ere er davon gewan

nv höret welch gelvche davon er wart pflücke daz im von der wurtze quam aller vogel stimme er vernam

j^2 ABOR UND DAS xMEERWEIß.

vnde alle der wilden tiere ovch hört er vil schiere die vische in dem wage

9 swie sie wolden bagen

der wurme der in dem grase crovch der sprach vernam der herre ovch des was er vro vn wol gemvt sint erloste der herre gvt sinen gesellen vnd ouch die kvnegin des muze got gelobet sin Do behielt in die vrowe dar

vn nam sin mit gvten triwen war sechs Wochen vn zwene tage daz begonde die vrowe clagen daz sie niht lenger behalten mohte als iz in beiden tohte sie entorste in nimer bewarn do kam ir rehter man gevarn von omlatin einer stat abor sie mit vrlovbe varn bat vnde gab im ein badegewant sie sprach, daz soltv tragen in din lant danen mak dich vnden niemant verwunden

noch kein waf'en geschaden an dinem übe den trost het er von dem wibe Sie gab im einen kocher vn einen bogen swa dir kvmt der wilde vogel gevlogen

Aus einem zerschnittenen pergamentblatt auf der bibliothek zu Kopenhagen abgeschrieben, dies gedieht von Abor ist noch völlig unbekannt.* der held, wie es scheint, durch einen be- standenen kämpf ermattet, kommt im Nordwalde zu einem Jung- brunnen, in dem sich ein meerweib zu baden pflegte, sie findet ihn, nimmt ihn mit sich auf ihre bürg und läszt ihm alle Sorg- falt angedeihen. sie minnen sich, und auf einem unzugäng- lichen berg gräbt ihm das meerweib eine kräftige wurzel, durch deren genusz er alsbald die spräche der vögel, der wilden thiere, fische und würmer verstand; nach sechs wochen und zwei tagen musz ihn das meerweib, weil ihr ehemann aus der Stadt Omlatin gefahren kommt, nachdem sie ihm noch ein un-

10 verwundbar machendes badehemd geschenkt hat, entlassen, dieses hemd und die kenntnis der thiersprache ist ihm zu seinen wei- tern abenteuern ohne zweifei von groszem nutzen; es wird ge- sagt, dasz er die königin und seinen gesellen erlöst habe, das

* mahnt an Ibor und Ajo boi Paul. Diac.

i-iiol.. 173

gedieht wird schon dorn vicMzchnten jh. gehören und zeichnet sich durch die durstellung nicht aus, über die einsieht der voll- ständigen fabel würde immer wünschenswerth sein.

PHOL ÄTHIOPISCHER KÖNIG.

Zeitschrift für deutsches alterthurn herausg. von M. Haupt, bd. 5. 1845. s. 69 72.

Anfangs als rath für Phol zu schaffen war, sträubte ich 69 mich mit bänden und füszen wider einen fast allernächst lie- genden gedanken an den aus der bibel bekannten könig Phul (2 reg. 15, 19. 1 paralip. 5, 26). jetzt habe ich zwar keinen assyrischen,* doch einen äthiopischen könig Phol vorzuführen, und gebe eine längst schon mir von Böhmer mitgetheilte selt- same nachricht, die ich erst in die neue ausgäbe der mytho- logie selbst aufnehmen wollte, dann aber lieber von ihr aus- schlosz. dieser Phol wird gar nicht in unsere deutsche geschichte verwebt, sondern in die byzantinischrömische, aus Diodor 4, 49 und Stephanus Byzantinus s. v. BuCavxiov weisz man dasz ein mythischer Byzas zum gründer von Byzanz gemacht wird : ent- weder ist er söhn des Poseidon und der Keroessa (einer tochter 70 von Zeus und lo), oder ein held der die Megarer nach Byzanz leitete, ol. 30, 2.** nach der hier vorliegenden meidung aber wirbt er durch seinen princeps militiae Germanicus um Chusit, des Athiopenkönigs Phol tochter, die daneben mater Alexandri genannt ist, gleich als hätte sie diesen vorher oder nachher auch noch geboren. Phol macht sich auf nach Byzanz und führt die Chusit dem Byzas zu, welcher mit ihr wiederum eine tochter namens Byzantea zeugt. Byzantea wird im verfolg dem römi- schen könig Romolus vermählt, der auch den namen Armaleon oder Armaleus führt, dem Romulus gebiert sie drei söhne, Armaleus (nach dem vater geheiszen), Urbanus und Claudus. Armaleus wird könig in Rom, Urbanus in Byzanz, Claudus in Alexandrien. der nun folgende satz ist unklar; es soll wol aus- gedrückt sein dasz der Chusit same das macedonische und rö- mische reich erlangt habe, eine Weissagung Davids über Chusit

* den assyrischen könig Phul hält man für gleichviel mit Nabonassar. Aug. Schouchzer Ph. und Nal). Zürich 1850. vgl. Benfey in Gott. anz. 1850 p. 1707.

** vgl. Otfr. Müller Dorier 1, 120. Sickler alte geogr. 214. Procop de aedif. I, 5 (ed. Dind. 3, 191). Ceras de nomine Ceroessae matris Byzantis, qui urbem condidit. Claudian. in Eutr. 2, 83 Byzas Constantinusque. chron. salevn. Portz 5, 512 Vizantia a rege Vizzans. Byzas herschte zur zeit der Argonauten, die in sein land kamen.

174

PHOL.

Phols tochter finde ich nicht. Chusit selbst mahnt an den weit älteren Chus, den söhn Chams und vater Nemrots (gen. 10, 6. 7), Armaleus etwan an AmuUus, den oheim von Romu- lus mutter. .

War die ganze höchst verworrene genealogie, worin Byzas, Romulus und ein gar nicht bestimmbarer Urbanus und Clau- dus, ein vollends ungehöriger Germanicus an einander gereiht werden, von einem Deutschen (was sich aus der handschrift sonstigem inhalt ergeben müste) abgefaszt ; so könnte diesem im zehnten jh. der einheimische gott Phol noch erinnerlich und schon so dunkel gewesen sein dasz er ihn mit jenen Griechen und Römern mengte, und dann brauchte er gar nicht einmal an den bibUschen Assyrer^ gedacht zu haben, den man wol heran rufen musz, wenn das bunte geschlecht auszerhalb Deutschland erfunden wurde, in keinem von beiden fallen wird die echtheit des deutschen gottes, der in den urkundlichen namen Pholes- brunno, Pholesouwa, Pholespiunta bis zum neunten und achten jh. hinauf reicht (und die Ortsnamen müssen noch weit älter sein als die ihrer erwähnenden diplome), im geringsten gefahr- 71 det; wenn jene mutmaszung zulässig ist, läge sogar ein neues Zeugnis für sie vor.

Ich lasse nun die stelle selbst folgen; sie oder was ihr unterliegt kann vielleicht noch anderwärts in deutlicherer fas- sung angetroffen werden.

Wiener hs. theol. 732, quart, perg., lOs jh., bl. 64.*

Buzas autem qui condidit bizantium misit per mare ad phol regem aethiopi^ germanicum principem miliciae et scripsit ei pro chusit matrem alexandri ut accipiat eam sibi uxorem et regnificet eam; Suscipiens ergo phol rex aethiopiae litteras ad (so) germanico adlata sunt munera amicitiae et suscipiens nimis laetatus est;

Surgens autem ipse et congregans omnes species aethiopi^ accipiens autem simul et chusit filiam suam abiit in bizantem habens secum triginta milia aethiopum et susceptus est a buzas foris mare in calcedone cum multa alacritate; Dedit autem et dona nimis multa his qui cum ipso fuerunt. et introivit phol in bizantem et dedit munera magna et donationes plurimas et maximas secundum regalem magnanimitatem. et accepit buzas chusit filiam phol regis aethiopi^. de qua nata est filia quam appellavit nomine civitatis buzanteam;

Quam etiam nuptus est romolus qui et armaleom (so) rex romae. propter vero nimis pulchritudinem eins multum dilexit eam ; Valde erat enim et ipse nimis simplex et magnanimis unde et m dotalibus eins donavit ei romam, audientes autem opti- males eius indignati sunt valde contra eum.

' der auch immer Phul heiszt, nie Phol.

vgl. Dümmler formelb. XXV, wonach alles aus Pseudo-Methodius.

DER HEILIGE HAMMER. 175

Peperit ergo ei buzantea filios tres quos et vocavit primum quidem secundum patris patris (eo) appellationem armaleum. alium vero urbanum. terciiim vero claudum.

Kegnaverunt igitur uter(|U(> et ([uidem armaleus in roma pro patre suo armaleo. urbanus vero in bizanteam civitatem quq fuit matris su«;. claudus autem in aiexandria. obtinuit autem sem chusit filia phol regis aethiopic; macedonum et ro- manorum ex semine aethiopum et preveniet manus eins In novissimo die secundum expositionem propheticam previdens enim beatus david spiritualibus oculis et presciens quia chus et (so) filia phol regis aethiopi? incipiet regnum romanorum predicens ait. aethiopia preveniet manus eins dö;

Quidem (so) autem consideraverunt quia, propter regnum 72 aethiopum conpulsus sanctus david haec diceret. sed mentiti sunt veritate quia haec ita esse arbitrati sunt;

Etenim ex semine aethiopisse consistente regnum hiermit schlieszt die rückseite des blattes.

DER HEILIGE HAMMER.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 5. 1845. s. 72 74.

Es ist im ersten bände dieser Zeitschrift s. 23. 24 [oben 72 8. 70. 71] nachgewiesen worden mit welchem namen unsere und die römische spräche abgelebte greise belegte, und in den rechts- alterthiimern s. 486 ff. dasz nach den volkssagen lebensmüde eitern getödtet wurden, in den anecdotes and traditions derived from ms. sources, edited by William J. Thoms, London 1839 (for the Camden society) s. 84 stosze ich auf folgende raeldung. *

'The holy mawle, which they fancy hung behind the church- door, which when the father was seaventie, the sonne might fetch to knock his feather in the head, as effete and of no more use."

Das aufhängen des mawle (maul, maillet, malleus) in der kirche für die grausamen söhne, die sich des ihnen gestatteten rechts bedienen wollten, soll den barbarischen, blosz überliefer- ten, niemals ausgeübten brauch entschuldigen.

Waren hämmer oder schlegel am eingang heidnischer tem- pel würklich aufgehangen, oder bildlich ausgehauen, so mögen die bilder, wie bei anderm anlasz, auch noch auswärts an der mauer christlicher kirchen eine stelle gefunden haben oder ins Stadtthor gemauert worden sein, ursprünglich konnten sie dar-

* vgl. Wright selection of Lat. stories s. 222.

jjß DER HEILIGE HAMMER.

Stellungen des heiligen hammers des Donar gewesen sein, die man hernach auf jenen Volksglauben deutete.*

In mehrern schlesischen und sächsischen städten hängt am Stadtthor eine keule mit der Inschrift

wer den kindern gibt das brot und selber dabei leidet not, den soll man schlagen mit dieser keule tot. 73 zu Osnabrück stand (nach Strodtmann s. 119) der reim vor einem hause, es wird nicht gesagt, ob mit aufgehangener, aus- o-ehauner oder blosz gemahlter keule,

de sinen kindern gift dat braut, un lüt sülvest naut, den s^|llme slaun mit der kusen daut. also auch hier beziehung der keule auf den todschlag des alten greises, nur so gewendet dasz er ihm gleichsam als strafe für die thorheit sich allzufrüh seiner habe zum besten der kinder abgethan zu haben, gebühren soll.

Diese offenbar jüngere, den herben, im gedächtnis des Volks untilgbaren hergang mildernde wendung liegt auch dem schönen gedieht vom slegel im Koloczer cod. 157 188 zum gründe, der gewitzigte alte legt den schweren schlegel in die kiste;**

da was geschriben 'swer der si, der ere habe unde guot, da, bi so nerrischen muot daz er alle sine habe gebe sinen kinden unde selbe lebe mit noete und mit gebresten, den sol man zem lesten slahen an die hirnbollen mit disem slegel envollen, daz im daz hirn mit alle üf die zunge valle, und sol in denne füeren enwec und werfn in einen rinderzwec.' das letzte wort erläutert sich aus s. 695 der rechtsalterthümer. Hans Sachs hat sich die ergreifende fabel nicht entgehen lassen (2, 2, 105 Nürnberg 15(30), bei ihm ist die formel so gefaszt :

wer sein kinden bei seinem leben sein hab und c;ut thut übergreben, den sol man denn zu schand und spot mit dem kolben schlagen zu todt.

* geleugnet von Wackern. bei Kurz, beitr. z. gesch. u. lit. d. Aargau s. 372.

, . ,. ''^P- '^*^'""- ""'- Animenliausen bei Wackern. a. a. o. s. 350. liammer im kistliH. Keisersb. drei Mar. 31^

\

K und E. 177

Es sind also drei stufen des mytluis, und diesmal zugleich des sym.bols, die ich annehme: 1. der hammer des gottes, 2. der bezug auf den alten vater, 3. die mitleidige deutung dieses be- 74 zugs. die englische auslegung musz nothwendig der deutschen als frühere vorangehen.

E UND E, DABEI ÜBER KEPA, KEPi, CHLACHAN, QUEPAN, SPiD.

Zeitschrift für deutsches silterthum herausg. von M. Haupt, bd. 5. 1845. s. 234—240.

Meine grammatik dringt auf Unterscheidung dieser laute, 234 deren Ursprung aus A und I sie gewiesen hat. zwar läszt es sich aus zwei gründen in den ausgaben ahd. und mhd. werke nicht durchführen, einmal weil die hss. beide nicht verschieden bezeichnen, im druck also, den hss. gegenüber, eine bunte, eigenmächtige mischung der zeichen entspringt, dann aber weil der unterschied nicht allein in manchen wurzeln schwierig bleibt, sondern auch auf die vocale der ableitungssilben, die schwächer betont oder tonlos werden, unanwendbar, dies hin- dert jedoch nicht in grammatik und glossar auf die wichtige Verschiedenheit des e und e die nöthige Sorgfalt zu wenden, und GraiF, der es unterläszt, hat dadurch in sein werk fehler gebracht.

Ich will dies an einem beispiele klar machen. 4, 120 122 wirft er geba und gebt zusammen, die in form und bedeutung genau zu trennen sind, jenes entspricht dem goth. giba, dieses dem goth. gabei, jenes drückt aus donum, gratia, dieses opus, opulentia*. geba und giba flectieren stark, gebi gehört aber zu den weiblichen Substantiven die sich aus der gothischen schwa- chen form verhärtet und das N meistens weggeworfen haben, das ahd. gebt, menigt und alle ähnlichen müssen in früherer zeit dem goth. gabei, managei näher gestanden, folglich den schwachen gen. gebin, menigtn. von welchem sich auch noch spuren zeigen, gebildet haben, dem goth. dat. pl. gabeim, ma- nageim entspricht also die ahd. form gebim, menigim, Graff aber setzt gebim ruhig neben gebon d. i. geböm, und läszt sich nicht einmal durch das lat. opibus stören , das nicht donis sein 235

* giba ags. gifu, altn. giöf donum, gaefa felicitas. Parz. 116, 20 des wart ir gäbe niuwe ze himel mit endoh")ser gebe, frauend. 354, 10 miner sselden gebe, 355, 22 miner vreuden gebe, das mhd. gäbe ist weder ahd. noch goth., altn. aber gäfa donum neben gaefa fehcitas.

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 12

178

E und E.

kann. s. 123 verweist er bei kepigi (kepigi) freilich auf das bekannte goth. gabeigs, blickt aber nicht zurück um den vor- ausgehenden fehler zu berichtigen*.

4, 553 steht 'KLEKJAN. wenn in deine pluote lak er beclochen Cdg. hierher gehört, so ist auch ein stark deklinie- rendes (conjugierendes) klekan anzunehmen.' er meint klekjan und klekan. wir wollen einmal genauer zusehen; der artikel ist, bei überausführHchen citaten aus O., mager. Grafi' hat in seinem ganzen werke die unart Otfrieds Wörter mit wenigen ausnahmen unerklärt zu lassen; das war für die schwierigen fälle bequem, aber für den gebrauch des glossars ist es desto unbequemer, hier musten zwei abweichende bedeutungen des Worts angegeben und entwickelt werden.

Freilich, klecken weist wie decken, strecken, recken, stecken, wecken zurück auf ein starkes verbum, das im goth. thema K, im ahd. CH zeigen musz, wie auch neben decken dach, neben wecken wachen beweist; die ableitung des schwachen verbums durch I entzog die consonanz der lautverschiebung. die frage ist nur ob das starke thema nach der zweiten reihe, goth. kli- kan, klak, oder nach der dritten klakan, klok anzusetzen sei? decken, goth. J)akjan, führt auf ahd. dechan, dah, goth. J)ikan, ^ak, wie prechan, prah, brikan, brak; wecken aber, goth. vak- jan, auf ahd. wachan, wuoh, goth. vakan, vök.

Die formen der übrigen dialecte werden es zur entschei- dung bringen und auch über die bedeutung urtheilen lassen.

Nur a mit dem ablaut ö und deren umlaut e, oc erscheint, nirgend ein i, e. altn. ist klaka, klok clangere und gilt vom Vogelgeschrei, klak bezeichnet clangor avium**, ursprünglich mag aber die wurzel ausdrücken frangi, rumpi, weil das bre- chen und bersten übergeht in den begriff des krachens und schallens; das ahd. capreh ist Stridor, fragor, und wie stridere von dem leisen laut gebraucht wird den vögel und bienen er- schallen lassen, fringutire und fringilla zu frangere gehört, fin- den sich kleka frangi und klaka clangere beisammen, mhd. ist clac Troj. 12231 fragor***, Winsbeke 43, 5 ruptura, scissio. 286 das abgeleitete ahd. klekan (goth. klakjan?) bedeutet rumpere, scindere, thaz lachan ward ziklekit O. 4, 33, 37, der Vorhang ward zerrissen, das altn. klekja, klakti gilt aber, wie das starke verbum vom singen oder pipen, vom brüten und ausbrüten der Vögel, es drückt aus excludere oder excubare, incubare ova, excludere pullos, die eier ausschliefen oder bersten machen ; das franz. eclore ist intransitiv sortir de la coque de l'oeuf, aus- schliefen, Schweiz, ausbrechen, gilt aber auch vom ausbrechen,

^^ gabigjan ditare, gabignan ditescere, opulentem esse.

und qvernom klaka. Saem. 66». klök fugla. Sajm. 106^ klöcqva singul- tire. Sfcm. 83». ^ o

*** myth. 163. '

E und E. 17i)

anbrechen des tages. schwed. kläcka excludere ova, zugleich Stridore: det kliicker i isen, es knistert im eis, das brechen will, dän. kläkke unger ud*. nicht zu übersehen dasz noch das mhd. kleckon, wenn auch nur im gleichnis, auf das bersten des eies geht: zerklacte sam ein ei Otto 145; zerklecket als ein ei Troj. 10666. erklahte : mähte 25032 ist zu berichtigen in erkrachte : machte, nun aber heiszt ferner altn. nyklakinn recens natus, nämlich pullus, wie wir noch heute das jüngste kind, mit einer vom vogel hergenommenen vergleichung nestküchlein, nestquack- lein benennen. Ulülas aber gebraucht jiiuklahs vr^Tiio?, welches ich Wiener jahrb. 70. 42 [kl. sehr. 5, 214] mit fug auf nyklakinn bezogen, das H für K aus der formel HS zu deuten gesucht habe, falls der pl. niuklahsai nach der einen lesart Eph. 4, 14 richtig wäre, denn in niuklahs gen. niuklahis (wofür allerdings Luc. 10, 11 und niuklahei pusillanimitas in der Skeireins strei- ten; niuklahs 1 Cor. 13, 11 und Gal. 4, 1 entscheiden nicht) wäre das H schwerer zu fassen, ein goth. klahan, kloh wäre schwierig, insofern ihm ein altn. klä, klo, nicht klaka, klok zur seite stehen würde: doch soll nicht abgesprochen sein; zu klahan, kloh stimmte das lat. glocire desto treifender, das wieder von der brütenden henne gilt, will man unser glucke nicht aus dem latein. herleiten, sondern aus einheimischer wurzel, so wäre ahd. chluocha, mhd. kluoke zu schreiben, bei den gothischen stellen hat mich Lobe zwar genutzt, aber nicht ausgenutzt und darum auch nicht jrenannt.

In der wurzel sind aber noch andere abstracte bedeutun- gen zu erklären: wie konnte wol die unsers heutigen klecken und erklecken = sufficere daraus erwachsen? ni klekent mir' zi heiti thio liebün arabeiti. O. 5, 7, 52. mhd. so vil suozer er smacte, 237

daz d<l wider unhöhe klacte aller edelen würze smac. Servatius 2220, dasz gegen den süszen aus des heiligen grabe steigenden ge- ruch der aller gewürze wenig ausreichte, [des ensol dir niht klecken. Griesh. 2, 13. kleckent in niht. 2, 107. non suffi- ciunt. klacte das niht. weisth. 3, 645. wird mir mein köpf int leng nit klecken. H. Sachs 111. 3, 56".] auch die schwedische Sprache gebraucht ihr kläcka, die dänische ihr kläkke für suf- ficere; beim altn. kleckja gibt Biörn diese bedeutung nicht an, wahrscheinlich läszt sie sich auch nachweisen, aus dem begriffe des brechens, berstens musz auch der des ausbrechens, auswer- fens, erstreckens und darum zureichens, hinlangens, entsprungen sein, oder will man das hinreichen lieber aus dem sinnlichen

* litth. klagga. u. klugzda kianszis. lott. ischkilt, schkiltees ausschliefen, mit dem Schnabel pieken, sonst auch feuer schlagen, litth. skilti, iskilti.

12*

180 E und E.

brüten, fovere deuten? das kleckt nicht = das schlieft nicht aus, das brütet nicht?

Leichter verstehe ich folgende ausdrücke, altn. klaklaus sine querela, wozu das ags. cläcleäs immunis a querela, a lite, stimmt, was frei von klang, nachhall und Vorwurf ist. in Schützes holst, idiot. 2, 277 wird ein klaklos, was sicher damit eins ist, angegeben und fehlerhaft durch unfest erklärt, auf- fallend scheint dasz die ags. alts. und mnl. nnl. spräche sonst nichts für unsere wurzel darreichen, altn. ist kloekr und kla^ki Vitium, opprobrium, bei Biörn wird mit dem gewöhnlicthen fehler klaekr, klaeki geschrieben; es kann hier nur ein umlaut des 6 stattfinden, weil in der dritten ablautsreihe ä unmöglich ist. nun heiszt aber kloekiskapr wieder pusillanimitas, immaturitas, und das begegnet jenem gothischen niuklahei, so dasz durch das vorgesetzte niu der schon in klahei liegende sinn blosz ver- stärkt wird, auch das schwed. kläk drückt aus opprobrium, das dän. klak macula, und nhd. ist kleck und wiederum kleks (vergl. klahs, klahsis) flecken, Vorwurf, was an einen geworfen wird.

Zur sinnUchen bedeutung des Schalls fügt sich das bair. klächel, Schwengel oder klöppel der glocke (Schm. 2, 277), bei Ottocar 575^ chlächl, mhd. vermutlich klechel, wobei man das richtige CH beachte, glocke campana selbst wage ich nicht hierher zu nehmen. Schmeller hat auch kleck ritz, sprung, was mhd. klecke lauten müste, wenn es nicht für klack steht, die ahd, glosse kiclechit quassatus ist in der Ordnung, franz. casse, zerbrochen.

Dagegen die auf derselben spalte zweimal angezogne glosse 238 arkhhhod exstinctus nicht hierher gehört, ich habe nach ihr in den gl. K. lange herum gesucht ^ weder das I in dem wort, noch die bedeutung des erlöschens stimmen zu unsrer wurzel.

Ergebnis dieser Untersuchungen wäre also: das ahd. ver- lorne thema ist anzusetzen CHLACHAN, CHLUOH, und da- von leitet sich chlecchan, chlahta, bei O. klekan, klekita. ein subst. chlah fragor bestand sicher, es wurde mhd. zu klac. das mit abgeläutetem vocal gebildete ahd. chluocha oder chluoccha, mhd. kluoke kann ich nicht aufweisen; es ist das nhd. glucke.

Das mhd. beclochen, womit Graff anhebt, lautet in Schil- ters ausgäbe des Roland 2569 becloken, und ein solches par- ticip mit dem vocal 0 würde der fünften oder zweiten reihe toigen, nicht der dritten, meines bruders ausgäbe hat aber

dem \X£* i^u '• ^^.^ unter sopitus; wie viel zeit verliert man über beSuS^en nlo? K ^'' .''*"*^ '^"^ ^'^ ^'''^^ ^^' «« die blattzahl der hs. SS oT ^^ zu lassen, die umständlichen, raumschwendenden

ro *SorSelZ,? 1 ^'°"*'" unterbleiben, hätte Graff seiner ausgäbe ein lufNotkÄrf rrS ^^«^^^g^rts.ch nicht bei den so oft nöthigen citaten oTno soitonzahr.;, fin^f ''"'^ ^''*^/"'' ^^^"' ™"^^^ °^^ ^^ Mcp. und Bo. 5 Setn X aus M.., '' if ""K"'' ''''' anführung aus den Schwaben- »piegein ouei aus Maszmanns Alexandern zu suchen.

E und E. 181

160, 1 in dem bluote betophen : goffen, und 163, 21 mit bluote betochen, welches letztere durch Servat. 2110 lagen da betochen bestätigt wird, die wurzel klachen partic. geklachen bleibt also aus dem spiel ; ich will jedoch auch meine meinung über be- tochen abgeben. N. Bth. 143 (diesmal bei Grafl' 5, 3f)8 wird die Seitenzahl beigefügt) hat gleichfalls unde (in) unmari ferto- chenen tuet, quem recondit obscuritas. Grieshabers predigten lasen in der ersten ausgäbe s. 60 zweimal betogen, wo die zweite nunmehr s. 69 betrogen setzt, die stelle überträgt das qui au- tem fratri suo dixerit racha (Matth. 5, 22) swer aber ze sinem bruoder sprichet du bist betrogen alder hirnlos alder hohvertie, in dem wort soll harte schelte liegen, T. 26, 3 wird verdeutscht ther the quidit sinemo bruoder italo (vane, inepte), in der ags. Version ])ü ävordena d. i. evanide, von äveordan evanescere, was dem ahd. arwortan corruptus, obsoletus, languidus (Graft' 1, 995)239 genau entspricht, vergl. goth. gamaids debilis mit ahd. kimeit stolidus, vacuus, vanus = ital. wissen möchte ich ob in Gries- habers codex das r über oder zwischen dem o in betonen steht und vielleicht hinein gebessert ist*; denn die form betogen würde zu jenen betochen stimmen, die wiederum, aber nicht durch fehler, fiir betrochen gelten müssen, betrochen scheint mir das particip von betrechen recondere und bei N. ist betochen ofl'enbar reconditus, wie man mhd. sagt brant betrechen, feuer und glut mit asche zudecken, vergl. Trist. 19052 gluot diu im betrochen in dem herzen lac, und MS. 1, 61" hoher muot in leide gar betrochen, mit bluote betochen = betrochen wäre blutbedeckt, in dem bluote lac er betochen, mit blut und staub bedeckt, will man betophen für betrophen , betroft'en von trie- fen nehmen, so gäbe das auch schicklichen sinn, die Unter- drückung des R in der formel TRO musz sich auf häufige ausspräche gründen und wie das verschlucken in fodern für fordern zu nehmen sein, so geben Walth. 6(), 19 die hss. geto- genen für getrogenen, was der bezug auf trüge verlangt. Hei. 149, 10 steht sogar adrogen pati verbessert in adogen, es ist das mnl. doghen pati, aber naheliegend dem ags. ädreogan pati, aus dessen part. adrogen die schwache form ädrogean erwächst, die jenem alts. adogan entspricht, das betogen bei Grieshaber hat offenbar ein R verschluckt und ist entweder = betrochen, und dann musz man einen schärfenden uebensinn von recon- ditus, opertus annehmen, oder = betrogen von triegen fallere, wobei mir aus Gregor 1363 ein betrogener klosterman einfallt, an welchem Lachmann keinen anstosz nimmt**, im munde des Zöglings gegenüber dem verehrten abt kann es nicht schelten

* s. Grieshabers erklärung zschr. 5, 575. 576. ** unbetrogena fruoti perspicax prudentia. N. Cap. 11. betrogen fallax. Karaj. 13, 5. unbotrogen 13, 3. kneht betrogen. Helbl. 1, 16. süsze und betrogene worte. Limb. ehr. p. 56. betrogen end. p. 67. vertrogen fallax.

182

E und E.

sollen, der mönch ist kein fallax, aber ein durch die weit er- müdeter, fast möchte man lesen ein betrochen klosterman.

4, 632 schreibt Graff 'IRQÜEPANAZ, das als übersetzun^r von emortuum in Ms steht und auch von Grimm (gr. II. 829. 830) unter den mit ar zusammengesetzten verbis aufgeführt wird, ist zu tilgen; es ist oifenbar Schreibfehler für das in Sb. und Bib. 6 richtig stehende irquemanaz [wie in derselben quelle (Ms) erspid statt ersmid steht].'

Das sind üble, die ahd. spräche an zwei wurzeln beein- 240 trächtigende mutmaszungen. das starke thema qiba, qaf, qebum (ich stelle die verlornen formen am liebsten in der ältesten goth. mundart auf) leidet beinahe keinen zweifei, und ist uns im ahd. particip irquepan gerettet, welches hier emortuum glossiert, eigentlich aber suffocatum bedeutet, erqueman sagt aus perter- ritus, tremefactus und etwan auch emortuus; wie wenn die Schreiber das passendere erquepan nicht verstanden und jenes an die stelle gesetzt hätten? mhd. gewahren wir noch das ab- geleitete schwache erqueben (wäre goth. usquabjau, usquafjan) in Hartmanns gedieht vom glauben 2398

dan abe din herze wirt irquebit daz iz sih wider gote irhebit, es wird erstickt, überwältigt, eingenommen, andere dialecte sind deuthcher, altn. kaf submersio = qvaf, wie aus der schwed. form qvaf (Ihre s. 356) erhellt; altn. kefja, kof suffocare, suppri- mere = qvefja, qvaf, im präsens ist schwache form, wie häufig, vorgedrungen, die starke würde kefa oder kofa (wie koma f. qvema) begehren, aber auch das schwache prät. kafdi suffo- cavit begegnet, nicht aber gehört dazu das ags. vapul scatu- rigo, fries. wapel (Richth. s. 1125), deren P ein ahd. F zur seite haben würde und des gutturalanlauts entbehrt, ebenso steht ab das goth. hvapjan exstinguere, afhvapnan exstingui, wofür ein thema hvipa, hvap zu suchen wäre, wenn Biörn die starke form kefja, kof, kafinn ansetzt und es damit seine richtigkeit hat, so wäre das ein Übergang aus der zweiten reihe in die dritte, der sich leicht begreift, weil kof und kof einander nahe liegen. [Hpt. zschr. 229. 230.]

erspid oder wie nach 6, 826 der codex haben soll erspid gebe ich auch nicht vorschnell dahin, speideln heiszt nach Schnieller 3, 557 spalten, zwicken, keilen, begriffe die sich ftir schmiede eignen. Speidel ist ein bekannter eigenname. Tobler 377. 378 hat spedera, spidera splittern, spiderig splitterig, ge- brechlich; Frisch 294'' spitten, späten, spaten fodere, welche jedoch auf spato fossorium abführen; [Diut.'l, 449. 472 spedele.] bevor wir also erspid verdammen wollen wir weiter sammeln.

PI„Hnv''^V■ ^'' ^1- '""''^'l' ^«••t'-ogen. III. 3, 20'^. ein betrogaer mensch fallax. vclSns'9 198'23« ^™^''^' '^^t^genere u. bösere leute. bericht d. ßamb.

DER WOLDAN. 183

DER WOLDAN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. r>. 1845. 8.494 504.

A. Albrechts Titurel 33, 10 nach dem druck von 1477 494

Valtzone ward auch nackent.

der scheidentlialb geschawet.

ir wist wol wie sy hackent.

wo der woldan sein kirchen porten hawet.

dem geleich die zwene hie gebarten.

als ob sy valcken weren

vnd mit tympen tampen fogel varten.

B. im cod. pal. 141 fehlt die strophe.

C. cod. pal. 383. Hahns ausg. 4686

Valtzone wart entnacket.

der scheidenhalp beschowet.

ir wizzt (so die hs.) wol wie man hacket.

wo der woldan eine kirchen howet.

dem gelich dise zwene hie gebarten

als ob sie valken weren

vnd mit timpen vogel warten.

D. Dietrichsteins, ursprünglich Fernbergers codex, jetzt auch in Kesaers besitz zu Wien (und abschriftlich in Breslau) bl. 14P

Ualczon wart auch uakchent.

der schaidehalb geschowet.

nu merkchet wie sie hakchent.

swa der woldan chirchen porten howet.

dem geleich die zwene gebarten.

als ob si valken weren

vnd mit timpentampen vogel varten.

E. cod. vindob. no. 3041 bl. 155"

Walczon wart nackent.

der schaydhalb geschawet.

nu merckeut wie sie hackent. 495

wo der woldan chirchen porten hawet.

dem geleich die zwenn geparen.

als ob sie valcken weren

vnd mit tympen tampen vogel varen.

F. cod. carolsruh. (aus S. Peter im Schwarzwald)

Valtzon ward auch nachent.

der schaidenhalb geschawet.

nu merche wie sy hachkeut.

wa der woldan chirchen porten hawet.

dem geleich die zwene nu geparten.

als ob sy valchen weren.

und mit tympen tampenn vogell varten.

jg4 DER WOLDAN.

G. cod. hanov. str. 1187

Valtzone wart och nackent. der scheiden halp beschowet. ir witzet wol wies hackent. swa der walden einen kirhen howet. dem gelich die zwene hie gebarten, als ob si valken weren vnd mit timpen vogel warten. H. cod. berol. germ. 475 bl. 235

Valczawn wart auch nakchent/ . der schaidenhalb geschawet/ nv merkchet wie sie hakchent/ swa der wolt sin chirchen porten hawet/ dem geleich die zwene geparten/ als ob si valken waeren und mit timpen tampen volgel varten/ I. cod. vindob. no. 2635 bl. 138"

Falzone wart ovch nackent. der scheidenhalp beschowet. ir wizzet wol wie si hackent. swa der woldan sich zv kvchen zowet. dem gelich die zwene hie gebarten, als ob si valken waeren vn mit timpen tamp der vogel warten. K. cod. des herrn von Kesaer (nicht Käsar) bl. 231" Valtzone ward ouch nacket. 496 der schaden halb beschawet.

ir wisset wol wie er hacket wo so der waltman ein bircken howet. secht dem glich die zwene hie gebarten als obe sie valcken weren und der tympen tampen vogel varten. L. cod. berol. germ. '470 fol. s. 382

Falczone ward auch nacket der schaiden halb beschawet

ir wist wol wie er hacket wa so der waldman aine pirchen

hawet dem geleich die zwene hie gebarten

als ob sy valken wären vnd da mit tympen tampen vogel

varten. Hätten noch mehr texte nachgesehen werden können als diese eilf? Püterich im 15n jh. will ihrer dreiszig gekannt haben, zumal bedauerlich ist der abgang der strophe in B. kein einziger der zehn übrigen stimmt völlig zum andern, ent- nacket hat C, nacket KL, die übrigen nackent, was sich allein mit sie hackent verträgt; zu entnacket wird man hacket, zu nacket er hacket gereimt, geschawet oder geschowet geben ADEFH, beschawet, beschowet CGIKL. nu merket DEH, nu

DER WOLÜAN. 185

merke F, ir wizt wol ACGIKL. aljer das wichtigste ist die abweicliung der vierten zeile. kirciienporten DEF, sin kirehen- porten All, eine kirchen C, einen kirhen G; man darf anneh- men, es stand urs[)rünglich

swa der woldan sin (oder ein) kirchenporten houwet: die abändernden begriffen das nicht mehr, und suchten zu helfen, doch die kirche bleibt so dunkel wie die kirchenpforte, und noch dunkler ist sich zuo kuchen zouwen in I, aber deut- lichen sinn gewinnt die lesart von KL und vollkommen pas- senden, nur, wäre sie die echte, liesze sich schwer fassen wie jemals aus ihr die kirchenpforte hätte hervorgehen können, während es leicht ist einzusehen dasz diese der scheinbaren besserung weichen muste.

Schionatulander war auf zwei unbekannte ritter gestoszen, mit denen er zu fechten begann; eben hatte er Falzone, sein köstliches seh wert, entblöszt, als jene beiden auf ihn losstürz- ten, die heftigkeit ihres kampfs soll durch ein bild ausgedrückt 497 werden: ihr wiszt wol wie gehakt wird, wenn der woldan seine kirchenpforten haut.

Wer ist dieser Woldan ? auch andere dichter, aber nur gleich Albrecht Baiern und Ostreicher, scheinen mit dem aus- druck bekannt, den sie doch unpersönlicher und fast collectiv für den begriff' eines heerhaufens verwenden. Wolfram im Wh. 90, 12

der beiden hers ein woldan

wol fünf hundert menschen fuorten,

die si mit geiselen ruorten, ein häufe beiden führte fünfhundert christliche gefangene unter geiselschlägen vorüber; wie bei den Wörtern des begriffes menge und turba (gramm. 4, 193) steht hier zu woldan das verbum im plural. diese gefangnen befreite Wilhelm und 96, 23 heiszt es

die wer

bevalh er dem erlosten her

daz er in dem woldan

bi den soumen dort gewan, das er im gefecht, bei dem Überfall der feinde, gewonnen hatte. Wh. 236, 5 so gähten derhalp knappen vil üz dem her durch den woldan, um im trupp zu reiten, der bairische * umdichter des herzog Ernst 5104

grave Wetzel und ander sine man

machten manegen woldan, gleichsam manchen buhurt, angriff', kauipf.

Albrecht selbst im Tit. 23, 69 (Hahn 2978) den woldan nieman riten sold wan in der marschalke hulde, in förmlichem streithaufen sollte keiner reiten.

* vgl. Hpt. /.sehr. 7, 2GI.

Igß DER WOLDAN.

Helbl. 15, 750 die zit vart mit iwerm her

ze tal in die Vizze,

daz der woldan wizze

nach in komen iif die slä

und iuch benamen vinde da, dasz der kriegshaufe euch nachfolgen und euch finden könne, das khngt wieder persönlich. 498 Helbl. 15, 774 der woldan der vor Wienne brant

kam ouch ungestriten dan, der trupp, der vor Wien gebrannt hatte, kam ohne streit davon. Ottocar cap. 319 sp. 285"'' den woldan riten, einen woldan riten cap. 740, 718''; zogten an den woldan cap. 343, 304''; [ApoUonius 10771 den woldan (den krieg) heben,] überall steht woldan männhch, und sein kurzes a ist wie in soldan (troj. kr. 24657), Jöhan, safran, galgan (galgant).

Kein zweifei nun dasz dies in der heutigen oberdeutschen spräche erloschene wort eins sei mit dem weiblich gebrauch- ten ital. gualdana, welches gerade so einen häufen krieger, [ein geschwader] bezeichnet und schon im mittelalter gebräuchlich war. Ducange erklärt gualdana oder waldana 'acies, equitatus, manipulus militaris, ex ital. gualdana, vocabulo antiquo, che vale la correria o cavalcata che fanno i soldati a rubare su quello de neraici e la preda."* die andern romanischen dialecte missen den ausdruck; also mag er lombardischer abkunft sein, Langobarden aber mit Baiern gemein gewesen und kaum erst im 13n jh. aus Welschland nach Baiern und Österreich vorge- drungen; bessern bescheid darum musz das alterthum gewust haben.

Die herleitung von gualdus silva** ist nicht ohne schein: 'ut gualdana primitus fuerit venatorius excursus in silvam, sal- tum, gualdum, unde postea vox traducta fuerit ad rem mi- litarem, quomodo a venatione dicimus donner la chasse aux ennemis.' Ducange. Schmeller 4, 66 denkt an den ausruf wol dan! der doch mehr bei tanz als kämpf üblich war: [wol dan kinder! MSH. 3, 30^] wol dan zem reien! MSH. 3, 197'^; wol dan reien! MSH. 3, 234"^; wol dan mit mir zuo den linden, trütgespil! Ben. 233; nu wol üf reigen vür den walt! MS. 2, 55"^; indessen wird auch ein pferd angetrieben (oben s. 398) ho hu, vort wol dan! [nu wider umme und woldan! Ludw. 3929.] seltsam aber hiesze es den woldan riten in solchem sinn, jene nebenbedeutung von praeda könnte an ein stark verkürztes ahd. waltnäma = nötnäma, raub und gewalt, anschlagen.

In der ersten ausgäbe der myth. s. 106 ahnte ich mythi- schen bezug des wortes woldan, und seit ich die Varianten zu

* vidi gir gualdane, ferir torneamenti. Dante inferno 22, 4. andere beisp. Orusca s. v. gualdana. welsch ist gwalldan wildfire.

prov. gau Silva gaudina Rayn. 2, 441. altfr. gans gaut gaudine.

DER WOLDAN. 187

Tit. 33, 10 gesammelt habe, will sich ein solcher wieder geltend 400 machen.' wie wäre doch das hauen der kirchenpforte anders /u fassen? waltand, alts. waldand bezeichnet den Christen einen all waltenden gott (myth. s. 19), aber schon der heidnische heiszt allvaldi, in unserer stelle hat G walden statt woldan, das franz. Graisivaudan , Gresivodan (Gratianopolis) lautet in unserm ge- dieht Graswaldane, und in frühster zeit konnten sich waltant und wuotant vertreten, folglich waltan und wuotan. II setzt merkwürdige üferadezu wolt für woldan, und Wold begegnet an- derwärts für Wode, Wodan in Niederdeutschland (myth. 142)*. der name eines hohen gottes und kriegsgottes kann aber in den abstracten begriff des kampfes übergehen, ungefähr wie Ty^r in den von tir gloria (myth. s. 177), Mars in den von pugna, Zio in den von stürm, in Müllenhotfs schleswigholsteinischen sagen heiszt der wütende Jäger nicht nur Wode, sondern auch Wohl- jäger, Wold (no. 487. 495). 500), selbst die anwendung dieses mythus auf den dänischen Waldemar scheint durch den anklang seines namens herbei geführt oder erleichtert.

Was will oder kann sagen dasz der Woldan seine kirchen- pforten haue? auf keinen fall dasz der kämpf sich weiter räum gebrochen habe, wie es sonst heiszt rüm erhouwen Wh. 54, 13; mit dem swert gazzen slän Wh. 40, 18, da hier blosz von dem streit dreier kämpfer," nicht eines dichten heeres, die rede ist. es musz nichts als laut widerschallendes geräusch im walde ge- meint sein, ähnlich dem des wütenden Jägers, der wilden jagd. erzählte man etwa dasz der alte heidnische gott in der wildnis seine kirche aufschlage, die thür dazu zimmere?** eine volks- sage müste dafür beigebracht werden können, so würde alles verständlich, vielleicht wird auch vom teufel berichtet dasz er seine kirche baue, das dem schwerthauen oder lanzenbrechen verglichene getöse heiszt hier ein hacken; dies uns heute ge- läufige verbum [ist mnl.], kommt mhd. *** und ahd. kaum vor, und unterscheidet sich von hecken hacte, ahd. hecchan hacta, mordere, pungere, bicken, picken mehr der form als dem sinne nach.

Da der specht auch baumheck el heiszt, weil er mit dem Schnabel an die bäume klopft und im walde weit vernommen wird, fällt mir ein, könnte sein gelärm dem schwerterklirren gleichen und dasz er sich eine kirche haue vom bauen seines nestes verstanden werden, doch ist mir kein name des spechts 500 bekannt, der an woldan erinnertet (holzschreier, waldschreier

* Weldeuesberg. Laconibl. no. 283 (a. 1117). ** ein Stuben im wald hauen, weisth. 1, 400. stube wohnhaus. Schm. 3, ('05. des hevrn pfort nit schrooken. woistli. 2, 534. 537. 542. 545. siniu spiojiolholz üz der pforten houwen. Bit. 12330. *** MSH. 3. 191''. t littli. ulbauja woIuhü;«. der holzhacker winselt, serb. sluinja klikfie (kli kli kli).

188

DER WOLDAN.

meint den heher), und obgleich er dem Mars heilig war sträubt sich die entwickelte abstraction des Wortes woldan gegen di.^ anwendung auf den vogel.

Was man sich unter dem birkenhauenden waldmann vor- stellte ist eigentlich auch nicht sicher zu sagen, waldmann kann allerdings einen waldbewohner, waldbauer ausdrücken, einen förster; weisth. 3, 430 steht waltman dem förster ent- gegen und 3, 427 stehn förster und waldleute nebeneinander, die axt des zimmerholzfällenden waldmanns schallt gleich dem Schwerte der beiden. Garins 2, 121. [204. mort de G. p. 151.] de rustes cous commencent a ferir, charpentiers semblent qui en gaut soient mis; vergl. Wolframs Wh. 394, 13. den mhd, dichtem pflegt aber waltman einen waldgeist oder schrat zu bezeichnen (mythol. s. 451) und Boner 91 setzt waltman wo Stricker waltschrat. der waltman im Iwein 598. 622 heiszt walttore 440, hat ra- gendez här ruozvar 433, breite vermoste obren 441, trägt thier- häute und kolben und ist meister der wilden thiere, also ein übermenschliches riesenmäsziges wesen ; im altfranz. gedieht heiszt er zwar vilains, ist aber auch grosz und häszlich und hat oreilles moussues. von solchen moosleuten wird erzählt (mythoL s. 451) und das ir wizt wol liesze schlieszen auf sagen des mittelalters vom birkenhauenden waldmann. auch mit dem woldan der sich zur küche sputet wüste ich nichts anzufangen ohne die Voraussetzung umgehender Überlieferungen von einem wilden mann der sich im walde holz zum kochen fällt, an des dunkeln, von der wilden jagd entnommenen bildes statt setzten umdichter das vom waldmann, und doppelt gewendet.

Zu wünschen bleibt dasz entscheidendere Zeugnisse, deren es noch bedarf, aus alten dichtem oder der heutigen volkssage gewonnen werden.

Bei dieser gelegenheit einige worte über den letzten vers unserer stelle, timpen tampen, gebildet wie blicken blacken Helbl. 3, 317, zwicken zwacken, schlimpen schlampen und ähn- liche mehr (gramm. 1, 562), findet sich meines wissens nur zwei andere mal im Titurel und einmal im Lohengrin. 501 Tit. 190. niht zweier valken sweime

ich wa3n so hurteclichen ie geswiefe entwer mit timpen tampen dar und widere. Tit. 2011. als timpen tampen (Hahn tinpenpanten) valken

die ponder sich da wurren. Loh. 86. die tympen tampen man üf sluoc,

da von man (?) sich der reiger in die hoehe sluoc. es ist ein von der falkenjagd hergeholter ausdruck, den ich aber nirgend sonst antreffe, namentlich führen Friedrich des zweiten und Albertus magnus falkenbücher auf keine spur; wer

DER WOLDAN. 189

Labers gedieht gelesen hat könnte vielleicht daraus aufschlusz geben, die falken stellen den vögeln nach, vareiit vogel (gen. pl. ahd. filrent focalo) mit timpen tainpon, folglich ist tiinpen tampen das was die abgerichteten falken vornehmen um die vögel welche sie fangen sollen zu teuschen. so viel ich sehe gehören zum timpen tampen zwei falken, die über einander schweben; ihr hin und her schweifen wird den beiden auf Schionatulandcr stürzenden rittern verglichen. Albertus m. de falconibus cap. 3 sagt sie enim optimum fit aucupium, (juando duo socii falcones vel plures se invicem ad invicem adiuvant; fit enun nonnunquam quod superior falco superius sequitur avem, donec videat eam esse in proportionato situ percussionis .... venatur autem solus bonus falco, sed melius venatur cum sociis vel socio, quia in ascendendo vel descendendo" necesse est moram fieri, et in illa elongatur praeda, si socius non impediat. warum aber dieser hin und her, auf und ab fahrende sweime der falken timpen tampen heiszt kann ich nur vermuten, nicht bestimmt angeben, timpe bezeichnet nd. und nnl. spitze, zipfel, Ducange hat timba limbus cappae, kappenzipfel und tympa cauda equitis; tympanum die pauke kommt gar nicht in btv tracht. im Teutonista timp retropendium, relipendium (?), bei Kilian timp fascia collum ambiens; schwed. timp lobus auris (ohrzipfel), vitta, orriamentum capitis, timpen tampen wäre gleichsam zipfeln zapfein, hin und her flattern, wie der zipfel eines bandes flattern, und gälte für den bald steigenden bald gesenkten flug. das wort aber müste den falknern aus romani- schem oder niederländischem Sprachgebrauch zugeliefert worden sein, denn der mhd. inlaut verträgt kein mp (nur mb und mpf) und begehrte zimjifen zampfen; also ist timpen tampen entlehnt 502 wie wimpel (roman. guimpe, gnimple), tempern, gumpel. die aus Lohengrin angeführte stelle scheint meiner deutung entgegen timpen tampen für ein geräth zu nehmen das man beim beginn der jagd aufschlug; sollten aber hier timpen tampen nicht die aufsteigenden (aufgeschlagenen) falken selbst sein? wie sie auch Tit. 201 1 timpentampenvalken heiszen. das vären oder sweifen mit timpen tampen entscheidet.*

Ich verstehe auch nicht recht das federzünden Tit. 6, 60

ir wirdikait gieng seyden grosz nit irre.

vnd f\ior für sich in alle reich zuo künde.

auf nemende sam der valcke

wan er von hoehe enphahet veder zünde, bei Hahn 628

ir werdikait gie disen gruz niht irre.

die rihte ward ez für sich in die künde.

* ein tinipeutanip. H. Sachs, bei Dornavius 1. 70^^ wird ein apothoker augeredet: Herr timpertemp! der luft began sich timpfen (trüben, decken?) l'it. 4094. nb. Wolkenst. p. 75 wann ich ir schellen hoer Taste timpelieren.

j()Q DER WOLDAN.

gelich dem valken nemende.

swenn er in hoeh enphahet vederzunde. etwa wenn abends von untergehender sonne die federn des hoch in die luft steigenden beleuchtet werden? übrigens lehren alle diese besprochenen stellen welche vielfache arbeit mit dem Titurel noch will vorgenommen sein.

Nachdem dies geschrieben war stosze ich in Asbjörnsens norske Huldreeventyr og folkesagn, Christiania 1845 1, 188 auf folgende sage, im kirchspiel Vaage hebt sich ein kleiner von tannen gekrönter berg mit klüften und steilen wänden, Jutuls- bjerg benannt, eine der glatten wände zeigt durch ein natur- spiel eine pforte. steht man auf der brücke über die wilde Finna oder auf den wiesen jenseits und schaut nach dieser pforte, so erscheint sie mit den hängenden birken und dem üppigen laub zu einer doppelthür gebildet, die sich oben in go- thischem Spitzbogen schlieszt. alte weiszstämmige birken stehen wie seulen zur seite, doch ihre hohen gipfel reichen noch nicht zum beginn des bogens, unter welchem die Vaager kirche mit dach und thurm räum fände, diese thür ist der eingang zu des riesen schlosz, 'die Jutulspforte', ein ungeheures portal, wo- durch der gröste riese mit fünfzehn häuptern gemächlich ohne seinen nacken zu beugen gehen kann, wollte jemand in alten 503 tagen, als noch verkehr zwischen göttern und menschen war, etwas leihen bei dem jutul oder sonst mit ihm reden, so war es brauch einen stein an die pforte zu werfen und zu sagen 'lasz auf, jutul!'

Klopft man heute an, so wird nicht aufgethan, der riese scheint niemand mehr sprechen zu wollen ; aus den vielen spuren von Steinwurf in der pforte darf man schlieszen dasz er über- mäszig mit besuch belästigt wurde, einer der letzten die ihn zu gesicht bekamen war ein mann aus demselben kirchspiel, Johannes Blessom mit namen, der in Kopenhagen zu schaffen hatte und sich schon zur heimreise rüstete, als ihm dort auf der strasze, es war julnachmittag, ein groszer schwerer kerl in weiszem kittel, wie man sie zu Vaage trägt, mit knöpfen wie silberthaler, vorbeistrich. beide schienen einander als landsleute nicht unbekannt, 'du gehst schon fort?' sagte Johannes, 'ja ich eile, denn ich soll noch heut abend daheim sein.' 'ja, wenn ich hinkommen könnte, ich auch.' 'du kannst mit mir aufstei- gen, ich habe ein pferd, das in der meile zwölf schritte thut.' sie reisten, und Blessom hatte alle mühe sich aufrecht zu halten, denn es gieng durch wind und wetter dasz er weder himmel noch erde sehen konnte, einmal stiegen sie nieder und ruhten, wo, konnte er nicht erforschen, denn gleich gieng es schon wieder fort, es war ihm als sehe er da ein todtenhaupt auf emer stange. als sie ein stück weiter waren, begann Johannes zu frieren: 'ich vergasz meinen einen handschuh da wo wir

DER WOLDAN. IIU

ruhten, nun frierts mich an der fanst.' 'gedulte dich nur nocii ein wenig, denn wir sind nicht mehr fern von Vaage, und wo wir ruhten war es halbwegs.

Eile sie zur Finnebrücke gehingten, hielt der mann an und setzte Johannes ab; 'nun hast du nicht weit heim, aber du sollst mir geloben dich nicht umzuschauen, wenn du lärm hörst luid helle siehst.' Blessom gelobte alles und dankte, wie er nun gieng, hörte er bald ein heftiges krachen im Jutulsberg mid mit einem mal wurde es so licht auf dem weg vor ihm dasz er hätte können eine uadel aufheben, da verjjasz er seines gelübdes, drehte das haupt um, und sah dasz die Jutulspforte weit aufstand und es durch sie leuchtete wie vor tausend lichtem, mitten in der Öffnung sah er den jutul, und das war der mann, mit dem er geritten war. aber seit dieser zeit sasz dem Johan- 504 nes Blessom sein haupt schief und blieb schief so lange er lebte.

Es war also kein fehlschlusz dasz ich volkssagen von pfor- ten des waldmanns, des riesen, des gottes vermutete*, denn dieser norwegische jutul, der in der julzeit aus Seeland nach Norwegen über das meer setzt, gleicht aufs haar dem blinden greis, der mit Hading durch wasser und luft reitet (mythol. s. 133), donner und blitz, unter welchen er verschwindet, be- zeichnen den gott. sogar dürfte das ungeheure thor, unter dem die kirche mit ihrem thurm stehen, der funfzehnhäuptige durs gehen kann, gemahnen an die thür der göttlichen Walhalla, aus der achthundert einherien auf einmal schreiten, aber freilich eins noch mangelt, um den bezug der Titurelstelle auf unser heiden- thum zu sichern, es miiste sich aus dem mythus das aushauen und erbauen der pforte in der riesenburg oder götterwohnung ergeben ; in der norwegischen sage steht sie blosz als erbaut.

BEMERKUNGEN ZU MUNCHS AUFSATZ ÜBER DIE

INSCHRIFT AUF DEM BEI GALLEHUUS UNWEIT

TONDERN IM JAHRE 1734 GEFUNDENEN

GOLDENEN HÖRNE.**

Monatsberichte 1848 s. 57. 58.

Durch abftthrung der beiden im jähr 1639 und 1734 bei 57 Tondern ausgegrabnen goldhörner in die Kopenhagner kunst- kam mer ist den herzogthümern das bedeutendste denkmal ihres alterthums entrissen worden, dort stahl sie im j. 1802 ein dieb,

* liohes thor dos riesen. Müllenlioff s. 266. Wigands thor. Schreibers tb. 3, 220. Nanzen burgedor. cod. lauresh. no. 1976. ** [ebd. s. 39 56.]

192 ZUM GOLDNEN HÖRN VON TONDERN.

aus dessen bänden man nur des zusanimengeschmolznen metalls wieder habhaft werden konnte, zu Schleswig oder Kiel gelas- sen wären sie wahrscheinlich noch jetzt vorhanden und hätten den dänischen gelehrten sinnlose deutungen erspart, wie man die von Henneberg ohne anstand nennen kann, glücklicher- weise waren früher abbildungen genommen, jetzt ist es sehr verdienstlich, dasz ein norwegischer gelehrter die merkwürdige inschrift des einen horns, mit hilfe des bracteatenalphabets, richtig gelesen und zur gewisheit gebracht hat, dasz ihre runen nicht aus der altnordischen spräche sondern aus der altdeut- schen gedeutet werden müssen.*

Von der gelieferten erklärung weiche ich doch in einigen wesentlichen stücken ab. vorerst sehe ich gar keinen grund die Gothen mit ins spiel zu bringen, da die spräche der in- schrift zwar der gothischen gleicht, aber, wie hr. Munch selbst hervorhebt, auch schon von ihr abweicht, alle deutschen mund- arten, je höher wir in ihr alterthum hinauf dringen können, werden der gothischen ähnlich befunden werden, was gewisse eigenheiten einer jeden nicht ausschlieszt. nach dem voran- stehenden ek sollte man freilich einen eigennamen erwarten, doch Hleva ist keiner und darf dem langobardischen Cleph (nicht Clepho) kaum verglichen werden, dessen PH ahd. F wäre, dessen C nicht zu H werden kann. Hlevagastim scheint viel- mehr eine Zusammensetzung, für welche die angelsächsische spräche entscheidende analogien darbietet, im Q'edmon erscheint häufig der ausdruck hleomajg im sinn eines vertrauten und ge- liebten verwandten und nicht anders gibt hleodrybten im cod. exon. 324, 13 den geliebten herrn kund, hleo drückt aus, dasz ein gegenseitiges Verhältnis des Schutzes und schirras zwischen verwandten, herrn und diener eintrete, vrihan hleosceorpe, hleo- ösbordum cod. exon. 391, 15. 408, 14 bedeutet mit schützendem gewand und schild decken, ein ags. hleogäst würde also, was unser hlevagast, den befreundeten, in schütz stehenden gast be- zeichnen, diesen gasten, was die inschrift besagt, wurden beide trinkhörner (horna pl.) geschenkt, ihrer kostbarkeit nach musz man schlieszen, dasz gaste und der geber vornehme, reiche männer waren, horna tavian halte ich nicht für die hörner fertigen, sondern schenken, wie thun noch heutzutage häufig m die Vorstellung des gebens übergeht, welche sogar seine ur- sprüngliche ist, wenn taujan und thun dem griech. oiSovat, lat. dare und donare identisch sind, des edlen gebers name war den gasten eingeprägt, er brauchte auf der inschrift nicht aus- gedrü(;kt zu sein. Holtingam deutet hr. Munch vollkommen richtig Holtsatis, hier kommt also zum erstenmal der name * [Mimch liest:

. EKHLEVAGASTIM HOLTINgAM HORNA TAVIDO. Ego Hleva hospitibus silvicolis cornua feci.]

ZUM GOLDNEN HÖRN VON TONDERN. 193

Iloltingos vor, worunter die vorfahren der heutigen Holsteiner gemeint sind; in noch früherer zeit hieszen sie Harudes, von harud, ahd. hart silva, so dasz beide Benennungen für identisch gelten müssen, die ganze kimbrische halbinsel war ursprüng- lich von lauter nahverwandten germanischen (d. h, unscandina- vischen) stammen bewohnt, zu welchen auch die ahnen der Juten gehören, die erst lange nachher danisiert wurden, ent- weder auf der halbinsel selbst oder bei einem andern nahe woh- nenden stamm mögen die hörner gefertigt und den Holtingen verehrt worden sein, sieher noch in heidnischer zeit, vielleicht des fünften, sechsten, siebenten Jahrhunderts, denn ich sehe keinen grund, der älter hinauf zu steigen zwänge, was tavido betrift, so wird das O wie in horna kurz sein, da diese runen für den unterschied zwischen o und 6 kein zeichen boten, ob die erste und dritte person durch den ausgang tavido und tavida geschieden werden, wissen wir nicht, weil die dritte hier nicht vorkommt; zur Unterscheidung ist aber kein grund, da die ahd. ags. alts. und goth. spräche beide personen gleichsetzen, wie sie auch im starken praeteritum überall gleichlauten; denn ini schwachen praet. steckt nothwendig ein starkes, mag nun ta- vido recht, oder für tavida eingeschnitten sein, beide personen werden dieselbe flexion gehabt haben, schlieszlich bemerke ich, dasz man eine wollaütende alliterierende zeile empfängt, wenn man nur das wort Holtingam voranstellt:

ek Holtingam hlevagastim horna tavido.

Holtsatis intimis hospitibus pocula dedi.

DIE FÜNF SINNE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 6. 1848. s. 1-15.

Beim durchlesen der zwanzigsten abhandlung in Lobecks i rhematicon, de vocabulis sensuum eorumque confusione, kam mir doch wieder vor, dasz die scholiasten und kritiker oft ohne alle noth die tiefsten und natürlichsten ausdrücke der dichter und des Sprachgebrauchs anfechten, denn der poesie ist es verliehen geheime bezüge der dinge plötzlich zu ahnen, und dem Volk, welches jenen brauch lenkt, sie unschuldig zu bestä- tigen, mir scheint das aeschylische xxuttov SsSofixa ganz vor- trefflich und Sünde wäre, es anders nur zu wünschen; Virgils raugire videbis sub pedibus terram musz jedem höchst ange- messen scheinen der erwägt dasz auf gesicht und gehör zusam- men, in demselben augenblick (oder soll ich sagen mit einem

.1. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 13

J94 I>IE FÜNF SINNE.

schlag, poTTTJ?) eingewirkt werde, den Bentley beschleicht also krittelei, wenn er zu der unverbesserlichen horazischen stelle 'nonne vides ut nudum remigio latus antennaeque gemant' an- merkt 'placetne illud vides ut gemant? oculisne percipi poterit gemitus? crediderim gemitum auribus potius sentiri.' unsere eigne, hierin feststehende alte spräche soll bezeugen wie über- flüssig dieser tadel war; ich hebe nur beispiele des soloecismus aus, wie sie mir zu banden sind: es wird noch andere genug geben.

Maria 154, 1

sie sach an einem aste die sperchen schrien vaste. Freidank 47, 20

der diep ist gar an äugest niht swä er vil gerünen siht. Heinrichs von Freiberg Michelsberg 120 ouch liezen da zesamne gän die beide so nitliche daz man daz ertriche sach biben von ir orse louf. Neidhart MSH. 3, 189"

als diu swin hortich si kerren und sach si vaste limmen. Leysers predigten s. 140

den leven er sach ob im brimmen. [Nib. 305, 1

fröude unde wünne und michelen schal sach man tegeliche vor Guntheres sal. (umgekehrt hören für sehen 1986, 1

er hörte beidenthalben die vlende stän.) Erec 448

der schal den er het gesehen. Parzival 118, 24

eins tages si in kapfen sach

üf die boume nach der vögele schal. Karlmeinet 145, 39

Floiette sach Galien

so bitterliche schrien. Helbling 15, 240

sach ich vor

einen riehen dienstman

sinen kneht ruofen an. . Heinrich von Krolewiz 960

MS 9^ ™^" ^'^ ^"^^^^ ruofen sach.

ich sach einen röten munt also minneclich erlachen.

DIE FÜNF SINNE. 195

Megenberg 16, 19

also siht man diu kindleu schreien vor den wälden. Trojanerkrieg 12222

diu roten und diu wizen banier sach man da snurren. hundesnot 3. 7. (Reinh. s. 291) do sanc ein leriche do der bunt daz gesach. Krane 881

daz sviften van üch sacb. weisth. 1, 469

sagen zu = hörten zu. Diocletian 7028

die weil man solichen ruof hie siht (lärm hört). Schelmufsky 2, 80

da hätte man schön schreien gesehn, zehn eben eines mannes s. 8

ich habe sie nach den mannsleuten ächzen sehen. Geliert 1, 156

lächelte, dasz er sich fragen sah. Lessing 6, 449

sprechen sehen. Wieland 8, 183 "

die gesellen des verwundeten, da sie den lärm sahen, hatten die flucht genommen.] und nicht anders bei den Niederländern, z. b. Maerlant 2, 67 teen es dat juedsce diet, dattu sies also screyen, [Lancelot 30099

daer hi ene brucge vernam, ebd. 31672

dat ic rosen ontspringen vernam, im angelsächsischen, z. b. exon. 413, 9

ic seah sellic j^iing singan, im altnordischen, z. b. Egilss. 248

sattatu gialla und im altfranzösischen, z. b. Aubery s. 6 Basin ne 1' verra mes parier,] auch hat Luther bei exod. 20, 18, wo es in der vulgata heiszt 'cunctus autem populus videbat voces et lampades et sonitum buccinae', in den Lxx xal r.aq 6 \ahz itupa tt^v cpojvTjv xai xä? Xati-raSa; xat -rjv cpojvTjv ■zr^q oaXrfY-yo?, getrost verdeutscht 'und alles Volk sähe den donner und blitz und den ton der posaune'; [20, 22 vulg. vidistis quod de coelo locutus sim vobis, Luther: ihr habt gesehen, dasz ich mit euch vom himmel herab geredet habe; 1 Sam. 19, 20 vulg. cum vidissent cuneum prophetarum vaticinantium , Luther: und sie sahen zween chor propheten

13*

jgg DIE FÜNF SINNE.

weissagen; Marc. 5, 38 Oscopsi »6püßov, Ulfilas sahv auhjödu vulg videt tumultum, Luther: sähe das getümmel; apocal. 5, 2 eloov ä'YYeXov xyjpuaaovxa, vulg. vidi angelum praedicantem, Lu- ther: ich sähe einen engel predigen;] nicht weisz ich, ob andere Übersetzer gestrauchelt haben, solche ausdrucksweisen soll man sammeln und hervorheben, aber lobend, nicht rügend.

Auf diesen anlasz sind mir alte collectaneen über unsere verschiedene bezeichnung der fünf sinne in den wurf gekom- men, die ich hier mittheilen will und woraus sich die gemein- schaft der einzelnen sinne unter einander noch weit besser an den tag legen wird.

Den vornehmsten aller sinne bezeichnet in unsern sprachen einstimmig das verbum sehan, goth. saihvan u. s. w. es ist eine merkwürdige Übereinkunft mit dem griechischen, dasz wir wissen, ahd. wizan, goth. vitan, für den begriff" des lat. scire verwenden, vait weiz otSa,* skr. veda = scio, während iMv iUabai noch videre ausdrücken; aber das slavische vid- jeti, das litth. weizdmi folgen der lat. bedeutung videre. [Pott 1, 246.] umgedreht, das lat. scire ist buchstäblich ge- radezu unser saihvan sehan: man braucht einen vocal einzu- schalten und begreift die gleichheit beider, C entspricht dem H, wie in dicere teihan, decem taihun, also sacire secire sicire saihvan, das V nach H bricht im lat. scivi vor.** die Ver- wandtschaft von seco securus u. s. w. lasse ich hier liegen^, 3 schlage aber als bedeutsam an dasz im ahd. neiz, ags. nät aus niweiz, ne vät = nescio ähnliche kürzung eintrat: der häufige gebrauch eines solchen worts forderte sie in den sprachen in- stinctmäszig.

Auch die andern Wörter seien kurz angeführt, schauen, goth. skavjan, altn. skoda, schwed. skäda, lett. skattiht, ahd.

* ags. ic Tat = I saw. exon. 439, 9. ** Benf. 1, 220 saihvan aus saaks sequi, EnofAai mit den äugen folgen, sehen. 1 die lateinische spräche ist dem fahrenlassen des wurzelvocals nach an- lautendem consonant abhold, anders ausgedrückt, ihre anlautenden Verbin- dungen SC CR PL PR unterscheiden sich genau von den formen SEC CER PEL PER, oder welchen vocal zwischen die consonanten man schieben wolle. im griechischen und gar slavischen ist die vocaltilgung an solcher stelle da- gegen häufig: Tr£TO[i.at TrexYjvds Trxrjvd? Tirepov (fedara), i}av£lv i^ccvcito; t)vTja7.u) {^vYjxdj, xapa xapTjvov xpavt'ov xpa; -xp^vr] (caput aquae, Lobeck s. 128 noto, vgl. ahd. baches houbit, Rinaha houbit u. s. w.) und viel dergleichen, der frühere stand des lateins musz indessen die syncope schon gelitten haben, rührt doch latum aus tlatum xXTrjxdv = tolatum talatum, vgl. tolero, goth. pula; also kann ihm ein gleich altes secio für scio zugetraut werden, [vgl. sculna für seculna. Gell. 20, 11, 2. glutio ingluvies von gula. glacies = gelacies? wie glans p. zolud.^ goth. slavan, lat. silere.] der Italiäner macht aus securis scure und für die abkunft von curis quiris aus securis stritte mancherlei allen einwän- den zum trotz, seltsam dasz der Engländer sein aus franz. sür stammendes sure ausspricht als hafte noch die gutturalis dazwischen; altfranz. sagte man m zwei silben seur, prov. segur, span. seguro, ital. sicuro. second in des Franzosen mund klingt heute fast wie scon.

DTE FÜNF SINNE. 197

scouwon. spehön, spähen, lat. spicere, spectare, vgl. species Etoo?, speculum specus aireo? u. s. w. kiesen, goth. kiusan, gr. "Ceustv -(euaaaJyoti, lat. gustare (gustus = goth. kiistus, ahd. chust) greift also in den vierten sinn über; doch liiit das ahd. chiosan, mhd. kiesen deutlich den begriff des bloszen sehens*" und steht zumal gern vom erschauen des tageslichts:

ich kiuse nu den tac Nib. 2060, 1.

nu kiusich den tac Walth. 89, 18.

kurn den liebten tac Eracl. 187.

kurn den tac Greg. 805.

unz ich den tac erkiese (videam) Gudr. 1351, 3.

Parziväl den tac erkös Parz. 282, 4.

[den (tac) kos man niht bi lerchen sanc Parz. 378, 7.]

ich kiuse kume hie den tac Dietr. drachenk. 193*.

den morgen er kos gute frau 1543.

kür daz morgenröt Trist. 17333. wir sagen 'ich wittere, spüre den tag, morgenluft' und ich habe gramm. 4, 848 bereits die beziehung von kiesen auf wetter und naturerscheinungen angegeben, ein ort in Ostreich hiesz bei der weterchiesen Rauch 1, 430, und ein weisthum von 1539 (1, 835) braucht dafür sehen, 'umb x vhren vngeuerHch vor 4 mittage, wie es im weithem felde nach ansiehung der lufft zu erachten wäre.' von .einem sterbenden sagten die Angelsachsen godes leoht geceäs Beov. 4934, er gieng gottes licht zu schauen, und hierher schlagen die bedeutungsvollen ausdrücke ein den tot kiesen, den sige kiesen, wie sie gramm. 4, 608 myth. 389 in andrer absieht zusammen gestellt sind, an den begriff des Sehens reicht ferner unser warten, das gleich dem lat. tueri aufsehen, bewahren, pflegen aussagt; daher ist den romanischen sprachen ihr guardare riguardare, garder regarder entsprungen, dem goth. vleitan vlait, ags. vlitan vlat, altn. lita leit, mit der bedeutung ß^.STTrstv (woher das goth. vlits, andavleizns 7:p6?a>rov, ags. andvlite, ahd. antluzi, nhd. antlitz) steht zur seite das sl. gljadati, serb. gledati, böhm. hledati ; doch fordert zu vlits das sl. litze TTposw-ov und lat. vultus vergleichung. endlich aus ahd. luoken, arluoken prospicere, prominere, mhd. luogen, nhd. lugen, ags. löcian, engl, look, leitet sich ahd. luoc cubile, specus (spe- cula von spicere), schlupfhöhle, aus der das wild schaut.

Unser hauptwort für den zweiten sinn ist hören, goth. hausjan, ahd. horran höran, mhd. haaren, alts. hörian, ags. hyran, engl, hear, altn. heyra, welches Graff 4, 1001 falschlich der skr. Wurzel sru (soll heiszen shru, oder wie andre schreiben pru) überweist, zu welcher das nachher zu nennende hlosen gehört, mit gröszerm schein hat man hinzugehalten goth. ausö, ahd. ora,

* ich kos = sah. MSH. 3, 174^*. 176". kieset an iuwer buoch. IIG^. franz. choisir. veu et ohoisi. Garins 1, 108. ne viser ne choisir. mort de Garin p. 224. vgl. cerno disceriio video intcUigo eligo.

19g DIE FÜNF SINNE.

ags. ear, altn. eyra, litth. ausis, [griech. ou?.] lat. auris (f. ausis) und audire,* dergestalt dasz entweder in diesen allen II ab- gefallen, oder in hausjan zugetreten wäre.** gleicbwol ist selt- sam dasz niemals weder ausjan für hausjan, noch weniger hauso für ausö irgend auftaucht, und mir wol eingefallen, ob hier nicht deutsches H dem lat. li (wie in himmadaga, hiutu hodie) gleichstehn und haurire hausi verglichen werden dürfe? haurire bedeutet oft percipere, sentire, auribus haurire geradezu hören, wobei noch zu erwägen bliebe dasz im altn. ausa haurire, ausa haustrum, ahd. osan exhaurire, mhd. oesen vastare wiederum aphaeresis des H stattfindet, das offenbare Verhältnis zwischen osan vastare und ödi vacuus vastatus jenem zwischen auris und audio gleicht. stärkere kühnheit wäre, dies haurire sentire 5 sogar zum gr. opav zu stellen (dessen kurzes O sich schon er- klären liesze) und aus dem allgemeinen percipere in das beson- dere videre überzuschreiten: dann stände der Wechsel beider begriffe vollends gerechtfertigt; man hat längst gesagt dasz im Oedip. Col. 138

opav dxousiv vertrete, [horchen ist ahd. horahhon, ags. hyrc- nian, engl, hearken.] ahd. hlosen audire, hlust auditus, goth. hliuma dxovj, ahd. hliumunt rumor und mit abgelegtem H mhd. losen liument liumet, nhd. lauschen leumund, bekennen sich zu einer wurzel mit xXusiv [cluere sl. sluti] und dem litth. klau- syti; hier scheint das skr. shru am rechten ort, dessen R dem L der übrigen gleichsteht.

Welches goth. verbum den dritten sinn ausdrückte ist in den bruchstücken des Ulfilas nicht zu entnehmen; liesze sich das subst. dauns odor halten zu dem noch dunkeln afdaui])s Matth. 9, 36 exoletus? evaporatus? wenn hier das griech. wort auf diese begriffe führen kann; dauns gehört zum ahd. toum vapor (vgl. skr. dhma flare), tunft tunst nebula, [mhd. duft odor,] und selbst berührung mit touwan mori, exhalare, exspi- rare, goth. divan dau, wäre denkbar, ausduften grenzt an ver- duften, welken, absterben, dies daujan, wenn es sich bestätigt, böte ein schönes wort dar, gleich dem lat. halare, spirare, odo- rem emittere, und man erinnere sich dasz den Gothen auch usanan exspirare, ausathmen, bedeutete***.

* audire Pott 1, 138 = aus dare, ohr geben; auscultare 1, 213. 280 = aun cluere. läpp, pelje, bälje auris, ungr. fül, vielleicht zu unserm fühlen? Castren in Suomi 1844, 31 hält dazu finn. pieli, das aber sonst pfähl bedeutet. (finn. korwa ohr der thiere. est. körw.)

. **• n^^u ^^} hausja: dxoüw. vgl. Benfey 1, 42. Pott 1, 138. zu haus- jan vielleicht skr. ghoscha auris, pers. güsch und dann auch ausö, ora, au- ris usw. '

j*t ¥' f!'^,*" .^P^'^^ exspiro, a(a&avo(j.äct empfinde höre rieche sehe. vgl. oCoJ und 5a5ü> 68(x^ dop.^. ^

DIE FÜNF SINNE. 199

Die Althochdeutschen hatten mehr als ein wort, drähan bedeutet odorare, spirare, drasön redolere, sternutare; mhd. dnehen. Wolfram Parz. 171, 23

ir kunnet ha'ren unde sehen,

entseben unde dr.i;hen:

daz solt iuch witzen naehen. auch Jvaii4)recht im cod. giss. 66'' verbindet smecken grifen unde dnehen; im Renner 9595. 9600 steht drehen : sehen, gewis hängt der begriff' zusammen mit dem des drehens, der duft steigt auf und dreht sich, volvitur, fertur. * Ein anderes wort ist suehhan olere fragrare foetere, woher ich das adj. suah in- firmus, wiederum exoletus, leite (gramm. 2, 27); sueh ist odor sapor, suehhar foetidus, mhd. swecher, übel swecher Iw. 208 D, suehhado foetor; ags. sväc odor; altn. svak flatus, svaka flare. mhd. wazen flare, spirare fundgr. 2, 144, läszt auf ein ahd. 6 wjizan wiaz oder vielmehr huazan huiaz schlieszen, von wel- (!hem blosz das comp, farhuazan exsufflare und dann abstract abomiuari, recusare übrig ist; das häufige Scheltwort farhuazan, mhd. verwäzen, musz ursprünglich was suah und afdauijDS be- deutet haben, exoletus, verwünscht, verflucht (mythol. s. 1173): weim Lye ein ags. hvätung divinatio anführt, so sehe ich darin die Vorstellung von efflatus Ittikvoioc. wäzamo manno O. IV. 31, 7 ist noch eine schelte; fluch der menschen, von den menschen verflucht, ahd. stinchan olere, redolere**, stenchan suffire, fra- grare, ags. stincan odorare, exhalare, foetere, stencan spargere; das altn. stöckva ist auszer aspergere auch abigere, welche be- deutuug gerade dem ahd. wäzan zukommt (Graff" 1, 1087). goth. stigqan xotixsiv, tundere, offendere (nares?), ahd. riohhan olere, fumigare, ags. reocan, altn. riuka, mhd. riechen fumare, mit rauch fumus vapor, wie das vermutete daujan mit dauns odor, verwandt; mnl. rieken Maerl. 1, 51. 2, 161. im hochdeutschen herschte die neutrale bedeutung vor, die active scheint mehr niederdeutsch, das altfriesische hrena olfacere (Richthofen 828'') könnte an pi'? pivo? gemahnen, näher jedoch liegt das ags. hri- nan, ahd. hrinan rinan tangere; nur wäre zu schreiben hrena = rina, wo nicht hrena = hreinan gemeint ist***.

Für den vierten sinn vermute ich keck ein goth. safjan, sof, das sich zu sapere, wie hafjan zu capere verhält, mithin ahd. seflPan, sevän, alts. sebian fordert; es ist aber nur ahd. intseffan, mhd. entseben übrig, in der angeführten stelle Parz. 171, 24 noch ausdrücklich gustare, sonst aber schon allgemein sentire, intelligere bedeutend, auszerdem galt, wie schon vorhin

* doch mhd. ist drjBhen odorare verschieden von draejen drehen. ** Windhorger ps. 113, 14 wazzent, Trierer drehent, N. stinchent. *** skr. ghr;i riechen, ghräna odor zu ghona nasus = ir. sron, gr. ^tj, also auch fries. hrene olfactus. altn. ängi suavis oder, änga fragrare; norw. anga, aanga, schw. änga.

200 DIE FÜNF SINNE.

gesagt wurde, dem -^soaaabai und gustare entsprechend kiusan; wenn Col. 2, 23 die worte [xt] a^-(], [xtjos ^süaij, ji-r^os öq^is über- setzt sind ni teikais, ni atsnarpjais, ni kausjais (vulg. ne tetige- ritis, neque gustaveritis, neque contrectaveritis), so sind offenbar im gothischen text die beiden letzten verba verschoben, denn snairpan (ahd. snerfan) oder snarpjan ist Ot^Tavciv contrectare. das gewöhnhche verbum ist aber ahd. smecchan, mhd. smecken, ags. smecgan, altn. smacka; die goth. form wäre smigqan oder Tsmagqvjan. mhd. häufig smecken, und noch nhd. schmecken zuweilen für riechen, z. b. MS. 2, 200^ [Walth. 54, 13. smacken Eckh. 180, 7. ags. byrgean gustare Caedm. 33, 12, sonst sepelire. onbitan, alts. anbitan, mhd. inbizen. gr. 4, 650.]

Auch den fünften sinn können mehrere verba ausdrücken, worunter das älteste und merkwürdigste das gothische tekan taitok ist; dieser reduplication begegnet das gr. Texa^wv von einem verlornen TAFQ und noch entschiedner das lat. tango tetigi. von tekan taitok weicht im vocal, in der conjugation und bedeutung das altn. taka tok capere accipere: ahd. ist weder zächan ziah noch zahhan zuoh vorhanden; am meisten aber befremdet dasz die gothische von der lateinischen und griechischen form nicht lautverschoben ist, was das T angeht: G und K verhalten sich nach der Ordnung, hingegen die an- laute des ags. J)icgan Jjeah capere, alts. thiggean, ahd. diccan, altn. J)iggja lieszen vergleichung zu. die begriffe tangere capere liegen sich verwandt, das goth. greipan ist Xocjxßavstv und xpa- T£iv, das ahd. grifan rapere, tangere, palpare, das ags. gripan capere, rapere, das mhd, grifen vorzugsweise tangere: grifet her! palpate MS. 2, 26^ 179"; [grifen und sehen, fastn.sp. 886, 38;] nhd. ergreifen arripere, angreifen attrectare, apprehendere, pal- pare. ahd. hrinan, rinan tangere; ags. hrinan, altn. aber hrina adhaerere und clamare, welche bedeutungen ich nicht wol zu einigen weisz, es sei denn in bezug auf jenes fries. hrena rie- chen: wie die bin me duftet, kann der laut erschallen, gleichsam rufen, ahd. fuohm palpare, mhd. vüelen, nhd. fühlen, ags. ge- felan, engl, feel, altfries. fela, mnl. nnl. voelen bevoelen Maerl. 1, 80. 2, 65. 3, 294. 321; dieser ausdruck gebricht dem nordi- schen dialect. ahd. hruoran ruoran, mhd. rüeren, ags. hreran, engl, rear, altn. hroera, movere, commovere, tangere. altn. J)reifa palpare, tangere, schwed. trefva attrectare, ahd. trefan tangere, percutere, attingere (Graff 5, 525), auf welches sonst das altn. drepa percutere, ferire anspruch zu haben scheint; auch das poln. trafiac trafic, böhm. trefiti, ital. trovare, franz. trouver, prov. trobar antreffen, finden ^ kommen in betracht; es ist ein überflusz verwandter formen und bedeutungen, womit ich dies- mal nicht fertig werde, dunkel ist mir der Ursprung des ital.

' smecken und ervinden Maria 149, 1.

DIE FÜNF SINNE. 201

tastare, prov. tastar, franz. täter palpare, welches seit dem 13n jli.' gleichfalls iu unsere spräche dringt, nihd. tasten Parz. 8 285, 9. Lachm. Walth. 1(;2. [Marien hiunnelfUlirt IIGS bei Hpt. 5, 546.] grifen unde tasten fragni. 32". Amgb. 33"; es ist ein seltenes wort, dessen sich viele dichter nie bedienen, mnl. tasten Maerl. 1, 51. 91. 2. 161. nhd. tasten, betasten, antasten, alles überlegt, scheint mir tasten unmittelbar mit tangere und tactus zusammenhängend, wie forestum mit foreht, castellum mit schahtel, castellan mit schahtelan, und gerade so finden sich tehtier Wh. 412, 24. Eracl. 4732. MS. 2, 77'' für testier, ital. provenz. testiera, franz. tetiere; es war leicht aus dem H in S, oder umgekehrt, zu gelangen und romanische denkmäler früh- ster zeit müssen nachweisen wie aus einem tactare für tangere tastare wurde, franz. hat tatonner auch den sinn des lat. pal- pare = blandiri, adulari, liebkosen, da nun schwcd. smeka mulcere ausdrückt, mhd. smeichen blandiri, smeih blanditiae, wäre leicht berührung mit smacka gustare aufzufinden, [altn. snerta tangere, dän. snärte.] *

Wie sich heute die verschiedenen ausdrücke abstufen, weisz ich wol, vor alters könnte es anders darum gestanden haben, greifen und tasten sind uns härter als fühlen und rühren: wer an die band rührt und fühlt, thut sanfter als der an sie greift und tastet, tasten ist noch gröberes greifen, rühren und fühlen können innere bewegung anzeigen, doch mag auch die seele ergriffen, der gedanke angegriflfen sein, rechte werden gröblich angetastet, man begreift mit dem verstand, wie man mit dem herzen fühlt**, empfinden liegt zwischen begreifen und fühlen, der geist begreift und empfindet, das herz empfindet und fühlt, empfinden im Verhältnis zu finden macht mir jene Verwandt- schaft zwischen trovare und treffen ])reifa sehr wahrscheinlich, leid oder freude, wärme oder kälte kann man empfinden und fühlen, nicht begreifen (auszer abstract genommen), einen grund begreifen und empfinden, nicht fühlen, fühlen ist also sinn- licher, empfinden geistiger: wenn ich deine band in der meinen fühle, so empfinde ich freude; wenn ich deinen schmerz empfinde, so fühle ich eignen: die grenze zwischen beiden ist da wo das äuszere innerlich, das innere äuszerlich wird.

Wir haben manigfache Übergänge aus einem sinn in den andern wahrgenommen, wenn das sehen ein hören, das hören ein sehen, das kiesen ein wittern und schmecken, das riechen 9 ein schmecken, das fühlen ein empfinden, das greifen ein be- greifen wird und die ausdrücke wechseln, so ist den dich-

* N. Ar. 77, scheiulo, hörendo, stinchendo, smcchendo, crifendo. Dienier 35G, 9 goliorcn, sehen, rüren, stinchon, smechen. Karaj. 30, 11). 'li. 31, 2. 13. 19 gehören, daz lieht hän, stinchen, den smach han, ruoren. ** begrif sie sich gesduvind = reoolhViiMt'^ sioh. zehn ohen "271.

202 DIE FÜNF SINNE.

tern von selbst das recht gegeben einen für den andern zu

setzen

Unter allen sinnen der edelste ist der erste und es liegt tiefer grund darin dasz die sprachen das wissen vom sehen ableiten; doch gieng von früh an die Weisheit auch vom ge- schmack aus, sapientia von sapere**; als den romanischen spra- chen das lat. scire ausstarb, griffen sie zu sapere saber savoir***, und geschmack wird auch von dem gefordert der etwas sehen oder hören läszt. das allgemeine sentire hat im ital. und franz. den nebensinn von riechen, alle begriffe und empfindungen ent- springen aber aus dem fünften sinn des greifens und fuhlens.

Die verba des dritten und vierten sinns pflegen auszer der transitiven auch zugleich intransitive bedeutung zu zeigen: man riecht die blume, schmeckt den apfel und die blume riecht, der apfel schmeckt, den intransitiven tritt dann ein bestimmendes adverb wol oder übel zu, unterbleibt es aber, so herscht der begriff des übels vor. riecht, schmeckt, stinkt, ohne beisatz, sagen aus male ölet, male sapit; ja das ursprünglich vom guten wie vom üblen geruch geltende stinken hat all mal ich den guten sinn von sich ausgeschlossen und wir dürfen nicht mehr sagen, wie ahd. zulässig war, suozo stinchan.

Es verlohnt sich auch die substantiva zu verzeichnen, visus auditus olfactus gustus tactus verdeutschen wir einförmig gesiebt gehör geruch geschmack gefühl [oder äuge ohr nase zunge band], von den gotbischen Wörtern sind nur die vier er- sten zu haben: i siuns oi\iiq = saihvns. II hliuma dtxov^. iii dauns ^a[i,i^. IV kustus "(SUSI?, [v unsicher,] denn gaviss übersetzt acpr^ in der bedeutung von nexus, nicht von tactus; warum sollte man nicht vermuten teks oder tehts? ahd. i siuni, gisiuni. II gihöri, gihorida. iii staub, stunha, suehhado. huäzamo? IV smacch, gismahmo. v gihniorida. [alts. iii stank, unsuoti suek. Hei. 124,21. stunka olfactus Diut. 2, 193^] ags. i gesyne. II hlyst. III sväc. iv smäc. v hrin. [fries. i sione. ii here. iii hrene. iv smek. v feie.] altn. i syn. ii heyrn. in dann. IV smeckr. [auch bragd für odor und sapor.] v ätak. snertr. mhd. i gesiht. ii gehoerde. iii wäz Maria 147, 32. 159, 40. fundgr. 1, 160. Wh. 2, 14. Pfeiffers pred. 1, 362. des äses wäz loOttoc. 443^ wäze Bari. 48, 21. smac fundgr. 1, 160. Wh. 240, 9. MS. 2, 200\ Bari. 48, 18. Pfeiffer pred. 1, 321. [drsehe Bhker 78. dräs Reinh. 650. swelge Eckh. 180, 28. brat, die rösen gebeut süezen brät : spät. Laurin 371. vgl. brodem mhd. brädem gr. 2, 150.] iv gesmac, smac Renn. 9595. [smach Mar. 147, 32. smac ioh stanc. vom geloub. 311.] v gerüerde. zu

* indisch fünf, sechs und eilf sinne. Holtzm. ind. sagen 3, 124. eilf ent- stellungen der eilf sinne, ebd. 128.

** Petron. nO, 5 nesapius = insipidus. •• nur walach. sciu = scio.

DIE FÜNF SINNE. 203

waz und smac iindet sich meistentheils guot edele süeze oder iibole gefügt, und smuc kann odor wie sapor bedeuten, nnl. I geziclxt. II gehoor. iii renk. geur. [mnl. göre Kose 1543. 1089. 1726. 28t)5. bei Wizlau gen] luclit d. i. luft, Witterung, rv smaak. v gevoel. schwed. i syn. ii hörsel. iii lukt. iv sniak. V känsel = sensus. engl, i siglit. ii liearing. iii smell. stink, scent. IV sniack. taste, v f'eeling ^

In allen sprachen drücken eigne adjeetiva abwesenheit oder Verlust der beiden ersten, als der wichtigsten sinne, aus, ge- wissermaszen auch des fünften; warum nicht des dritten und vierten? wer nicht riechen oder schmecken kann, leidet unver- hältnismäszig geringere einbusze als der blinde taube und lahme luid die sj)rach(> hat keine besonderen Wörter dafür*, geruch- los, geschmacklos können /war auf den riecher und schmecker, ebenso aber auch, nach der vorhin bemerkten intransitiven natur solcher ausdrücke, auf die gegenstände gehen, welche gerochen und geschmeckt werden sollen, gesichtlos, gehörlos, gefühllos beziehen sich nur auf die person, nicht die sache. statt dieser mangelnden adjective für die abwesenheit des dritten und vier- ten sinns gesellt sich aber eins hinzu, welches den abgang der spräche anzeigt, deren vermögen nicht unter die sinne gerech- net wird.

Eine Zusammenstellung der vielfachen Wörter für die fehler der sinne, wobei ich aber etwas mehr in fremde sprachen ein- gehn musz, soll den in der spräche unvermeidlichen Übergang der einzelnen sinne in einander noch anschaulicher machen, fast alle solche adjeetiva schwanken aus dem begrifi" des einzelnen Sinnfehlers in den allgemeinen des Stumpfsinns oder blödsinns und man begreift, wie sie dann wieder auf jeden andern ein- zelnen angewandt werden können.

Unser blind reicht durch alle äste deutscher zunge fast unverändert und hängt ohne zweifei zusammen mit der Vor- stellung blandan, trüben, mischen, bedeutsam finde ich das schöne mhd. ez enblanden (gramm. -1, 336) zumal von den äugen ii gesagt,

Parz. 231, 25 daz volc von drizec landen

möhtz den ougen uiht enblanden. Flore 7757 doch enblienden siez den ougen. es heiszt aber auch den banden und liden. unsere der compo- ijition ergebene sprac^he hat für blind alte und ausdrvu'ksvolle: ahd. staraplint (gramm. 2, 415), alts. reginblind, altn. helblindr,

' polii. I wzrok. u slucli. lu w^ch. powonienie. zapach. euch, smrod. IV gust. smak. v czucie. wczucie. böhm. i zrak. ii sluch. in öich. wüne. puoh. smrad. iv chut'. smak. v cyt. tknutj. [litth. kwäpas odor, kwepu odoro. finn. maku f. smaku gustus. ossetisch smag odor. Klaproth kauk. .spr. 204»\]

* schal insipidus.

204

DIE FÜNF SINNE.

miskor blindr, bei welchen allen manche nähere erläuterung zu geben wäre, haihs, das nur die gothische mundart aufweist, setzt Ulfilas für [AOvocpöaXjxo?, es ist buchstäblich das lat. coecus, doch cocles bestätigt den begriff der einäugigkeit, hängt nun cooles auch zusammen mit oculus, haihs mit augo, so dasz. H und C präfix wären? da fordert wieder betracht das litth. aklas = blind, aklatis blinder teufel (wie cocles coclitis) von dessen Wendung der mythus geht (mythol. s. 979), und an den einäuo'igen Odin (Helblindi) darf erinnert werden, die Letten sagen akls. aber im franz. aveugle, prov. avogol (Raynouard 4, 367), das den andern Romanen gebricht, steckt nochmals ocu- lus und die partikel ab scheint in der wirkung jenem praefix H und C analog, [vgl. ougen äne. Walth. 69, 27. die liehtlosen Servat. 1692. liehtelös. Pantal. 657. prov. orbs blind = orbus, lumine orbatus.] für goth. haihs zu vermuten stände ein ahd. heh, hehil; wie wenn nach dialectischer abweichung hachil ge- golten hätte und der name Hachilinc, Hachili einschlüge?

Den Griechen ist xucpXo? der übliche ausdruck und sicher gehörig zu xucpoc; nebel dampf und zu xucpiu dunsten qualmen, aber xucpXö? ttou? bei Euripides ist auch der lahme fusz, nicht, wie Lobeck s. 345 meint, pes hominis luminibus capti, man kann ez enblanden dem fuoze wie dem ouge, und der mythi- sche teufel erscheint bald blind, bald lahm, ich musz weiter gehn und xucpXo; seiner wurzel nach unmittelbar verwandt er- klären mit goth. dumbs xuxpo? und daubs Twpo;, wobei die scheinbar mangelnde lautverschiebung nichts hindert, denn in xucpw fut. {\u<\)iii, aor. inf. i>6'}ai waltet der gewöhnliche Wechsel zwischen T und 9, dem 0 aber entspricht lautverschoben goth. D, ahd. T; ich werde also beim vitium des zweiten sinns zurück- kommen auf xu©Xoc.

Seltener steht ai-rraXo? oder aicpXo? für coecus, dessen über- n gang in die bedeutung lahm und stumpf (Lobeck s. 346) das Verhältnis von xucpXo? bestätigt, doch blind zeigt sich auch in der merkwürdigen Verwandtschaft des slavischen sljep, böhm. slepy, poln. slepy, wo die gr. consonanten nur wie sonst häufig umgestellt sind, SLP = 2[1A; das litth. silpnas bedeutet nicht blmd, sondern schwach debilis 7rr/p6c gebrechlich, was auch amaXoc; aussagen darf.

Den mangel des zweiten sinns bezeichnet Ulfilas wieder durch ein uns späterhin ausgestorbenes bauj)s, das nnl. bot dumm, stumpf, müste sich denn noch hinzu fügen und der Übergang aus DH in T, aus AU in U, O (denn die flexion iietert botten, botter) sich rechtfertigen, aber unmittelbar ge- hört zu bau|)s aus den keltischen sprachen das irische bodhar, welsche byddar surdus*, durch welches DD die vergleichung

* skr. badhira Bopp 236". ir. baoth stupidus.

DIE FÜNF SINNE. 205

des niederländischen TT gewinnt, ich bemerke nun weiter dasz Ulfilas bau|)S bald für surdus, bald für mutus setzt, wie aus der näh(; beider gebrechen höchst erklärlich ist.

Daubs hat er für ucupo? 7r£T:u)p(u[i,svo? verstockt, afdaubnan für 7:(upouai)ai, afdobnan für cpi|xouai>oti d. i. maul halten, ahd. toup ist surdus absurdus hebes stolidus*, ags. deäf surdus ste- rilis, altn. daufr surdus insipidus, daufr litr aber color obscurus, was an blind und trübe reicht; dasz xucpXo; gleicher wurzel sei sagte ich vorhin, mit eingeschaltetem oder vielmehr vor dem labiallaut sich einfindendem M ist goth. dumbs wiederum xojcpof, afdumbnan wiederum TrecpiixoiaUai = afdobnan, ahd. tump mutus hebes stultus, ags. dumb mutus, altn. dumbr mutus; das nhd. dumm blosz hebes, [aaocpo;, insipidus.]

Was ist nun xw-po?, dessen etymon Lobeck s. 344 ancipiti conjectura sucht? ich weisz vorerst dasz wir das wort in der altsächsischen spräche besitzen, im Heliand stehen jederzeit halt endi haf (oder häb) verbunden 67, 23. 72, 7. 115, 1 und ge- meint ist damit claudus et mancus, wodurch wir also auf das goth. hanfs xuXXo» = ytoXo?, ahd. hamf mancus gelangen, so dasz man mit xmcpo? xajnruXo? und xcz|jl-t(ju lieber als xotttu) zu vergleichen hat; das lat. hebes musz aus dem spiel bleiben, den Deutschen diente dies adj. für das gebrechen des fünften fiinns, den Griechen mehr für surdus und mutus, doch mit recht sagt Lobeck 'omnium longisssime patet xtocpo?' und die xtocpcusi? T(uv ocpifaXjjLtüv , die odores surdi coloresque stimmen zu jenem 13 daufr litr, wie zu dem was ein mhd. dichter (altd. bl. 1, 244) sagt, mit dunkler stimme sprich, vor lüten Worten hüete dich, kann die cptovYj \oi\nzpd, die ostxrj acps-^f^Vj? nicht auch das xtucp^v xu}xa, ohne alle figur, uns verständigen? der fremde war den Griechen 'EXXaSo? cptuvr^? xtocpos, den Slaven ist der Deutsche ein stummer, poln. Niemiec von niemy mutus, weil ihrer spräche unkund. ich kenne wol was man dieser ableitung entgegen- stellt; es hält keinen stich, man vergleiche das litth. nebilka und nebylys.

Auszulegen schwer ist das lat. surdus, Potts se -|- auri (etym. forsch. 2, 567) und Benfeys se -h ur-du-s erleichtern die Sache nicht, käme die skr. wurzel shru audire = xXu, hlo in betracht, dann läge das sl. glouch" xtucpoc, poln. gluchy, böhm. hluchy nicht mehr fern, aber im suffix D müste die privative kraft gesucht werden, worauf ich mich noch nicht verstehe **.

Ahd. stum stummes, alts. stum Hei. 5, 18, mhd. stum stum- bes Iw. 481. 2259. 7767, nhd. stumm, nnl. stom, mangelt goth.

* ahd. topon insanire. mhd. toubez huon Bon. 47, 18. toup gevilde Trist. 2505. nhd. taubes körn, taub und toll Garg. 246". blint, tore u. stumm Diemer 307, 26, wo tore =^ taub. ** 8. aber Hpt. 7, 462 [unten s. 245].

2Qß DIE FÜNF SINNE.

ags. und altn., doch scheint goth. Stamms balbus, ahd. stam, stammalön balbutire, altn. stamr balbus, stama balbutire (vergl. stumr anhelitus, stumra anhelare) unmittelbar verwandt, ich zweifle noch ob stibna stimme*.

Mutus hält man zu {xutto? jxuvSo? und leitet es von txuo> blinzen. [scheint gamaids xojcpo?.]

Da sich das geftihl überall hin erstreckt, so musz dessen beeinträchtigung und ab Wesenheit durch viele adjectiva aus- drückbar sein, die es im allgemeinen aussagen, zwei glieder des leibes sind aber für diesen äuszerlich die wichtigsten, band und fusz, und man begreift dasz die spräche auf besondere Wörter bedacht war die den schaden an band und fusz be- zeichnen.

Im goth. hanfs, ahd. hamf, alts. häf = mancus begegneten wir dem gr. xwcpo?, im goth. halts, ags. healt, ahd. halz ist deut- lich das lat. claudus clodus (wovon Claudius Clodius, wie von coecus Codes) gelegen, claudere, claudicare ist hinken; dem griechischen ycuXo? mangelt der schlieszende linguallaut, aber i4)(aXaü) laxo (zu welchem luxo verrenken gehört) berührt sich, doch stimmt X weder zum deutschen H, noch lateinischen C.

Bopp hat (vergl. gramm. s. 430 432) Scharfsinn ver- schwendet um den anlaut ha- der adj. haihs hanfs und halts (halbs dimidius geht uns hier nichts an) aus dem skr. eka = ein zu deuten und in diesen Wörtern den begriff einäugig, einhän- dig, eingliedrig zu finden, freilich gemahnt der ausgang von haihs und cocles an oculus und der gedanke an ein dunkles praefix** ist dabei natürlich; doch wie sollte xtocpo? und clau- dus den begriff band und fusz in sich schlieszen? nifa aus umgestelltem päni = band hat alles gegen sich.

Desto deutlicher meldet sich manus in mancus; es aus manu truncus zu erklären wäre ungleich härter als franz. poltron aus pollice truncus. hier also steckt im suffix das geheimnis.

Das ahd. lam, lamo ist claudus und mancus, dann auch debilis, und wegen der Zusammensetzung hantalam claudus scheint der allgemeine sinn vorwaltend, ags. lam, lama, engl, lame paralyticus, claudus. altn. lama lami membris fractus debilis, fötlama claudus. litth. lümas und lüszas lahm, vorzüg- lich an der band, da fällt mir wieder das irische lamh manus, welsche llaw ein ***.

Unter den allemeineren Wörtern hebe ich hervor das goth. gamaids Trrjpo; avairifjpo?, ahd. gimeit obtusus cassus stolidus stultus vanus, welches im mhd. gemeit die gute bedeutung von laetus annimmt.

* vgl. stumpf hebes und stupidus. stumm und dumm Garg. 267''. ** nach Pott 1, 166. 2, 397 coecus = welches äuge habend, sl. yrom claudus Mikl. rad. ling. slov. 103 krumm,

***

DER TUGENDHAFTE SCHREIBER. 207

Debilis soll aus dehabiiis entspringen, debeo sogar aus dohibeo*. im slav. findet sich debel 7:a/us crassus, zot/uc und pinguis weichen aber aus in die Vorstellung von stumpf, dumm blödsinnig; diese deutung scheint mir den vor/ug zu verdienen.

ll/jpo; irtopoi;, 7r7pa zo TTY^Doi Trrjato. Lobeck s. 69. 70. es hat auszer dem allgemeinen sinn zumal auch den von blind. Lobeck s. 346. [irripow blende, fr. bist. gr. 1, 35.]

Über die an dieser letzten stelle noch angeführten iXÄo^ otXao? evoo; weisz ich für diesmal ermüdet nichts zu sagen.

Welch grosze lebendige berührung zwischen deutscher und lateinischer spräche in vitan videre, saihvan scire, hausjan hau- rire, safjan sapere, taitok tetigi, kustus gustus, haihs coecus, halts claudus; geringere mit griechischer, vait olöot, hausjan opav, 15 hlosen xXusiv, hanfs xtucpo;, daubs xucpXoc. mit keltischer nur baul)8 bodhar. nicht zu übersehen debilis debel, ai-nakoq sljep.

DER TUGENDHAFTE SCHREIBER.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 6. 1848. s. 186. 187.

Wie in der spräche überhaupt viele Wörter erkalten, ihrer i86 Wurzel vergessen oder sie gar verleugnen, eigennamen sinnlos werden und bei manchen benennungen nicht mehr zu spüren ist aus welchen lebendigen appellativen sie einst hervorgiengen, so gibt es auch gangbare und allgemein verständlich gebliebne ausdrücke die in gewissen fällen oder für einzelne bezüge ins leere und abstracto gerathen. ich denke hier vorzugsweise an adjectiva, die von natur immer eine frische bedeutung haben, allmählich ganz titelhaft werden können, und es leuchtet ein warum in der fesselnden Zusammensetzung die abstraction schneller als bei dem losen ungebundnen worte ergeht; z. b. edler mann, freier herr sind stärker als edelmann, freiherr, die blosz den stand bezeichnen, und einer der sich nicht selbst loben würde ' ich bin ein edler mann,' darf unbedenklich aus- sprechen 'ich bin ein edelmann.' aber auch das unzusammen- gesetzte adjectiv kann in den titel übergehen, und dafür sei ein beispiel aus der alten spräche entnommen.

Unter unsern minnesängern kommt bekanntlich einer vor der nicht anders als der tugenthafte schriber heiszt und den der Wartburger krieg MS. 2, P sich selbst so benennen läszt,

her Walther lät in tälanc vri:

ich tugenthafter schriber trite im zuo mit sanges gir.

* Bopp gl. 238* de-bilis von bala.

208

BISLEHT.

[MSH. 3, 171^ ich tugenthafter schriber truoc daz selbe kleit. 17P her schriber sit ir tugenthaft. 172" tugenthafte schriber!] wäre das nicht ein von jedermann beigelegter titel gewesen, der dichter hätte sich solcher bezeichnung sicher enthalten, sie mag damals einem öffentlichen, in ehre und amt stehenden notar gebührt haben, ohne dasz sich daraus seine besondere trefflichkeit beweisen liesze. die schreibekunst stand im mittel- 187 alter an den höfen noch in groszem ansehn, und es käme dar- auf an in lateinischen Urkunden ein scriba virtuosus (virtuosen heiszen uns nur musiker) zu entdecken, das dem deutschen titel zum vorbild gereicht hätte, tugenthaft soll blosz sagen laudabilis, honestus*, wie wir noch heute löblich für manches amt und hantwerk brauchen, in den jähren 1345, 134G kommt der nämliche titel im oberbairischen Städtchen Rain vor, wo damals ein Andre der tugentlich Schreiber lebte, MB. 16, 400. 402. 405. will man aufmerken, so werden sich bald noch mehr beispiele finden, sehr häufig sind auch die bezeichnungen offen schriber, gesworn schriber, obriste schriber. im Reinhart 1525 wird Brün angeredet edile scribaere. [der stolze schribare, der den wein holende u. anschreibende keiner. Wiener merfart 142. 218. 302. 537.]**

BISLEHT.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 6. 1848. s. 189 191.

189 Gäbe unsre heutige kritik noch gerne lohn aus (aber sie

nimmt sich fast nur zu tadel zeit), so hätte sie Grieshabers sorgsamer uneigennütziger bekanntmachung seiner handschrift von alten predigten den wärmsten dank zollen müssen, es ist aus dem buche so viel neues zu lernen für unsre spräche dasz man nicht einmal von der innigkeit und der menge sinniger gedanken in diesen predigten angezogen zu sein braucht, wie ich es bin, um sie mit wiederholter aufmerksamkeit zu lesen, diesmal will ich ein rechtes är.a.^ Xsy^jxevov ausheben und so gut ich vermag erläutern.

2, 16 oder bl. 146'' heiszt es bei erzählung der hochzeit

von bana 'füllent die züber mit wazzer! also fuiton si die

Zuber hinz si biscleht wurden.' nach der vulgata Joh. 2, 7:

implete hydrias aqua! et impleverunt eas usque ad summum

1890* Erea'^Er^Tm^*' ^^"'^" ^""^- ^^^' ^^^ ^^' t"g«^tbafte Artus. Er. ** vgl. zeitschr. d. thür. Vereins 2, 193 ff.

J5ISLEHT. 209

(ä'u); av(u).* über den sinn des worts kann kein zweifel walten, es soll gesagt sein ^bis sie voll an den rand wurden.' das SCL ist nacii der durchgängigen weise dieser hs. aufzulösen in übli- ches SL, und weil sie gleich andern mhd. denkniälern zwischen bi und be unterscheidet, dem adjectiv die genauere Schreibung bitiieht zu ertheilen. sieht nämlich ist das nhd. schlicht, aequus, planus, und bisleht auf ein nasses oder trocknes gemäsz ange- wandt soll ausdrücken dasz der füllende Stoff mit dem rand des gefäszes, worin gemessen wird, oben ganz gleich stehe, ich kenne das wort sonst nur in einer späteren verderbten form aus Schmids schwäbischem Wörterbuch s. 54, wo eine Ulmer Verordnung von 1317 angeführt wird, wonach sechs aufgemeszne metzen acht beinschlechten gleich kommt; offenbar beischlechte,, denn was hätte hier bein zu schaffen? [biselichs, bisligs vier- teil, geschichtsfreund 1, 164. 169. vgl. einsliht amphora Graff' 6, 788 aus Diut. 1, 16() wo einslihit.] das bi halte ich zu dem gr. £-1 in STTisixTjs aequus, welcher begriff schon im einfachen stxo? lif'gt und nur durch die präposition befestigt wird.

Die griechische spräche besitzt für die randfülle bei be- chern das schöne, unserm bisleht allenfalls vergleichbare wort £-i3T£cpr|?, und aTöcpa'v/j ist rand oder kränz; lieblich klingt aber auch die unserm alterthum geläufige Umschreibung 'der eimer 190 soll so voll methes ^ein, dasz eine fliege an seinem äuszersten rande trinken könne' (weisth. 2 s. IV); das ist der xpYjtTjp i-i- (3T£'prjC oi'voio 11.8,232. Od. 2, 431. eigentlich wird es geheiszen haben 'die biene' (altn. bifluga), denn auch ein wassergerichts- weisthum (2, 464. 467) läszt die biene, ungenetzt und unver- letzt ihrer füsze, des wassers trinken, das sanskrit nennt die biene madhupa d. i. mel bibens, darum trinkt sie auch den süszen nu'th und aus der zeit des methtrinkens musz jene redensart hergeleitet werden.

Hiermit könnte ich schlieszen, quälten mich nicht ein paar ahd. glossen. Graff' hat 6, 778 pisleht berillus, sogar mit der vollends unsinnigen Variante pilent. aber was soll berillus? ist der von allen seiten glatt geschliffene edelstein (ßrjpuX>.o?) ge- meint? oder führt berillus auf ein aus unsrer spräche in die lateinische des mittelalters aufgenommenes wort berilus, birilus mit der bedeutung von schale oder gefäsz? Ducange hat nichts dergleichen, aber ahd. bedeutet biral urna, biril.cophinus (Graft' 3, 156): es ist ein tragbarer eimer oder korb (von heran ferre). pisleht (oder verderbt pislaht) wird nun auch zu Verdeutschung von stater und dragma gebraucht (Graff' 6, 777) und gleich- bedeutig gesetzt mit span, was in neue Unsicherheiten stürzt, dejui span ist sonst annulus, monile, spinther (Graff 6, 347), spanna cubitus, palma, was an dragma, manipulus reicht, wo nicht dragma mit drachma verwechselt wurde, wie das daneben stehende stater glauben macht, von stater auf statera wäre nur

.1. aiUMM, KL. SCHIUKTEN. VII. 14

210 . BISLEHT.

ein schritt und statera kann wie lanx auch eine runde schale bezeichnen, also wieder eine urne.

Die Verwirrung steigt aufs höchste, wenn nach einer an- dern glosse (6, 778) pisleht zugleich pestis, das einfache sieht clades wieder gibt, sieht verderbt aus slaht caedes begriffe sich. Ducange gewährt pestis auch in der bedeutung von pestillum, pistillum und ein solches Werkzeug könnte von seiner glätte pisleht heiszen. ich komme aber damit zu keinem ende, und es mag genügen jetzt auf diese seltsamen ahd. pisleht gewiesen zu haben; vielleicht dasz der Zusammenhang der glossen besser erforscht und der wortsinn gesichert werden kann. 191 Weil ich vorhin ein mlat. birilus zu vermuten wagte, sei

hier noch eines bisher unerläuterten ags. und altn. wortes ge- dacht, ags. ist byrel pincerna Beov. 23 IH, byrlian propiuare vinum cod. Exon. 161, 8, desgleichen altn. byrill pincerna, byrla miscere, propinare, vergl. Saem. 67" byrladi miöd. man hat doch unbedenklich heran ferre als wurzel zu betrachten, der byrel ist wer den trank schöpft, trägt, wie sonst hladan haurire bedeutet und bläst onus = bürde. Job. 2, 7 hladad and l)erad, haurite et ferte. der byrel ist also ein tragender, holender, wie jenes beril ein gefäsz, worin getragen wird, gleichviel ob wasser oder etwas trocknes. byrel mag also allgemein einen promus condus bezeichnen und hernach auf das schenkenamt, als das wichtigste im alterthum, eingeschränkt werden, pincerna führt man auf ein mittelgriechisches iriYxspvy]? für irixspvrj? von iiri- xpTJsai olvov zurück, unser schenk und schenken beziehen höchst wahrscheinlich sich auf den knochen (ags. sanca) der am gefäsz angebracht war, aus welchem man einschenkte.

EINIGE GOTHISCHE EIGENNAMEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 6. 1848. s. 539. 540.

639 Ammian 31, 5 und 12 nennt uns die Gothen Alatheus und

Saphrax, welche in den jähren 376. 378 neben dem bekann- teren Fridigern auftreten; an der namen richtigkeit steht nicht zu zweifeln, da sie auch durch Jornandes cap. 26. 27 und Zo- simus 4, 34 bestätigt werden. Saphrax könnte dem ersten blick undeutlich scheinen, das X ist nach griechischer weise ge- schrieben, kann also KS und GS bezeichnen und im gen. K oder G vortreten lassen, Ammian setzt Saphrace, Jornandes cap. r)0 Candax Candacis, aber Andagis, dessen uom. ebenfalls Andax lauten könnte; cap. 26 gibt er Safrax, cap. 27 Safrach

EINIGE, GOTHISCHE EIGENNAMEN. 211

(wie auch Ekkehard bei Pertz 8, 124. 125 aufnimmt), die oblique form fehlt, mit Safrax mus/ aber ein unter Franken im cont^il. pari«. U a. 555 genannter Saffaracus gleichnamig sein; sonst in fränkischen Urkunden keine s|)ur davon.

Für die gothische gestalt des namens halte ich nun Safrags von der oben s. 6 [kl. sehr. 7, 199] vermuteten wurzel safjan = lat. sapere; das R aber nöthigt ein subst. safr oder safrs an- zusetzen, welches mir wieder durch das lat. sapor bestärkt zu werden scheint, aus safr leitet sich dann das adj. safrags, gleichsam saporus, ab, wie aus den ahd. Substantiven hungar und jämar die adj. hungarac jämarac. ins ahd. übertragen lautete safrags savarac.

Den alanischen namen Candax brauche ich nicht zu deu- ten, doch fiel mir das goth. handugs aocpoc, ahd. hantac acer ein, insofern das C noch nicht lautverschoben wäre. Andags könnte leicht ein compositum sein, dem ahd. antdag (GraflP 5, 358) vergleichbar.

Monefonsus im concil. tolet. XIII a. 683. XV a. 6^S wäre Munjafuns promptus ingenio, von muns v6-/jtxa, sehr ähnlich dem altn. hrodrfüs, ags. hrederfüs. an die bedeutsame Zusam- menstellung der klugen raben Muninn und Huginn habe ich öfter erinnert.

Schönen sinn gewährte der name liemisol im conc. braca- 540 rense III a. 572, falls die deutung haltbar ist, die ich versuchen werde. Rimisauil könnte die untergehende, zu ruhe gehende sonne (mythol. s. 702) ausdrücken, neben rimis gen. rimisis musz auch die form rim oder rimi, wie neben sigis ahd. sign gegolten haben, man vergl. die ahd. eigennamen Itimideo Rimi- göz Rimistein, aber auch das einfache Rimis (trad. fuld. 2, 208) und Rimeslo, hain dA ruhe, im bisthum Osnabrück, den auszer einer Urkunde bei Moser no. 59 auch Vilkinasaga cap. 43 im abenteuer zwischen Dietrich und Fasold nennt, nun liesze sich bei Remisol freilich auch die form rimis unterlegen , was aber bliebe dann -ol? doch nichts dem goth. -aul in manauli zu ver- gleichendes? ich bemerke noch dasz dem lith. rimti quiescere, rimmastis quies, lett. rimt quiescere ebenfalls das S fehlt.

Man weisz genug dasz Tötila (bei Procop TwtiX^zc) eigent- lich Badvila hiesz, von badv, ags. beado, altn. böd gen. bödvar, ahd. pato pugna; Badvila bedeutet demnach pugnax, welchen namen er in der tliat verdient: man lese Procop. auch auf den münzen wird er nicht anders genannt. Tötila ist bloszer Zuname, der im gemeinen lelien und selbst in der geschichte auf ihm hängen blieb. Badvila ist ahd. Patilo Petilo, Tötila aber Zuozilo *. was bedeuten Tötila und Zuozilo? ich glaube, was das lat. Naso oder nasutus**, obgleich dem altn. tota nasus,

* aber ahd. Tuotilo? Pertz •_>. 71). 80. ** anders deiitot GDS. 272.

14*

2^2 HIMMEL 'UND GAUME.

rostrum, kurzes O beigelegt wird. bair. zuzel schnauze (Schm. 4 297) a<TS. totian eininere tanquam cornu in fronte, [getot pompaV nnl tot und tuit omne quod eminet, bei Kilian tote, nach welchem de tote setteu bedeutet eselsohren machen, in Totila liegt deutlich etwas spöttisches wie in allen beinamen.

HIMMEL UND GAUME.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 6. 1848. s. 541. 542.

541 Letzthin als Wilhelm Schott in der academie die Überein-

kunft des mongolischen wortes tanglai, welches den gaumen bezeichnet, mit dem von Chinesen aufbehaltnen Hionghnuworte taiigli = himmel (türkisch tangri, mongolisch tengri) durch das russische, gleichfalls für beide begriffe gebrauchte nebo unter- stützte*, raunte mir Lachmann das griechische oüpav6? zu. und so ist es, diese einstimmung findet sich auch in der griechi- schen und in vielen andern sprachen, wie den alten Griechen oupavo? heiszt den Neugriechen der gaume oupaviaxoc. Athe- naeus 8, 34 meldet von Theokritos aus Chios: AioxXlou? aoCi xhv d-^pov xaTaßsßpuixoTO? ek o'\irj(^a^(av, sttsiötj i>£p[x6v ttots xocTaßpoy- thaa? r/Uüv Icprjas xov oupavöv xaxax£xau(3i>ai Xonröv- icpr^asv saxiv 6 OsoxpiTOs 501 xat iTjv OaXaiaav sxTiisiv, xal saio xpia xa jxs^iaxa r|Cpavixu)c, "(r^v xal i^aXocaaav xal oupavov. Cicero de N. D. 2, 18 sagt von Epikur: sed dum palato quid sit Optimum iudicat, caeli palatum, ut ait Ennius, non suspexit. Augustinus de C. D. 7, 8: quod hiatus noster, cum os aperimus, mundo similis videatur, unde et palatum oupavov appellant, et nonnulli poetae Latini caelum vocaverunt palatum: a quo hiatu oris et foras esse adi- tum ad dentes versus et introrsus ad fauces. nicht nur den Kusson und Serben ist nebo beides 'caelum und palatum, son- dern auch die Polen und Böhmen, deren einfaches niebo nebe nicht für den gaumen gilt, bezeichnen ihn wenigstens durch podniebienie und podnebi. die Lithauer sagen für gaumen buruos dangus, mundes himmel, und eben so die Spanier cielo de la boca, die Finnen aber suun laki oris tectum, was den sinn des wortes himmel = decke, dach bestätigt; es heiszt auch in gleicher bedeutung finnisch kurku laki gutturis tectum, est- nisch kurko laggi. aus unsern deutschen sprachen gehört hierher das niedersächsische bön d. i. bühne, decke für gaume, das ags. 64'2hröf l)äs müdes tectum oris, engl, roof of the mouth, welche nur den begriff von decke, nicht des himmels, gewähren, der

* monatsber. 1855 s. 699.

lUMMEL UND GAUMIi. 213

aber' im niil. hemelte, gehemelte, verhemelte, durchbricht: de long klcett aan het gehemelte, die zunge klebt am gaiimen. ich finde nun nicht dasz das mhd. himelze, ahd. himilezi etwas anders aussagen als laquear, lacunar, was das einfache himil selbst bedeutet; zweifle aber kaum dasz sie auch auf den gau- men angewandt wurden, warum also nicht himil?

Die Verknüpfung beider begriffe ist einfach und natürlich, der gaume wölbt, deckt den mund wie der himmel die erde; hier braucht keine spräche von der andern geborgt zu haben, es lag allen nahe und vielleicht mengen sich noch mythische Vorstellungen ein: himmel und hölle werden persönlich mit gähnendem mund gedacht*.

Ich komme noch auf unser wort gaume, dessen heutige form wieder falsch ist, wir sollten gume (wie blume) sagen. ahd. guomo (daneben giumo), mhd. guome, noch heute bairisch guom, ags. goma, altn. gomr, schwed. gom, dänisch entstellt in gane; das lappische guobme scheint germanisch**, war das wort gothisch, so müste es wiederum lauten göma, wie blöma; aber die wurz<'l? mau dürfte an ahd. gewon oscitare denken, und aus gouwon (goth. gaujon?) das 6 = uo sich entfalten lassen, wie in taujan tojis, stauida stöjan, so dasz göma aus göjama entsprungen sein könnte und dem griech. yasaa Schlund, rächen von yxivio yavoüjiai gleich käme***.

Das lat. palatum scheint unmittelbar verwandt mit pala- tium, wie uTrspcorj mit 6TT£p(i)0v, gleichsam gewölbe und decke des hauses. im französ. palais treffen palatum und palatium ganz zusammen f.

GRÜN UND KÜN.

Zeitschrift für deutsches alterthuni horausg. von M. Haupt, bd. 6, 1848. 8. .543—545.

Ich lasse, indem ich diese beiden ganz gleich gebildeten 543 Wörter zusammenstelle, von der heutigen unart ab, das letzte kühn zu schreiben, denn ebenso unrichtig hätte auch grühn geschrieben werden mögen, ahd. kruoni chuoni, mhd. grüehe küene, ags. grene cene, engl, green keen, nnl. groen koen, altn. grcEun koenn (nicht grrenu ka^nn), schwed. grön kön, dän. grön kiön. bei Ulfilas mangeln beide, da in den bruchstücken kein

* vgl. die alto cosinogonie (uiytii. 531). ** litt, gamuris, goimiris. *** Bopp 135^ stollt OS zu dscham edore. t auch ahd. huriwa palatum und Wölbung. Schni. '2, "243. vgl. xjto; und X'jTtap'j:.

2J4 GRÜN UND KÜN.

vXo>p6c vorkommt und die Vorstellung küu durch hal^s ausge- drückt scheint; mutmaszen dürfte man gronis konis.

Für gleiche bildungen sind auch gleiche wurzeln gerecht. Gniff brincrt aber gruoni unter einen stamm gro, chuoni unter einen stamm kan; offenbar ist in küu das N so gut ableituug wie in <nm^ und hat mit der wurzel kunuan nichts zu schatten; deim vvFe sollte diese statt des NN einfaches N, und vor diesem UO entfalten? das einfache N ist auch im ahd. cruoni orga- nisch; wenn einigemal cruanno cruanniu cronnem geschrieben ist, so war das 1 Ursache, wie sonst in horran für horian oder huorrä für huoriä. leitet sich nun aus ahd. gluon (oder gluo- han gluojan, wie man annehmen will) gluot pruna, aus bluon (bluohan bluojan) bluot flos und bluomo, aus ruon (ruohan ruojan) remigare ruodar remus, aus gruon (gruohan gruojan) gruoti viror, gruoni viridis, so erzeigen sich T, D, M, N überall als ableitend; folghch musz es auch das N in kuoni sein, das bestätigen auch die ags. formen glovan blovan rövan grövan, die altn, gloa röa groa, an welche sich ähnliche ableitungen fügen, z. b. aus altn. röa erwächst rodr rodrar remus, aus gröa grodr grodrar feracitas*. für grün bleibt demnach, was die conso- nanz angeht, nichts wurzelhaftes übrig als GR, für kün nichts als K.

Wir wollen einmal diese wurzelelemente dahin gestellt sein 544 lassen und uns vorerst um die ableitung kümmern, könnte ihr das ö oder uo vor dem ni wesentlich gehören? wäre hier das- selbe -öni, -uoni, das in den ahd. windnamen östaröni westaröni sundaröni nordaröni, im altn. austroenn vestroenn sudroenn nor- rani, im alts. gisuistruonion (geschwistern) Hei. 38, 1 erscheint? dies letzte uo und das altn. oe nöthigen zu ahd. 6 = uo, wel- ches sich in der alten ableitung hegte wie sonst öfter (gramm. 1, l(iO), obschon belege bei Graff' 2, 1097 auch -uni gewähren, neben -onnun (= öniun). bei O. 5. 17. 31 scheint mir der acc. polönan (stellam polarem) auf einen nom. polöni polaris zu wei- sen, in glossen bei Graff 2, 201 hat man das sinnlose ludrom pannosum gelesen; ich denke dasz die handschriften geben lu- dröni lumpig, zerrissen von ludara pannus, involucrum, zumal kinderwindehi (und in sofern auch wiege, in pannis iacere = in cunis, cunabuiis). sind nun die ags. sesvustrenu bearn was die alts. gisuistruoniu, so stimmt das wieder zu cene grene, und man darf vermuten dasz die adjectiva eästern vestern südern nordern nach gewöhnlicher Versetzung des R aus eastrene vest- rene u. s. w. hervorgiengen. jene gothischen grönis könis schei- nen aber den ableitungen sipöneis discipulus, lauhmöni fulgur und geiröni concupiscentia entsprechend, welche sich (wie das ahd. -oni in -uni) bereits in lauhmuni geiruni zu kürzen pflegen; also müste auch glitmnni splendor früher glitmöni gewesen sein? vj^l. yXcJo;, y^.topo;. -

DIE SPRACHPEDANTEN. 215

-oni wäre den Substantiven lauhnia und glitina (ahd. klizamo) zusxetreten? nicht zu übersehen scheint auch die einstiminung der lateinischen windnamen favonius und a(|uiloniu8 (in wel- chen das on freilich von ac|uilo a(|uilonis abhängen mag) und der alten namen von göttinnen wie Feronia Fluonia Mellonia Pellonia.

Hiermit ist zwar dem derivativen oni uoni gewähr geleistet, abei- immer noch nicht gesichert dasz auch groni koni auf dem- sell)eu wege entsprungen seien, denn der vocallaut o uo scheint in ihnen auf irgend eine weise mit der wurzel, mit dem GR und K verwachsen, wie den Wortbildungen bloma bluomo bloj) bluot gruote ruodar irgend ein volleres bl6hn)a bluohamo blohaj) u. s. w., könnte auch dem groni koni ein grohani köhani unter- liegen, oder statt des H ebenwol ein V oder S gewaltet haben, bei diesen wurzeln grohan kohan (prät. gaigroh kaiköh?) ahd. kruohan chuohan, ags. grovan prät. greov, cövan? prät. ceov?545 könnte man sich bis auf weiteres beruhigen, und ich habe nichts dawider dasz man noch höheren standpunct suchend ein solches köhan für verwandt selbst mit kunuan erkläre, zumal das altn. ko'nn nicht audax, sondern peritus, sollers ausdrückt*.

DIE SPRACHPEDANTEN.

Zoitschi'ift für deutsches alterthum herausg. von M. Hiiupf ))d. 6. 1848. s. 545 547.

Pedanten und puristen, was eigentlich eine brut ist, sind 545 mir oft so vorgekommen wie maul würfe, die dem land manne zu ärger auf feld und wiese ihre hügel aufwerfen, und blind in der oberfläche der spräche herum reuten imd wühlen.

Als ich neulich in unserer academie über das pedantische in der deutschen spräche gelesen und mit einer erwägung ge- schlossen hatte, in wie fern es im vermögen der academie früher lag, noch liegt und künftig liegen kann über unserer spräche zu wachen (wobei der bescheidenste anspruch erhoben und gestanden wurde dasz jetzt die zeit noch unerschienen sei ihn einmal geltend zu machen), fiel es einem der leute, mit deren aufsätzen Berliner zeitungen in die gelehrsamkeit streifen, ein, den öfl'entlich bekannt gemachten bericht der academie ge- radezu eines Sprachfehlers zu zeihen**, das war doch unmit-

* anders GDS. 901. ** [dieser einfall ist in der Spenerschen zeitung vom 26. oct. 1847 enthal- ten und lautet: 'eine frage, ist es ein spiel des zufalls, dasz in der letzten zoile des heriohtes über die vorlesuna; in der k. academie und Grimms vor-

216 DIE SPRACHFEDANTEN.

telbar nach solchem anlasz zu arg. dem pedantischen gefühl mochte vorschweben dasz es heisze 'deine äugen wachen über mich' und damit jede andere fügung verurtheilt sei: ich liesz bei namensunterschrift folgendes einrücken, von dem ich nur tilge was nicht hierher gehört.

Ein ungenannter pedant hat aufgeworfen dasz bei anzeige meiner Vorlesung über deutsche pedanterei und barbarei* durch ein eigenes spiel des zufalls stehe 'über der deutschen spräche wachen.' o nein, es soll so heiszen. von der weit die bekann- teste Sache ist, dasz manche präpositionen doppelten casus, oft nach leiser Verschiedenheit des sinns, bei sich haben, unter an- dern über: der Schmetterling flattert über den blumen oder über die blumen, die fahne weht über dem land oder über das land, das Schwert hängt über dem nacken oder über den nacken, der 546 Unverstand krittelt über solchen worten oder über solche worte, ich bin über dem buch eingeschlafen oder über das buch, die sonne leuchtet über mir oder über mich, der geizhals wacht über dem gold oder über das gold, die freunde wachten über der leiche oder über die leiche. beim einschlafen über dem buch fällt der nachdruck auf den lesenden, bei über das buch fällt er auf das einschläfernde werk, beim wachen über der leiche auf die wachenden, bei über die leiche auf den bewach- ten gegenständ, über der spräche wachen heiszt bei der spräche wachen, abstinere a dormiendo, wie ein wachendes gestiru über der spräche leuchten; das schien hier besser gesagt als mit rück- sicht auf den gegenständ: die spräche behüten, beschützen**.

Hiermitwar es abgethan; aber es hätten noch manche an- dere beispiele gegeben und die Ursachen der zwiefachen con- struction genauer entwickelt werden können, dasz diese zu- nächst auf die heutige spräche gestützt werden musten, versteht sich, besonders triftig scheint mir die hergebrachte redensart von wachen über der leiche und ich führe dazu das einstim- mige altnordische vöktu yfir likinu aus Laxdoelasaga cap. 224 an. wo der dativ steht, hat das verbum vorwiegend intransitiven, wo der accusativ, transitiven sinn, wie sich besonders dann zeigt, wenn die spräche neben der neutralen starken form die activere schwache entfaltet, ■/.. b. bei sitzen und setzen, es heiszt in den rosen sitzen und sich in die rosen setzen, über den kohlen sitzen und sich über die kohlen setzen; Opitz singt:

lesung über die pedanterie in der deutschen spräche, eine eigenthümliche construction der präposition über vorkommt? philologus.']

[m der 'antwort', welche dieselbe zeitung vom 28. oct. enthält, ist hier ansdriicklich zugefügt: 'weder pedanterie noch barbarie will ich gesprochen "der geschrieben haben.']

,.** Wie antwort rief natürhch verschiedene gegenantworten hervor, die an- ziuuhren der mühe nicht lohnt, erwähnt mag nur werden, dasz auch Th. neinsius sich, unter Verweisung auf seine deutsche Sprachlehre und seinen (loutsi'hen rathgeber, in die sache mischte.]

DIE SPUACHPEDANTEN. '217

ich empfinde fast ein grawen

diisz i(!li, Plato, für und für

bin fijesessen über dir, W(!r ihn vornehinon will, mag sich, ohne furcht vor Zweideutig- keiten, über ihn setzen*, wo aber intransitive und transitive bedeutung in derselben form enthalten sind, darf doppelter casus zur präposition treten, nur reicht selbst diese bestimmung nicht aus, sondern es kann auch bei reinen intransitiven »den um- ständen nach dativ und accusativ stattfinden, wie eben das bei- spiel von wachen ergibt**, sicher ist einzuräumen dasz für einzelne verba Sprachgebrauch und angewöhnung den einen oder den andern casus bei bestimmten präpositionen begünstigen, zu solchen gehört aber 'wachen über' nicht, wir fügen heute bei 547 erschrecken über, entsetzen sich über, verwundern sich über, [trösten über] den accusativ, kaum den dativ, Luther hingegen hat Marc. 10, 24 entsatzten sich über seiner rede, Luc. 1, 29 erschrack über seiner rede, Luc. 9, 43 entsatzten sich über der herlichkeit gottes, verwunderten sich über allem, [gen. 24, 67 Isaac ward getröstet über seiner mutter, Hiob 42, 11 trösteten ihn über allem übel, Ezech. 14, 22 euch trösten über dem Un- glück, Joh. 11, 19 sie zu trösten über ihrem bruder, aber gen. 45, 15 weinete über sie,] und bei erschrecken, sich entsetzen, welche eigentlich aufspringen aussagen, ist auch der dativ gründ- licher, ich würde nur sagen : über diesen Worten stand er auf, erhob er sich, nicht: über diese worte.

Ahd. und mhd. war alles anders, es galt beinahe nur ubar über mit dem acc, und für unsere dativfälle die verwandte präp. oba, obe, stets mit dativ, so dasz über und obe ins lieu- tige über mit acc. und dat. sich theilten. ich will damit nicht sagen, dasÄ bei ubar gar kein dativ zulässig gewesen sei, einige- mal taucht er vor, man sagte ubar morgan und ubar morgane, [Is. 47, 4 druhtines gheist ist ubar mir, T. 21, S gotes gibuluht wonet ubar inan]. aber wenn es bei Wolfram heiszt Parz. 5H5, 7 überz wazzer stuont daz kastei, müsten wir nothwendig sagen: über dem wasser, über daz grap gesten ist gleichviel mit ob dem grabe sten, arm. Heinr. 847; stuont ob in (eis) Trist. 18654, heute: über dem grab stehn, stand über ihnen, [wacheten über ir chorter. Diemer 283, 2. wil wachen über din reinez gebet. Maria 154, 35. daz er über dich wache. Diut. 2, 294. der si ouch schirmivre über mich und über in. gute frau 1908. der lichte tag scheint über dich. altd. w. 3, 128. 140. der friede gottes walte über dich. Göthes br. an Lavater s. 37.

* Godriin sat ytir Sigurdi daupom. Sa?m. 211. der todtenschaner hat über sie gesesseu. Hamlet 5, 1 nach Schlegel: engl, the orowner hath set on her.

** in dem haus einkehren und in das haus. lat. includere in cistam, in cista. gesliezen in den arken (pl.). W'alth. 27, S. daz si mich soldo in blan- ken armen haben geslozzen. MS. 2. 17".

218 GOTHEN UND GETEN.

hätt Angulaff'ers ring nicht über ihm gewaltet, ihn hätt auf einen zug der low entzwei gespaltet. Oberon 4, 25.]

Zu untersuchen wäre nun, wann und wie sich im nhd. die völlige freiheit der präposition über, d. h. ihr vermögen auszer dem acc. auch den dativ zu beherschen, hergestellt hat. in manchen andern fällen sind wir heute dem acc. geneigter als die frühere spräche, z. b. bei glauben, vertrauen, hoffen, es heiszt«uns: an einen glauben, auf einen hoffen, gothisch aber venjan in Christau (wie sX-iCsiv sv XpidTto), ahd. in sinemo namen thiota gitrüent (vulg. in nomine ejus gentes sperabunt) Matth. 12, 21.

GOTHEN UND GETEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt.

bd. 6. 1848. s. 548.

548 Wie ich die vorrede zu Schulzes glossar vollendete, kamen

mir diese verse ein:

Was trudan in des Gothen mund heiszt in dem unsern treten; erst that ich euch von Gothen kund, nun rück ich auf mit Geten.

Doch wenn die glocken stürzen ein, so wird geklopft am brete: soll Göthe gleich kein Gothe sein, war er vielleicht ein Gete*.

AN DIE BERÜHMTE WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG. LEIPZIG.

Geschrieben im april 1849.

Zeitschrift für deutsche philologie herausg. von E. Höpfner und J. Zacher, bd. 1. 1869. s. -227 230.

227 Bevor zur ausarbeitung des Wörterbuchs nun geschritten

werde, ist ein entschlusz über die zu befolgende Schreibweise zu fassen, welche auf den gehalt und die anordnung des werks groszen emflusz haben musz. ich kann, nachdem ich in der grammatik dargestellt habe, wie unrichtig, barbarisch und

Gotth'T^Gothe^^ ^^' ^^^' '^'^ ^"''^" schreiben Gete f. Göthe, Get" f. Gete,

AN DIE WEIDMAKNHIJK BL tllüAM^LLIsU. 219

Schimpflich die heutige Schreibung ist, es nicht über mich brin- gen, sie in einer das ganze der spräche umfassenden arbeit dennoch beizubehalten und fortzupflanzen.

Es wäre fast allen übelstäiiden abgeholfen, wenn sich, in der hauptsache, zu dem nihd. brauch zurückkehren liesze, wo- durch auch die Scheidewand zwischen gegenwart und vorzeit weggerissen und das lebendige Studium unsers alterthums un- säglich gefördert würde.

Wie sehr die jetzige Orthographie im argen liegt, hat man bereits im vorigen jh. einzusehn angefangen und ist verschie- dentlich auf den besseren weg einzugehn bemüht gewesen.

8chlözer ist ein rühmliches beispiel, es gebrach ihm nur an grammatischer einsieht, aber viele seiner mutig gewagten änderungen sind untadelhaft und richtig abgesehn.

Auch Voss gieng in einzelnem mit gutem grund voran und man hätte meinen sollen , dasz sein ansehn und der eindruck seiner viel verbreiteten Schriften von nachhaltigerer wirkung ge- wesen wäre.

Alles oder das meiste scheiterte an dem pedantischen sinn 228 der Deutschen, die jeder edlen neuerung einen häufen klein- licher gründe entgegen zu setzen gewohnt sind.

Unter den Spaniern hat die academie in auffallenden, we- sentlichen stücken die rechtschreibung geändert und jedermann sich den getrofi'nen anordnungen willig gefügt, so dasz jetzt die spanische si)rache eine musterhaft einfache und leichte Schrei- bung besitzt.

Nur in wenigem ist bei uns die Verbesserung vorgedrungen und namentlich das unnöthige Y verbannt worden. Adelung scheidet noch sein und seyn und noch heute schreiben leute aus den früheren jähren ihr bey, frey, ohne doch die allgemein werdende herschaft des bei, frei aufhalten zu können.

Auch die Verbannung der einfältigen groszen buchstaben aus den Substantiven gibt wenig anstosz mehr und wird darum um sich greifen.

Mein grtmdsatz war bisher allmälich und sparsam vorzu- n'icken. in büchern wo man «tvvas ganz anders vor hat als die rechtschreibung, fällt jede abweichung vom brauch störend auf, und mitten in der grammatik kam es mir noch nicht darauf an. ich hofte, dasz man den gelinden vorschritt begünstigen und nachahmen würde; jeder meiner änderungen giengen bereits ältere gewähren voraus, z. b. schif, hofnung schrieben auszer Voss schon manche vor ihm. doch ist mir darin zaghaft oder ffar nicht gefolijt worden und man kehrte immer lieber auf den alten fleck zurück, als mit vorzuschreiteu.

Jetzt beim Wörterbuch musz kühn vorangegangen oder ganz die band abgelassen werden.

220 AN DIE WEIÜMANNSCHE BUCHHANDLUNG.

Das Wörterbuch soll die deutsche spräche auf eine höhere stufe ihrer entwicklung empor heben; es soll nicht im staub stehen bleiben, sondern ihn abschütteln und in reine luft drin- gen wollen. ,11.,

Folgende Umwälzungen in der bisher geltenden Schreibung scheinen'' mir nothwendig und unabweisbar.

1) Das dehnende H wird verworfen, es stört die natür- liche Ordnung aller Wörter, wie, ahne soll vor amme, söhn vor Sommer, führen vor für aufgezählt werden, da doch M dem N vorausgehen musz und der Schwede son hinter sommar, der Däne sön hinter sominer folgen läszt. das Verhältnis der wur- zeln wird durch zwischentritt des ganz unwesentlichen H ge- trübt, nicht anders wird TH verschwinden und dem natürlichen T weichen, bei Adelung geht talg dem thal, thun dem tilgend, thor dem tochter weit voraus, da doch die natürliche folge wäre tal talg, tugend tun, tochter tor. im 16. jh. findet sich auch geschrieben khün für kühn, rhat für rath, mhüe für mühe, was sich nachher wider verlor; gleich falsch und noch falscher ist der anlaut TH. nur da bleibt H wo es einem organischen H oder W entspricht, wie in sehn fliehn weh wehen ehe mühe.

2) Das dehnende IE schwindet, schon jetzt schreiben viele das richtige gibt für giebt und niemand wird sich dem siht stilt f. sieht stiehlt weigern, zumal diese formen nun mit iszt, nimmt in die reihe treten, vil, zil etc. haben gleich wenig be- denken und stehn wie mir dir, wofür mier dier dem viel ziel entsprechen würde, zu erwägen bleiben die praeterita schien mied blieb, doch würde auch hier die Schreibung schin mid blib dem ritt griff gerecht werden, gerathen aber die dehnen- den IE in bann, so heben sich die organischen IE desto vor- theilhafter und man wird sich gewöhnen in ziehen fliehen lied (verschieden von augen-lid) den diphthong deutlicher auszuspre- chen, weshalb auch Hecht lux zu schreiben, nicht aber wird bleiben, da schon frühe ieht nicht zu iht niht geworden ist. ich gebe auch nach licht zu lassen.

229 3) Auch die dehnenden geminationen unterdrückte ich gern,

und schriebe bar, her, mer f. baar, beer, meer, doch sind ihrer wenige, wogegen andere geminationen des vocals die organische länge ausdrücken: haar leer, weit häufiger dafür dehnendes H eingedrungen ist: jähr wahr ehre lehre ohr. das letzte kann nicht länger geduldet werden; soll nun jaar waar eere oor an dessen stelle treten oder jar war ere or? was mir besser zusagt, da wir auch schon waren erant, schwer mhd. swagre setzen, freilich kann eingewandt werden, dasz her exercitus und her nuc, mer mare und mer magis durch die Schreibung von ein- ander abstehen sollten; ich komme hierauf zurück.

4) Geminierte consonanz verdient erhaltung, zum dank da- für, dasz sie uns den kurzen vocal rettete, nur auslautend und

AN DIE WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG. 221

inlautend vor T könnte sie sich nach mhd. weise vereinfachen, noch im 17. jh. schrieb man nicht selten al sol kan man solte konte und ich wäre dieser re<j;el nicht gram, lasse micli aber überstimmen. FF in solchen fallen ist mir ein greuel, weil schifl' = schiphpl) sich etwa ausnimmt wie dachch oder netztz für dach netz, im inlaut läszt sich schifte aussprechen.

5) Kitzlich ist das SZ = l) und schon ahd. wurde das weiche z oder /, durch zs, mhd. hin und wieder zz ^^ durch SZ oder ZS ausgedrückt, da wir das harte Z in- und auslau- tend mit TZ, also zwei buchstaben bezeichnen, wäre auch SZ, wie jedermann den buchstaben nennt, erträglich, und er darf weder ein polnischer buchstabe noch laut gescholten werden, wir trennen CH, warum nicht SZ? die bezeichnung durch l's, so sehr sie um sich gegrift'en hat, ist schlecht weil nichts sa- gend, imd schon darum zu verdammen, weil sie sich nicht in der majuskel ausdrücken läszt. ich musz also auf SZ sz, das uns auch den Ursprung aus Z und die nähe des S anschaulich macht, bestehen. SS im auslaut ist unstatthaft, viele mhd. aus- laute ^ und inlaute 7,7, sind aber nhd. in S und SS übergetre- ten: Benecke bemüht sich kreifs aus kreis herzustellen, schrieb aber nicht ameil'se noch weniger aul's oder wafs = mhd. ü^ wa^. schon ahd. galt Hessi, mhd. Hesse Hessen = Chatti, warum sträuben wir uns nhd. wasser essen zu schreiben? die regel hat Adelung, dünkt mich, recht gehandhabt, dasz im inlaut nach langem vocal SZ, nach kurzem SS zu schreiben, d. h. nach langem vocal ein etwas dickerer consonant als nach kur- zem auszusprechen sei. wir sind unbefugt nach mhd. regel Walser efsen (eigentlich gäbe wa^:^er e^^en walsl'ser elsfsen) her- zustellen, so wenig wir eis wal's für e^ waj^ schreiben; der unentbehrliche unterschied zwischen das und dasz lehrt eben, wie für die conjunction der dickere laut haftete, für den artikel sich gleichfalls in S auflöste.

Das sind die hauptsachen, woran mir gelegen ist: es gil)t noch manche andere, von geringerer bedeutung, die sich leichter entscheiden, unsere guten herrn Verleger, wenn sie dies ge- lesen haben, werden erschrecken und bedenklich sein; ja die weit wird schreien über die neuerungen in der Schreibung und anfangs geneigt sein den stab darüber zu brechen.

Ich habe mich nicht geweigert in andern büchern mit dem Strom zu schwimmen, sogar diese zeilen sind in der alten Ortho- graphie niedergeschrieben : aber der Verfasser eines deutschen Wörterbuchs vernichtet unmittelbar seine mühsame arbeit und würdigt sie herab, wenn er sich den fehlem ergibt, die allein die Unwissenheit und lange verkennung unserer Sprachgesetze hegen konnte, es musz in der vorrede umständlich und um- ständlicher als hier geschah über die nothwendigkeit der refor- mation geredet werden; machen vernünftige gründe eindruck,

222 AN DIE WEIDMANNSCHE BÜCHHANDLUNG.

so steht zu erwarten, dasz das publicum allmälich, oder wenn neues politisches heil über uns aufgeht, schneller nachgeben und das werk auch eine neue Orthographie heranfuhren wird, 230 die im zerrissenen ermatteten Deutschland nichts bewerkstelli- gen konnte, dann mag selbst die erfahrne Verzögerung dem Wörterbuch zu statten kommen, damit es gerade mit dem beginn unseres umgestalteten öffentlichen lebens zusammen treffe, alle vorgeschlagnen abänderungen der Schreibung laufen darauf hin- aus, die spräche durch das ausscheiden schleppender buchstaben rascher, behender zu machen, und mit der Orthographie der meisten uns verwandten Völker in einklang zu bringen, das Wörterbuch, wenn es gelingt, wird dadurch an ansehen und Verbreitung gewinnen.

Noch ein wort über den pedantischen grundsatz keine gleichlautigen formen für verschiedne bedeutungen zu leiden, alle sprachen, die griechische und lateinische mit einbegriffen, besitzen genug dergleichen Wörter und gerathen nie in Verlegen- heit; das leben der rede, der Zusammenhang hebt alle zweifei. schrieb man im 13. jh. unbedenklich sin sui und sin esse, so sollen wir auch kein sein und seyn unterscheiden wollen, so wenig wir legen ponere und gelegen positus in der schrift son- dern, darum taugt die Unterscheidung nichts zwischen wider contra wieder rursus, zwischen war fui und wahr verus u. s. w.

DER NOTHHALM.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt.

bd. 7. 1849. s. 385 394.

.885 Das wodurch unsere deutsche mythologie eigentlich grosz

gezogen scheint, von woher ihr noch reiche aufschlüsse bevor- stehen, ist die früher hintangesetzte und unterlassene samlung von volkssagen und gebrauchen, deren zähe lebenskraft un- glaublich lange widerstanden hat, jetzt aber zu weichen droht, wenn ihr nicht angestrengte aufmerksamkeit zu theil wird, wer es mit einfachem sinn und treuem fleisz verrichtet, dem pflegt auch glück zur seite zu stehen und mitten unter dem geschäft äuge und ohr für alles geschärft zu werden, was an dem oberflächlichen und unbeholfenen samler vorübergeht. Adal- bert Kuhn, Müllenhoff, Johann Wilhelm Wolf, Emil Sommer und Keusch haben muster solcher samlungen gegeben, welchen sich eben ein frischer kränz bairischer sagen von Panzer (als beitrag zur deutschen mythologie, München 1848) willkommen anreiht.

DER NOTHHALM. 223

Sorgsam und erfolgreich hat Kuhn dem fast unverwüstlich in der volkserinnerung haftenden glauben an eine mütterliche gottlieit nachgespürt, die über den getraidebau wie die Spin- del sjeset/ct ist. dasz sie bei zusainmcuistimmender sage unter wechselndem namen auftritt, scheint für die erklärung uralter Stammverhältnisse in anspruch genommen werden zu müssen; daher die örtliche begrenzung eines jeden solcher namen von gewicht wird, unmittelbar an die nordische göttermutter Frigg schlieszt sich trau Fricke oder Frecke an, auf welche schon vor hundert Jahren Eccard aufmerksam machte und die ver- schollen schien, jetzt aber genugsam nachgewiesen ist. neben Fricke erscheint die erweichte gestalt Fuik ohne R, etwa wie im ags. specan für sprecan und ahd. spioz = ags. spreot; oder sollte schon in früher zeit das volk die Vorstellung fiukan stür- men, im stürme daher brausen, mit der göttin auftreten im 386 wütenden beer verknüpft haben? unsicher ist Arke Harke und entstellt Harfe; man möchte ans goth. airkns, ahd. erchan her- chan denken, welchen doch ihr N fast wesentlich scheint, so dasz Harke hervorgegangen sein müste aus Harkne Herkene. auch die im heldenkreis vorragende königin Herke oder Ilelche, die sich auf alle weise mythisch anläszt (mythol. s. 232, gesch. der d. spr. s. 319) verdient dabei rücksicht. ungleich verbrei- teter war frau Holle, nicht nur bei Thüringern und Hessen scheint sie verehrt, sondern von beiden Völkern auch über den Niederrhein geführt worden zu sein; kann die dea Hludana der bekannten inschrift in Huldana gebessert werden, so bestätigt Holle für Holdene zugleich jenes Herke für Herkene. auch in friesischer gegend hat Kuhn frau Helle, ver Helle als frau Holle aufgezeigt, noch weiter als diese reicht frau Berhta, nämlich zu den Baiern und Schwaben und was mit ihnen im alterthume zusammen hieng; wie weit sich ihr cultus gegen Süden und Westen ausdehnte, ist aber erst zu erspähen, sollte er nicht über Tirol bis zu den Langobarden, über die Schweiz bis zu den Burgunden sich erstreckt haben, worauf unverkennbar die spinnende königin hinweist? in allen diesen landstrichen sind die erntegebräuche noch nicht genau beobachtet.

Einzelne theile Norddeutschlands kennen aber auch, was besonders anzieht, dieselbe göttin unter dem namen frau Gode Gaue Goe Godke Godsche und Gosen, der sich aus dem be- rühmten männlichen Wodan oder Wode umgestaltet haben könnte, frau Fricke als Wodens gemahlin, wie sie mit im wütenden beer fährt, mag umgekehrt ihre herschafl über das getraide und die fruchtbarkeit der äcker mit Woden theilen; man musz erwägen dasz die sagen das wütende beer durch die Scheunen ziehen lassen, was ursprünglich sicher mit dem gedeihen des getraides zusammenhängt, die richtung welche der Kodensteiner genommen hat erscheint auf dem boden der

224

DER NOTHHALM.

fliir wie ein weg, und wo es durch die frucfit gieng sielit man deutlicli einen strich mitten durch das körn laufen, an dem es höher steht und besser gedeiht als anderswo K kurz, der götter 387 ZU"- oder ritt durch das gefilde hinterläszt überall spuren von hed und segen, und schlägt erst später um in ein wildes und schadenbringendes beer, dem die menschen ausweichen. denkl)ar wäre nun gleichwol dasz bei einzelnen volksstämmen Wodens genossin den namen Wodene führte^ der sich in Woden VVosen Wogen entstellte und wieder mit abgeworfnem N auch blosz Wode Gode Gaue lautete. Wuotan und Wuotana könnte n ein- ander zur Seite stehn wie Freyr und Freyja, Liber und Libcra, und in Schwaben erscheint statt der Berhta ein männlicher Berhtolt. Gode oder Goden ist nichts als die in Godensdag Gudensberg Godesberg oft erscheinende form Guodan für Wo- dan, [schwäb. Mut, frau Mut.]

Meinen Vermutungen zu statten kommt, dasz auch bei dem weit ausgebreiteten erntebrauch, auf den ich gleich näher ein- gehen werde, zwar in der regel weibliche wesen, einigemal aber auch männliche verehrt und heilig gehalten wurden.

Wenn die Lithauer getraide schneiden, lassen sie der korn- mutter (rugia boba) einen büschel ähren stehen (gesch. der d. spr. s. 53), worüber Reusch in einer Königsberger Zeitschrift*, die mir jetzt nicht zu banden ist, noch mancherlei zusammen- gestellt hat. die norddeutschen gebrauche sind in der mytho- logie und neuerdings von Kuhn s. 394 ff. verzeichnet worden, der stehen bleibende busch heiszt Vergodendel (frau Godens theil) oder Vergodendelsstrusz, an einigen orten auch blosz de eren (die ernte) oder die herbstgarbe. nicht zu übersehen ist auch die benennung vägeltejen, wahrscheinlich vogelzehnte (tegede), was man den vögeln stehen läszt**, wie zu winter/eit den vögeln halme aufs feld gelegt werden; der mensch soll bei der ernte nicht alles wegnehmen, sondern vorweg oder zuletzt den göttern und geistern ihr theil stehen lassen***, so bleibt beim apfelbrechen in einigen deutschen gegenden ein apfel zu- rück, 'damit es der bäum nicht übel nehme.' noch merkwür- diger sind aber zwei andere gebrauche, man pflegt aus der letzten garbe eine puppe zu binden und entweder auf dem felde stehen zu lassen oder jubelnd heim zu führen, diese puppe heiszt der alte, de olle, im Schaumburgischen heiszt der auf dem acker stehen gebliebene busch Wol oder Waul, die ernter

' Joh. Wilh. Wolfs Rodenstein und Schnellerts. Darmstadt 1848. s. 20.

* neue preuss. prov. bl. b. 1 s. 6 ff. Nesselm. SSI»».

dem martinet die schönste hanfähre stehn lassen. Bosquet Normandie rom. 8. "220.

*** <^pQ sohavcrjungfrauen eine kleine garbe liegen lassen. Panzer 1, 88. (Ion drei Jungfrauen drei halme. ebd. s. 60.

DER NOTHHALM. 225

tan/en herum, werfen ihre kappen in die höhe und sagen einen Spruch her*.

Unmittelbar hieran schlieszt sich der niederbaierischc von Panzer s. 241 berichtete brauch: auf" dem letzten acker der ge- ass traideflur bleibt der letzte büschel stehen, am liebsten in der nähe des wegs, wo er von allen vorübergehenden gesehen wer- den kann**, in die mitte des büschels wird ein stab gepflanzt, und was von den ähren übrig geblieben ist mit noch andern abgeschnittenen um den stock so gebunden dasz eine menschen- ähnliche gestalt mit köpf und hals daraus entsteht, je drei halme zusammengeflochten bilden zöpfe und die einzelnen zöpfe verbunden arme, deren bände sich auf die hüfte stützen, ein gürtel trennt den obern theil des leibes von dem untern, das lange kleid bilden halme. diese ganze figur heiszt man den Aswald oder Aswal, und während ihn die bursche binden, sam- meln die mädchen die schönsten feldblumen und schmücken ihn damit, dann knien alle im kreise herum, danken und beten, dasz das getraide wieder gewachsen ist und sie sich nicht ge- schnitten haben, nach dem gebete wird um den Aswald ein Walzer getanzt, alles jubelt und freut sich und die last wird erhöht, wenn einer mit der schwegelpfeife zum tanze aufspie- len kann'^**.

In einigen gegenden machen sie den Aswald nicht mehr mit dieser Sorgfalt; die Schnitter lassen einige ähren stehen, binden sie zusammen und schmücken sie mit blumen, knieen herum und verrichten ihr dankgebet, einige machen mit der rechten band, ohne die linke zu gebrauchen, aus den drei stehen gebliebenen halmeu einen knoten, den sie mit blumen zieren, man sagt dabei: das ist für den Aswald oder Aswal. den Aswald kennt man aber auch allgemein unter der benen- nung nothhalm.

Nothhalm könnte, wie nothfeuer (wenn man für dies wort keine andere abkunft vorzieht) das heilige feuer, den heiligen halm ausdrücken, was soll nun Oswald oder Oswal? mit dem heiligen Oswald kann es nichts zu schaffen haben, dessen legende keinen bezug auf ackerbau und ernte darbietet, sichtbar aber musz das wald oder wal und jenes scbaumburgische wol waul einerlei sein, ja man erinnert sich des räthselhaften Woldan, wovon bd. 5 s. 493 ff. [oben s. 183 ff.] gehandelt wurde, das vorgesetzte äs oder os kann nichts anders sein als der heilige begriff des heidenthums, dessen hochdeutsche form zwar gewöhn- lich ans lautet, doch auch mit eingeschmiegtem N äs lauten 389

* de Aule. Kuhn westf. sagen 2, 183. Hakelmei. ebd. 178 fif. v. d. H. Gorni. 9, 100 ff. einen hausten heues unitanzen, weisth. 2, 412. ** Zingerle Oswald s. 77 ff. Tiroler sagen .«. 1. *** Panzer 1, 242. 2, 214. 215. 486.

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 15

226 DER NOTHHA.LM.

darf wie Ospirin im Waltharius zeigt*, oswal ist also der göttliche wal oder wol, worauf ich hernach zurückkommen werde eine benennung des gottes selbst oder des ihm stehen

gelassenen ährenbüschels. Jenen 'alten' legt K

3gt Kuhn s. 514 auf Donar oder Thor aus; man könnte 'oll' wieder aus 'wol' herleiten, wie z. b. bei Kuhn no. 324 der Woejäger auch Joejäger genannt wird, und im ausruf der ernter 'wol' oder 'jol' leicht auf 'ol, olle' leitete. Kuhn theilt aus Hentzner, Brockett und Halliwell die merkwürdig einstimmenden erntegebräuche englischer landschaften mit, wo der ährenbüschel oder die daraus gebildete puppe Melldoll und Kernbaby heiszt; da ihm Jamiesons schottisches Wörterbuch nicht zur band gewesen scheint, lasse ich mich die mühe nicht verdrieszen aus diesem reichhaltigen werk noch einige namen und brauche herzuschreiben: es kann bei vergleichung derselben auf nebenzüge ankommen, deren man ersten blicks nicht ge- wahrt; deshalb müssen die worte des textes beibehalten werden.

s. V. Maiden: 1. the name given to the last handful of corn that is cut down by the reapers on any particular farm. the reason of this name seems to be, that this handful of corn is dressed up with ribbons or strips of silk, in resemblance of a doli, it is generally affixed to the wall within the farmhouse. they drave an' shore fu' teugh an' sair;

they had a bizzy mornin'; the Maiden's taen ere Phoebus fair the Lomonds was adornin'.

Douglas's poems p. 142.

By some, a sort of superstitious idea is attached to the winning of the maiden. if got by a young person , it is con- sidered as a happy omen, that he or she shall be married before another harvest. for this reason perhaps, as well as because it is viewed as a sort of triumphal badge, there is a strife among the reapers as to the gaining of it. various stra- tagems are employed for this purpose. a handful of corn is often left by one uncut, and covered with a little earth, to conceal it for the other reapers, tili such time as all the rest 890 of the field is cut down, the person who is most cool gene- rally obtains the prize, waiting tili the other comi)etitors have exhibited their pretensions, and then calling them back to the handful which had been concealed. in the north of Scotland the maiden is carefully preserved tili Yule morning, when it 18 devided among the cattle, to make them thrive all the year round, die austheilung unter das vieh gleicht der des schwe- dischen gebackenen julebers.

III *^^^*^*Jür Oswalt. Beheim Wiener 18, 13. Answalt. Förstern, s. 110. 111. Uanswalt bei Zingerle s. 91.

DER NOTHUALM. 227

2. this name is transferred to the feast of harvost horne. it is sometimes called the maiden, at other times the maideii feast: the master has them bidden come back again, be't foul or fair, 'gainst gloainin" to the maiden.

Douglas's poems p. 144. then owre your riggs we 11 scour wi" haste, an' hurry on the maidenfeast. ibid. p. 117. It may be observod, that, in sorne parts of Scotland, this entertainment is given after the grain is cut down ; in others, not tili all is gathered in. it was, tili very lately, the custom to give what was called a maidenfeast upon the tinishing of the harvest, and to prepare for which the last handful of corn reaped in the field was called the maiden. this was generally contrived to fall into the hands of one of the tinest girls in the field; was dressed up in ribbons, and brought home in triiimph with the music of fiddles or bagpipes. a gopd dinner was given to the whole band, and the evening spent in jovialty and dancing, while the fortunate lass who took the maiden was the queen of the feast, after which, this handful of corn was dressed out generally in the form of a cross, and hung up, with the date of the year, in some conspicuous part of the house. the custom is still retained in different parts of the country.

Im Supplement 2, 91 wird aus dem gedieht 'the har'st rig' folgende stelle angezogen

o that year was a year forlorn! lang was the har'st and little corn! and, sad mischance! the maid was shorn after sunset!

as rank a witch as e'er was born, 39i

they'll neer forget! und hinzugefügt: this is esteemed exceedingly unlucky and care- fully guarded against.

As in the north of Scotland the last handful of corn for- feits the youthful designation of Maiden, when it is not shorn before hallowmas, and is called the Carlin; when cut down after the sun has set, in Loth. and perhaps other counties it receives the name of a witch, being supposed to portend such evils as have been by the vulgär ascribed to sorcery.

Was den namen maiden anlangt, so heiszt es: the na- tives of the Highlands seem to have borrowed the name from those of the Lowlands. for they call this last handful of corn maidhdean-buain or maidhdean-puain, i. e. the shorn maiden. when expressed literally, it is denominated mir-garr, i. e. the last that is cut.

Im Wörterbuch 1 , 641 wird nun eine andere benennung desselben gebrauchs, nämlich Kirn beigebracht; sie gilt wie-

15*

228 DER NOTHHALM.

derum sowol für das fest of harvesthome als für the last handful of grain cut down on the harvestfield. the person who carries oft' this, is Said to win the kirn, it is formed into a little figure, dressed like a child's doli, called the maiden, also the kirnbaby and the Hare or Hair.

In the north of England kernbaby denotes an image dressed up with corn, carried before the reapers to their mellsupper or harvesthome. it may be supposed, that this use of the term refers to the kirn or churn being used on this occasion. for a churnfuU of cream forms a principal part of the entertainment. churngotting is explained 'a nightly feast after the corn is out (f. cut).' it may respect the quem or handmiln, as anciently used at this time in preparing the first portion of the new grain. but the origin is quite uncertain. Brand (populär antiq. p. 307) views Kernbaby as plainly a corruption of Cornbaby or image, as is the kern or churnsupper of cornsupper.

Gleichviel mit kirnbaby ist kirndollie, und die auslegung

koiiimädchen, kornpuppe ohne zweifei vorzuziehen. qairnus

mag mit kaum verwandt sein (gesch. der d. spr. s. 68), aber

392 bei dem erntefest war es einfacher eine göttin des getraides

als der müle zu personificieren.

To cry the kirn hiesz to go to the nearest height and give three cheers, after the last handful of grain is cut, to announce that the harvest is finished, vergl. suppl. 2, 25.

Eine dritte benennung gibt Jamieson im Wörterbuch 2, 275 unter Rapegyrne an: the name anciently given to the little figure raade of the last handful of grain cut on the harvest- field, now called the maiden.

Statuit etiam primipilum unum reliquos praecedentera in palo autumnalem nymphulam, quam Rapegyrne vulgus soleat appellare, ad altum gereutem, et ante caraeram regis de lecto surgentis classicum subito insonari etc. Fordun. Scoti chron. 2, 418.

reaps denotes parcels of corn laid by the reapers to be gathered into sheaves by the binders.

Allem anschein nach ist gyrne aus kyrne entstellt und in rape das goth. raupjan, ahd. raufan enthaUen, welche vom aus- ziehen der ähren, also von der ernte geltend

So bedeutsam die Übereinkunft aller dieser schottischen und enghschen brauche mit den deutschen ist und so sicher auch in andern gegenden Deutschlands, Frankreichs* und Italiens wie des slavischen gebiets ähnliche gelten werden, deren sam-

' noch anderes wäre aus englischen büchern beizutragen, die mir jetzt entgehn. 6 > j

franz. la gerbaude, die letzte garbe des emtewagens mit so viel bän- dern geschmückt als Schnitterinnen, der älteste oder jüngste bindet sie los und halt eme rede, alle begieszen sie mit wein und opfern geld und gaben, vgl. Claudie von George Sand.

DER NOTIIHALM. 229

hing manches neue licht werfen niüsten, zieht es mich doch am meisten an die in viel höheres alterthum zurückgehende, von Athenäus berichtete griechische sitte hier noch zu erwägen. 14, 3 (s. 08 1 Casaub.), als er die namen der gesänge beim malen, weben und ernten aufführt, heiszt es: xott (»'or^ ok ovo- jxaatac: xataXs-csi 6 Tpo^ptuv taaoe 'Ifiaio?, r, £7:t[jLuAio^ xotXoujxsv/j, T(V Trapd Tou? äXetou? ■(joov lijui? aT:6 tt^? ttjLaXiöo?. 'Itxa/ä? o' iatt Tiapa Atopisijaiv 6 Noaxoc, xott ta lTrt|xsTpa täv dXeicDV. rj os tiöv (otoupYOuvTtuv (t)07j IXivo?* u)s 'E7:ty(ctp}j.o? Iv 'AxaXavTaic bfjpei. t, o^ TaXotatoup"^(uv, lOuXo?. ^r^ao* ö' 6 Ar^Xio? Iv -(5 Trspi Trottavcuv 'f"/)3i* xd öprzYjxaxa xäv xpilhov otüxd xai)' auxa Trpoarj'j'opsuov dixaXGt?' O'jv- aOpoiaUsvx'7 oe xai ex ttoXXwv [xtctv 'csvojAsvot osaixr^v o-jXo'j? xal lOuXou?* xal XTjv Arjfxrjxpa, oxs jxev XXorjv, oxe oe 'louXa). «tto xtuv 893 ouv xf^s Ar^ixTjXpOs eupr^}Adx(uv xo6% xe xocpTTOu? xctl xoi>? ujxvou? xouv eiq xY)v Ucov ooXous xaXotjat xal fouXouc. A-Aj[xr^xpouXoi xal xaX- XioohA. xal

irXsiaxov ouXov ouXov Tet, louXov Tsi. aXXot oe cpaaiv epioup"C(ov etvai xtjv toör^v.

Eine menge bezüge zu unsern deutschen namen und ge- brauchen treten allenthalben auf. Demeter steht dem getraide und dem weben vor wie frau Holle und Demeter heiszt gerade xopTi, Jungfrau und puppe, gleich der englischen maiden. XXor) ist ßerhta \ oij'Xo? oder louXo? wird mit demselben fug von den wolle spinnenden oder webenden und den ähren schneidenden gesungen; man erinnere sich an das to cry the kirn oder the maiden. Kuhn hat gefunden dasz frau Holle oder Hülle in einigen strichen frau WuUe heiszt (sage 246 und seite 417), immer erscheint sie als Spinnerin, wie wenn die ableitung von Holle Hülle aus Holde Hulda falsch oder erst zugetreten, der ursprüngliche sinn des namens aber Wolle wäre? wir empfien- gen eine gothische göttin VuUa oder Vullo, das ebenbild von Ar^IxTjxrjp OuXtu oder 'louXw, wobei auch die schwindende spirans im nordis(;hen nll = wolle anzuschlagen ist und wodurch licht auf den gott Ullr fallen könnte*, wenn aber die niedersäch- sischen ernter betend wol! die baierischen öswal, oswol! betend ausrufen, stimmt das zum griechischen ouXov Tet, louXov Tet und man übersehe nicht dasz iouXoc in der spräche die prima Janugo bezeichnet, nicht blosz den flaum der wolle am thier, sondern auch den hart der reifenden ähre -. es leuchtet dann ein dasz Demeter lulo dem spinnen und weben der wolle wie dem schneiden der ähre vorstehe; unsrer frau Holle oder Wolle war

' Ai^[i.rjTpo; iepov XXd?)? in Attika, Pausanias 1. 22.

* Finti. Magn. lex. mvth. 41)4''. Ullr = Vulbus. Bachlechner bei Hpt. 8, 201 ff.

'•* o'jXo» mag das sich drehende, kräuselnde sein von einer wurzel, der auch unser wolle angehört: an das drehen der garbe mit der weide (oiXov = TO 5'jve3TpafAfji^vov) braucht man nicht zu denken.

230

DER NOTHHALM.

derselbe name und dasselbe amt überwiesen, so gut wie r)olo(; und ioyXo? durfte aber auch wol den heiligen ährenbüschel, den öswol, answol, den Ar^jjir^TpouXos oder xaXXtouXo? ausdrücken, der mütterlichen göttin heilige flocke, den nothhalm.

Ich habe im sechsten capitel meiner geschichte der deut- schen spräche für den monat Julius 'Jou>.io?, Jiuleis und Geola 394 eine andere deutung begehrt als die gewöhnliche, ihn von Ju- lius Cäsar ableitende, das scheint mir richtig und nothwendig, sommers und winters eintretende Sonnenwende mag einen Zu- sammenhang des namens mit ^Xio? hveol hiul und mithras glaubhaft machen, jetzt aber, nach den eben über 'louXo) und lOüXo? erlangten aufschlüssen , könnte wahrscheinlicher werden, dasz Julius und Geola ursprünglich den erntemonat und das erntetest bedeuteten, wie auch den Iren der siebente monat miosbuidhe gelber monat (nach den goldenen ähren), den Basken urta illa von der ernte heiszt, während die nördlicher ziehenden Deutschen sie in den august legen, der auch den Slaven ihr srpen d. h. sichelmonat wird, allmählich begiengen unsere vor- fahren ihr groszes erntefest zur winterlichen statt zur sommer- lichen Sonnenwende, und der gothische jiuleis ist schon -in den november, der angelsächsische geola gar in december und januar vorgerückt; frau Holle geht in den dreizehnten, zur winter- julzeit, um. übersieht man wie andere monatsnamen sich ver- schieben, z. b. der slavische gruden aus dem november als deut- scher hartmonat in den januar, so wird ein solcher Wechsel begreifhch, die Wiederkehr der Sonnenwende macht ihn noch begreiflicher.

Wie 'louXo) mit unserer Holle und Wolle berührt sich die dorische mehlgöttin 'IjjiaXi? mit unserm semmala und dem lat. similago. Athenäus sagt 3, 25 s. 109 dasz Demeter auch l'ixto und im syrakusischen dialect IitxaXtc; hiesz. in Böotien sei ein männlicher Ms-i-aXap-o? und MeYaXojjiaCo? verehrt worden, was er auch 10, 4 s. 416 wiederholt, nicht übel lust hätte ich, dem männlichen lulus und Oswald einen bisher noch unerklärten gothischon heros Amala an die seite zu setzen, er mag gleich dem ags. Sceäf ursprünglich die heilige fruchtgarbe bedeuten und das gr. a'fxaXa, worunter Athenäus die opayii-ata x&v xpif^öiv versteht, darf nach allen seinen buchstaben ein goth. amala bleiben, man vergl. ahd. amar far und amerkorn, amelkorn *. aber wie viel ist uns von unserm alterthum abhanden gekom- men, dasz wir keinen beweis mehr für solche schwebende Ver- mutungen liefern können, vom mülenlied ein ander mal.

* vgl altn. Amlodi und Amloda qvern = oceanus. lex. poet. 14^ Ame- lung Amlung zu Zürich. Stärkemehl lat. aniyUmi, it. amido, fr. amidon, sp. almidon. . ' 5 »

DER THRAKISCHE GOTHTLA. 231

DER THRAKISCHE GOTHILA.

Zoits.lirift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. 8. 396.

Bei Athenäus stiesz ich auf eine andere stelle die mich .S95 angeht, lornandes läszt den macedonischen Philippus, Alexan- ders vater, sich mit Medopa einer tochter des Gothila ver- mählen, und aus diesem Gothila folgerte ich gesch. der d. spr. 8. 184 ein griech. l's-ojXa bei Dio Chrysostomos. nachher zeigte mir 8. 816 Stephanus byzantinus eine Tsttc als diese gemahlin Philipps und der name ihres vaters iexr^Xa schien irrig, jetzt aber lehrt Athenäus 13, 1 s. 557 dasz lornandes oder sein ge- währsmaun doch recht haben, es ist die rede von Philipps polygamie und darüber wird Dicaearchus (lAixotiap/o; iv tpitq) -spi Toü xr^c'EXXaoo? ßiou) ausgehoben, nach der Olympias nahm der könig eine thrakische frau: xal ttjv Öpaxr^v öe ots sDvSv, t,x£V Tiph; auTOV Ktf^r^Xa? (al. KoUr^Xa?) 6 täv Bpaxwv ßottjiXsu?, a^wv M7;octv TTjv Wo^ct-irja xal oÄpot roXXa. 7>^/jAa? oh. xctl xau-r^v i-si;- T^Ya"cs TTQ 'OXufXTriaoi. in ermangelung des Fabricius weisz ich nicht, welcher zeit Dicaearch und ob er noch der vor Christus angehört ^ KuV^Xot? oder Koi^r^Xa?, was auch Dindorf vorzieht, zeigen auffallend K 6 und 0 für l'sTr^Xa? loxr^Xa?, da man doch getische Thraker anzunehmen hat und die fsTig bei Stephanus ofi'enbar eine Getin ist, nicht diesen eigennamen trägt, welcher bei lornandes Medopa, hier Meda angegeben wird. Diodor 16, 71 nennt den von Philipp überwundenen thrakischen könig KspctoßXs-totc.

AIHVATUNDI.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, hd. 7. 1849. s. 441.

Habe ich (gesch. der d. spr. s. 232) das ags. jjgfejiorn, 441 ahd. depandorn, wodurch rhamnus und rubus glossiert werden, richtig gedeutet branddoru, so wäre auch das gothische aihva- tundi [id-rj^ mit dieser erklärung in Zusammenhang, denn tundi (fem.) gehört ofi'enbar zu tindan ardere, uri, wovon auch tand- jan incendere, tundnan incendi geleitet werden, und musz aus- drücken combustio, mit vorgesetztem aihva aber equi combustio. wie nun wenn heidnische brandopfer, namentlich pferdeopfer für ihr teuer eines bestimmten heiligen dorns bedurften, der

' ich sehe, dasz er 11, 4 s. 460 Messi^vto;, 6 'ApurcoT^Xou; p,a^^Tf^; heiszt.

232

WER.

danach den namen führte? denn es ist doch auffallend dasz in zwei verschiedenen benennungen der dorn mit brennen und zünden bezeichnet wird *. man musz erforschen, ob die pferde- opfer des alterthums auf so etwas führen; bekanntlich hiesz das indische, zu eingang des Ramayana geschilderte aävamedha equi sacrificium, Bopps glossar 24\

WER.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 448 452.

448 Unsere dunkeln pronomina reizen unablässig zur betrach-

tung. ich richte diesmal mein augenmerk hauptsächlich auf das fragende, nehme aber noch einige andere stamme hinzu, um das ineinanderlaufen der A und I stamme, wodurch allein licht verbreitet werden kann, deutlicher zu machen, die unbelegba- ren, zweifelhaften casus werden eingeklammert.

sg. sa

]3is

J)amma

J)ana

l)e_ pl. pski

J)ize

]3aim

J)ans sg. is

is

imma

ina

(ei)

eis

pl

ize im ins

sö"^" J)iz6s j^izai {do**'

J)6s

])iz6

J)aim

J)ös

si

izös

izai

ija

ijos izö im ijos

Jjata

|)is

f)amma

{)ata

Pe

]>\

jDize

J)aim

|)ö

ita

is

imma

ita

(ei)

ija

ize

im

ija

hvas

hvis

hvamma

hvana

hve

hvai

(hvaize)

hvaim

hvans

(his)

(his)

himma

hina

(hei)

(heis)

(hize)

(him)

(hins)

hvo hva

(hvaizös) hvis

hvamma hva hve hvo

(hvai) hvo

(hvos)

(hvaizo) (hvaize)

(hvaim) hvaim

hvös hvo

(hija) hjta

(hizos) (his)

(hizai) himma

(hija) hita

- (hei)

(hijös (hija)

(hizö) (hize)

(him) (him)

(hijös) (hija)

Die formen von sa so |)ata und is si ita sind vollständig be- wahrt, mit einziger ausnähme des aus der partikel ei entnom-

* P^" ^^'^hP ^^^'^sß^nt sicut ignis in spinis. Trist. 831 commande espi- ncs querre. 834 querre les sarmens et asembler o les espines aubes et noires 0 racmcs. 104-2 au re ardant d'espines. ""<^'',das 6 Bopp s. 458.

altirhuo (3 183) ^^"^ ^^^' P'''^*^^'^^ ^°' ^''^' ^^*^- ^^^^ (gramm. 3, 169) und

WKK. 233

menen instrunientalis, wofür auch e geinutmaszt werden dürfte, desto ungenauer erscheint hvas hvo hva, und zumal steht es unsicher um die weiblichen casus; von his hija hitu liegen nur 449 drei casus überhaupt vor und alles übrige fällt dem zweifei anheim.

Offenbar entfalten die beiden letzten pronomina den cha- racter I, wie besonders aus ita hita, imma himma, im him und ins hins hervorgeht, die beiden ersten hingegen A, nach |)ata hva, |)amma hvamma, jians hvans. doch scheint dem I nicht gemäsz dasz masc. und fem. unterschieden werden, da sie zu- sammenfallen sollten, wie im zahlwort |)reis gen. J)rije, dat. {)rim, acc. ))rins, welche auf beide geschlechter gehn, gleich dem lat. tres trium tribus tres oder dem gr. tpsi? xpioiv xpiat xpzU oder gleich den subst. gasteis gaste gastim gastins und dedeis dede dedim dedins. eis ize im ins würde ein commune sein, wie das griech. interrogativum xt; tivo? tivi ti'va pl. tivs? xtvwv xi'at xiva?, deren N entspringt wie in i's Jvo? ivi Iva oder pi's pivo? pivi piva. [lat. cujus und cui m. und f.]

Im nom. sg. der beiden ersten fällt zweierlei auf, dasz dem schwachformigen sa so gemäsz nicht gesagt wird hva hvo und dem jiata (ita, hita) gemäsz nicht hvata, sondern hvas hvo hva. hva für hvata gleicht dem blind für blindata; alle übrigen dia- lecte hegen den linguallaut, ahd. huaz ags. hvät u. s. w., analog dem daz und Jiät. um so alterthümlicher klingt hvas und läszt ein früheres sas, sogar ein blindas hanas für blinda hana ahnen.

A und I wechseln in sa (|iata) |)is |:)amma |)ana, hvas hvis hvamma hvana gewisz nicht ohne tiefen grund gerade wie in blinds (für blindas) blindis blindamma blindana, oder in dags (für dagas) dagis daga dag (für dagan oder dagana). ich bin unschlüssig über den gen. dat. sg. fem. und gen. pl. aller ge- schlechter des fragworts, die nirgends erscheinen, früher nahm ich hvizos hvizai, hvize hvizo hvize an, was dem ])izos j)izai, })ize J)iz6 ]iize entspricht und Lobe folgt mir, seit aber 1. Thess. 4, 2 ein seltsames hvaizos anabusnins, xtvct? -apa-jYsXta?, vorhan- den ist, das verschrieben sein musz für hvos anabusnins, liegt mir doch das AI im sinn, wie es dem Schreiber im ohr lie- gen konnte, wenn der goth. gen. pl. fem. hvaizö, der gen. sg. hvaizos lautete, hvizo und hvizos hätten ihn nicht zu dem fehler verführt und hvaizos träfe überdem mit blindaizos, hvaize hvaizö zusammen mit blindaize blindaizö. die Ursache des AI in dieser adj. flexion könnte auch im interrogativum walten luid 450 ich wage es auch ihm zu verleihen, sogar dem dat. sg. hvai, gleich dem blindai, das Z zu entziehen, denn hvai verhält sich zu blindai wie hvaim zu blindaim, und das Z in l)izai, izai, }iize [)izö ize izö scheint unorganischer zusatz [?], der bekannt- lich in den übrigen dialecten weiter um griff" und auch den dat. sg. fem. einnahm (ahd. plinteru für goth. blindai). ich handle

234

WER.

hier nicht von diesem Z = S und spreche blosz die Vermutung aus, dasz seiner ursprünglich auch die gen. sg. und pl. der ad- iectiva ledig waren; es hat grosze ähnlichkeit mit dem Z der comparative und dem der neutralen plurale (ahd. lempir lem- piro = goth. lambiza lambize, wenn man rathen darf), die lat. spräche besitzt es blosz im gen. pl. -orum -arum -erum = osum asum esum. so viel ist klar, um auf unser pronbmen zurückzukommen, dasz sich neben hvaizos kein dat. hvaizai aufstellen läszt, worin das characteristische AI zweimal ausge- drückt wäre, sondern entweder hvai oder hvizai.

Mir ist ferner wahrscheinlich, dasz das interrogativum ur- sprünglich ganz der Iform zufiel, d. h. nach maszgabe von Ti; -k t( und lat. quis quis quid auch einmal gothisch hvis hvis hvita gefragt wurde, auch im latein trat bald quae an die stelle des weiblichen quis, bei Plautus und Ennius war aber quis noch richtiger generis communis und man fragte: quis ea est? quis illaec est mulier, ja Ulpian dig. 50, 16 musz noch zu- geben: verbum hoc 'siquis' tarn masculos quam feminas com- plectitur. nachdem einmal ea (= goth. ija) neben is getreten war, d.h. ein fem. der Aform das ältere der Iform verdrängt hatte, drängten sich auch quae (= quea) und haec (= heac) statt der weiblichen quis und hie ein*, der sprachgeist gieng darauf aus beide geschlechter deutlich zu scheiden, da doch ihrem wesen nach die Iform sie gerade nicht scheidet: so ist in die plural und weiblichen casus dieser pronomina auf ver- schiedene weise anomales eingedrungen; während lat. is, id, ejus, ei den Organismus wahren, rückte die Aform vor in ea eum eam eo eä. nicht anders rückt sie vor in haec hunc hanc hoc häc, nicht in hie hujus huic u. s. w.

Es ist hochdeutsche art, mit wer nach allen drei geschlech- tern des sg. und pl. zu fragen: wer ist der mann? wer ist die 45ifrau? wer ist das kind? wer sind die männer, frauen, kinder? so schon mhd. wer was ein maget diu den gräl truoc? Parz. 500, 24. [wer was Clinschores her? wer wären die so wol ze wer riten? wer wären die bräht Artus? Parz. 700, 1 ff. lat mich rehte hoeren wer die frouwen sint. Nib. 346, 2. wen (quam) weit ir mir geben? Gudr. 1638, 1] und ahd. wer ist min nmoter inti wer sint mine bruoder? T. 59, 3 aus Matth. 12, 48 und in der älteren Übersetzung: huer ist min muoter enti huer sintun mine bruoder? dies ist für den pl. und fürs neutrum barbarei, fürs fem. aber kann es die alte gemeinschaft beider ersten geschlechter sein, wie beim gr. -t? und altlat. quis. Ulfilas schreibt Marc. 3, 33 hvö ist so aijoei meina? [wo auch vulg. quae, nicht quis hat,] würde also auch Matth. 12, 48 ge- schrieben haben jah hvai sind bro])rjus meinai? die ags. ver-

dem quis quis entspricht im acc. ein quem quem für beide sreschl., spater unterschied man quem quam.

WER. 235

sion gibt Matth. 12, 48 hvylc is min moder and hvylce sind miiie gebroJra? Marc. 3, 33 hvylc is min moder and mine ge- brodra? d. h. sie verwendet nicht mehr das einfache, 8ond<'rn das zusannnengeset'/te f"ragov<^ort, bei dem auch die hochdeut- sche spräche geschlecht und numerus beobachtet.

Dies leitet noch zu einer blosz syntactischen Wahrnehmung, wir gebrauchen heute das einfache interroorativum beinahe gar nicht mehr vor Substantiven, höchstens heiszt es noch in ein- zelnen redensarten: wer teufel hat dich hergeführt? wes geistes kind ist er? [wer henker? Lessing 1, 396. was geier? ebend.] für welcher teufel, welches geistes. in der regel findet hier nur das zusammengesetzte fragwort statt: welcher vater liebte sein kind nicht? welchem manne wäre der kämpf nicht erwünscht? welchen boten sendet ihr?

Der Gothe, gleich dem Griechen und Römer, fragte hier noch mit einfachem pronomen: hvas J^iudans? xi? ßaaiXsu?; Luc. 14, 3L hvas manna izvara? xi'? avöpu)7:o? £$ uixuiv; (manna nom. sg. , izvara gen. ])1.) Luc. 15, 4. auffallend steht hvas anda- nuints? xt'^ 7) 7:pocXr^'{;i?; Rom. 11, 15, wo man hvö erwartet hätte; verleitete hier den Übersetzer das gr. xi'? oder ist in diesem hvas noch spur des alten generis communis? doch Luc. 7, 39 heiszt es hvo jah hvileika so qino? -zk xotl TroxotixT] 7) "^uvT^*; hvaizös anatusnins 1. Thess. 4, 2 wurde schon vorhin besprochen und hvos vermutet.

Ahd. belege werden selten sein und Luc. 7, 39 ist quae et (jualis mulier bei T. 138, 7 merkwürdig übersetzt: wiolih inti welih wib? doch gewährt Notker noch im Boethius 243 wer 4,)2 got? quis deus? und es müssen sich mehr beispiele solches ge- brauchs bei ihm finden, ps. 14, 1 schreibt er aber wielih tegen? und Cap. 10 welicha quam? im llildebrandslied lautet die frage: wer sin fater wi\ri eddo welihhes cnuosles du sis? wo bei tJl- filas sicher gestanden hätte hvis und nicht hveleikis.

Mhd. beispiele kenne ich gar nicht, oder vermögen andere ein wer man, wes mannes, wem manne, wen .man nachzu- weisen? weihen kumber? liest man Parz. 584, 5, nicht wen kumber. [wel not Bon. 4, 4(i. wel wunder 3, 62. 44, 44.]

Ungleich öfter fügt sich zum einfachen pronomen der gen. pl. und gothische belege stehen gramm. 4, 452 und bei Schulze 147''. ahd. huer manno? wer unter den männern, huer men- niscono? wer unter den menschen, d. i. welcher mensch, mhd. wer guoter, ahd. huer guotero? wer unter den guten, den gen. sg. hat aber das neutrum 'waz* bei sich: waz rätes? waz Wun- ders? = welcher rath, welches wunder.

' Luther: wer und welch ein woih? wor ist ihm nicht quis, sondern quae.

236

DARF.

DARF.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 452 455.

452 Es ist wol nicht überflüssig nach dem, was ich GDS. 904 *

gesagt habe, auf dies verbum zurückzukommen und seine un- verwandtschaft mit andern Wörtern deutlich zu machen, das goth. J)arf J)aurbum, ags. })earf l)urfon, altn. J)arf J)urfum lautet ahd. darf durfum, mhd. darf dürfen, und es leuchtet ein dasz die hd. formen eigentlich haben sollten darp durpum, darp dürben, wie dem goth. hvarf hvaurbum ein ahd. huarp huurpum entspricht, [auch steht darp (= darf) bei Neumann 145. 148.] darf durfum, wäre es in Ordnung, würde, wie warf wurfum ein goth. varp vaurpum, gleichfalls ]:)arp Jjaurpum begehren, also ist das hd. F in diesem wort unorganisch und hat sich allem anschein nach aus dem prät. durfta und dürft (goth. j^aurfta J)aurfts), wo es durch T gebunden war, in das praesens ge- schlichen und das richtige darp durpum verdrängt, zur bestäti- gung gereichen das ahd. darpen egere, darpo egens, piderpi

453pidirpi* utilis, necessarius, und derpi azymus, in welchen allen ahd. P oder B, mhd. B, wie im goth. B waltet, piderpi (goth. bi]>airbs?) weist aufs untergegangene starke derpan, goth. })air- ban. [vgl. wb. 1, 1810.]

Mit }3arf und ]:»airban nichts gemein haben kann das alts. derebi audax, altn. diarfr, wie der abstechende anlaut lehrt, denn diese adjectiva würden ein goth. dairbs, ahd. terpi fordern, welches letztere ich noch in den eigennamen Terbwin tr. fuld. 1, 14. Schannat no. 83 und Terpito Terpato bei Ried no. 48. 50. 51 spüre**.

Eben so wenig gehört zum goth, J)arf paurbum, ahd. darf durfum das mhd. verderben verdarp perire, verderben verdarpte perdere, und ich bedauere gramm. 2, 38 zum irrthum anlasz gegeben zu haben, der nun auch in Beneckes wb. eingedrun- gen ist. dies verbum läszt sich in goth. und ahd. spräche nicht aufzeigen, hätte aber goth. zu lauten fradairban fradarf, ahd. farterpan fartarp, welche formen aus dem altn. fordiarfa, alts. farderban (fardurvon perierunt haben die psalmen 72, 19) und dem ags. gedeorfan laborare, gedeorf labor, tribulatio, gefolgert werden mögen, das verbum liesze sich mit dem vorhin bespro- chenen adj. leicht vereinbaren, bedeutete dairban vigere pollere valere, so ist dairbs validus audax, fradairban absumi perire.

wo ich den druckfehler o^wpiat für o^opiat zu bessern bitte. 218 'il^r^^'^ V^^^m piderpi. Graff 5, 215. doch auch pidirbSr 5, 21G. ** verschieden ist gadars audeo, ahd. kitar.

DARF. 237

Woher nun das mhd. nhd. D in verderben verdarb statt des eben gefundenen, hochdeutscher zunge gemäszen T?* ich bin zu der annähme geneigt, dasz dies wort, welchem wir bei Notker niemals, bei mhd. dichtem allgemein begegnen, unge- fähr im eilften, zwölften jh. aus Niederdeutschland eingedrungen sein müsse.

Um diese zeit liesz die niederdeutsche spräche ihr TH fahren und nahm dafür D an, welches sich nun schädlich mit dem organischen D mengte; so geschah es dasz darf = altn. |)arf, bederve = altn. J)arfr anscheinend mit derve = altn. diarfr und verderven = altn. fordiarfa sich berührten.

Es tritt hinzu dasz die mnl. mundart neben darf opus est mihi, dorven opus est nobis ein gleichbedeutiges bedarf be- dorven verwendet, welches sich nun mit den wurzelhaft ganz verschiedenen bederven perire absumi, bedarf perii, bedorven absumptus perditus vermischt, blosz darin liegt der äuszere unterschied, dasz zu jenem bedarf der inf. bedorven (nhd. be- 454 dürfen), zum andern bedarf (nhd. verdarb) der inf bederven (nhd. verderben) gehört, bemerkenswerth heiszt es Partonopeus 18, 19 tlicht bedarf, candela absumpta, exstincta est, nhd. das licht erlosch; wir würden hier nicht sagen verdarb.

Vom mnl. darf oder bedarf opus est wird das praet. dorste und bedorste gebildet (M. Stoke 3, 429. 430. Clignetts Esopet s. 334. 335), was aus dorste ausus sum hergeholt ist, während mhd. dorfte und torste ebenso reinlich geschieden stehen wie goth. I^aurfta und daursta.

Ich will hier auch noch einiger mittelniederdeutschen for- men gedenken, die in meiner grammatik, wegen unergibigkeit der quellen, vernachlässigt wurden, für mhd. tar audeo, audet findet sich darn, z. b. Ssp. ed. Hom. s. 75. 115. 119. 123. 160. [Sassenchr. s. 236. Neumann s. 17. tharn s. 91. 112], für mhd. darf opus est hingegen dar Ssp. 3, 50; die infinitive lauten von jenem dürren, von diesem durven. das seltsame darn verhält sich zu dar d. i. darr etwa wie mhd. sterne zu sterre Stella**, und auch der pl. musz diirnen haben, wie dürne audeat Ssp. s. 138 lehrt, wie aber sind die praeterita anzusetzen? zu darn wol dorste (kaum dornste), zu dar hingegen, wenigstens an ein- zelnen orten, druchte oder drochte. den beweis soll eine hüb- sche Strophe Wizlaus (MSH. 3, 85'' [Ettmttller s. 50]) erbringen, die ich einmal versuche rein niederdeutsch auszudrücken. Helpet mi scallen hundert düsent vroiden mer, wen des meijen blöde kan bringen; rösen de vallen

* verterben. Wien, merfart 369. 567. ** vgl. Ettni. Theoph. p. 45.

238 NAHTAM.

an mire vrowen roder 1er*;

da van wil ik singen.

dwinget mik de kulde,

alre wortel smakkes ger

de sint an er live geströwet;

wurve ik er hulde,

so ne betrochtic vroiden mer:

8U8 de minneclike mik vrowet. in Schwaben und Baiern würde man diesen gesang schwer verstanden haben, rosen fallen an meiner frau rother wange nieder, 1er ist das ags. hleor, mnl. lier**. kulde das mnl. nnl. 455 koude. ger das nnl. geur odor, mnl. gor (doctrinale 2, 447. 1157. 3, 1210), wofür vielleicht auch gier galt, bedrocht steht in der hs. (MSH. 3, 744**) und war so gut zu bewahren, wie 82" echter (= efter, after) : wechter. bedorchte (= bedurfte) wäre zu hart gewesen, daher bedrochte, wie wrochte für mhd. worhte***. ich finde auch im praes. draf für darf. [altd. w. 2, 192.] man wird überhaupt noch andere abweichende mnd. formen dieser anomalen verba, wenn man aufmerkt, sammeln können.

NAHTAM.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 455. 456.

455 Kein einziger weiblicher dativ pl. in gothischer spräche

kann eigentlich auf -am ausgehen, welche endung den männ- hchen und neutralen Wörtern vorbehalten ist, die feminina haben gibom anstim handum tuggöm manageim; es fällt darum höch- lich auf, dasz das überhaupt anomale nahts in der viermal vor- kommenden redensart nahtam jah dagam Marc. 5, 5. Luc. 2, 37. \/r^' ^*- ^^^''^^ J^^ nahtam Luc. 18, 7 so lautet f. Man könnte sagen, weil nahts in seiner flexion den cha- racter I aufgibt und den gen. sg. nahts nicht nahtais, dat. sg. naht nicht nahtai, nom. acc. pl. nahts nicht nahtais nahtins bildet, so musz A im dat. pl. zutreten, wie im männlichen reiks, pl. reiks nicht reikös, dat. reikam, auch liesze sich nahtm

1411* '■?^^"'^^ }',^<i- schwed. volksl. sine Her bloeiden als ene rose. Walew. ., h^^JJ mundel das stuont rosenvar als rosenbleter w^ren dar geströuwet u. brenten von roete. altd. bl. 1, 242.

♦•* Fn'JfonT^H ^^'■°^°- I^appenb. Hamb. RA. 68. ten : vorchten ' ^°^^^*^- ^^^^ worchten : bedorchten. 6316 bedorch-

gl. ISst'^' "''^*^™ "''''*" ^"^^ ^^^^"^ *''^- ^^^ verlornen nakta sein. Bopps

NAHTAM. 239

reikm ohne A nicht aussprechen, nur hat reiks den gen. sg. reikis Matth. 9, 23, wo mau reiks erwartet hätte, ferner stimmt nicht zu uahtaui, dasz baurgs, welches derselben anomalie zu- fallt, den dat. pl. haurgim und ni(rht baurgam empfängt, und man bleibt unsicher, ob die gleichfalls anomalen f'eminina aihs hrusts und mitaj)s den dat. pl. alham brustam mitadam nach nahtara, oder alhim brustim mitadim nach baurgim erhalten.

Wie dem nun sei, ])arallel mit nahtam läuft der ahd. dat. pl. nahtum (GrafF2, 1020) und jenes dagam jah nahtam würde ahd. takum joh nahtum lauten ; wiederum gebührt sonst keinem ahd. Femininum ein dat. pl. auf" -um, vielmehr heiszt es kepom enstim zunkom manakim *. erst später, als das gesetz dieser 456 anomalie vergessen wird, schleicht sich nahtim ein, wie im gen. dat. sg. nahti für naht, und überall purkim dem goth. baurgim begegnet, doch der dat. pl. prustum (Graft' 3, 276) scheint dem vermuteten goth. brustam gewähr zu leisten.

Mhd. folgt nahtin d. i. nahten Roth. 3865 und winahten MS. 2, 6ß^ der alten anomalie, nehten kann ich, wenigstens im reim, nicht aufzeigen, nhd. gilt nachten, aber doch noch Weih- nachten, aber mhd. dichter reimen brüsten : kusten Flore 700. Trist. 14163. Wigal. 11584 und so möchte ich auch Erec 5755. 9112 bessern, obwol 6111 brüsten : gelüsten, 7345: lüsten steht, wie brüsten : rüsten Geo. 4210: gelüsten MS. 2, 81 bei Nithart und troj. kr. 16146. die Ursache des Schwankens suche ich nicht mit Lachmann zu Iw. s. 385 im ST, sondern im ahd. prustum neben prustim und im vermutlichen goth. brustam, wie auch ein nom. oder acc. pl. brüst = goth. brusts für das üblichere brüste vorkommt (gramm. 4, 466).

Die ags. und altn. spräche, welche den goth. und ahd. unterschied männlicher und weiblicher dat. pl. verwischen, und beiden einförmiges -um verleihen, geben hier keine auskunft*.

TRAUERN.

Zeitschrift für deutsches altertlmm herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 456 458.

Was heiszt eigentlich trauern ? ich glaube die äugen , das 456 gesiebt niederschlagen, und nicht blosz vor kummer, auch vor schäm, darauf führte mich zuerst eine stelle Otfrieds 1, 5, 9, wo von Gabriel, der zu Maria kam, gesagt ist

giang er in thia palinza, fand sia drürenta, mit psalterü in henti, then sang si unz in enti.

* aber auch hantuni. ** nottom noctibus. Ssem. 135^.

240 TRAUERN.

die webende, singende Jungfrau empfand keine sorge, aber schluo-, als der engel eintrat, geschämig die äugen nieder und das musz hier drürenta bedeuten, das wort im gewöhnlichen sinn genommen kam auch dem Scherz so seltsam vor, dasz er, freilich unbefugt, diurenta glorifieantem zu setzen wagte. Wernher [fundgr. 2, 178, 9] läszt Maria auf des engeis schon 457 gethanen grusz 'du solt ze brütbette gän in dem himele obene' schamhaft nachsinnen :

diu maget begunde denken, diu ougen nider senken, si nam ez in ir ahte, wie daz werden mähte, und wie dem gruozsal wäre; trüric stuont diu geware, d. i. wieder mehr verschämt als traurig im heutigen sinn *, ob- schon in ihn der dichter einlenkt, wenn er fortfährt: der engel tröstes ave sä: 'din sorgen du verlä.' alle zweifei gehoben werden aber, wenn man auch auszer ihrem Zusammenhang die ahd. glosse 'trürentiu dejecta (oculos)' bei Graff 5, 543 liest. Notker ps. 41, 7 verdeutscht salutare vul- tus mei deus mens: mines analiutes heili ist min got, und fügt hinzu: er heilet min analiute, daz trüreg ist; hier begehrt der sinn maestus, aber die beziehung von trüreg auf das antlitz musz gangbar gewesen sein.

Imago animi vultus. noch heute verbinden wir 'trauern und die äugen niederschlagen', oder 'trauern und das haupt senken', weil sich auf dem antlitz freude und trauer mahlen, der frohe schlägt die äugen auf, der unglückliche nieder, aber auch der freche auf, der schamhafte nieder, ja das participium . niedergeschlagen drückt uns weniger aus depressus, oppressus, als qui demittit oculos, vultum, der sorge und gelinde trauer empfindet, für ein schamhaftes mädchen verwenden wir nicht mehr weder traurig noch niedergeschlagen, vielleicht that es die mhd. spräche noch**.

myst. 111, 1 si wart betrübet von den Worten des engeles. "* tristes capite demisso terram intueri. Caes. b. g. 1, 32. vultum demissa. virg. Aen. 1,561. dejecto lumina vultu. 6, 862. analutte föne trüregi nider gehangtez. vultum dejectum in humum moerore. N. Boeth. 11. daz houbit er nider hie. kehr. 7510. die giengen trurande vil bloucliche in der stat. Koth. 1.^92. sach vil trürecHchen nider. En. 10425. und sach vil trurecliche mder. Eracl. 3995. si hienc daz houbet unde sprach trurecliche. Iw. 2221. daz houbet im ze tal seic. Er. 8390. do erschampten sich ir liebten ougen (senkten sich). Walth. 74, 32. daz antlutze im inphiel (er erbleichte), fundgr. A ^0. diu vrouwe vür sich nider sach, do wart si bleich und rot. GA. 1,463. si Degunde weinen, ir houbet underleinen riuwecliche mit der hant, als dem ze sorgen ist gewant. Amur 2368. daz houbet im do nider seic. Bari. 31, 40. aaz houbet hez er sigen. 124, 1. der kunic von zorn nider sach. Morolt 137. geDuckt gehn = trauern, ps. 38, 7. traurig den köpf laszt niderhangen. Reb- no^f u '^^'^P^.^J" hangen lieszen und ganz traurig aussahen, fr. Simpl. 416. neigt, sein haupt nider in trauren. gesta Rom. Kell. 96. mit niderhangendem E!!. •• I /" '^«^ ^''^ ^^^' 122. man sagt von pflanzen, wenn sie die Da er sinken lassen, dasz sie trauern. Schmid schw. wb. 137. vormittag Wulien, nachmittag trauern (von der blume), d.i. den köpf senken. Meinert

TRAUERN. 241

Wir sind also in den sinn des abstracten trauems einge- drungen und auch die etymologie scheint willfährig, das ahd. trftren führt zunächst auf trioren triuren (wie viele ü aus iu entspringen) und trürac war triorac, was durch ags. dreoreg maestus*, engl, dreary bestätigt wird, dreoreg leitet sich her von drcor stilla, gutta cadens, was vorzüglich vom fallenden blutstropfen gilt und blut bedeutet, mit dem ablaut gebildet sind altn. dreyri sanguis, humor, ahd. mhd, trör gutta**, alts. drör cruor, drorag cruentus. aller dieser Wörter wurzel ist goth. driusan labi, cadere***, wovon, wenn rathen gilt, gleichfalls draus gutta und drausags cruentus, driusags maestus gebildet sein könnte, drausjan kommt vor und bedeutet fallen machen, stürzen, ahd. tröran; driusags wäre nun ahd. trürac und müste ursprünglich bedeutet haben : qui vultum demittit ; zum vollen 458 erweis gehörte die nachweisung eines goth. driusan driusaida (unterschieden von driusan draus) ^ oder ahd. triosen mit deut- lichem bezug auf augona oder vlits. aber unserm trürec und dreoreg gleicht das gr. xa-rjcpr^s subtristis, pudibundus, eigent- lich qui lumina deorsum mittit, vultu demisso est, octto xou xartü ta cpocTj ßa>vX£tv, und xaxVjcpsta ist gerade das niederschlagen der äugen, dann demütigung und trauer.

Zu statten kommt mir noch etwas ähnliches, das altn. hnipa bedeutet inclinare, incurvare corpus, sein participium hni- pinn sowol curvus als maestus, der trauernde geht gebeugt und läszt den köpf hängen, hnipna drückt in der edda trauern aus.

reidr vard Gunnar ok hnipnadi Srem. 217'^, er zürnte und trauerte. nochmals 231'' hnipnadi Gunnar. pferde nicken mit dem köpf, sehr bezeichnend daher von Si- gurds rosse 231''

hnipnadi Grani, drap i gras höfdi, es trauerte, senkte sein haupt ins gras, ans goth. ganipnan

volksl. a. d. Kühl. 6. hiaz schau ich mein büabl zum letztnmal an, schlag d' äugerln voruntä, geh trauri davon. Almer 2, 25. siebenbürgischdeutsch: •was hängst du die lauern? (was bist du so traurig?) vdH. Germ. 9, 311. quant eil l'oit, si tint lo chief enclin (senkte er das haupt, trauerte er). Garin le Loh. 1, 249. les mcs (boten) encontrent, qui ont le chief enclin, tenrement plourent des biaus eus de lor vis. 1, 79. trom a sheas i 'suilean sios (moesta stetit illa oculis demissis). Ossian Tighmora 7, 79. umgekehrt freudig" auf- blicken: sich üf unde wis fro. Hartm. 1. büchl. 805. si sehent niht froelich üf als e, si wellent alze nider schouwen. Walth. 44, 37. der kunic von freu- den iif gesach. Morolt 152.

* ags. heorodreorcg cnientus Beov. 1864. väter dreoreg and gedrefed Beov. 2833. alts. drobi. ahd. truobi turbidus tristis. ags. dryrmiaa maerere Caedm. 180, 5. aus blutig ergibt sich trüb, traurig.

** schles. trüren durchsickern; trürwasser. Woinnold in Kuhns zschr. 1,249. altn. driupa caput denntt«re, lugere = triefen, tropfen, nnl. treur und treurig, plattd. trorig, troor, nicht mit dr, weil aus dem hd. entlchut. zuerst mnl. truerlic bei Potter 2, 374.

*** Bopp vgl. gi-.^ 1, 36 bringt driusan zu skr. dhvafis. ' wie sich liugan liugaida scheidet von liugan laug.

J. CmMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 16

242 PLEON.

oxuYvaCsiv würde ich denken, gebräche ihm nicht das anlau- tende 'h und wäre nicht auch ags. von hnipan inclinari ge- schieden nipan obscurari (vgl. nipende niht nox obscura, ge- nip caligo), so dasz man hier von trübe auf betrübt, wie von

axu^vo? auf (3tu-(vaCo> gelangt.*

PLEON.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 7. 1849. s. 458. 459.

458 Recht ein hochdeutscher mannsnarae ist Pleon trad. fuld. ed. Dronke p. 175. Bleon cod. lauresh. 3275. Blion Dronke p. 168. Blieon cod. lauresh. 2871, und davon die ableitungen Pleonunc Neugart no. 165 (a. 808) no. 400. Pleoningas Mei- chelb. 293, später Pliening, Plening, Pleningen [Stalin 1, 273. 306]; im 15n jh. lebte ein durch seine Übersetzungen aus dem latein bekannter Dietrich von Pleningen, freund von Rud. Agri- cola und Reuchlin, ich weisz jetzt nicht, ob er aus dem schwä- bischen Plieningen oder baierischen Pliening stammte. Stalin

459 1, 306 hat einen pagus Pleonungetal. zusammengesetzt ist der frauenname Bleonsuint im cod. lauresh. 2819. 2876. [cod. fuld. 189.] Blensuuint bei Dronke und der mannsname Blinwärmund bei Pertz 5, 694 (a. 997). wahrscheinlich hat man Blinmunt Blienmunt bei GrafF 3, 239 statt Bliumunt zu setzen. [Pliens- pach. weisth. 1, 675.]

Was bedeutet nun dies bei Graff, gleich allen angeführten eigennamen (den letzten fehlerhaften abgerechnet), mangelnde pleon, plion?**

Das -on ist keine flexion, sondern schon im nom., denn es heiszt im cod. lauresh. ego Blieon, ego Bleon, folglich würde der gen. lauten Bleones, in jüngerer gestalt aber Blien Blie- nes. das -on scheint organisches -un, wie im goth. midjun- gards oder fairguni, im altn. Häkon u. s. w. niemals begegnet Blian Blean.

Unmittelbar dazu gehört das ahd. plehinouger lippus (gramm. 2, 165. 1017. GrafF 1, 123) und das davon geleitete verbum plehinougu lippio. Schmeller gibt noch 1, 237 bleu- äugeln blienäugeln blinzeln, welches nhd. wort also aus blien-

* connivere nicken, neigen, inclinare in bezug auf äugen, diphth. 33. 34 üi '"* ^' ^^^' ^^^^' ^^^' ^^^' ™^ nictari, utmis aufschlagen, nimis nieder- schlagen, ebenso mil, utmil und nimil. Bopp gl. 2G4^ 265^^. dazu miser, moe- 8tus, moorere, (xiao?. Benfey griech. gr. 1, 532. d. ^vb. 1, 1135 v. barmen. ** steht doch 3, 361.

SEIFE. 243

zeln (ahd. plionzalon oder plionzilon?) herrührte, [pliensen. d. wb. 3, 482 V. onhalb.] pHon wird an und für sich nicht lippus sein, sondern erst verbunden mit ougi (vergl. prehanougi, zoranougi); man darf dem einfachen wort die bedeutung splendidus, micans, nictans geben, obschon es weder adj. noch particip, vielmehr subst. scheint.

Für nah verwandt halte ich ags. bleo (auch bleoh, bleov geschrieben), alts. bli color, was immer auf die vorsteUung von leuchtender färbe und glänz führt, altn. ist bla^a tapes (bunter teppich), velum, stragukim, dän. blee, und Blaeja frauenname (fornald. sögur 1, 355. 358).

Wie man wol Pleon auf gothisch zu schreiben hätte? Bliggvuns?

SEIFE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 460. 461.

Lat. sebum, ags. säpe, ahd. seifä ist vollkommen lautver- 460 schoben. Plinius sagt XXVIII, 12, 51: prodest et sapo; Gal- liarum hoc inventum rutilandis capillis. fit ex sebo et cinere, optimus fagino et caprino, spissus ac liquidus, uterque apud Germanos majore in usu viris quam fominis. die Römer hatten schon das wort sebum für den begrifi' talg, gr. a-rlap, als sie aber bei deYi Germanen das mit asche versetzte sebum kennen lernten und sepa oder saipa nennen hörten, nahmen sie die fremde wortform für den bestimmten begriff in ihre spräche auf. das 'Galliarum inventum' mag, wie früher oft geschah (gesch. der d. spr. s. 635) Gallier für Germanen setzen ; ich entnehme dies daraus, dasz die heutigen keltischen sprachen hier unver- schobnes B, wie es in sebum steckt, schreiben: gal. siabunn, welsch sebon sapo, sodann aus dem vorkommen des sapo bei entschiedenen Germanen, wie Plinius gleich selbst sagt 'apud Germanos' und die angaben Martials über die spuma bei Ba- taven und Mattiakern (gesch. der d. spr. 575) bestätigen, end- lich hat aber auch saipa oder sapo eine lebendige wurzel in unserer spräche, mnl. heiszt sipen sep (Fergüt 731. 5240) triefen stillare, madere, mit dem begriff des langsamen flieszens imd durchsickerns, nnl. zijpen langsam afdruipen ; hiernach darf ein ahd. sifan seif sifun, mhd. sifen seifen siffen gefolgert werden, woher sich seifa und seifar spuma, mhd. seiver, nhd. seifer = geifer herleiten, aber auch mhd. sife rivulus lente manans Ernst 3520. Wernh. v. Niederrh. 37, 25.* golt der sifen (der bäcjie?)

* vgl. Weigand bei Hpt. 6, 487.

16*

244 GOTH. MUNDRS, AHD. MUNTAR.

Tit. Hahn 5187; in den rheinischen weisthümern wird bei der grenzangabe oft der name sife getroffen (2, 523. 584. 640. 790. 795. 796). im irischen wörterbuche finde ich auszer siabunn nur sabh für speichel.

Nahmen die Römer, etwan im ersten jh., dies sapo im rhei- nischen Germanien auf, so liefert es einen beleg für die damals 461 schon eingetretene Verschiebung des lateinischen und keltischen B in P; das lange A läszt sich am besten aus fränkischem AI erklären, wie im ags. säpe, engl. soap. aber auch die schwache form des saipä gen. saipon?, ahd. seifä seifün, ags. säpe säpan wurde nicht überhört und in sapo saponis nachgeahmt, weil das -ön auf lat. masc. führte, mlat. nach drei geschlechtern sabonus (Ducange 6, 4") sabona (wofür belege bei Graff 6, 172) und savonum (Ducange 6, 77'').

Hiermit ist dargethan dasz die deutschen sprachen das wort nicht aus der lateinischen liehen, sondern diesmal die lateini- sche aus ihnen.

GOTH. MUNDRS, AHD. MUNTAR.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. 8, 461. 462.

461 Nach dem ags. mund manus (Beov. 470. Caedm. 82, 19)

altn. mund manus, ahd. munt palma, cubitus (Graff 2, 815) darf man auch ein goth. munds manus vermuten, alle weiblich, gleich dem lat. manus, zu welchem sich munds verhält, wie zu canis hunds. wie das lat. wort gehen auch ahd. munt, ags. mund über in den begriff von potestas, tutela, ahd. muntporo, ags. mundbora ist der gewalthaber, qui in manu, potestate habet ^ das altn. mundr (masc.) drückt sowol dos (quae in manum datur) als manipulus (handvoll) aus.

Weder die ags. noch altn. spräche entfalten aus mund ein adjectivum. das ahd. muntar, mhd. nhd. munter* bedeutet alacer, vigil, expeditus und flieszt leicht aus der Vorstellung der band: das was zur band und behende (mnl. behandech) ist.

Aber des goth. adj. werden wir aus Ulfilas nicht gewahr, doch führt das subst. mundrei darauf zurück, wie ahd. mun- tari auf muntar. mundrei bedeutet nicht wie muntari industria, alacritas, sondern axonos und das verbum mundön sis axoTreiv, welches mundön dem ahd. muntön ags. mundian tueri begegnet. war nun mund tutela, so stimmt dazu mundön tueri, providere,

1 fF)'' podrutschje qui in manu est, böhm. podrucnjk vasall, von ruka band. Koisersberg hat muster f. munter.

SURDUS. 245

den Gothen scheint demnach mundrs providus bezeichnet zu haben, was nah an vigil, solers, industrius reicht, das ahd. foramunto ist zwar defensor, advocatus, tutor, ich möchte es 462 aber unmittelbar provisor auslegen, qui providet, prospicit, oxo- Trei = tuetur.

Da ferner providens zusammengezogen wird in prudens (welches ich gesch. der d. spr. 397 nicht hätte zu fröds stellen sollen), so wird für das Verhältnis der gothischen zur slavischen und litthauischen spräche wichtig, dasz altsl. mudr prudens, sa- piens bedeutet, serb. mudar, böhm. maudry, poln. mijdry (spr. mondry)*, litth. mudrus prudens und alacer**, lett. mudrs, wo- durch die goth. und ahd. Vorstellung sich vermitteln, bemer- kenswerth ist noch das albanesische ixevxCoupe klug, weil die albanesische spräche thrakische bestandtheile zu enthalten scheint.

Solchergestalt geht manus über in tutela alacritas Provi- dentia prudentia sapientia und es trifft damit überein dasz auch aus goth. handus ein handugs aocpo?, handugei aocpia, aus ahd. hant ein hantac acer fortis ferox mordax, hantaki ferocia for- titudo flieszen (vergl. gramm. 4, 427 ein helt zuo sinen ban- den)***, die ahd. siunesart ist wilder, weil sie aus munt und hant die Vorstellung alacer acer, die goth. milder, weil sie aus denselben Wörtern die adjectiva vorsichtig, klug und weise zieht, der Slave neigt sich zum Gothen, der Litthauer verein- bart gothische und hochdeutsche bedeutung, doch mangelt diesen beiden nachbarn das subst., welchem die adj. entflieszen.

SURDUS.

Zeitschrift für deutsches alterthum heransg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 462.

Ich bin 6, 13 [oben s. 205] kurzsichtig gewesen, wurde 462 taub, deaf, daufr hebes, obscurus erklärt, was ist deutlicher als lat. surdus, goth. svarts, ahd. svarz? surdus color, fulgore ca- rens, surdus odor, languidus. [GDS. 412. vgl. sordes, absurdus. Pott 2, 485. Curtius in Aufr. zeitschr. 1, 268.] fusca vox = obscura, rauca. auch [xsXct? gilt von dunkler, heiserer stimme, die begriffe stumm und taub rinnen in einander, wie goth. bauj)s lehrt.

* Miklosich vergleicht böhm. maud, poln. m^da testiculi. ** littli. budrus (vigil), mudrus u. mandrus. vgl. wachar. sl. budr" alacer. aus bodr leitet Schaffarik Bodriz, Obodrit.

*** behende, engl, hendy, handsome, pulcher, lepidus.

246 ^ SELMO.

SELMO.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 463.

463 Hei. 122, 17 heiszt es von Lazarus 'ansuebhit is an sel-

mon' woraus Schmeller nichts zu machen weisz. entschlafen 'unter psalmen' fügt sich durchaus nicht, und sicher falsch überträgt auch Kemble Beov. 4915 das ganz hierher gehörige 'gevited on sealman' durch 'departeth he into songs.' [Th. 4911 'passes he to songs'.] das gevitan ire führt unmittelbar auf den örtlichen begriff dessen es bedarf, und ehe die bestätigung ein- tritt, läszt sich schon rathen, sealma müsse ungefähr cubile, cubiculum, lectus ausdrücken, die ags. stelle will sagen: er geht ins kämmerlein, zu bette, wie die altsächsische: er ist ent- schlafen in seinem kämmerlein, in seinem bette, nun die be- weise, ein ags. boncselma sponda hat Lye ohne beleg, es ist schlafbank oder bankbett. die friesischen gesetze gewähren (Richthofen) 175, 15 'alsä thi menneska kumith inur bed and bedselraa', sobald der mann in bett und bettstelle kommt, was sich 204, 15 wiederholt, 409, 29 musz besma in bedselma ge- bessert werden, auch das nordfriesische jüngere gesetz (Richt- hofen 566, 27) 'all de wile dat de beddselm is heel', so lange die bettsteile noch ganz ist. [wb. v. betteis.]

Wir haben demnach hier ein echt friesisches, chaukisches, sächsisches wort vor äugen, das unsern übrigen dialecten, na- mentlich auch den nordischen, gebricht, zu übertragen wäre es in ein goth. salma oder salmja, ahd. salmo oder selmo, und es hängt ohne zweifei zusammen mit saljan einkehren und saliJDva, selida, domus.

LASEMONAT.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 464. 465.

464 GÜS. s. 87 übersah ich , dasz auch bei Hermann (nicht

Hartmann) von Frizlar s. 12 Lesemände (hs. leseemande, Pfeiffer 8. 411) für december vorkommt, was sicher nicht mit Pfeiffer 8. 592 in lestemände zu verderben ist, denn der letzte monat des Jahres gemeint sein kann nicht, wie schon daraus folgt, dasz das beigebrachte lasemonat, nach der gewöhnlichen Ver- schiebung, den Januar ausdrückt, dieser lasemonat, was ich 8. 87 bereits ahne, musz gleichviel sein mit dem mnl. laumaent,

LASEMONAT. 247

aber verlesen ist nichts dabei, vielmehr die Wahrnehmung der doppelgestalt lasemonat und laumonat wird gerade das wich- tigste, erkennen wir den grund ihres wechseis, so dürfen wir dann auch hofien in die noch verhüllte bedeutung der namen einzudringen.

Nach welchem Sprachgesetze sind nun las und lau zu einen? man weisz wie sich nl. au aus al entfaltet (gramm. 1, 292), doch eine vocalisierung des S scheint in unserer spräche unerhört. Bopp weist eine solche zwischen sanskrit und zend (vgl. gramm. s. 53. 54) auf, aus skr. mas luna wird zend. mäo und die accusative desselben worts lauten skr. mäsam lunara, zend. maonhem, welches letztere dem lat. mensem nahe steht, aber das S im II zeigt, so dasz es nicht im vorausgehenden O gesucht werden kann, der nom. mäo scheint also auch für maoh = mäs gesetzt, bei lau für las wäre also auch noch ein- flusz anderer laute möglich, und wir sind durch mao mas vor- erst wenig gefördert.

Vielleicht führt der dänische name des Januars, glug- maaned, weiter, glug ist apertura foramen fenestra, altn. gluggr, welches nahe steht zu glöggr acutus perspicax. glöggr ist aber das goth. glaggvus, ahd. klau klawer, dessen abstracte bedeu- tung solers auf die sinnliche von clarus zurückgeführt werden darf, sollte nicht unser glas vitrum derselben wurzel zufallen?

Mir schwebt vor, dasz glugmaaned , laumaent und läse- 465 monat dasselbe, die letzteren namen aus älteren glaumaent, glase- monat entsprungen sind und die eröffnung des Jahres ausdrücken sollen, gleichsam den eingang oder das fenster des Jahres.

IN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 7. 1849. s. 465—467.

Ags. ist inne domus receptaculum diversorium ^ und bis 465 ins engl, inn hat sich diese bedeutung fortgepflanzt, gleichen begriff hat das altn. inni domus cubile cubiculum lustrum fera- rum, altschwed. inne, kongs inne domus regis; doch heute ist es veraltet und auch in der dänischen spräche begegnet nichts ähnliches, ebenso wenig ein ahd. inni, mhd. inne; man müste nachweisen dasz das nhd. innung nicht aus einung hervorge- gangen sei und wiederum receptaculum bezeichne, schneider-

' Beov. 2600 steht bloszes in (wie sonst cyn genus für cynne, den cubile für denne), doch gewährt der gen. innes, der dat. inne Beov. 2563. Caedm. 94, 25.

248 IN.

innung die schneiderherberge. denn auch ags. ist innung, engL inning mansio liabitaculum.

Inni begehrt aber ein starkes verbum innan, das entweder habitare, domi esse, oder recipere in domum musz bedeutet haben, ich finde ags. nur das abgeleitete schwache innian innode ingredi, intro se recipere, includere, wie es in einer stelle bei Lye heiszt: he häfd geinnod J)ät aer geütod väs, in- clusit quod prius exclusum erat. Cajdm. 3, 28 scheint süsle geinnod auszusagen supplicio habitatum, labore repletum ^. schwerer zu treffen ist der sinn von ceap geinnian in Ines ge- setzen 62. auch altn. läszt sich nur ein schwaches inna inti aufweisen, welches bald memorare narrare dicere, bald mer- 466 cedem numerare bedeutet, beides aber im sinn unsers erinnern, inne werden, innen bringen leicht vereinbar scheint.

Von dem vorausgesetzten starken innan habe ich nun eine wichtige anwendung zu machen, nach dem cap. XXXV meiner gesch. der d. spr. dargelegten grundsatz begehrt jedes anomale abstracte praesens zur unterläge ein sinnliches praeteritum; durch das verschieben der form wird der leibliche begriff des Worts in einen geistigen abgezogen, für das ahd. an faveo con- cedo, ags. altn. ann, ist diese sinnliche Vorstellung bisher noch unaufgedeckt geblieben; wahrscheinlich war sie in domum re- cepi, habitare feci, weil wer jemand bei sich aufnimmt, wohnen läszt, ihm gnädig, hold und günstig ist, wie aus ich habe gesehen die Vorstellung ich weisz, entspringt aus der ich habe bei mir aufgenommen die abstraction ich bin hold oder ich liebe, das goth. ansts (aus welchem man ein ann unnum folgern darf) ist X^'P^'^ X^9^^\^^i ^^s ahd. anst oder unst gratia, das altn. äst amor. auch das ahd. kinäda, mhd. genäde, altn. näd sehen wir die bedeutung gratia aus einer vorangegangenen von ruhe und wohnung entfalten, altn. naedi drückt geradezu quies oder receptaculum aus, die sonne geht ze genäden wie ze reste (mythol. s. 672. 702) und Iwein 5945. 7771 werden gnade und ruowe, genäde und gemach verbunden.

Es ist ferner a. a. o. seite 853. 901 aufgestellt worden dasz NN aus einfachem N zu erwachen pflege und z. b. brinnan kun- nan ursprünglich brinan und kunan gelautet haben mögen, nicht anders wird von innan auf inan dürfen zurückgegangen werden.

Wir erreichen hiermit die goth. präposition in sv, welche unmittelbar mit den partikeln inn eiq, inna ävxo? und innana eau)Ö£v zusammenhängt.

k/ '^^°^P® falsch: with sulphur charged. das oft vorkommende süsl hat nichts gemem mit svefel, sondern bedeutet supplicium, labor, eigentlich cura, negotium, und stellt sich zum altn. sysla, dän. syssel. wie ags. hüsl sacrifi- cium das goth hunsl ist, würde süsl auf goth. sunsl lauten, und die bekannte Partikel suns ilhco, statim scheint mir dazu gehörig, sowie der mannsname öunsala, wenn ich ihn richtig an die stelle von Sansala in Waitz Ulfilas 43 setze, bunsala wäre laboriosus, negotiosus.

IN UND BEI. 249

Ist inni domus aus diesen partikeln, oder sind auch sie aus der wurzel innan, iuan hervorgegangen? in inna läs/t sich ungezwungen doini, inn domum deuten.

Wer wollte anstand nehmen allen partikeln das leben der übrigen Wörter, also gleichen Ursprung aus sinnlichen wurzeln zuzusprechen? in stammt aus inan, nicht das verbum aus der Partikel, deren grundbogriff dem inni domus ganz nahe gelegen haben musz, wie die französische präposition chez, früher chies 467 ches, als die spräche schon nicht mehr so verdeckt spielte, aus casa hervorgieng, chez moi heiszt in meinem haus, [sp. en casa]. ja das altn. hia apud gemahnt an hi mansio secura, domus = goth. heiv domus = civitas und ist vielleicht aufzulösen in hi-ä, goth. heiv-ana. was bisher allen ein räthsel war, die schwed. und dänische präposition hos, scheint zu hüs domus gehörig, wofür ich goth. hus mit kurzem vocal annehme, die wurzel könnte gelautet haben hiusa haus husum, woher sich auch haus cranium (domus cerebri) leitet.

IN UND BEL*

Alle wurzeln der Wörter sind verhüllte wesen, deren grund und beginn in einer fernen zeit ruht, aus welcher nur die letz- ten spitzen zu uns reichen, der tiefste schleier hängt aber über den Partikeln, weil ihre form am meisten abgestumpft und ihr anfangs sinnlicher begrif am längsten abgezogen und verein- samt erscheint, ich will es hier wagen den säum jenes Schleiers für zwei unsrer allergangbarsten und geläufigsten redetheile zu lüften.

Unsere praeposition 'in' zieht sich zurück auf ein verbum innan, dem ich die bedeutung von wohnen, habitare beilegen darf nicht nur, dasz sich noch in der altnordischen und angel- sächsischen spräche das subst. inni, inne mansio habitatio domus erhalten hat, wozu selbst unser hochdeutsches innung gehört; es bestand iiuch ein anomales ann pl. unnura, welches amo, diligo, faveo ausdrückte, und welchem unser gönnen und gunst, wie man längst erkannt hat, unmittelbar verwandt sind, nem- lich ann will eigentlich sagen: ich bin eingewohnt, pflege zu bauen und den Übergang der begriffe mag das lateinische colo, welches sowol habito als diligo bezeichnet, am unverfänglich- sten darthun.

* [dieser bisher imgedruckto aufsatz ist wol vor dem vorhergehenden ge- schrieben, sie ergänzen sich gegenseitig, indem jener 'in', dieser 'bei' ein- gehender behandelt.]

250 IN UND BEI.

Für dies nachgewiesene, wie mich dünkt kaum bestreit- bare Verhältnis ergibt sich nun eine bedeutsame bestätigung in unsrer partikel bei, die früher mit kurzem vocal bi haltete, bi verleugnet nicht seine Verwandtschaft mit zwein unsrer unent- behrlichsten Wörter, ich meine mit baue und bin. in bauen habitare colere ist der vocal aus dem I in das U übergetre- ten, gerade wie zwischen den lateinischen Wörtern fio und fuo, welche genau derselben wurzel zufallen, fio drückt den beginn des seins, das werden, fui und fuam das wesen oder die natur aus, völlig entsprechen ihnen das angelsächsische beon esse und büan habitare. unser bin aber mit dem alten pluralis birum birut birun weist in seiner gestalt ein praeteritum auf, gleich jenem ann von innan, und kenner unsrer spräche wissen, welch hohes alter alle praeterita, die in den sinn des praesens ver- schoben sind, verrathen. bauen, goth. bauan mit der reduplica- tion baibö begegnet aber einem ahd. bouwan biu, wie houwan hiu bekommt, biu darf demnach dasselbe was jenes ann aus- sagen: ich wohne, d. i. ich bin, aus der Vorstellung des wohnens ist die des wesens und seins aufgestieffen.

Hieraus erhellt, dasz unsrer partikel 'bei' der begrif der nähe und wohnung zusteht, vollkommen wie die altn. partikel hiä = hiä mit hiu, goth. heiv domus, die schwedische partikel hos mit hus domus, oder das französische chez mit casa domus zusammenhängen.

Man darf nicht anstehn auch unser biene, ahd. bia, ags. beo derselben wurzel zu überweisen, es ist das bauende, honig- wirkende thier, ein uns von der natur selbst hingestelltes ur- altes bild der familie und häuslichen friedens.

Ich habe früherhin, mit andern Sprachforschern, die par- tikel bei dem skr. abhi, griech. im, lat. apud, sl. po zur seite gestellt \ diese Verwandtschaften sind gegründet und aus der innigen berührung aller dieser sprachen begreiflich, allein keine derselben gestattet dem begrif der wurzel so nah auf den grund zu sehn, wie die deutsche, und der abgang des anlautenden vocals vor der labialis scheint in unserm 'bei' so vollberechtigt, wie in unserm 'bie biene', wenn wir das lat. apis hinzuhalten, insgemem aber folgt, dasz zwar die Sprachvergleichung über eine menge von wurzeln sichern aufschlusz gewährt, doch in einzelnen fällen auch die eigne spräche den tiefsten blick in die geheimnisse aller öfnet.

' Bopp 14a api, super, U^ abhi, ad, versus.

BILDE. 251

DILDE.

Zeitschrift für deutsches altcrthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. 8. 467. 468.

Wer guten fund thiit, sollte bedacht sein ihn gemeinnützig 467 zu machen; die erläuterungen werden ihm dann leichter zu- flieszen, als wenn er jähre lang in gewahrsam bleibt. Friedrich Wiggert gab uns schon 1836 reichliche proben aus Gerhards von Minden 1370 gedichtetem Aesop, in welchem so viel sel- tene sprachformen in eigenthümlicher westfälischer mundart auf- stoszen, dasz sie längst auf das ganze lüstern machen, ein bloszer abdruck solcher denkmäler ohne alle anmerkungen, auszer solchen die sich einem sprachkundigen manne, wie herr Wiggert ist, auf der stelle ergeben, thäte noth.

Seite 39 des scherfleins sagt der wolf zum kranich, der ihm den knochen aus dem Schlünde ziehen soll:

wäne gi, dat ik so dilde si,

of gi mi helpet ftt der not,

dat juwe mede nicht vil gröt

ne werde? einfältig aber kann dies dilde nicht bedeuten, sondern, wenn rathen gilt, undankbar, geizig, hochmütig, ich finde das wort in keiner niederdeutschen quelle, auch nicht in plattdeutschen idiotiken; ebenso wenig darzureichen schien es die niederländi- sche heutige und ältere spräche, endlich bin ich ihm doch hier begegnet. Potters Minnen loop (denn so, nicht loep, sollte durchgängig gedruckt sein) herausgegeben von Leendertz, Lei- den 1845. 184(j gewährt 3, 40 den spruch :

sal die docht hoghe staen, 468

diltheit moeter onder gaen, wofür der herausgeber im glossar s. 199 wiederum räth: snap- achtigheid, kwaadsprekendheid? weder geschwätzigkeit ist ge- meint noch üble nachrede, sondern wie der dichter in der ganzen stelle ausdrückt, dasz man neben dem guten auch des bösen, neben dem licht des Schattens erwähnen müsse, will der Spruch sagen; soll die fügend hoch (im glänz) stehn, so musz auch bosheit oder laster mit unter laufen, neben ihr erschei- nen, diltheit ist also malitia und jenes dilde malus malignus malitiosus *.

Nun kennt auch die altn. spräche den ausdruck, aber Biörn führt gar nicht einmal den einfachen unter D auf, nur die Zu- sammensetzung fordild affectatio, fordildarlegr affectatus, fordil- darlega affectate. in keinem denkmal ist es mir bisher aufge-

* de Vries arch. v. nederl. taalk. 4, 204 ff. der dienst enwas nit dilde. Karlm. 12, 10. undilde. 192, 24.

252 ^^^^^•

stoszen, und doch müste der Zusammenhang lehren, ob e& mit der bedeutung affectatio seine richtigkeit habe und wie sie etwa durch das vorgesetzte for aus dild entspringe, doch gibt auch der nucleus latinitatis (Hafn. 1738) s. 341 aflfectatio durch

fordilld*. , . , . ^ u u 1

Im ags. fries. und hd. habe ich mich vergebens nach dem

seltsamen worte umgesehen, dessen ahd. gestalt lauten würde

tilti (wie milde milti), mhd. tilte oder tilde.

Sollten nicht unsere gangbaren eigennamen Dilther und

Dilthei dadurch aufgeklärt werden? AeXStov ist ein könig der

Bastarnen bei Dio Cassius 51, 24, wenn man leiden will aus

so dunkler zeit etwas hierher zu nehmen.

KÄSE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 468 470.

468 An der Vorstellung ahd. chäsi entspringe aus lat. caseua darf man zweifeln, auffällt schon, dasz die romanische spräche selbst nicht an dem alten worte festhielt, sondern aus der berei- tung in formen ein geläufigeres formaticum herleitete, welches dann zu ital. formaggio, franz. fromage wurde, da nun ahd. char, goth. kas eben das gefäsz bedeuten und wie milihchar

469 mulctra auch chäsichar** für eine solche formella gesagt wurde, so geräth man darauf ein kisa kas kesum fingere, formare anzu- nehmen, aus welchem kasja figulus, kisils glarea, silex (gleich- sam die Sandformation der erde) und keseis der abgeformte käse herstammen, leicht auch kasjan ahd. cherran verrere, vol- vere. ahd. chäsi hätte sein S bewahrt, char in R gewandelt j um so statthafter musz chäsichar erscheinen.

"Weiter, den Serben heiszt solche käseform tvorilo, Vuk sagt dasz sie die hirten aus lindenbast 'od lipove köre' machen; damit überein trifi't das poln. tworzidlo, böhm. tworidlo, for- mula, fiscella, und diese Wörter gehören wiederum zu tvoriti facere creare formare. in tvar' xriai? forma facies, poln. twarz, böhm. twaf sehen wir A an des O stelle, um so befugter war Haupt in seiner recension des Glagolita clozianus s. 23 tvarog" auf tvoriti zurückzuführen , obschon dadurch nur lac coagula- tum oder eine geringe käseart bezeichnet und niemals tvorog" geschrieben wird, tvarog" gieng auch über ins mhd. twarc, nhd. quark.

* Gislason hats nicht unter affectation. gedüht in ein ksesekar. GA. 2, 418.

KÄSE. 253

Mit tvoriti und tvarog" wird nun aber das gr. xupetSeiv oder xopow und xupo? unbedenklich vorwandt sein und das tu : tva zu fassen sein wie in au tu zu skr. tvam. in xupiv Tupr^actt (Athe- naeus p. 499), -(aka xupsueiv hat das verbum die bedeutung un- sers wirkens oder bereitens, später entsprang die des listigen einrührcns und anstiftens. bei den Slaven herscht der allge- meine sinn von tvoriti vor, bei den Griechen der besondere von xupo?.

Im Verhältnis zwischen ahd. chäsi und lat. caseus waltet nur der anstand dasz sie nicht lautverschoben liegen; es müste, wenn alles recht wäre, für caseus gesetzt werden gaseus, wie für Ceres Geres, a gerendis frugibus; und da gerere selbst aus dem begriffe ferre in den von producere, gignere, creare über- geht (fruges gerere, rem gerere, bellum gerere), so liesze sich gerere = gesere (Geres = Geses) unmittelbar jenem kisan ver- gleichen, und caseus hätte nur als Vorläufer der lautverschie- bung mit keseis sich gedeckt*, wie in caseus haftete im ahd. chäsi des hirtenlebens das alte S, während gero und char R annehmen.

Aber dem römischen pastor war die benennung caseus, dem deutschen senno (das wort haben zuerst die glossae sletst. 4, 65) chäsi gerecht; hier, wie sonst oft, ist Römern und Deut- 470 sehen verbum und nömen gemeinsam, tvoriti und xupo? verbindet Slaven und Griechen, das goth. keseis habe ich nur gerathen.

SIGIFREM.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. 8. 470. 471.

Das ist ein schöner fund ^, wie aus den ahd. eigennamen 470 noch manche hervorgehen werden; doch habe ich verschiedenes dabei wahrzunehmen, das umgelautete frem weist auf ein volles frami zurück, und was liegt in diesem? man dürfte an das goth. adverb framis ulterius (gramm. 3, 591) denken, dem altn. fremr anterius (3, 593), folglich ahd. fremi oder frem entspräche, doch sind solche adverbia in der Zusammensetzung, und gar von eigennamen, ohne beispiel. soll das lat. framea darin stecken, so hätte man fremi für fremia, mit apocope des a ungefähr in gothischer weise, oder fremi für fremin schwachförmig (goth. framei gen. frameins) anzunehmen, gibt es aber überhaupt ahd.

* bestätigt diu"ch das bask. gasna fromage.

' oben s. 383. [frem in Sigifrem = framea, also Sigifrem ^ nord. Sig- geir, ags. Sigegär.]

254 SIGITREM.

und goth. mannsnamen, in denen ein weibliches subst. enthal- ten ist?* allerdings begegnet Friuntscaf als männlicher name und aus altn. denkmälern erinnere ich mich an Sigurdr slefa, Thorkell leira, deren gen. Sigurdar slefu, Thorkells leiru ge- bildet wird, wo die feminina slefa saliva und leira argilla? als beinamen zutreten; auch bedeutet sonst tretelgja einen Zimmer- mann, eigentlich holzaxt, fast wie in unsern sächsischen weis- thümern erfexe erbaxt, dann den zur axt im wald berechtigten bezeichnet [gramm. 3, 32 J]. in solchem sinn sagen wir noch heute schlaf haube von einem verschlafenen mann, lanze von einem lanzenträger, und es liesze sich recht wol hören, dasz schon vor alters ein mann in Baiern den namen Sigifremia führte, kein männliches substantivum fremi möchte ich annehmen, weil es uns die ähnlichkeit mit framea verdürbe.

Framia gemahnt nun freilich an die chattische 'Pafit? d. i. Chramis Chramia, und da sich Sigifrem zu Sigihram (Graff 4, 1147) stellt, sonst aber fränkische namen auf Framnus und Chramnus erscheinen (GDS. 513), so empfiehlt sich Wacker- 471 nageis deutung von framea aus goth. hramjan immer besser, hängt aber der volksname Francon, Franchon zusammen mit der waffe, so musz von framia frühe schon ein diminutiv fra- meca, framecha für die waffe, daneben ein männliches dimi- nutiv Frameco, Framicho (wie neben Sahso Sahsiko, gramm. 3, 676) gebildet worden sein und Francon stehen für Framecon, was der ags. name der waffe france, altn. frakka vollends bestätigt, nach Siguframia würde Sigufranco zu Sigugambar und Sigubant treffen, wie zu den heldennamen des fränkischen Stamms Sigeo, Sigufrid, Sigumund.

DIE BATTEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 471 —476.

471 Dasz die Bataven von den Chatten ausgegangen sind^

meldet uns Tacitus an zwei einstimmigen stellen (bist. 4, 12 und Germ. 29). beidemal wird innerer volkszwist, seditio do- mestica, als Ursache ihrer lostrennung vom chattischen haupt- stamm genannt, da die Bataven schon zu Cäsars zeit in der niederrheinischen insel saszen, musz auf jeden fall ihre aus- wanderung schon einige Jahrhunderte vor Tacitus erfolgt, also jene künde aus bloszer sage eingezogen sein, alle solche nach- nchten leiten aber auswanderungen der Völker ab von krieg»

frauennamen auf bürg und land.

DIE BATTEN. 255

hungersnoth oder meerflut, und dürfen nicht buchstäblich ver- standen werden, nur daran hiszt die Überlieferung keinen zweifei, dasz die liataven mit den in der heimat gebliebenen Chatten nah verbunden waren und sich aus irtrend einem grund, dein groszen trieb der Völkerwanderung gemäsz, von ihnen losrissen und gegen nordwest bewegten *.

Diesen Zusammenhang unterstützt nun noch anderes, am wichtigsten der umstand dasz Strabo, ohne jenes auszugs zu gedenken, ja ohne die westlichen Bataven überhaupt zu nennen, neben den Chatten zugleich Jiatten aufführt. buch 7 cap. 1 (p. 292 Casaub.) steht 'Pa[xi's, Ouxpojit'pou OuYarTjp 7iY£|xoyo? Ba't- T(uv, und einige zeilen weiter unter den im j. 17 zu Rom im römischen pomp geschleppten Germanen auch otüjxaxa XaxTtuv, XctxTouapi'iuv , Aavotöv, ^oußaxxi'tov. ich weile einen augenblick beim vorletzten namen : man darf nicht ergänzen AaYYoßapOfov, 472 nur A in A ändern, es scheinen des Ptolemaeus AavSoCixoi, und der alts. eigenname Dando tr. corb. 295. Dendi 100. 399. 411. 454. ahd. Tanto bei Schannat tr. fuld. 132 (weiblich Tanta, wie daselbst 120 für Tunta zu mutmaszen) entspräche; ein andermal über sie näheres, hier liegt mir daran die lesarten Baxxoi und üoußctxxoi in schütz zu nehmen, seit Cluver sind dafür Xaxxoi und Toußaxxtoi in die ausgaben eingelassen worden, und noch in die jüngste von Kramer. wie aus ActvSot AavSot wurde läszt sich graphisch leicht einsehen, nicht wie aus Xaxxoi Baxxoi, zumal das in Xaxxoi getilgte B in Toußa'xxioi richtig bleiben soll, es wird für beide volksnamen mit doppeltem masze unrichtig gemessen**.

Allerdings könnte OuxpojAipo? an Ba'xxoi zweifeln machen, denn ihn nennt Tacitus ann. 11, 16. 17 Actumerus und aus- drücklich princeps Chattorum ; Actumerus scheint der bei Strabo überlieferten wortgestalt vorzuziehen, allein Tacitus kennt den chattischen nebenstamm der Batten in ihrem alten sitze über- haupt nicht und sein gewährsmann durfte den fürsten unbe- denklich Chatte nennen, während er, aus genauerer quelle, bei Strabo Batte heiszt. selbst Actumerus (oder Catumerus) und Ouxpojxipo? (Ouxpofjiupo;) gleichen sich nicht durch den bloszen Verderb der buchstaben aus, sondern gehen auf zweifache Über- lieferung zurück, die Batten aber mögen an der nördlichen Eder (bei Tacitus Adrana, unsern annalisten Adarna, Aderna) gesessen haben, da wo bis auf heute Battenborg und Batten- berg sie bezeugt. Battenberg bildete im mittelalter eine graf- schaft, unweit Battenfeld und Leisa schlug im j. 778 Carl die Sachsen aufs haupt^. man nehme hinzu das südlichere, zwi-

* vgl. Ottenia in de vrije Fries 4, 417—419. ** von Müllenhoff bei Hpt. 9, 235 geleugnet. ' in loco qui dicitur Lihesi (ann. Tauriss. bei Pertz 1, 158), Liesi (ann. Einardi bei Pertz 1, 349) oder Baddanfeldun (poeta Saxo bei Pertz 1, 235).

256 DIE BATTEN.

sehen Gudensberg und Cassel gelegene Bessa, im mittelalter Passaha, dessen SS zum TT in Batte sich gerade so verhält, wie das in Hassi Hessi zu Chatti.

In der that verlangt der name Batavi selbst auf Bati oder Batti zurückgeführt zu werden; Batavi sind die auf der Rhein- 473insel, auf der aue niedergelassenen Bati, und davon rührt das hinzutretende avi, sonst auch aviones; die insel hiesz seitdem Batavi, später Batua, nl. Betuwe, ahd. Pazzowa. im sold römi- scher legionen dienende Bataven übertrugen ihren heimischen namen auf eine niederlassung am Inn, das heutige Passau und im laufe der zeiten ist er einer stolzen Stadt in Ostindien [auf Java] überwiesen worden, die weltberühmten Bataven und dies Batavia sind um ihren rechten Ursprung gebracht, sobald man einer falschen kritik gestattet den namen der chattischen Batxoi bei Strabo auszumerzen.

Noch gröszere sünde auf sich geladen hat sie durch ände- rung der Soußaxxioi in TGußaT-cioi. die erste silbe war unan- greifbar, da sie sich gerade so in 2ouTfa[xßpot, bei den Römern Sugambri, später Sigambri findet; das Ü steht wie in AouTiia? ■iroxafjLO? auf derselben blattseite, bei Tacitus Lupia, hernach Lippia, Lippe, dies Su scheint zusammenziehung aus sign vic- toria, wie später häufig in solchen namen Si entspringt und Sifrid aus Sigefrid, Sibald aus Sigebald, [Sibant aus Sigebant] wird; Subatti sind Sigubatti, Sugambri Sigugambri*, entweder hatten sie durch erfochtenen sieg unter dem groszen häufen der Batti und Gambri (bei Strabo FafiaßpiGuoi, bei Tacitus Gam- brivii) sich hervorgethan, oder der vorsatz war bloszer schmuck des namens überhaupt, lateinische schriftsteiler und unser mittel- alter gewähren kein Subattii, Sibatti.

Ich versuche in das wort battus selbst einzudringen, vor lingualen waltet der rhinismus, aus Scadanavia entsprang Scan- danavia, dem goth. vaddjus steht ahd. want, dem goth. vatö dän. vand zur seite, und aus fundo ergibt sich fudi, aus standan stod, aus altn. binda vinda batt und vatt. bant aber bedeutet pratum, also könnten batti und bantes gleichviel sein, Batti wären pratenses wiesenbewohner, eine für nomadische Völker schickliche benennung, die sich in Mattiaci, Angrivarii, Aviones, Vangiones, Nemetes und andern anders wiederholt; ja das avi in Batavia dürfte wie in Aviones verstanden werden, folglich in beiden theilen der Zusammensetzung Batavi vielleicht derselbe begriff ausgedrückt sein. Sigubatti erscheinen hiernach auch Sigubanti, Sigubantii, und nun erfreut, dasz der volle eigen- name Sigebant selbst in unserer heldensage haftet, dem gekürz- ten Sibant begegnen wir anderwärts **. im getadelten Toußaxxiot 474 hätte blosz zufällig unser Sigubatti und Sigubantii sich ge-

* vgl. Sigifrem s. 471 [oben s. 254]. *• Ben. 328.

DIE HATTEN. 257

rechtfertigt, die Tubantes (bei Ptolem. ToußavToi) erweisen sich als Tvibantes.

Nicht ungeschickt stellen die hessischen Chronisten (z. b. Dilich, Cassel 1605 p. 28. 29) die Wanderung der Bataven in ihrer geschichte Vordergrund und ins j. 130 vor unserer Zeit- rechnung, wandeln aber die volksnamen in königsnamen und lassen einen Jüngling Bato, von stiefmütterlichem hasse verfolgt, zu Menapius könig von Tungern ziehen, unweit Nimwegen ein Batenburg erbauen*: an jener öflPentlichen Zwietracht stelle bei Tacitus sehen wir ein ganz persönliches Verhältnis getreten, wol möchte man erfahren, wann diese sage erwachsen sei? Dilich schöpfte sie kaum anderswo als aus der im sechzehnten jh. vielgelesenen historia batavica des Gerhard Geldenhauer, die zuerst Antwerpen 1520 erschien und oft aufgelegt wurde, aber Geldenhauers quelle? Strabo, lateinisch übersetzt und mehrmals gedruckt, war in der zweiten hälfte des fünfzehnten jh. allge- mein verbreitet, aus ihm konnte der bis dahin unerhörte volks- uame Batti entnommen und als königsname zugestutzt werden, wie die Menapii einen könig Menapius hergaben; Tacitus lehrte den batavischen auszug der Chatten, welcher mit jenem namen verschmelzt wurde, nur begreife ich des romanschreibers ent- haltsamkeit nicht und wundere mich warum er nicht auch einen Suhattio auftreten liesz, wie Aventin einen könig Gampar und Mers nach den Gambriviern und Marsen, die fabel könnte den- noch älter sein und vielleicht schon bei Jacob van Guise (f 1399) stehen, dessen neulich im druck erschienene annalen ich noch nicht nachschlagen konnte, gründet sich der name Bato irgend auf ältere Überlieferung, so wäre diese sehr merkwürdig.

Einen andern zeugen, auszer den Batten, für die Verwandt- schaft der Chatten mit den Bataven bilden die Chattuarier, deren name sich zu dem der Chatten selbst verhalten mag wie der [der] Bajoarier inid Teutonoarier zu dem der Bojen und Teu- tonen, sollte die den begriff des worts kaum verändernde er- weiterung das blosze vorrücken eines zweigs von seinem haupt- stamme ausdrücken? seitdem die Bojen oder Bajen aus der östlichen heimat an der Elbe südwärts gegen die Donau vorge- drungen waren, heiszeu sie Bajoarier d. i. Baiern; unter den gegen den Rhein ziehenden Chatten kommt die benennung 475 Chattuarier auf, und wenn man einer lesart trauen darf, auch Battuarier hat die ausgezogenen Batten bezeichnet, die Chat- tuarier lassen uns sehr deutlich den von den Chatten einge- schlagenen weg nach westen erkennen : der ganze zug des volks musz in beträchtlicher anzahl ergangen sein, weil noch so be- deutende theile desselben zwischen den weitest vorgeschobenen Bataven und den alten Chatten sitz genommen haben, nicht

* ilommel gesch. v. Hessen 1, anni. 4.

J. QKIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 17

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DIE BATTEN.

das blosze geleite des vor seiner Stiefmutter entweichenden Bato, es musz ein ström des ganzen volks gewesen sein, nur hat es seine Schwierigkeit die geschichte der Chattuarier zu verfolgen, wir erblicken sie unter Merowingen und Karolingen sowol dies- seit des Rheins in der Ruhrgegend, als auch auf der linken Seite da wo eine andere Ruhr flieszt, bis zur Maas und weiter ausgedehnt, in einem groszen theile der landstriche scheinen sie zu walten, welche später unter Ripuarien begriffen werden; sie möo-en das band unter daheim gebliebenen Chatten und fernen Bataven noch lange festgehalten haben, nicht umsonst stehen im cod. lauresham. 1, 161 Batuua und Hattuaria nebeneinander, etwas merkwürdiges ist bereits von mir hervorgehoben worden; der chattuarische ort Herbede an der Ruhr blieb noch in ge- wisser abhängigkeit von dem hessischen stifte Kaufungen bis ins sechzehnte Jahrhundert. Kaufungen bei Cassel, seit kaiser Heinrich II eine heilige statte der Christenheit, war es vielleicht schon lange vorher unter den beiden; kirchen und klöster wur- den gern gestiftet wo eine quelle, ein hain von alters her beim volk in ansehn standen, hierdurch würde erklärbar wie ein altchattischer ort einflusz auf einen chattuarischen behauptete. Lacomblet hat in seiner reichen Urkundensammlung unter no. 97 eine vom j. 947 bekannt gemacht, worin Otto der grosze dem Stift Essen uralte Schenkungen und rechte bestätigt, und es wer- den die villae Hohemberg und Cassella genannt, welche könig Lothar, die curtis Wodenesberg, welche könig Karl verliehen hatte. Wodenesberg ist das bekannte Godesberg am Rhein, un- weit Bonn, Homberg liegt auf der linken Rheinseite, Ruhrort gegenüber, Cassel etwas weiter hinab, unweit Rheinberg, wären alle diese drei orte vorzeiten chattuarische gewesen? und wie die batavische legion die insel ihrer heimat im namen Passau 47; an Inn und Donau erneuerte, hätten die Chattuarier auch die nebeneinander gelegenen altchattischen örter Gudensberg, Hom- berg, Cassel im rheinischen wohnsitz wiederholt? dann ergäbe uns die gemeinschaft zwischen Chatten und Chattuariern sogar das älteste zeugnis für den Wuotancultus, und die namen der drei örter müsten hoch hinaufgehen, mauerumzogne städte im römischen sinn gebrachen den Germanen, namhafte wohnplätze wird ihnen niemand absprechen, es wäre natürlich bei dem namen Cassel einen bezug auf Chatten zu vermuten und das auslautende L etwan aus einer Zusammensetzung mit 16 nemus zu deuten, dennoch entscheide ich mich für die herkunft des namens aus dem lat. castellum, weil in der Urkunde von 913 (Böhmers regesta no. 12) Chasella, in der angezogenen von 947 bei Lacomblet Cassella*, beidemal in weiblicher form steht, und eine glosse des Junius 241 oppidum thorf kizimbri mit chastella

* Cassala b. Widukind (Pertz 5, 427).

HÄNGENS SPIELEN. 259

gleichsetzt, dies fem. chastella und assimiliert chassella, chas- sela entsprang aus dem lat. neutr. castellum, wie das ags. fem. seo ceastcr aus castruni, putira aus butyrum, christalla aus cry- stallum, lilia aus lilium (viele andere gramm. 3, 562) und so erklären sich auch die manchen übrigen Cassel oder Castel, z. b. Rheincassel zwischen Cöln und Wöringen, Bliescastel in Wester- reich, [Cassel in Flandern], welche sämtlich dem alterthum für weiblich galten, es braucht an solchen orten gar keine römi- sche baute gestanden zu haben; das aus dem lat. wort entlehnte castela, cassela, bezeichnete, nach ausweis der glosse, nichts als oppidum oder dorf mit Wohnhäusern. Homberg oder Hohem- berg hat einen so allgemeinen sinn dasz ein solcher name überall vorkommen kann.

HÄNGENS SPIELEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 477.

Ein deutsches Sprichwort lautet 'es hilft nicht maulspit/en ifj sondern pfeifen' (Simrock 6897) und man könnte sich begnü- gen dies einfach von dem angehenden pfeifer zu verstehen, der zuerst, bevor er seiner kunst mächtig wird, das maul spitzt, indessen habe ich längst eine volksmäszige geschichte erzählen hören die den Ursprung der redensart bestimmter und wie mir scheint richtiger auffaszt; sie mag schon in älteren quellen be- richtet sein, an deren mittheilung mir gelegen wäre.

Hirtenknaben bekommen im wald den einfall hängens zu spielen, der dazu auserlesene soll sich willig den strick um die kehle winden und am bäum aufziehen lassen; es ist jedoch verabredet, sobald ihm der strick wehthue, möge er nur pfeifen und solle dann alsbald herabgelassen werden, der knabe wird am ast hinaufgezogen und bald erwürgt; als die zuschauenden sehen wie er krampfhaft mit dem munde zuckt, rufen sie ihm entgegen: 'maulspitzen gilt nicht, es musz gepfiffen sein!'*

Diese sage ist kaum aus der thrakischen abzuleiten, wie sie Athenaeus 4, 42 p. 155 dem alexandrinischen Seleukus nach- erzählt: -üeXsuxo? hh Opaxuiv «pTjoi tivoti; iv xoX<; (jujxTroaiot? df/^ovr^v Trai'Ceiv, ßp6)(ov dpir^tjav-as Ix tivo? 5i];ou? axpOY^tSXov, izpbz 8v xctta xa'DsTov TtpooixiOsaOai Xft^ov suTTspiTpsTr-ov toi? i-ißaivouai. StaXa*j'j(a- vsiv ouv «UTOu?, xal xov Xay(6v-a i/ov-a öpsTraviov iTrtßaivsiv -m Xi'öti), xal t6v xpaj^TjXov et? t^v ßpo'/ov dvxibsvai, 7rap£p/6}j.£vov ^h,

* Leoprechting s. 102. Wurzbach poln. spr. s. 192. vgl. pfeifen. Garg. 252''.

17*

260

KEVERLINGEBURG.

aUov lyeipeiv xöv Xtöov, xal 6 xpsfxa'fievo? uTroxpspvxo? toö Xi^^o'j, eav [ATj xa^u cpOoccia? dTOX£[x^j xoTl SpsTravtp, xeÜvtjxs, xal ol aXXoi Ys>vÄ3t TratSiav s)(ovxs? xov sxsivou i^avaxov. denn hier mangelt gerade das charakteristische maulspitzen, aus welchem unser Sprichwort entsprang, dort der untergelegte stein und das mit- gegebene messer zum schnellen abschneiden, diesem letzten zug meine ich aber auch sonst in deutscher volkssage begeg- net zu sein*.

KEVERLINGEBURG.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 7. 1849. s. 559—561.

559 Eine Urkunde kaisers Otto des vierten vom jähr 1212 aus-

gestellt zu Keverlingeburg findet sich orig. guelf. 3, 802, wo Scheid den falschen rath ertheilt: lege Scheverlingeburg; wahres zu falschem mischt aber Böhmers bemerkung in den regesten no. 173 p. 60: 'der ausstellort ist vielleicht Scheverlingenburg, . heutzutage Supplingenburg.' an der vollen richtigkeit des na- mens Keverlingeburg darf nicht gezweifelt werden, da der kaiser in seinem testament vom j. 1218 orig. guelf. 3, 363. Pertz 4, 221. 222 alle seine guter 'in Keverlingeburg' vermacht, in einer dritten Urkunde von 1213 (orig. guelf. 3, 818. Böhmer no. 181 p. 16) begabt er die Marienkirche 'apud Ceuerlingeburg', wo andere Sceverlingeburg lesen, wenigstens hat die bestätigung dieser begabung durch herzog Heinrich von demselben j. 1213 (orig. guelf 3, 648) 'ecclesiam in Scheuerlingeburch.' und sicher meint das in der Sachsenchronik s. 63 der Schellerschen ausg. genannte Severlingeborg wieder den nämlichen ort.

Beide gestalten des namens haben ihr recht: Keverlinge- burc ist die hochdeutsche, Sceverlingeburg, Severlingeburg die sächsische, und es erlangt für die geschichte der altsächsischen lautverhältnisse werth, sie in so früher zeit nebeneinander be- währt zu finden.

Noch heute wird das hochdeutsche käfer in Pommern, Meklenburg, Holstein und einem theile Westfalens durch sever zever zeber sebber schever und schäfer ausgedrückt, ja für maikäfer bekommt man maisäbel und maischäfchen zu hören, cever in der Schreibung Ceverling mag die ausspräche tschever

* Thietm. merseb. 8, 2. fastn.sp. 785, 23. Meon n. r. 1, 120. 121. seh. u. ernst cap. 64. gesta Rom. ed. Keller s. 7. Röszler 2, 262. Aretin sage von Aaii s 45 (ein hase lauft vorüber, dem das kindergericht nachlaufend den erhängten vergiszt). Alsatia 1853 s. 165.

KEVERLINGEBURG. 261

bezeichnen, wie das engl, chafer tschefer lautet; ob schon 560 ags. ceafor in den zischlaut übergieng bleibt schwer zu ent- scheiden; sicher haftete der reine kehllaut, wo cafor geschrie- ben wurde.

Des kaisers Schreiber wahrten die hochdeutsche form Ke- verling, wenn auch in seiner heimat die sächsische ausspräche Scoverling Severling herschte; vielleicht soll Ceverling mit K, nicht mit Z anlauten, vergl. Grafi' 4, 349.

Noch andere niederdeutsche Ortsnamen weisen mit ihrem wechselnden S SC CH TZ SZ Z auf ursprüngliches K; so das hiMesheimische Städtchen Sarstedt, welches im chronicon bei Pertz 9, 861 865 Scherstede Tzerstede Cherstede Chyerstede, in Urkunden von 1252. 1349 bei Lüntzel s. 110. 222 Zerstede Zchiarstede Cserstede Tzerstide Tzarstede geschrieben und nach dem ein glossator des Sachsenspiegels Brand von Tzerstedt ge- nannt ist; ich vermute, es hiesz anfänglich Carastad locus moe- roris, luctus, vom alts. cara, ahd. chara, ags. cearu, wie GraflF 4, 464 ein ahd. charabah beibringt. [Schesel Schessel im Lüne- burgischen heiszt im capit. a. 805 bei Pertz 3, 133 Skaesla Kaesla Kesla Schezla. Ludolphus dictus Sceseke (? caseolus) a. 1291. 1294 mitth. d. thür. ver. IV. 2, 35. 38. Szissenlove Zissenlove (Kiszleben) ibid. I. 4, 38. 41. bei Thietmar 749. 769 Willerbizi Walbizi f biki. Moltbizi Lüntzel Hild. 124. 364.]

Wegen Keverlingeburg habe ich aber noch allerhand anzu- merken. Bethmanns annähme bei Böhmer s. 62 Scheverlinge- burg sei das bekannte Supplingeburg (zwischen Königslutter und Helmstedt) kann doch keinen stich halten *. nach welchen lautgesetzen sollten Sceverling und Suppling tauschen? es kommt dazu dasz Supling eine gleich alte, beglaubigte wortform und nicht erst durch entstellung aus Keverling hervorgegangen ist. kaiser Lothar war graf von Suplingeburg; der um 1150 schrei- bende annalista Saxo sagt zum j. 1106 (bei Pertz 8, 745) aus- drücklich: ducatum Saxoniae suscepit Lotharius sive Liuderus comes de Suplingeburch. noch mehr, der dichter jener sächsi- schen chronik, nachdem er Severlingeborg s. 63 genannt hat, führt s. 70. 71 Suppelingeborg auf, musz also beide örter für ganz verschiedene gehalten haben**. Suplingen war sitz einer graf- scliaft, nie aber Scheverlingen. Rehtmeier in seiner braunschw. chronik p. 293 nennt Süpplingburg, p. 451 hingegen Zeverlinge- burg (am rande Zeveilingburg) und ich wollte er hätte dessen läge angegeben, denn weder bei Büsching noch auf landkarten kann ich ein Scheverlingen, Zeverlingen, geschweige Keverlingen

* gemeint sein kann doch nicht das freilich nahe Weveriingen im Halber- städtischen östlich von Helmstedt, vgl. auch Slrevelingerode bei Helmstedt (thür. verein 1. 4, 42).

** Conradus de Sempelinghborch a. 1315. thür. verein 3. 3, 77. parvum Supplinge. ebd. 2. 1, 48.

262

KEVERLINGEBURG.

561 nachweisen ^ und musz es kennern der braunschweigischen ge- schichte anheimstellen den jetzt untergegangenen oder mit ver- ändertem namen fortbestehenden ort zu ermitteln, nur davon bin ich überzeugt, dasz Suplingeburg und Keverlingeburg nichts gemein hatten.

Lino- pflegt in unserer spräche abkunft auszudrücken. Supi- ling führt auf supo.* das goth. supon ist condire, das ags. süpian, ahd. süfön sorbere, haurire, zwischen beiden bedeutun- gen mag aber berührung eintreten, insofern haurire zugleich gustare schmecken und schmackhaft machen, würzen, condire vinum sein könnte; sorbere scheint buchstäblich supon mit unter- drücktem R (wie fodern fordern u. s. w.), wobei auch unser schlürfen, nnl. slorpen zu erwägen ist, vergl. ahd. sufili sorbil- lum, sorbitiuncula, altn. sufl neben sumbl sorbillum, compotatio, alts. sumbl, ags. symbel convivium. nach diesen stufen der begriffe kann supiling combibo compotor conviva und supilingo- burg arx convivarum aussagen.

Keverling, ahd. Chevirlinc wird sich hingegen besser als abkömmlingr eines stammherrn namens Kevero Cheviro fassen lassen; ich theile nicht Müllenhoffs ansieht (oben s. 410) da!>z beiden nicht nach insecten genannt worden seien, wie iMsÄiscia den Griechen war das wollautende Bia Pia unsern vorfahren edler frauenname und Beovulf, in dieser form, uuisz unerläsz- lich von bienen geleitet werden, [vgl. Bachlechner b. Hpt. 8, 208.] Keverlingoburg kommt also dem berühmten grafengeschlecht Kevirinburc, Kevernburc bei Arnstadt in Thüringen sehr nahe**.

Mythol. s. 655. 656 ist bereits zusammengetragen was auf die heilighaltung wenigstens einzelner käfer in unserm alterthum schlieszen läszt; es wird sich bedeutend vermehren, und nun gar das wort käfer selbst, welchen wunderbaren anklang hat es nicht. Bunsens Aegypten 1, 651. 656 lehrt dasz der scarabaeus Xeper, die biene yep hiesz. xapaßos mit nicht seltner Umstel- lung wäre xaßapo? = ^^eper und käfer. ein vortretendes S er- gibt aber ctxaßctpoc (vergl. xepacpo? u. axspacpoc), folglich scara- baeus, und an den griech. wie lat. namen scheint sich nicht blosz das ital. scarafone scarafaggio, franz. escarbot, sondern auch das polnische chrabqszcz chrzgszcz, böhm. chraust zu fügen.

' Falke trad. corb. s. 540 setzt Scheverlingen in die grafschaft Sualen- •oerg, was ich noch bezweifle.

* Supo. Meichelb. 325. . ** vgl. Cheverpeunt, Käferloh. Haupt 4, 252. aber Kevermunt bei Lüttich 18t Oapraemons, Chevremont.

DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS. 263

DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS.

Gelesen in der akademio der wissensitliaften am 5. inärz 1849.

Durch die annähme fester Verwandtschaft zwischen einer reihe von sprachen scheint zugleich ihre Verschiedenheit be- dingt, da das ausstrahlen von einem und demselben punct nicht anders als dasz es sich nac;h allen selten hin erstreckt liabe gedacht werden kann. wie daher einzelner geschlechter und Stämme abkunft von einem ihnen gemeinschaftlichen ersten ahnen zwar bestimmte familienähnlichkeit bewahrt, läszt sie doch auch allenthalben lebhafte abweichungen eintreten und die wunderbare Verschiedenheit des angesichts unter einer unzählbaren menge von menschen verhält sich vollkommen wie die unendliche manigfaltigkeit der sprachen, jeder der einander zugewandten sprachen gebührt das nemliche anrecht auf die fülle von wur- zeln, mit welchen einst jener urstamm begabt war, keine hat sie rein mid vollständig erhalten, einen theil davon aufgeopfert, einen theil abgeschliffen oder durch zuthat verändert, und der ausbildung aller so freien lauf gelassen, dasz im fortgang der zeit das was anfangs gleich und gemeinschaftlich gewesen war, ungleich und unähnlich erscheinen muste. wo hundert odc^r zweihundert Zeugungen in der mitte liegen, wird der jüngste eukel nur noch zufällig einzelne züge des urgroszvaters an sich tragen, aber er kann es.

Edel gediehne sprachen, wie die indische, griechische, la- teijiische, deren laut und wortmacht an hohe schlanke gestalt, deren bildung und flexion an eine zu allen gliedern im vollen ebenmasz stehende feinheit des antlitzes mahnt, begegnen den- noch unsern neueren sprachen, diese, allzusehr in das gewand gehüllt, reichen nicht an jener baare anmut, und vermögen immer noch herzliche und erfreuende blicke, wer sie entkleidet, mag überrascht einen groszen vorrath des alten reichthums an wurzeln und ableitungen in ihnen gewahren.

Ich stelle für die etymologie der urverwandten sprachen, von welchen hier die rede ist und die man mit dem unausrei- chenden namen der indogermanischen belegt hat, obenan fol- gende gesetze.

Diesen sprachen waren alle und jede wurzeln anfanglich gemein, es gibt z. b. in der deutschen kaum eine, die nicht auch mit gewissen abänderunfjen im sanskrit oder zend oder im griechischen u. s. w. zu hause sein sollte.

Allen wurzeln liegen sinnliche Vorstellungen unter, aus welchen erst, auf manigfachen wegen, die abstracten geleitet worden sind, zwischen den sinnlichen begriffen selbst findet aber noch gemeinschaft statt, z. b. licht und schall, färbe und ton gehn oft zu einer quelle als ihrer wurzel. sinnliche vor-

264 DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS.

Stellungen können aus noch sinnlicheren entwickelt worden sein, wie ich neulich zu erörtern suchte, dasz unser geben aus einem gieszen und binden hervorgegangen war.

Die spräche, wie die weise natur überhaupt, ist zugleich freigebig und sparsam, es gibt eine fülle von wurzeln für eine und dieselbe sinnliche Vorstellung, nicht aber zwei gleichartige wurzeln für verschiedne sinnliche begriffe, dieses würde ver- schwenderische Verwirrung nach sich ziehen, jenes bereitet er- götzenden Wechsel, wo gleiche wurzeln ganz abweichende be- griffe darzulegen scheinen, ist uns entweder das geheimnis ihrer berührung noch unenthüllt oder Verderbnis der form ins spiel getreten.

Alle sinnlichen Vorstellungen sind ursprünglich und wesent- lich verbale, folglich alle wurzeln verba, aus denen sich hernach die nomina ableiten, das schaffen geht dem erschafnen, das wehen dem geist voraus, für den grammatischen gebrauch soll- ten wir uns im deutschen angewöhnen verbum einfach durch wort, nomen durch name auszudrücken, der name wird einem gegenständ zuerkannt, weil in ihm irgend eine Vorstellung des Wortes enthalten ist, z. b. der asche, weil sie gebrannt hat oder glimmt.

Daran dasz sie ablauten sind alle deutschen wurzeln zu erkennen; unsre spräche geneigt zu einer regelrechten Wieder- kehr der vocale so entschieden, dasz sie auch ursprüngliche ableitungsbuchstaben mit in ihren ablaut aufnimmt und zu wurzeln zweiter kraft gestaltet, man kann es wahrscheinlich machen, dasz keine deutsche wurzel vocalisch, sondern jede consonantisch auslaute, im sanskrit verhält es sich anders, wo einige wurzeln auf vocal, andere auf consonant ausgehn. den sanskritwurzeln und hu, den griechischen wurzeln txz und yo stehn die gothischen wurzeln mit und giut, ahd. miz'und kiuz zur Seite, in welchen die zugefügte lingualis wesentlich ge- worden ist. waren nun alle wurzeln auch im sanskrit vocal- auslautig und sind schon die consonantischen aus demselben grundsatz entsprungen, der hernach im deutschen noch weiter umgrif? neben jenem metiri kennt das sanskrit gleich- falls mas mit derselben bedeutung, ungefähr wie neben ahd. chriochan repere chresan besteht, nicht selten pflegt die deut- sche Wurzel aus einem ablaut überzuspringen in den zweiten oder dritten.

Unsre spräche erzeigt auszerordentliche rührigkeit, insofern sie nicht allein ihre stummen consonanten verschiebt, d. h. aus der stufe des organs, wo sie mit den übrigen sprachen ein- stimmte m die zweite und dritte umsetzt, sondern auch nach aulgegebner erster reduplication eine neue in zweiter kraft auf- Dringt und durch auslautende consonanten ablautende wurzeln nochmals zweiter kraft erzeugt.

DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS. 265

Zur erläuterung lege ich hier zwölf die Vorstellung des leuchtens und Brennens enthaltende wurzeln vor; es gibt noch andere mehr, diese aber sind die gewaltigsten einfluszreichsten.

1. US. VAS.

Der sanskritwurzel us leuchten brennen entspricht das lat. uro, welches, wie ussi und ustum lehren, aus uso hervorgegan- gen ist. bustum mag durch aphaeresis stehn für ambustum, was die composita amburo und comburo bestätigen, die länge des vocals läszt aber annehmen, dasz ihm ein älteres va, wie dem tu ein tva zum grund liege und dieses vas findet sich nicht nur durch die sanskritformen vasas, später väsas und va- sara tag, vastar mane neben usas diluculum, usras dies, sondern auch das lat. Vesta, die göttin des feuers bestätigt, der frühe tag leuchtet oder brennt am himmel und unser Plans Sachs nennt die morgenröte pleonastisch aber dichterisch 'die rot- brünstige', usas, im dualis usäsa gleicht vollkommen dem lat. aurora für ausora ausosa, und dem litth. auszra; austa bedeutet litthauisch so viel als es tagt, oder wie unsere dichter sich aus- drücken: es tagt im osten. jedermann sieht, dasz unser ahd. östana ob Oriente, ostar versus orientem derselben wurzel sind, die gothischen formen mangeln, würden aber nicht anders lau- ten als austaj^ro und austar und ähnliche entsprechen in unsern übrigen mundarten. Üstara, ags. Eästre nannten unsre vorfah- ren die göttin des beginnenden sommers (aestas aestus mag unmittelbar verwandt sein), die Christen übertrugen den namen auf das heilige paschafest, die deutsche spräche, zufolge ihrer neigung ablaute anzuordnen, mag aus einem verbo iusan aus usum nicht nur jenes austar und Austro (wenn so die göttin der Gothen lautete) geleitet haben, sondern auch das altn. eysa cinis ignitus, usli ignis, ags. ysele favilla, mhd. üsele, wonach sich ein ahd. usilä, goth. usilö mutmaszen liesze, Graff 1, 487 gewährt usilvar gilvus, d. i. aschfarbig, aber es begegnet ein goth. ganz abstractes iusila avsai? 11 Cor. 8, 13, das sich zu dem lebendigen brennen verhalten mag, wie die glimmende oder verglommne kohle zu der flamme; ich werde diesen gegensatz nachher besser zu begründen trachten, der comparativ iusiza Gal. 4, 1 drückt aus potior, melior, etwa in dem sinn, wonach der fehlende positiv iusis clarus, praeclarus bedeuten könnte, gleich usilö wird auch das bekanntere goth. azgö, ahd. ascä, nhd. asche unsrer wurzel zufallen, bisher wurde noch nicht gefragt nach der griechischen spräche, die weit minder als die lateinische der Verwandlung des S in R geneigt ist, aber die Spirans gern völlig auszustoszen pflegt, niemand zweifelt nun, dasz T^ü}^ dor. «(6% aeol. auco? att. Iiu; mit jenem litth. auszra und lat. aurora genau zusammenhängen müsse, sei nun zwischen

266 DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS.

den beiden ersten vocalen digamma oder sigma zu ergänzen, wobei die verba dto) und a7]\i.i spiro, ocuoj att. autu incendo, aber auch voco, clamo und £ua> e5(u aduro ustulo zu erwägen sind. mit ihnen scheint mir aupa lat. aura für ausa und auptov cras, otüpto? &pa aurora, fjpi mane in nahem verband; das anbrechende licht wird von einer erschütterung der luft begleitet, wie cre- pusculum, crepulus und creperus zu crepare gehören, es sind aber noch andere entsprechende deutsche und sl. ausdrücke bei- zufügen, altsl. ist outro Ttptot, outrje aupiov cras, poln. jutro beides früh und morgen, jutrzenka die morgenröthe, böhm. gitro frühmorgens, und die beiden hatten einen gott Jutrabog, eine männliche Aurora; offenbar ist in outro vor dem T eine Spirans weggefallen, den Gothen hiesz diluculum uhtvo, ahd. uohta, altn. otta, welches schon Bopp s. 53^' dem skr. usas ver- gleicht, H statt des S hat sich entfaltet wie im goth. ahtau, skr. astäu, gr. o/to) oder umgekehrt goth. vaurstv für vaurhtv. merkwürdig aber hat ein von uhtvö abgeleitetes adjectivuni uhteigs die bedeutung otiosus, wieder mit dem schon vorhin bei iusila wahrgenommnen übertritt in den negativen begrif, und dies verleitet mich sogar das lateinische otium für gleich- bedeutend mit uhtvö zu halten, es drückt aus tranquillitas, va- cuitas, cessatio und vor dem T kann C ausgestoszen sein, wie in quintus für quinctus oder dem ital. otto für octo. die leicht erfolgende einmischung des gutturallauts soll aber sogleich ein andres beispiel erläutern.

Ich wage es unsrer den Ursprung des lichtes und des tages darlegenden wurzel ein ganz abstractes wörtlein, die gothische Partikel us, ahd. ur ar ir, ags. or, nhd. ur und er, altpreusz. und lett. is anzueignen, partikeln sind in allen sprachen der angegriff'enste theil, nichts hält schwerer als ihnen auf den grund zu sehn und doch müssen sie gleich allen andern Wör- tern ihren sinnlichen boden gehabt haben, den die abgezogne bedeutung hernach oft völlig verdeckte, es liegt also dieser praeposition die Vorstellung des ausstrahlens, ausbrechens, aus- gehens unter, im gegensatz zu der das beharren und bleiben ausdrückenden partikel in, die ich ein andermal auf den begrif in, das ist haus, wohnung zurückgeführt habe, nun lautet aber jenes goth. us lat. ex und verkürzt e, griech. iz und verkürzt ix, die volle form hat sich nur wenn ein vocal folgt erhalten, ex ist = ecs, und das S der wurzelhafte buchstab, welchem nur ein kehllaut vortrat, wie wir ihn vorhin in otium für octium oder oxtium gewahrten, auf solche weise steht auch das litth. auksas gold für ausas, d. i. lat. ausum für aurum. die entspre- chende litth. praeposition lautet isz, die slavische iz", welche mehr dem gr. ix als d^ gleichen, wie auch sonst litth. asz, 81. az dem goth. ik, lat. ego, skr. aham zur seite steht, die gutturahs vor dem S scheint in der partikel ex ein ungehöriger,

DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS. 267

der Wurzel ursprünglich fremder bestandtheil und ich schliesze nicht umgekehrt, das/ die gothische partikel us ursprünglich uhs gelautet haben werde.

Oben wurde glaublich gemacht, dasz das skr. us, folglich auch das lat. us in uro auf die wurzel vas zurückgehe, diese aber bedeutet habitare, manere (Bopp s. 311. 312) und entspricht vollkommen dem goth. visan, vas, welches in allen deutschen sprachen zur ergänzung des Substantiven verbums mitverwendet wird, doch eben so practisch von jenem vermuteten iusan unter- schieden bleibt, wie im sanskrit die wurzel vas von der Wur- zel US. wie nun läszt sich der begrif des wohnens einigen mit dem ihm vorausgegangnen des leuchtens und brennens? die Übergänge scheinen nicht schwer, haus, wohnung wird be- stimmt durch den herd und das feuer auf dem herde, noch heutzutage heiszen uns feuerstellen Wohnungen, die heilige gott- heit des hauses ist darum 'Eati'ot oder Vesta, der auch feuer und flamme geweiht war. darum stimmt zu icJTta aaru stadt und man braucht beide Wörter nur zu digammieren, so bekennen sie unsre wurzel. wohnen war also feuer unterhalten und wer nicht mehr unter andern wohnen sollte, dem wurde sein herd verschüttet, igni interdicebatur. noch deutlicher sprieszt aus visan das abgeleitete vasjan, lat. vestire und vasti, lat. vestis, gr. iaUr^c, da das kleid den leib wärmt und schützt, so dasz hier der ursprüngliche bezug von visan auf licht und wärme desto unverkennbarer bleibt, dasz sich aber unser visan an das noch abstractere verbum substantivum anschlosz, ergibt sich auszer- dem aus der vielfachen analogie, die zwischen den Wörtern und begriflen ich bin und ich baue stattfindet, worauf ich hier nicht weiter nöthig habe einzugehn. mir liegt jetzt noch ob, das anziehende verhalten positiver und negativer, scheinbar sich ent- gegengesetzter Vorstellungen aus derselben wurzel zu erwägen, im heimischen haus leuchtet nicht nur die rege flamme, es ist zugleich sitz der ruhe und erholung, am himmel aber steht sowol die röthe des morgens als des abends, und die im osten auferstandne sonne, wenn sie ihren tageslauf vollführt hat, geht im Westen zu bette, zur ruhe, der morgendämmerung steht die abenddämmerung zur seite und man begreift, dasz benennungen für beide der nemlichen oder den hier entfalteten nahverwandten wurzeln entnommen werden, ich bedenke mich also nicht, unser ost und west, osten und westen aus einer quelle zu leiten; die spräche hat sie dennoch von einander auszuzeichnen gewust. Ülfilas gebraucht für jxaXotxia, die ruhe des meers das schöne wort vis; ich finde darin den gothischen namen Visigothi für Westgothen bestätiort, und folgere dasz die Gothen auch visar statt des ahd. westar, versus occidentem sagten, vielleicht meint Wisuraha Visurgis den gen westen rinnenden ström, ebenso- wol durfte, wenn iusan urere hiesz, usilö cinis, iusila avssi?

268 ME WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS.

d. i. otium bedeuten, also otium uhtvo, bald aufbrechende mor- genröthe, bald niedergehende abendröthe. wird dies alles nicht bestärkt durch das skr. vasati, welches domus, habitaculum und nox ausdrückt, d. h. eigentlich abendstille, und sicher mit vasas oder väsas dies der nemlichen wurzel ist? die indischen ge- dichte nennen oft einen berg Asta, hinter welchem die sonne in Westen sinkt ^, dieser name musz mit aaxu und unserm westen sich berühren.

2. KAI. HAI. HAIT.

Dem griechischen xaito xauaw entstammen xaGIfia und xau- axo;, aber auch xatvo; novus, wie wir gleichfalls funkelneu, funkelnagelneu verbinden, das bild ist von dem noch glühen- den, aus der schmiede kommenden nagel hergenommen, und es wäre möglich, dasz vso?, novus, goth. niujis, ahd. niuwi ähn- lichen bezug auf niuwan, nouwan tundere ferrum hätten, der Wurzel xai'a) entspricht ahd. hei, gihei uredo und arheien, arhei- geu urere, aestuare, arheigetun aestuaverunt Matth. 13, 6 (GraflP 4, 709. 710), mhd. geheige cauma, wofür ein gebrechendes goth. haiv zu erwarten stände, aber Ulfilas gewährt uns heivafrauja pater famihas, woraus heiv familia, domus zu folgern ist mit dem vorhin bei der wurzel vas gewahrten übertritt der Vorstel- lung des feuers in die der wohnung. gerade nun wie xai'a) xa6(3a> aus dem diphthong ai in au geht, sehn wir goth. heiv in ahd. hiu schwankend und selbst heute dürfen wir beides heirat wie heurat schreiben und sprechen, hien, hiwen, hiuwen nubere drücken aber, wie man will, aus eine familie stiften, einander beiwohnen und hiwi hiu bedeutet die ehe, der ursprünglich das Symbol des feuers oder der flamme nicht mangelte, aus dem latein fügt sich hierher das verbum cio, welchem zwar meistens die abgezogne bedeutung des anregens, bewegens zusteht, das aber anfänglich brennen ausgedrückt haben musz, wie allein schon aus dem worte cinis bewiesen wird, auch sagt man noch vorzugsweise eiere ignem, wie flatus eiere secundos. auf ähn- liche weise müssen gr. xiw und xivito, mit den begriffen ire und movere aus xat«) abgeleitet werden, gewagter scheint es xaiva> occido (das man mit xxsiva) zu verbinden pflegt) und xatvujAat supero heranzuziehen ; es könnte darin entweder die Vorstellung des niederlegens, niederstreckens oder des auslöschens und ver- brennens gesucht werden, sicher entspringen aus xaim, ganz mit dem bei vas und visan dargelegten wände! des sinnes, xsTuai ruhen, hegen, müszig hegen, schlafen, xoi[i.aa> legen, schlafen legen, xoi}i.ao[xai schlafen, xm^a tiefer schlaf, xcÄp-r^ ort der ruhe und weile, m diese ableitungen greifen wieder deutsche wörter

das Bol'^L^Än'neÄ^G^ '''■ ™- '''''^ '''''^'''' '''

DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS. 269

ein, das goth. haims ist unmittelbar das gr. xwultj viciis, ahd. heim patria, altn. heimr mundus, wolmort, ags. harn domiis, wobei ohne zweifei die Vorstellung der heimischen, heimatlichen flamme zu gründe liegt, in der litth. spräche gleicht kiemas vicus. das lat. civis kann zu jenem goth. heiv gestellt wer- den, civitas bezeichnet wiederum die heimat zusammenlebender menschen.

Noch näher dem Ursprung stehn verschiedne deutsche ab- leitungen. das goth. hais oder haiza bedeutet lampas, fackel, mit dem gewöhnlichen Wechsel des Z und R ergibt sich dazu das ahd. her, nhd. hehr illustris, praeclarus. ahd. heitar sere- nus, ags. hädor, alts. hedar setzen ein goth. haidrs voraus und scheinen dem gr. xai>ap6^ vergleichbar, obwol dieses kurzen vocal in der ersten silbe hat. aus haits calidus, ahd. heiz, ags. hat, alts. het, altn. heitr neben goth. heito febris, ahd. hizä, nhd. hitze, altn. hiti calor ist ein starkes verbum heitan, hait, hitum calere, ardere zu schlieszen, dessen T der wurzel hai zu- getreten ist, wie in giutan und mitan, wenn man die sanskrit- wurzeln hu und zur grundlage nimmt.

Hier aber thut sich eine andre erscheinung hervor, die auf den ersten blick befremdet, vollkommen gleich jenem goth. hait, ahd. heiz lautet ein reduplicierendes verbum haitan haihait, ahd. heizan hiaz mit der bedeutung vocare, nominare, nominari. die gemeinschaft der laute begehrt auch eine der begriflFe, wie nun reimt sich heisz calidus zu heiszen jubere, vocare? ich möchte einen Übergang der färbe in den schall schon zwischen jenem einfachen hei brand und dem mhd. ausruf hei! heia hei! in anspruch nehmen, aus dem ablautenden wort heitan hait ist das reduplicierende haitan haihait entsprungen, welches die be- deutung von citare vocare empfieng. denn wie vom lat. cieo civi citus weiter ein schwaches verbum citare d. i. arcessere entspringt, hat bekanntlich schon das einfache eiere häufig den sinn von vocare, in vocare, nominare und der an welchen der ruf ergeht, wird gleichsam angezündet und empfanglich gemacht für das hören oder kommen, in solchem sinn behauptet viel- leicht die alte deutung des vorhin anders gefaszten civis ihren guten grund: civis est qui in concionem vocatur, und so dürfte auch das ahd. hin, wenn es mancipium bedeutet, ausgelegt wer- den: qui verbo domini paret, der sich rufen lassen musz. zur völligen bestätigung dieses Verhältnisses dient was ich einer an- dern Wurzel hier vorweg nehmen will, von calere fervere leitet sich ab calare, vocare, nominare, das gr. xaXsu) voco und xs- XofjLai jubeo, ahd. halön, nhd. holen arcessere. um so inniger verwandt werden nunmehr auch die bedeutungen incendo und clamo für das gr. auto erscheinen. ,

Aus dem sanskrit, dessen anlautendes S dem gr. K und deutschen H entspricht, kommen mehrere wurzeln in betracht:

270 DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS.

81 (Bopp 350'') und sudh (Bopp 35 P). ^i hat ganz die bedeu- tiingen des gr. xsifxai jacere und dormire, ohne dasz sich ein bezug auf feuer und licht ergäbe: ^udh dagegen purificari, hi- strari, wozu man aber sutsch lucere und sus arescere, siccari halten musz. dem dentalen DH in sudh vergleiche ich das lat. D in candeo^, candidus, candela und accendo, die als er- weiterung der wurzel ci oder ca zu betrachten sind; nicht an- ders werden si und sudh in engem verband stehn.

Merkwürdigerweise hat sich ein dem lat. incendere accen- dere genau entsprechender ausdruck in einigen deutschen mund- arten, ohne lautverschiebung, erhalten, in der bairischen Volks- sprache dauert kenden für heizen, ankenden für accendere und künden neben zünden fort (Schmeller 2, 308). ahd. gilt chan- dalstap, kentilastap für candelabrum (Grafi' 6, 612) und selbst den ags. dichtem ist candel für lux sehr geläufig, engl, gilt allgemein kindle accendere; altn. kynda succendere (schon in Völuspä Saem. 8"), kyndill lux, und von da mag das lappische kintel, finnische kynttila erborgt sein.

3. DAI. TIND.

Aaiu) entfaltet sich beinahe wie xat'to und xatStJO) läszt Sauou), ösofja xexyja erwarten, doch steht dem xctufxa kein Sau[xa zur Seite, obschon neben Saitu oaucu, wie neben at«) auu> vorkommt; oao? ist fackel, oai? wiederum, Savo? ausgebrannt, trocken, oayjpo? warm, 8aX6? brand. im sanskrit entspricht dah urere (Bopp 165*), däha exustio, dava und däva ignis. litth. degu uror, uz- degu incendo, lett. degu uror, dedsinaht urere, deglis fomes, duhlis lunte. die goth. spräche benennt, ohne lautverschiebung, den leuchtenden dags und der ablaut dogs berechtigt zu ver- muten, dasz ein verbum dagan dög für leuchten oder brennen bestand ^ dem dags entspricht lat. dies, nahverwandt liegen skr. djaus gen. divas caelum und lautverschoben ein wahrschein- hches goth. Tius Tivis für den gott des himmels, den wir alts. Tiv, ahd. Zio genannt sehn, manche andere Wörter sind aus diesen abgeleitet.

Hier fragt es sich, ob die für Saio) neben der bedeutung uro comburo gültige andere von partior, seco, distribuo einen verschiednen wortstamm anzusetzen nöthige? auch im sanskrit erscheint auszer der wurzel dah urere der wurzel da, welche sonst dare ausdrückt, zuweilen der sinn von secare, scindere beigelegt (Bopp 167«) und der begrif des gebens scheint leicht m den des austheilens überzutreten, dennoch bin ich geneigt

' candeo leitet Bopp von skr. kan, splendere und rechnet dahin skeinan, mit Vorsatz von s.

,90 ' T'ift®*? ^^^''^^- ^^^- dahhazta volabat flamma in faciem. Graff 5, i£ö. vgl. daht docht.

DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS. 271

derselben griech. wurzel unmittelbar beide Vorstellungen zuzu- weisen, geht man von einem dargebrachten, der flamme über- gebncn opfer aus (woher sich auch oai's oaixo; opfermahl und dann schmaus insgemein erläutert); so ergibt sich ungesucht der bogrif des zerlegens und theilens. das feuer heiszt sonst das zehrende, fressende ', zehren aber ist lacerare, folglich secare, dispertiri. das zu onim fallende ooti'vutJLt sagt aus zum verzehren zutheilen und das opferthier wurde zerstückt ausgetheilt.

Für diese ansieht darf ich sogar geltend machen, dasz auch das goth. dails pars, ahd. teil un verschoben ist wie dags, und dem litth. dalis, skr. dala von der wurzel dal findi (Bopp 164'') begegnet, wie wenn dieses dal, goth. dailjan, sl. djeliti dividere ebenfalls öai'siv = brennen wäre, ja das lat. lacerare, da man lignum auf dignum zurückführt, scheint nichts als dacerare und gleiches Ursprungs. oaXo? titio und litth. deglis fomes lassen ganz dieselbe ableitung erkennen und vielleicht ist oöiXtj crepusculum hinzuzunehmen.

Ich habe nichts dawider in oai'to das digamma einzuschal- ten, dann liesze sich skr. dava ignis und vielleicht ags. tiber^ ahd. zepar victima, sacriiicium heranziehen.

Während die goth. spräche in dags und dails die alte media festhielt, liesz sie beim lebendigen verbum, das derselben wurzel entstammt, lautverschiebung zu.

Ganz ähnlich dem aus xaiw oder cio sprieszenden candeo und accendo bildet sich aus oai'to ein goth. tindan tand tundun, von welchem jedoch, nur tandjan incendere, tundnan incendi und vielleicht aihvatundi pferdeopfer übrig sind. ahd. zantaro carbo, zentrinc caro assa, zuntan incendere, zuntra fomes. altn. tendra accendere, tundr fomes, tyndra scintillare. mit andrer ableitimg nahverwandt erscheinen ahd. zinsilo fomes, zunselön accendere, zinsera thuribulum.

4. PHAIN. SKAIN.

Ich gelange zu einer weitschlagenden wurzel, die bei ober- flächlicher betrachtung man in unsrer spräche ganz vermissen könnte, näher zugesehn aber auch ihr in bedeutendem umfang beilegen musz.

Doch scheint dieser wortstamm nicht den bei xcti'tu und öaiu> gewahrten gang einzuhalten, da wir keinem cpaiu) cpctuKu, son- dern vorzugsweise der dort nur auf zweiter stufe vortretenden ableitung mit N begegnen, nicht cpai'tu cpauacu hat sich erhalten, wol aber cpaa> luceo, cpao? lumen (wie Sao?) zusammengezogen (ptSi?, cpaiSTOs lucidus, womit wol" HcpaiOTOs die flamme verbunden

' II. 23, 183 -ypl oa;rr^ij.ev. aber oaTrretv scheint zu SeTttvov gehörend, wie 8a{£tv zu 8c(i». man halte zu 5dTrreiv aTrreiv.

272 DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS.

werden darf, (paßijxo? und cpaiopo? lucidus, cpaüofic splendor; auf cpaioc fuscus werde ich mir zurückzukommen erlauben.

Das übliche verbum lautet aber cpastvw cpaivto cpavoi Trecpa^xa, jenem xaivu), das ich nur zweifelnd, jenem Sott'vujxi, das ich schon bestimmter den stammen xotiw und Sai'«) überwies, ähn- lich, daher leiten sich cpavo? lampas, cpavspo? manifestus und andere mehr.

Dem griechischen PH entspricht skr. BH, unsrer wurzel gleicht demnach das skr. bhä lucere (Bopp 244"), bhäma lumen und bhänu lumen, welches letztere sich ganz an cpastv«) und <pa£iv6? schlieszt. eine andere wurzel bhäs (Bopp 245*^) mahnt an cpauai? und cpaiato?.

Welches deutsche verbum stellt sich nun dem gr. cpaivsiv zur Seite? kein anderes als unser scheinen, ich musz aber ausholen, um den unerwarteten übertritt des PH in SC glaub- lich zu machen.

Im latein sind findo fidi fissum und scindo scidi scissura in doppelter gestalt ganz dasselbe wort, aber auch die sanskrit- sprache besitzt beide formen bhid und tschhid (Bopp 246". 131"); TSCHH steht dem SK gleich, etwas mehr geschieden in form und bedeutung sind goth. beitan mordere und skaidan secare, obwol sie einander anrühren, deutet man das gr. cpsiootxat spa- ren durch sich abbrechen, so könnte auch hier ^tötu dem ayt'Cto zur Seite treten.

Aber das skr. phena sehn wir dem litth. pienas, dem deut- schen feim und lat. spuma, ahd. scüm, nhd. schäum entspre- chen. SP und SC wechseln öfter, z. b. auch im gr. aTrivUr^p und lat. scintilla, welches letztere weniger mit scindo als mit unserm scheinen verwandt ist. crriv^yjp könnte mahnen an aßsv- vu[j.i, w^eil das feuer im funken glimmt und erlischt.

Die lex Visigothorum IX. 2, 9, waffen aufzählend, nennt scutis, spatis, scramis, lanceis nebeneinander, bei scramis findet sich die Variante feramis, ich denke frameis. doch scramis ist sicher auch recht, denn noch heute haben die Spanier escramo für Speer, die Franzosen escrime für waflfenkampf, escrimer für fechten, prov. escremir, was in mhd. schirmen übertragen wor- den ist, dem mit schirmen tueri ursprünglich nichts gemein ist. Orregor von Tours 4, 46 nennt scramasaxos, das sind messer zum wurf oder framen, frameae. in diesen framen und scramen haben demnach PH und SC von alters her getauscht.

Mich wundert dasz Diez in seiner romanischen grammatik unerwähnt läszt, oder ich müste es übersehn haben, dasz die neapoJitanische mundart ganz regelmäszig SCI an die stelle des Italienischen FI setzt: sciaccola für fiaccola fackel, sciamma für namma flamme, scianco für fianco franz. flaue, sciata für fiata, scioccare für fioccare, sciore für fiore, sciummo für fiume, sci- uocco tur hocco lat. floccus und wahrscheinlich liefern noch

DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS. 273

andere sprachen und dialecte belege für solchen lautwechsel, der in den organen begründet sein musz.

Hiermit ist, dünkt mich, die unmittelbare Verwandtschaft zwischen cpatveiv und goth. skeinan, ahd. scinan dargethan und unsere spräche stimmt, wie sonst oft, auch darin zur griechi- schen, dasz sie die ältere wurzel mit ableitendem N bekleidet hat. ich bin nun befügt, goth. skeima ahd. scimo zum skr. bhama, ahd. sein nhd. schein zu skr. bhänu gr. cpavTJ, ja skeirs zu cpavspos zu halten, dasz aber das transitive ahd. arsceinan (Grafi' 6, 509) auszer declarare zugleich frangere aussagt und das ags. scainan, fries. scenian sogar regelmäszig diesen sinn hat, bewährt mir den Zusammenhang mit lat. scindere und viel- leicht scintilla. unbemerkt bleiben darf nicht, dasz, wie in den vorher abgehandelten Wörtern AI und AU einander oft vertra- ten und neben cpaivo) cpauat? auftauchte, auch das gothische und langobardische skauuis, ahd. scöni, nhd. schön splendens nitens formosus seiner wurzel, ableitung und bedeutung nach das gr. <pa£tv6; ist, endlich dasz die meines wissens zuerst von Pott 1, 245 vorgetragne deutung von <p£t8o}xat sowol durch unser sceinan frangere als unser scönön, nhd. schonen parcere unterstützt wird. Über den ausdruck cpaio^ ist neulich unter uns von ver- schiednen standpuncten aus gestritten worden, die sich kaum versöhnen werden, ich will auch sagen was ich davon denke, hätte ich einen althochdeutschen oder gothischen ausdruck vor mir, so würde es viel weniger bedenken kosten, von irgend einer gegebnen form auf die andere ungewisse etymologisch überzuspringen, da uns diese raundarten nur unvollkommen be- kannt sind, der griechischen spräche weiter umfang liegt hin- gegen vor uns gebreitet und da hat der gebrauch der rede gröszeres recht und leidet keine Verletzung, nach diesem Sprach- gebrauch ist es nun hergebracht, dasz cpaio? überall dunkel und nicht hell bezeichnet, so wenig unser deutsches braun oder das lateinische fuscus jemals hell ausdrücken, und mit vollem recht wird gefordert, dasz von den cpav,6? mit cpctoc: verknüpfenden gegnern ein beleg für die bedeutung hell erbracht werde, was in der that unmöglich scheint, der eigenname IlotfjLcpaio?, in welchem ich nichts reduplicatives erblicke, darf also nur ver- deutscht werden Allbraun, wie zaii,[i£Xa? allschwarz, raX^vSuxoc allweisz aussagen. Xsuxocpato? weiszgrau bleibt also von Xsuxo- cpaTjC weiszglänzend dem sinne nach völlig geschieden, folglich ist llajxcpato; ein ganz andrer name als der bei Pindar Nemea 10, 91 vorkommende IJajxcpaVj?. warum soll auch nicht einer <I>ai6? oder riotjxcfiato^ geheiszen haben, wie die lateinischen eigen- namen Puscus und Niger, die deutschen Braun und Schwarz geläufig sind?

Fragt es sich nun nach einer die grenze des bekannten Sprachgebrauchs überschreitenden etymologie von cpaio^, so scheint

J. GRniM, KL. SCHRIFTEN. VH. 18

274 DIE WÖRTER DES LEUCHTENS UND BRENNENS.

es, wenn man behutsam zu werke geht, einige Schwierigkeit zu haben, dies adjectivum mit cpao? und cpaivcu zu einigen, seiner gestalt nach entspricht cpaio? dem XaiOs laevus, axaio? scaevus, ßaio? parvus, ßeßaio? firmus und dem seltnen -/otio? nobilis, wel- ches jedoch besser x^^io? lautete (Lobecks Phrynich. s. 404) und wie odioq combustibilis gebildet scheint, ßsßaio? fügt sich zu ßaivo) und drückt das getretne oder tretbare, folglich feste aus, ßaio? parvus dagegen ist verkürzt aus r^ßaios, also wol zu r^^r^ gehörend. X^^ö^ würde sich zu ^aivcu bringen lassen, oxaioc zu cxocCw, da auch in der ableitung viele verba zwischen -aivu> und -aCo), z. b. Xi)(fxaiv(ü Xi/fxcxCco, schwanken, neben paivio ich sprenge pflegt man paCtu, neben cpXaivcu ich reisze cpXa'Cto anzusetzen, doch weichen xpatvu> und xpa'C«) in den bedeutungen von einan- der und dem xXaC«> zur seite steht nicht xXaivo) sondern xXatw. der Sprachgebrauch hat sich bald zur einen bald zur andern form geneigt, der verba auf wurzelhaftes atvoi sind nicht viele, auszer den angeführten noch latvu) ich wärme, otai'vtu ich netze befeuchte, die beide zu auu auto fallen, Sat'vto ich kratze, j^pcttvw tango, [jLiaivto inquino. der auf ato) gibt es überhaupt, wenn ich keins übersehn habe, nur zehn aiu> yaiu) Qaiu> xai(o xXaiw vaia> iraiu) iiTaia) paito und t{;ai'a>, aus welchen verschiedenartige ableitungen flieszen. oaos /ao? und cpcco? berechtigen nicht ein xaoc oder xXao? zu bilden und 8ao? cpao? haben kurzes a, wenig- stens cpao? meistentheils , während vao? von vxioi durchgängig langes a und den accent auf der letzten silbe hat.

Dieser individuellen entfaltung der einzelnen wurzeln un- geachtet darf dennoch die höhere Sprachvergleichung nicht an- stehn cpao? und cpaio? auf dieselbe quelle zurtickzuleiten , wie sich oben tag und nacht, ost und west in gemeinschaft des Ursprungs fanden, daran läszt auch die entscheidende analogie der schon einigemal zu cpaio? gehaltnen lateinischen und deut- schen Wörter gar nicht zweifeln, denn fuscus und furvus für fusvus gehören der skr. wurzel bhäs leuchten, braun aber zu der im verfolg abzuhandelnden wurzel brinnen und den Über- gang der begriffe lehrt die passivbedeutung des participiums. ustus von uro drückt das verbrannte, schwarzgebrannte aus und cpato? musz ursprünglich das dunkle sein, was zu leuchten auf- gehört hat. vorausgesetzt nun, dasz der vasenbildner Pamphaios m die Sprachgeheimnisse eingeweiht war, gebe ich zu, dasz er aus semem dunkeln namen in das helle anspielen konnte.*

* [leider musz diese abhandlung für uns fragment bleiben: wenigstens ist aer rest trotz, wiederholten suchens im Grimmschen scljranke auf der könig- nc len bibliothek nicht zum Vorschein gekommen und musz daher als verloren

JORCUS UND ZIVELLES. 275

JORCUS UND ZIVELLES.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M, Haupt, bd. 8. 1851. 8.1 6.

Gleich vielen unserer Volksbücher in ungebundener rede l scheint auch das vom gehörnten Siegfried aus auflöung eines älteren gedichts und zwar ungefähr des im Nürnberger druck 179 Strophen bildenden hervorgegangen, doch nicht unmittel- bar, da wol die begeben heiten fast in derselben weise und folge verlaufen, aber die meisten eigennamen abweichen und einzelne zuthaten in der prosa auf die grundlage eines vollständigeren, besseren liedes schlieszen lassen. Hans Sachs [IIL 2, 233] hat seine tragödie 1557 nach jenem Nürnberger gedieht eingerichtet, bietet also der forschung nichts weiteres, des Volksbuchs titel gibt bestimmt an dasz die geschieht^ aus dem französischen verdeutscht sei, und warum sollte man hieran zweifeln? obschon es bisher noch nicht gelungen ist die spur eines solchen Sifroi le cornu in Frankreich zu ermitteln, ganz darnach sieht der frauenname Florigunde anstatt Krimhild aus, allein noch stärker dafür zu sprechen scheint mir der name Jorcus in einem lusti- gen Zwischenspiel bei der Wormser hochzeit, dem ich hier meine aufmerksamkeit zuwende.

Es wird erzählt, könig Gibald d. h. Gibich habe sich ein- mal auf der jagd verirrt und sei von einem bauer des weges beschieden, dafür aber dieser begnadigt und über des königs vieh gesetzt worden. Jorcus wohnte nahe an der königlichen bürg, war aber so verzagt und blöde dasz er vor einem bloszen Schwert in die erde hätte kriechen mögen.

Zu diesem Jorcus begab sich ein edelmann an des königs hof, der eine kurzweil anzustellen dachte, er bildete ihm ein, im gefolge der fremden fürsten finde sich ein über alle maszen feiger krieger namens Zivelles, den schon eine blase mit erbsen in die flucht jage ; diesen solle er zum kämpf auf leib und 2 leben fordern und sich durch dessen leichte besiegung ehre und lohn erwerben.

Als der edelmann ihm dazu ein herz gemacht hatte, ver- fügte er sich auch zu könig Sieghart d. i. Sigemund mit der bitte dasz dieser lustige kämpf gestattet werden möge, da Jorcus dem Zivelles an feigheit nichts nachgebe. Sieghart und seine leute beredeten nun den erschrockenen Zivelles sich auf die ausforderung zu stellen und den sieg über den furchtsamen Jorcus davon zu tragen. *

Den folgenden tag ergeht der kämpf zwischen beiden gleich verzagten und wird umständlich geschildert, der zufall will dasz

* kämpf zweier groszsprecher. ungr. Simpl. 129. 130.

18*

276 JORGÜS UND ZIVELLES.

Jorcus, der schon geflohen war, sieger bleibt und seinen gegner zu erstechen im begriff ist, als ihm einhält geschieht und nun beide kämpfer froh sind mit dem leben davon zu kommen.

Dies ganze Zwischenspiel halte ich für echt, sagenmäszig und uralt; es ist zu beklagen, dasz uns das gegen seinen schlusz eilende und abkürzende lied nicht die feineren züge bewahrt hat, durch welche alle Vorgänge ohne zweifei gewinnen müsten.

Schon das kehrt genug in den sagen wieder, dasz sich ein könig auf der jagd verirrt, bei einfältigen leuten einkehrt und bewirtet wird, worauf er sich ihnen gnädig erweist.

Jorcus wird wol in der ursprünglichen fabel zugleich dumm und schlau erschienen sein und in ergetzender mischung die natur eines bauern bewahrt haben; vielleicht glich er hierin dem Morolf oder Bertoldo, die auch an des königs hof zugang erhalten.

Die Franzosen besitzen für einen solchen charakter auszer niais, badaud, benet, sot, den eigennamen Joerisse, dem ich in keiner andern romanischen spräche begegne, ein erheiterndes vaudeville führt den titel 'le desespoir de Joerisse' und beruht darauf dasz ein gutmütiger einfaltspinsel bald anführt, bald an- geführt wird, schon Moliere femmes savantes 5, 3 sagt 'faire le Jocrjsse' * und im Sprichwort heiszt es von einem albernen geizhals 'c'est un Joerisse, qui mene les poules pisser.' ich möchte erfahren, wer sich des namens zuerst bediente, und mutmasze dasz er entweder aus dem Volksgebrauch in den fran- 3 zösischen Sifroi le cornu kam, oder lieber aus dem Sifrol in die Volkssprache eingieng. denn Joerisse seheint umgestelltes Jorcus. doch gewährt Roquefort 2, 254 auch ein oeris, oerisse, ogrisse, tetu, tetue, opiniätre, mauvaise tete, was sich mit dem wesen der Joerisse gut verträgt; nur hat das griech. oxpi? oxpiosi? schroff, eckig, o/puosi? schauderhaft schwerlich ansprueh auf Verwandtschaft, zu den buchstaben würde vielmehr ogre, neapol. huorco, lat. orcus stimmen, liesze sich die Vorstellung des grausenhaften popanzes mit dem lustigen einfaltspinsel rei- men, es genügt mir deutlichen Zusammenhang des Jorcus mit französischer und schon altfranzösischer fabel und spräche nach- gewiesen zu haben, folglich auch den durchgang der Siegfrieds- sage durch eine verschollene französische bearbeitung.

Vielleicht leitet der gleich seltsame name des Zivelles weiter, zu welchem man nur nicht den des batavisehen beiden Civilis halte, auf dem auch in der sage kein flecken von feigheit haf- ten darf, aber hier habe ich einen andern uralten namen zu vergleichen in bereitschaft, den nordischen Hialli, der für den mythus selbst höchst bedeutsamen anklang darbietet, in der that treten sieh die formen Zivelles und Hialli einander ziem-

Genin 222. jaucrisse. Chan Heurlin 13.

JORCUS UND ZIVELLES. 277

lieh nahe, sobald man Wechsel zwischen H und Z, wie ihn die ferne vorzeit kannte, gestattet und entweder Hialli aus Hivelli gekürzt oder Zivelles aus Zielles erweitert sein läszt. beiden kann eine genauere und deutlichere gestalt unterliegen, sicher aber fand der deutsche Übersetzer des französischen buchs schon in seinem urtext Z, nicht C geschrieben.

Den Hialli bringen nun Edda und Völsungasaga unmittel- bar in Verbindung mit der beiden beiden Günthers und Ilagens tod. als sie nach dem groszen kämpf jeder abgesondert gefes- selt liegen, wird zuerst Gunnar befragt, ob er sein leben (durch angäbe des orts wo der Nibelungenhort liege) erkaufen wolle, nicht eher, antwortete er, bis mir Hagens herz auf der band liegt, d. h. bevor ich ihn todt weisz. da schnitten sie dem Hialli, einem der gefangenen nibelungischen knechte, das herz aus der brüst, legten es auf eine Schüssel und trugen es vor Gunnar, welcher sogleich sagte 'hier habe ich das herz des blöden Hialli, ungleich dem herzen des kühnen Högni; noch zittert es auf der schüssel und zitterte noch einmal so stark, 4 als es in der brüst lag.' darauf giengen sie zu Högni, welcher lachte, als sie ihm das herz ausschnitten, und trugen es blutig auf der schüssel vor Gunnar. Gunnar sprach 'hier habe ich das herz des kühnen Högni, ungleich dem des blöden Hialli; nur wenig zittert es auf der schüssel und noch viel weniger bebte es, als es in der brüst lag.' nun aber redete Gunnar den Atli an, 'dem hört sollst du nimmer nahen; jetzt steht er allein in meiner gewalt seit Högni nicht mehr lebt, und nun mag er im Rheine liegen.'

Abweichend jedoch und umständlicher erzählt Atlamäl, Beiti, küchenmeister (bryti) des Atli, habe (als es sich um das herzausschneiden handelte) den rath gegeben, Hagens zu schonen und dafür den feigen Hialli zu ergreifen, dessen leben nichts werth sei. dieser Hialli war Günthers koch (hvergsetir, kesselhüter), kroch jetzt in alle winkel und jammerte dasz ihn solcher heldenkämpfe wegen unheil treffe und er fern von seinen Schweinen und seinem ruhigen haushält sterben solle, als er das messer wetzen hörte, flehte er ihm das leben zu lassen; er wolle gern die höfe misten und sich den schwersten arbeiten unterziehen, Högni aber rief aus, man möge den knecht laufen lassen und an ihm selbst das herzausschneiden versuchen, das er schon, nicht solches wehklagen ertragen könne, nun wird Högni getödtet und lacht beim schneiden, der gefesselte Gunnar ergreift seine harfe und spielt auf ihr mit den zehen, Hialli ist dem tod entronnen.

Diese groszartigen Vorgänge im altnordischen epos, das dem kühnen ausgang des heldenlebens die zagheit der knechte mildernd an die seite stellt, blicken auch noch durch die spä- teren auffassungen der sage, wer sieht nicht, dasz dem Hialli

278 JORCUS UND ZIVELLES.

gewissermaszen Rumolt in unsern Nibelungen entspricht, dessen unterthanen die kessel sind, der von der gefährlichen reise ab- gerathen hatte und klüglich zu haus geblieben warK wie in der Edda Atli hat in den Nibelungen Kriemhild es auf den hört abgesehen und Günther und Hagene sterben ohne seinen aufenthalt zu verrathen, nur dasz hier mit epischem Wechsel die Worte 5 den schätz weiz nu nieman wan got unde min

nicht dem Günther, sondern Hagene in den mund gelegt wer- den, wie denn auch nicht Hagens herz zu Günther, sondern Günthers haupt zu Hagen getragen war. mythisch ist aber beides eins.

Ich darf nun desto sicherer zu dem Volksbuch und zu Zi- velles zurückkehren, das Volksbuch läszt auch den Zivelles mit in den krieg ziehen, der Siegfrieds tod rächen soll, und es ist voller bedeutung dasz in der verlornen schlacht der grimmige Hagenwald (Hagenoaldus ^ Hagano) sich dem verzagten Zi- velles ergibt in der meinung bei ihm geschützter zu sein als bei kühnen feinden. Zivelles aber, heiszt es, nahm seiner schanze wahr; als Hagen wald eingeschlafen war, griff er zum Schwerte und stiesz es ihm durch den leib : was er Siegfrieden gethan werde ihm so vergolten, in der folge der schlacht finden aber auch Zivelles und Jorcus ihren tod*.

In diesem allen wage ich einen weit hinauf reichenden fränkischen mythus, wie ihn vielleicht schon Sigambern mit sich nach Gallien führten, zu ahnen, es war vollkommen an- gemessen, dasz die Franken allen rühm auf ihren geliebten Siegfried übertrugen und dessen gegner durch den feigsten aus ihrer mitte erlegen lieszen. burgundische, gothische lieder hin- gegen versetzten den Hialli, oder wie sie ihn benannten, auf die Seite des nibelungischen heers, welches er mit gegen Etzel geleitete.

Lieder die Siegfrieds hochzeit besangen, welche nach Vil- kina saga cap. 204 fünf tage dauerte, werden der beiden feig- linge Zweikampf, der den tragischen ausgang vorbedeutete, ge- kannt und mehr oder weniger entfaltet haben, die worte des Volksbuchs 'dies war eines der lustigsten stücklein auf Siegfrie- dens hochzeit, und könnten derselben mehr angeführt werden, es würde aber zu lang werden, wollens also bei diesen bewen- den lassen' deuten auf dergleichen, zur zeit seiner abfassung

,*^'^'^,^<^lfi'.''^«i stellt den Rumolt Parz. 420 als feigen dar.

Du hast einen umstand auszer acht gelassen und damit einen vortheil verloren Hans Sachs hat eine andere und bessere quelle gehabt als das volksbucli oder das gedieht (heldensage s. 310). Hagen ersticht den Siegfried als er bei dem brunnen eingeschlafen ist, nicht als er sich in das wasser Dcugt uni sich zu erkühlen, und so erfüllt sich erst der gegensatz, wenn ^ivello^ den Hagenwald im schlaf ersticht.' ausschnitt aus einem briefe Wil-

JIUKAN. 279

noch nicht unterj^egangne züge hin, deren wir nunmehr nie wieder habhaft werden.

Den worth des Volksbuchs und des SiegfriedHedes wird niemand länger bezweifeln; ich habe schon anderswo gesagt dasz in beiden der zwerg Euglein und Egwaidus (Aginoaldus)* noch deutlicher die natur des nordischen Gripir behauptet als 6 Eiberich in unseren Nibelungen. Jorcus Zivelles Hagenoaldus Aginoaldus weisen im hintergrund auf eine lateinische nieder- schrift, der ich zutraue über das zwölfte jh. hinauf zu reichen.

JIUI^N.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 1851. 8. 6—11.

Man sieht, die lateinischen verba vieo vinco vincio liegen 6 einander nahe, denn vieo scheint zu stehn für viceo, vimen für vicmen, wie lumen für lucmen, 'a viendo victor' sagt schon Gellius 12, 3 (wo die lesart vivendo zu verwerfen), in vinco und vincio hat aber die gutturalis das N gerufen, wie vici victum lehren, die sich zu vicio nicht anders verhalten als feci factum, jeci jactum zu facio jacio, weshalb auch vinciturus an- statt victurus nicht befremdet; vincio vinxi gemahnt an sancio sanxi, dem nach sacer auch ein verschollnes sacio zur seite gestanden haben kann, allmälich sonderte der Sprachgebrauch die formen vinco vici und vincio vinxi für die bedeutungen; der abgezogne begrif des siegens leitet zurück auf den des bindens: victor est qui vincit hostem, der den überwundnen, zu boden geworfnen gegner in bände legt**, den romanischen sprachen ist blosz das abstracte vincere vencer vaincre verblie- ben, die sinnliche grundlage vincire abhanden, auch das ent- sprechende goth. veihan vaih, ahd. wihan weh drückt nur pu- gnare couficere aus, nicht mehr ligare.

Mir ist es hier auf eine andre wurzel abgesehn, aus der ganz ebenso die Vorstellungen des bindens und siegens sich entfalten, im lat. jungo junxi liegt das binden noch vor äugen und auch jugum und jumentum (für jugmentum) bezeugen es unmittelbar; der bedeutung von vincere nähert sich subjugare, sub jugum mittere. gleichergestalt bezeichnet das skr. judsch jüngere alligare, das litth. jungiu jungo, jugum impono, jun- gas jugum, das gr. CsuYvujxt jungo, Cs^T'^* Cu^oy jugum; den

* im Grendel künec Oügel, Eygol. vgl. Eigelstein. ** auch Bciifev 2, 185 vinco binde.

280 JIUKAN.

Slaven steht noch igo (böhm. gho) jugum zu, nicht mehr das verbum *.

7 Bopp im glossar s. 280* erklärt scharfsinnig das goth. liuga nubo, liugaij) nubit aus juga jugaij), wobei sich anschlagen liesze dasz die Schweden Ijus und ähnliches wie jus aussprechen, da aber lautverschiebung mangelt, und ein anderes, ihrem gesetz folgendes, dem lat. jungo genau entsprechendes goth. wort vor- handen ist, so müste man annehmen dasz diesem zur seite für den eignen begrif der ehverbindung ein alterthümliches unver- schobnes jugan = liugan sich behauptet habe.

Jenes goth. verbum, von dem ich nun weiter handeln will, ist jiukan, welches Ulfilas für vixav und tiuxtsusiv setzt, wodurch wiederum veihan pugnare = vincere bestätigt wird, sicher ge- hört aber zu jiukan vincere das bekannte, bei den Altenburgern und Schulze noch abgetrennt davon gehaltne juk = jugum, nach welchem ein ablaut jauk dem jiukan zuerkannt werden musz. jiukan jauk jukun hat in juk die Vorstellung des bin- dens festgehalten, sonst aber nur die abstracte des siegens und Streitens angenommen, jiuka ist \ioiyri.

In allen unsern übrigen dialekten dauert das sinnliche sub- stantivum fort, ahd. joh, ags. geoc, altn, ok: haben sie das verbum und was sonst daher flieszt aufgegeben?**

Der angelsächsische am wenigsten, ihm steht nicht nur ein adjectivum geocor trux atrox asper zu (Beov. 1524. cod. exon. 164, 33. Caedm. 229, 3. 254, 25), das wol ursprünglich pugnax minax bedeutete, sondern auch ein weibliches subst. geoc, gen. geoce für die Vorstellung salus und auxilium, denn geoce frem- mian Beov. 353. Casdm. 95, 31 ist opitulari, geoce biddan Andr. 1030 auxilium rogare und auch Andr. 1567. 1585. Elene 1139 steht geoc gleich helpe oder frofor. ein daher geleitetes ver- bum geocian drückt aus opem ferre Caidm. 234, 14. cod. exon. 185, 23, geocend auxiliator, sospitator cod. exon. 13, 5. Andr. 901. es ist leicht den Übergang der begriflPe einzusehn: der siegende und kämpfende held war dem alterthum zugleich ein schützen- der und helfender; dem harten und grausamen sieg stand milde und Schonung zur seite.

Wer in unsere vorzeit zurückdringen könnte, würde auch bei ahd. stammen einem johhan jouh juhhun, sei es für vincire

8 oder für vmcere, pugnare, auxiliari begegnen können, wie wenn unser heutiges jauchzen diesmal ein ahd. juhizan folgern liesze, aus dem sich nachher juwezan und juwan (Diut. 1, 167) er- geben hätte und wozu selbst das lat. jugare schreien stimmte? jauchzen wäre siegsgeschrei erheben.

P«ff*/^n/HAPJ^^ ^i^S- ^^PP ^ocalism. 207. dschi vinco. zu vinco hält i'ott 1, 106. 204 gr. vtxr), aber falsch.

** vgl. giuhsat satum gl. Hrab. 974^ Graff G, 55.

JIÜKAN. 281

Es gibt aber merkwürdige Ortsnamen, in welchen das alter- thum, seiner heidnischen anschauung höchst gemäsz, Vorstel- lungen des siegs und der hilfe niederlegte.

Um auch hier von den Angelsachsen auszugehn, so wei- sen uns Urkunden bei Kemble 72 (a. 724) einen ort leccahäm, der 477 (a. 958) Geochäm, 715 (a. 1006) loccham, 896 (a. . .) leocchum geschrieben erscheint, und das heutige Ickham in Kent ist. 1250 (a. 963) zeigt sich ein Geocburna, das jetzige Ickbourn in Sussex, 1235 (a. 961) ein Geochangra, das mit hangra, einer oft wiederkehrenden örtlichen Vorstellung zusam- mengesetzt ist. keine dieser benennungen darf man aus geoc jugum erklären, wie schon die englische form ick, und nicht yoke lehrt.

Ahnliche örter lassen sich auch bei uns nachweisen, gewisz mehrere als ich jetzt aufzuzeigen habe, ein castrum quod lech dicitur (andere lesart Giech) findet sich bei Pertz 6, 825, wie es scheint im Barabergischen. [Giecheburc arch. f. künde österr. gesch.qu. 4, 599. Gych. 4, 600. Gyech. 4, 603. Diecz von Gich. Beham 374, 13. Veit von Gich. 61, 9. 75, 30. 80, 23. die tr. corb. haben öfter den mannsnamen Giki.] MB. 29, 390 (a. 1253) ge- währen Jeuchendorf, Jewchendorf. Schannat no. 140 in tribus Geohhüsis, no. 310 Gohhesheim, no. 397 in pago Grapfeldun in villa antiqua quae dicitur luchisa. dies ist das heutige Jüchsen, unweit Meiningen und Masfeld, wofür Dronkes traditiones ful- denses s. 223 Luchesa, so wie s. 79 Luhsinmarca, doch mit der Variante luchisonomarca schreiben. [luhhisa Luhhisa Roths beitr. 73 ff.] war hier L kein fehler, sondern in der ausspräche be- gründet, so würde es Bopps Vermutung über das goth. liugan zu statten kommen, weiter hiesz eine wüstung bei Erfurt lekendorf (mitth. des Thür. Vereins 2, 281), jenem Jeuchendorf begegnend; zumal wichtig aber wird mir das bekanntere Jecheburg in der nähe von Sondershausen, also gleichfalls auf thüringischem gebiet.

Unweit Jecheburg ist an dem flusz Wipper noch ein an- drer ort namens Jecha gelegen, zu Jechaburg wurde aber im j. 989 ein Benedictinerkloster gestiftet, dessen eine steininschrift der Stephanskirche zu Mainz gedenkt,

Stephanicum in monte templum facit hoc bene sponte, <

Thuringis Derlam fecit Jecheburque Valernam *, vom erzbischof Willigis redend, zahlreiche Jechaburger Urkun- den von 1186 bis 1471 sind in Würdtweins diplomat. magunt. 1, 112 —276 enthalten, die den uamen gewöhnlich lechaburg oder lecheburg ausdrücken, doch schreibt eine von 1264 s. 122 Gicheburg, eine andere von 1151 bei Schöppach no. 10 lekeburc, nach der sächsischen form. [Icheburg. mitth. des Thür. ver. 3. 4, 79. Yiecheborg. Everh. gandersh. cap. 30.] das registrum

* (1. i. Dorla, Varlar.

282 JIUKAN.

subsidii von 1506 in Stephans stofflieferiingen nennt s. 103 die sedes Jecheburg und darunter auch Jecha.

Wahrscheinlich wurde das kloster an der stelle eines hei- ligen ortes des heidenthums gestiftet, wie so häufig geschah, um die anhänglichkeit des volks an die gewohnte statte zu schonen und auf die christhche Verehrung zu übertragen, in dieser hin- sieht ist auch die bei Botho und andern enthahne nachricht nicht gering zu schätzen, dasz zu Jechaburg das bild einer .heidnischen göttin Jecha gestanden habe und von den Thürin- gen angebetet, von Bonifacius niedergestürzt worden sei. denn wenn es schon keine göttin dieses namens gab, scheint doch das wort Jecha, wie vorhin dargethan wurde, so viel als sieg oder hilfe, Jechaburg ungefähr Siegburg auszudrücken, was sich füghch mit heidnischem cultus vereinigt, nicht anders mag das ags. Geochäm oder Geocaham Siegheim, Geocbrunna Siegbrunne bedeutet haben und wiederum in luchisa dieselbe Vorstellung liegen, das vorkommen solcher namen in Thüringen und Eng- land für die öfter wahrgenommene Verwandtschaft beider länder zeugen und auf den volkstamm der Angeln zielen, mir fällt auch der thüringische Hülfenberg oder Gehülfenberg im Eichs- feld ein, auf welchem Bonifacius eine capelle erbaut haben soll und von dem volksagen gehn; es wäre mit anderm oder glei- chem namen wieder ein Jecheberg.

Auf jeden fall musz die Jechaburg bei Sondershausen in dem thüringischen alterthum eine gröszere rolle gespielt haben als ihr bisher zuerkannt worden ist. der anonymus erfordensis, von dem eine bei Pistorius im ersten band gedruckte thüringi- sche geschichte herrührt, meldet p. 1301 dasz bei der kerlingi- schen ländertheilung der drei brüder Carlmann, Carl und Ludwig 10 letzterer Thüringen, Franken, Sachsen und Friesland überkom- men habe: et nominabatur rex Albiae et Thuringiae, et posuit sedem regni sui in Thuringia, in Castro quod Jecheburg nomi- natur, et capellam in honorem beatae virginis Mariae, quae adhuc manet Castro destructo. dies alles erscheint ungeschicht- hch und nur auf sage beruhend, Widukind, Dietmar und der annalista Saxo geschweigen der Jechaburg gänzlich, gleich wol musz sie, wie die Stiftung des klosters beweist, schon vor dem zehnten jh. längst bestanden haben, die sage fährt auch fort sie hervorzuheben, als die chroniken den einfall der Ungern zu Heinrich des ersten zeit schildern, nennen sie ausdrücklich Jecheburg als den ort wo sich die macht der Deutschen gesam- melt hat und belagert wird, jener anonymus erford. p. 1303: Ungan mtraverunt Thuringiam et obsederunt castrum princi- pale m principatu, scilicet Jecheburg cum l millibus armato- rum. ausführlicher nach den chroniken der dichter des Lohen- grin 8. 66 72, wo nur immer für Jethelburch zu bessern ist Jechelburc; die übrigen stellen hat Waitz in seinem Heinrich

JIUKAN. 283

dem ersten s. 185 189 fleiszig gesammelt: darunter nennt die chronica Saxonuin den belagorten ort Lychen, die Lüneburger chronik Lecheburg und Jecheburg, Eberhard von Gandersheim Jiecheborch, Engelhusius bei Leibniz 2, 1072 Gicheburg, noch andere chroniken Icheburg und Eichaburg. wie vorhin bei luchisa Luchisa schwankeu hier nochmals die Schreiber zwi- schen I und L. in der noch ungedruckt(!n Repchochronik heiszt es gleichfalls von den Ungarn, si quameu zu Doringen inde besaiszen lecheburg. wie es den chroniken überhaupt bei dieser darstellung des ungrischen einbruchs nicht an lebendigen zügen mangelt, die bei Widukind fehlen, so können sie auch die belagerung von lechaburg nicht aus der lufl gegriflfen haben, wenn sie sie schon übertreiben.

Haupt hat uns die vorrede zu Albrechts von Halberstadt verlornem gedieht schön hergestellt (3, 289), nur am schlusz einen für den dichter gerade belangreichen namen unberichtigt gelassen. Albrecht begann und vollendete sein werk in land- grafen Hermanns laud, wie ich lese

üf einem berge wol bekant,

er ist ze lecheburc genant, denn Zechenbuoche (auch die Mainzer ausgäbe von 1545 gibt das falsche Zechenbuch) gewährt gar keinen sinn und die ii präp. ze scheint unentbehrlich ^ ob nun Jecheburc im jähre 1210 unter dem mächtigen landgrafen stand, kann ich bestimmt nicht sagen, da sie späterhin den grafen von Schwarzburg ge- hörte*, die aber damals wol als vasallen des landgrafen an- gesehen werden durften, und gleich ihm der dichtkunst hold waren, wie man aus dem schlusz der Eneit des Heinrich von Veldecke entnehmen mag. die lecheburg lag fast auf dem halben weg von Halberstadt nach Eisenach und es wäre sogar möglich, dasz Albrecht mönch zu lecheburg war und dort dich- tete, obgleich ich seinen namen in den Jecheburger Urkunden vergebens gesucht habe.

EINEM GEBESTEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 1851. s. 11 13.

Dies schon aus Reinbots Georg bekannte wort hat Haupt ii 5, 160 auch im Servatius aufgewiesen, aber ich glaube misge- deutet, 'durch besseres überbieten, übertreflfen.' auch in Beneckes leider nicht alphabetischem, mitunter auf falsche stamme gera-

' vergl. Nib. 20, 3 in einer bürge riebe, die was ze Santen genant. * vgl. Hpt. 8, 4G6 [unten s. 326].

2<S4

EINEM GEBESTEN.

thendem Wörterbuch 1, 95" findet sich 'gebeste, bin in vergleich mit einem der beste.' wir werden sehen dasz es eher heiszt 'ich bin im vergleich zu einem der schlechtere.'

Von comparativen werden genug verba abgeleitet, wie eben bessern ahd. pezirön, mindern ahd. minniron u. s. w. sie drücken aus etwas besser, minder machen; im späteren latein wurde gleichfalls meliorare, minorare für meliorem, minorem reddere gesagt, die ältere spräche bildete minuere, wozu ich ags. min- sian und maersian halte, welches letztere zu märe goth. maizö gehörig sein comparativzeichen doppelt, einmal in R, das andere mal in S ausdrückt, ungefähr wie das ahd. merirä = merä, doch beide mal in R.

Aber aus dem Superlativ verba zu ziehen empfindet die spräche gar kein bedürfnis, da sie wol die thätigkeit des fort- schritts bezeichnen will, im gipfel des Superlativs hingegen ruhe 12 eintritt, so wenig also ein lat. minimare oder optimare ver- sucht wurde, mag ein ahd. minniston oder peziston stattgefun- den haben, einzig und allein könnte man mir das mhd. fürsten einwenden: diu hat sich hoch gefürstet MS. 2, 149''; wir kennen heute noch gefürstete grafen. bei diesem fürsten aber denkt sich niemand den alten Superlativ furisto primus, jeder nur das Substantiv fürst princeps, aus dessen begriff" jenes verbum stammt.

Vollends, würde sich mit einem aus dem Superlativ beste hervorgegangenen gebesten ein dativ der person, den wir in beiden vorgelegten stellen antreffen, vereinbaren?

Man musz gebesten zurückführen auf hast band und den dativ so verstehen wie er auch zu binden construiert wird, binden und besten sind verba des ankleidens, und hast, besten entspringen sogar aus der wurzel binden, das biblische 'einem den schuhriemen lösen' XoaoLi tov l[xavTa xöiv uTroorjtxaTtov Marc. 1, 7. Luc. 3, 16. Joh. 1, 27 heiszt dienst des knechts leisten, der die riemen an den schuhen aufbinden musz*; Matth. 3, 11 steht dafür uT:o87J{j,aTa ßaataaat, die schuhe tragen, wegheben, mit gleichem sinn gesagt sein könnte Syjaat, weil der schuh- knecht (altn. skösveinn) so wol auf als zu bindet, und in der Edda jammert Godrun (Ssem. 212'^)

skylda ek skreyta ok sküa binda hersis qvän hverjan morgin, wo qvän wiederum der dativ. 'einem gebesten' scheint hier- nach ursprünglich zu bedeuten einem die schuhe mit hast bin- den, dann aber aufwarten, dienen, wie gerade so gilt 'einem das Wasser reichen oder halten'** zum handwaschen, wie der

* Schuhband symbolisch: Diemer 212, 21 daz bezechinoht daz scüch pant daz Alexander wart kesant daz er mit tagelich in dienen solte. Alex. 1392 er sante mir ouh zwe schuh bant damit häter mir becant daz er sih mir ze eigene wii geben. ** Götho 12, 191.

EINEM GEBESTEN. 285

knecht thut. einem aber 'nicht das wasser reichen, einem nicht gebesten mögen' will sagen einem nicht einmal gut genug sein zum geringsten diener, einem nicht nahen, nicht verglichen werden dürfen, und in solcher abstraction wird gebesten aller- dings in unsern beiden stellen gebraucht, die gar nicht an hast denken, so wenig wir an waschwasser wenn wir heute sagen: der reicht ihm nicht das wasser.

Nur bestehe ich nicht darauf gebesten vom schuhbinden auszulegen, da besten überhaupt binden und einnähen bedeutet (Graff 3, 219. Haupt 3, 477'')* und man in die kleider nähte, äo kann es für solches einnähen, das diener oder mägde ver- i3 richten, genommen werden; der bezug auf den knechtischen abstand bleibt derselbe.

Ich habe nachgesehen, weil die sitte unseres alterthums daraus erhellen kann, wie jenes biblische riemenlösen verschie- dentlich übertragen wird, und freilich nirgends hier ein ge- besten angetroflfen. Ulfilas setzt 'andbindan skaudaraip skohe (oder skohis)', nicht blosz Marc. 1, 7. Luc. 3, 16, auch Matth. 3, 11, wo der griech. text abweicht, skaudaraip für tfia? ist noch unaufgeklärt, raip entspricht dem ags. räp, ahd. reif restis, funis, durch das vorgesetzte skauda musz bestimmt werden, wie die gothische schuhbefestigung damals eingerichtet war; sollte das ahd. scöta fasciculus (lini, foeni) Grafi' 6, 425 nicht dazu gehören? Otfried 1, 27, 58 hat 'scuahriomon inbintan', fügt aber 60 noch hinzu ein 'inklenkan thie riomon', was sich auf eine Vorrichtung an dem schuh zum festigen (torquere, conse- rere, GraflP 4, 563) der geschränkten riemen beziehen musz. in Tatian 13, 23 heiszt es nach Matth. 3, 11 giscuohu tragan, und im mild, passional 349, 21

ich bin dar zuo zuo böse daz ich die schuo im löse. [Mariengrüsze 493 (zschr. 8, 289)

niemen ^ ist wol wirdic einen riemen

dem enbinden äne swaere den du, reiniu maget, gebaere.] HeHand 28, 14

that ic thes wirdig ni bium

that ic möti an is giscuoha, thoh ic si is egan scalc,

an so rikiumu drohtine thea reomon antbindan.

die Angelsachsen übersetzen Matth. 3, 11 gescy heran, Marc. 1, 7 sceona |)vanga uncnyttan, Luc. 3, 16 sceo|)vanca uncnyttan, Joh. 1, 27 sceoJ)vang unbindan. [)vang ist das altn. J3vengr

* h&ten an ir lip gebestet tiure wät. Partenop. 53, 10. beste mir den ermel wider in. MS. 2, 85. sich in gewant besten, pass. 34, 69.

286 BEGINNEN.

corrigia calceamentorum, der die schuhe fesselt, zwingt, zwängt, vgl. ahd. halsduinc halsband, hantduinc handfessel, giduinc fre- num, duanc frenum. sollte ein goth. skiudan auch nectere, stringere, torquere bedeutet haben?

BEGINNEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 1851. s. 14 20.

14 Beginnen begann geht uns heute ganz nach der regel von rinnen rann, sinnen sann, gewinnen gewann, doch das prät. begann scheint erst seit Klopstock und Voss wieder geläufig geworden, denn vorher hiesz es begonnte, und ich zweifle, ob sich aus der ersten hälfte des 18n, aus dem 17n und 16n jh. ein starkes begann werde aufweisen lassen, selbst bei Goethe sagt Gretchen zu Faust

ich wüste nicht was sich zu euerm vortheil hier zu regen gleich begonnte, allein gewisz ich war recht bös auf mich, dasz ich auf euch nicht böser werden konnte. Schiller aber im kämpf mit dem drachen

den felsen stieg ich jetzt hinan, eh ich den schweren strausz begann, hin kniet ich vor dem Christuskinde, und schon Wieland 9, 144

zwei Musen begonnen ihren streit, während er 5, 37. 18, 154. 22, 68 begonnte : konnte reimt und 16, 11 einen vers schlieszt

bis endlich der älteste also begonnte. nicht anders Lessing 1, 189

eh meine knorpelhand so stark zu sein begonnte, dasz sie mit jauchzen ihr das haar zerzausen konnte, oder Geliert 2, 117

du wogst, eh ich zu sein begonnte, eh ich zu dir noch rufen konnte, mir mein bescheiden theil schon vor. aus der damaligen prosa wird es kaum nöthig sein belege an- zuführen, man sagte allgemein begonnte wie konnte, warum nicht auch im conj. begönnte wie könnte?

Bei den schlesischen dichtem des 17n jh. und ihren an- hangern herscht kunte und begunte vor

15 bisz ihr beguntet auszzubreiten

die flügel der Vernunft. Opitz wäld. 2, 44.

BEGINNEN. 287

hat Orpheus nicht begunt die Völker erst zu lehren?

Opitz 1, 443. als es begunte zu tagen. Lohenstein Arm. 1, 612. versuchte was er kunte itzt, da er nun begunte. Fleming s. 139. der Agarener hauffen begunnte anzulauöen. Gryphius 1, 24. das unterdrückte volk begundt auf uns zu sehen.

Gryphius 1, 25. wie dann die glieder mir auch todt zu sein begunten und nur durch zittern sich noch etwas rühren kunten. Hoff'mannswaldau getr. schäf. 40. bei Olearius steht oft und überall begunte, [bei Philander von Sitte wald kunte, begunte, conj. begunte.]

Auch im 16n jh. gewährt uns Luthers bibel wie kunte (conj. könte) begunte.

die menschen begunten sich zu mehren, gen. 6, 1. [1545

und Binds. begunden.] da ich begunte drein zu sehn. Ezech. 16, 50. [1545 begonst], und was berechtigte einen angeblich mit der ausgäbe von 1545 verglichenen abdruck (Leipzig bei Mayer und Wigand 1842) in der ersten stelle begunnen, in der zweiten begann einzuschwär- zen? nur würde ich für Luthers genaue Schreibung künde (conj. künde) und begunde fordern, welches auch seine Schrif- ten (Jena 6, 179". 209^^) sonst darbieten, von der nebenform 6, 82 begonst, 6, 517'' begunst, 5, 278 begunsten nachher noch. Erasmus Alberus schreibt begund, der zu kurzen, stumpfen Wörtern überhaupt geneigte Hans Sachs gund und kund; der gar in groszen forchten stund, und dem gesiebt nachtrachten gund. 1, 2, 169''. bald der pawer entschlafen kund (1. gund), die pewrin von im widr aufstund. 2, 4, 65". nam er sein pferd, weib und sein hund, und sich dem schlosz zu neben gund. 2, 4, 78®. da Fischart kondt potuit setzt, ist bei ihm auch begondt coepit zu gewarten.

Die mhd. spräche verwendet nun die von Luther bis auf Goethe gültige schwache form und die jetzt herschende starke beide neben einander, so findet sich En. 71 began, 218 begun- i6 den; Nib. 27, 3 begunde, 52, 4 began; Trist. 2318. 2332. 2365 began, 2356 begunde; Parz. 19, 20 began, 29, 30 begunde; Walth. 37, 23 begunde, 123, 17 began; Iw. 2011 begunde, 2083 began; [Flore 119 began, 436 begunde; Rab. 914. 1138 began, 1073 begunde;] man kann beispiele in allen dichtem antreffen*.

* weitere belege gramm. 4, 95. 108. 667. Konrad hat began im reim oft, aber auch begunde; began nie auszer dem reim, also ist began ungewöhn- licher als begunde: Haupt zu Engolh. 1989.

288

BEGINNEN.

für die bedeutung gilt kein unterschied, began wie begunde drücken immer die Vergangenheit aus.

Auf gleiche weise sehen wir vom ahd. pikinnan nicht nur das prät. pikan, sondern auch pikunda pikonda gebildet (Graff 4 210. 211). O. 2, 15, 21. 23 bigan und bigonda dicht beisam- men. T. 55, 2 bigan incipiebat, 46, 5 bigonda coepit. merk- würdig setzt N. immer begonda und scheint sich des began zu enthalten; fast möchte ich annehmen, begonda sei strenger hoch- deutsch, began mehr ans niederdeutsche grenzend, sichtbar überwiegt auch das mhd. begunde bei Schwaben und Baiern, woraus die lange dauer des nhd. begonnte folgt; die erneue- rung des begann wäre wieder niederdeutscher einflusz. zugleich zeigt sich ahd. bigunsta im Isidor, ganz wie neben chunda chunsta. von dem auszer pikinnan auftretenden ahd. inkinnan inchoare (Graff 4, 209) hat sich aber blosz inkan, kein inkunda dargeboten.

Dem alts. Heliand ist von biginnan nur das starke bigan zuständig*, doch die altwestfälische beichtformel liefert bigonsta, und so zeigt sich auch mnl. bald began, bald begonde, bald begonste, nnl. herscht begon und begoste begost ist veraltet, selbst die friesischen denkmäler bei Richthofen 638" zeigen began (aus dem pl. begunnen zu folgern), bigunde und bigonste. bi- gunsta mag den Rhein niederwärts sich verbreitet haben und auch in andere niederdeutsche striche vorgedrungen sein.

Keine der übrigen deutschen sprachen weiter weisz von der schwachen form, das ags. äginnan und beginnan bilden die praeterita ägann und begann; unerhört wäre ein ägude begude. desgleichen engl, begin, began, niemals etwas wie begouth ^.

Die goth. spräche hat kein biginnan sondern duginnan, dessen praet. dugann lautet, nie dugunj^a. den nordischen 17 sprachen gebrechen beide verba für den begriff des anfangens gänzlich.

Welches urtheil fällen soll man nun über die hochdeutsche eigenthümlichkeit ?

Wie pflegte neben pflag, deren wir uns beider bedienen, ist begonnte neben begann nicht aufzufassen, denn pflegte be- hauptet den vocal des praesens, nicht aber begonnte, dessen o nothwendig auf das u im pl. praet. begunnen zurückgeht.

Aber wäre begonnte blosz versehn und misgegriffen nach konnte, ahd. pikonda nach chonda oder onda? dafür zu reden scheint zweierlei, einmal der abgang der anomalie im gothi- schen, angelsächsischen und altsächsischen, dann dasz pikan und begann nirgend praesensbedeutung empfangen wie chan

«J * ^^^^J^ßi Gerh. v. Minden oft begonde : konde, p. 61 hadde begunt, wie bsp. 3, 31 hebbe begunt, Sassenchr. 17 hadden begund, 22 begunnen,

geschweige begould. das ungehörige 1 in could ist dem would nachge- aümt, wo es grund hat; die ausspräche merkt nichts davon.

BEGINNEN. 289

oder an ; sie sagen, gleich dem goth. dugann, immer aus, so viel wir wissen, incepi oder coepi, niemals incipio. hierzu stimmt auch, dasz ahd. pikan in der zweiten person nicht pikanst, son- dern pikunni lautet, mhd. began nicht beganst, sondern begunne oder begünne. nhd. freilich gilt begannst, allein weil auch rannst, sannst, gewannst gesagt wird, das -st überhaupt herge- stellt ist.

Dessenungeachtet kann ich mich nicht entschlieszen unser in die hochdeutsche spräche von jeher tief verwachsnes schwa- ches praet. begonnte für einen auswuchs zu halten, je länger ich es betrachte, desto organischer scheint es mir, und es gewährt uns einen den übrigen dialecten gebrechenden fall der alter- thümlichsten verbalanomalie, welche die deutsche zunge kennt.

Was mir entscheidet ist: alle ihr praeteritum verschieben- den verba begehren ein praesens sinnlicher bedeutung, aus der sich das abstracte praeteritum entfaltete, das abgezogene be- ginnen hat sich, wie anheben auf heben, anfangen auf ffingen, auf irgend einen sinnlichen begriff zurückzuführen, der nur stärker mit der form durchgedrungen ist, als in diesen gleich- bedeutenden Wörtern, in anhob und anfieng liegt die sinnliche handlung vor äugen und wird nur durch die vorgesetzte par- tikel au der abstractiou überwiesen, in begann ist sie verhüllt wie in kann, mag und den übrigen.

Sie bricht aber durch, weil sich die form beginnen erhal- ten hat, während kinnen, migen u. s. w. erloschen sind, und is diese fortdauer des ursprünglichen praesens scheint eben der abstracten praesensbedeutung von begann im wege gewesen zu sein K ginnan nun drückte aus secare, Andere, wie ich bereits mythol. 8. 525. 1218 dargethan habe*, den dort beigebrachten belegen lassen sich manche zufügen:

Adam inslief, sin siti wart ingimnin,

Evim wart dannin bigunnin,

beinis vesti wib von dem man giwan. Diemer 97, 25. ingimnin würde ein goth. andgunnan sein, wie der mnl. Fergüt bestätigt:

hine conste sin hüt niet ontginnen 3461.

wat maghic doen, want ic en kan

sin hoft ontginnen met minen swerde 3565.

' man könnte darauf vorfallen, began sei praet. geblieben, um es von dem praes. gan faveo geschieden zu halten, docn dieser grund bedeutet mir wenig. ^ began coepi und gan faveo haben auszer den Inichstaben nichts ge- mein, in beginnen ist das G wurzelhaft, in gönnen partikel. ganz irrthümlich nimmt daher Richthofen 638" onnen für das simplex zu begonde. [aber be- gundo = gönnte, kindheit Jesu, Hahn 88, 20.]

* ags. cinan hiare, hiscere, cinu, eine rima, ahd. chinan, goth. keinan, keian, hiscere, pullulare. archinit adrisit Graflf 4, 450. westf. ginen klaffen, beginen verschneiden. Woesto b. Kuhn 6, 430.

J. GRtMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 19

290

BEGINNEN.

den Übergang der begriffe faszt man leicht, wenn ginna hiesz ich schneide, bedeutet gann ich habe geschnitten, um sich die einfachste handlung des alterthums gleich hinzu zn denken, brot oder fleisch, folghch ich fange an zu essen, bald aber überhaupt: ich fange an ^ da es aber schwer hält bei dem anheben Vergangenheit und gegenwart zu trennen, so war es natürlich, dasz man auch in die praesensform , zumal die mit einer partikel bekleidete, ebenfalls den begriff des anfengens statt des Schneidens legte, und wir sehen dem goth. duginnan die bedeutung äpx^abai, ebenso dem ahd. pikinnan, inkinnan = antkinnan, ags. äginnan und biginnan überwiesen, vielleicht entbehrt die altn., dem partikelvorsatz abgeneigte spräche darum für ginna den begriff des anhebens, ertheilt ihm aber den von inescare (und dann decipere, alHcere, anködern), worin ich doch wiederum das vorhin herausgebrachte ausschneiden und essen mit einer andern wendung finde, auch dies nord. ginna ver- steht man also ohne die Vorstellung des essens und Schnei- dens nicht. 19 Fragt es sich näher nach der wurzel, so musz ginna gann

mit gina gein hiare = findi unmittelbar zusammenhängen und wir dürfen auch dem goth. ginnan gan ein verlornes geinan gain an die seite stellen, wie sich öfter das NN der ersten ablautsreihe aus einfachem N der zweiten oder vierten ergibt, beide ginnan und geinan entsprechen aber der lautverschiebung nach dem gr. ^(atveiv und lat. hiare = findi, und bedürfte es noch der beweise für die herleitung des begriff'es beginnen aus dem des Schneidens, so würde sie die lateinische spräche voll- bringen, inchoare nämlich -gehört unmittelbar zu hiare und zeigt das vollständige, sonst in H geschwächte CH; cohus, wie schon Festus fand, ist das gr. /aoc, und steht für chous. in- choare mag ursprünglich wiederum spalten und schneiden be- zeichnet haben.

Sehr merkwürdig begegnen sich auch im slavischen die begriffe des anhebens und Schneidens, russ. natschat', natschi- nat' incipere, potschat', potschinat' incidere, secare, nament- lich chljeb", brot anschneiden, poln. naczqc, naczynac incipere, poczijc, poczynac anfangen, napoczynac anschneiden, napoczijc chleba brot anschneiden, böhm. pocjti, pocati beginnen, nacjti chleba brot anschneiden, zwar nimmt Miklosich s. 107 beim altsl. tschjati, natschjati, zatschjati nur die bedeutung incipere concipere an und jenes potschat' chljeb" wird durch ein anfan- gen des brots erklärt; allein der abgezogene begriff kann nicht der erste, nur der zweite sein und man darf für tschjati die Vorstellung des Schneidens voraussetzen, wenn sie auch über die geschichte der spräche hinaus reicht.

darum steht auch bei biginnan, wie bei ezzan, der partitive genitiv: eines biginnan, es biginnan, der acc. bei anfangen: ez ana fähan.

ACHSELBÄNDER DER FRAUEN. 291

Dunkel bleibt das lat. coepi coepisti, ein praeteritum ohne praesens, gerade wie die meisten praeterita unsrer deutschen anomalie. ich möchte es nicht mit Pott 2, 269 [Üopp gl. 31"] für zusammengesetzt aus con und epi von der wurzel ap erklä- ren, die auch in apio, apiscor, apex, aptus walte, denn nie findet sich coepi, wie coegi aus con und egi von ago. meine Vermutungen, die nichts weiter sein sollen, will ich mittheilen, coepi scheint sich mit capio und incipio (unserm anfange, an- hebe) dennoch zu berühren; alles hängt von erklärung des OE ab. ich würde an cupio denken, das man zum sanskr. kupjämi irascor hält, Bopps gloss. 76^, aber auch an xo-tw und xotcttj = lat. caepe, caepa, das beiszende lauch, ja an xottic messer 20 und Stachel, und ans slav. kopati fodere. heiszt es nun cupido pungit, ferit, caedit, so erreichen wir auch für cupere den be- griff" von pungere, caedere, mordere, scindere, und coepi könnte dazu das alte, cupivi das jüngere praeteritum sein. Verwandt- schaft zwischen cupio und capio liesze sich allenfalls auch er- mitteln. *

ACHSELBÄNDER DER FRAUEN.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 1851. 8. 20. 21.

In meiner abhandlung von schenken und geben gedenkend 20 der ermelbänder, welche noch im 16n und 17n jh. die frauen als liebeszeichen trugen, bemerkte ich seite 18 [kl. sehr. 2, 195], dasz ein wahrscheinlich viel älterer brauch aus der zeit des 13n jh. nicht mehr erhelle, gleichwol lassen bei den minne- sängern die ausdrücke binden, brisen, besten und stricken, die verschiedentlich gerade von den ermein verwendet werden, das dasein der sitte ahnen und wir begegnen vielleicht noch einmal bestinmiteren Zeugnissen, ein ausführliches werk über kleidung und tracht des alterthums, das sich genöthigt sähe auf alles einzelne genauer einzugehen als bisher geschah, würde schon manche spuren entdecken, unterdessen will ich hier auf eine hinzeigen, die weiter führen kann.

Die Sittenprediger des mittelalters sind einstimmig zumal allen gelben bändern, risen und schieiern aufgesessen, worüber ich schon einmal stellen gesammelt habe, die sich reichlich mehren lassen**; was sollen aber die mürsnitzen, welche ihnen

* vgl. den artikel 'beginnen' wb. 1, 1296. ** gelbe Schleier Bure. Waldis 4, 28. ein meit in einem gel wen swanze. Renn. 12367. blozer nak und gelwe kitel. 12537. sloir gel. 12559. in peplis feminarum croceis. Leyser predigten XXXI.

19*

292 ACHSELBÄNDER DER FRAUEN.

Hugo von Trimberg beigesellt? ist an mür morus, maulbeere und an eine von färbe oder gestalt der frucht entnommene ähnlichkeit des putzes zu denken? oder die lesart verderbt? snuorsnitze hälfe nicht viel und schiene gleich unbekannt, ge- swenze und swenzlin werden oft in Verbindung mit dem kränz genannt, müssen also zierrat des haupts gewesen sein*, wahr- scheinlich Qin vornen aufgebundenes seidentüchlein, und ein be- deutsames, nach der mode unentbehrliches stück, vergl. swenzel krispen MS. 2, 193^ krenzel und swenzel MSH. 1, 139% minze stecken an der megde krenzel ze stiure an ir swenzel Diut. 2, 130, sidin swenzelin fragm. 18% wizgevalden swenzel MS. 2, 62". nun mag die stelle selbst folgen: 21 gelwe kittel und mürsnitzen

länt manec meide niht gesitzen,

die mit flize erbiten solten,

obs ir zuht behalten wolten.

die loufent hin, die loufent her,

ob ieman da si, der ir ger,

oder der ir geswenze lobe.

ir manec vert als ob sie tobe,

so sie daz swenzlin vorn an siht:

nu wol her, wer wil sin iht?

trüegens mentel oder hüllen an,

wie solten dan die jungen man

üf den absein die schilde gesehen,

der glenzlin kan diu minne spehen?

die mädchen hefteten schimmernde schilder, vielleicht von gold oder silberblech auf ihre achseln, die weder mantel noch Schleier verhüllen durfte, damit den Jünglingen das, wie man annehmen wird, von ihnen geschenkte zeichen in die äugen fallen konnte**, glenzlin ist Schimmer.

* dagegen Zarncke Brant 310''. ** Schilde auf die achseln. Berth. ed. Göbel 2, 124. der ein lat im sticken ein herz uf einen ermel. Keisersb. brös. 84''. snüere an rocken, an kitein bilde. Renn. 12538 (vgl. 12692). solt antun die newe gippen mit den roten zotten und binde ein spigel auf den ermel. Philogenia 112^ er trug auf seiner sonntagsmontur rothe und blaue achselbänder. Lessing 1, 233 (a. 1748). dvergar ä öxlum. Ssem. 102*^. 'videtur fuisse pupa quaedam linea vel pannea omamenti causa axillis imposita'. Edda hafn. 3, 218''. Simrock 'nesteln'.

ALL ALSO ALS. 293

ALL ALSO ALS.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M, Haupt. bd. 8. 1851. s. 385 38y.

In den sprachen scheint die allheit immer erst aus einer 385 sinnlichen ganzheit abgezogen zu werden: das unberührte, un- versehrte, unzerstückte, sämtliche theile in sich fassende ist, weil ein ganzes, auch ein alles, die meisten ausdrücke der urverwandten sprachen zeigen, genauer zugesehn, hier eine grosze Übereinkunft.

Unsern deutschen steht für omnis zu goth. alls, altn. allr, ahd. al, ags. eal, und damit unmittelbar zusammen trift ir. uile, welsch oll, armor. holl. den irischen diphthong ui, auszuspre- chen u, sehn wir öfter deutschem a oder lat. o begegnen, mui- nim moneo ahd. manen; muineal monile ahd. menni = mani; muinn, ahd. mana, mhd. man, altn. mön juba; uillean ulna, goth. alleina, ahd. elina, gr. toXsvTj.

Zuncächst führt das aspirierte armorische holl auf SXo?, wel- ches totus, integer, noch nicht omnis ausdrückend, auf oXpo? zurück gebracht dem oskischen sollus = solvus entspricht, folg- lich mit salvus eins sein musz. salvus aber nach dem gewöhn- lichen Wechsel zwischen 1 und r ist das skr. sarva, dessen be- deutung noch überwiegend totus scheint, wiewol sie in die von omnis fortschreitet.

Wir dürfen demnach nicht nur unser all dem skr. sarva gleichstellen, sondern auch die Vorstellung von totus in seinen hintergrund setzen, verlorne mittelglieder der form wären alv, sali, salv; aphaeresis des s trägt sich auf gleiche weise in an- dern Wörtern zu, man denke nur an goth. uf ufar, lat. sub super, gr. 67:6 ursp, mit der aspirata wie in 0X0?. nicht anders mag jenes ir. uile aus einem früheren suile hervorgegangen sein.

Für den begrif der allheit hat das sanskrit viäva, das zend vispa (wie skr. a^va equus, zend aspa), die littauische spräche wissas statt wiswas, die altslavische v's, fem. v'sia, neutr. vse; russ. ves, vsaja, vse; sloven. ves, vsa, vse; serb. umgestellt sav, sva, sve, und mit angehängter ableitungssilbe böhm. wsecek, poln. wszyslek. genau zusammen mit zend. vispa hängt gr. azcts 386 und ra?, -asa, -av, wie das zendische spa hund, skr. svä ge- halten zum slavischen |js, gen. psa erläutern kann, und das nt in ravTO? gleicht dem nd in hunds canis. zum serb. sve für vse halte man acpe = '^i.

Wie dem sanskrit beide adjectiva sarva und visva stehn der gr. spräche 0X0; und zac zu, während die deutsche und keltische nur jenes, die littauische und slavische nur dieses bewahren.

Die ganzheit drückt sich bei den Slaven aus durch tschjel, poln. caly, böhm. cely, welchen das litt, czelas, aber auch das

294 ALL ALSO ALS.

goth. hails, ahd. heil, ags. hal, engl, whole, altn. heill entspricht. oXo? gehört nicht dazu, vielleicht lat. sölus und sölidus, nicht salvus; deutsches all und heil würde niemand einer und der- selben Wurzel zusprechen, unter dem volk hört man heil und hei schon im sinne von omnis verwenden: die ganzen jungen = alle jungen; auch in dem hellen häufen scheint der heile, hele häufe gelegen*, obgleich ich daneben finde 'der helle Hechte häufe.' im alts. alohel Hei. 71, 12 sind all und heil verbunden, umgedreht in der formel 'io heilalle!' RA. 877.

Schwierig bleibt mir noch das lat. omnis selbst, welches Pott zu skr. amä nimmt, Benfey i, xvi für comnis, communis vgl. solemnis. nachdem es in den romanischen zungen ausge- storben war**, muste totus an seine stelle treten und die Vor- stellung der ganzheit aus integer, it. integro, prov. integre, sp. entero, franz. entier entnommen werden, integer war ursprüng- lich unberührt, von tago ^ tango. auch tötus bedarf besserer aufschlüsse, denn seine berührung mit tot hat der form und dem begriffe nach anstand, obschon man selbst tantus jenem gen. Travxo? vergleicht, den ich vorhin anders auffaszte.

Ahd. galt für integer und solidus alanc olanc alonc (Graff 1, 222), mhd. noch aling (Haupt 2, 194), aleng (sumerl. 10,48), alts. alung (Hei. 80, 9), worin sich eine ableitung von al, das hier noch den begrif der totalität festhielt, nicht verkennen läszt, vgl. das ags. adv. eallunga eallinga omnino, mhd. ellincliche (Ben. 2P) und bei Kero anolkiu für alonkiu (gramm. 2, 707. Graff 1, 222). -ang für -ung, -ing ist selten, doch in einigen andern Wörtern, z. b. honanc = honinc zu treffen. 387 Weit üblicher war ahd. kanz, mhd. nhd. ganz integer, in-

columis, sanus (Graff 4, 221), worin z für s steht (wie in tanz, roman. dansa und ursprünglich von dinsan zu leiten, oder in schwänz, schwed. svans), weshalb auch mnl. gans totus und gansen sanare (Huyd. op St. 1, 569), der würze! nach verschie- den von dem gleichbedeutenden genesen sanari und sanare. dies ganz entgeht der ags. alts. und altn. spräche, die goth. aber hat das verbum gansjan Tiaps/siv gewähren, darreichen, fertigen, so dasz gans fertig, bereit sein würde, vgl. ganz und gar. unsere Volkssprache beginnt ganz schon in die bedeutung von all fortzuschieben, man hört z. b. die ganzen jungen = alle jungen; der genauere Sprachgebrauch unterscheidet aber zwi- schen ich habe alle nachte gewacht und ganze nachte gewacht, jenes ist omnes, dieses totas.

Das Sanskrit, es scheint noch nicht die veden, hat häufig sakala totus, dessen Ursprung aus sa und kalä theil ein- leuchtet***.

^* mit dem ganzen hellen häufen. Schwein. 1, 171. aber it. noch ogni = onni, omni. Bopp gl. 3621' iiält es zu heil.

ALL ALSO ALS. 295

Nach diesen alljremeineren betrachtungen ziehen sich die folgenden wieder auf das gebiet nnsrer eignen spräche.

Seit dem 9n jh. pflegt im ahd. die conjunction so durch ein vorgesetztes al verstärkt zu werden; al so drückt buchstäb- lich aus omne ita, omne sie, omne ut, soll abor nichts anders bedeuten als ita, sie. den ältesten denkmälern scheint es doch noch fremd, namentlich gibt es kein beispiel in Kero, Isidor, in den hymnen, auch in Tatian nicht, Otfried aber, Notker und von da an alle verwenden es oft. bei O. bleibt al unbetont, ihm musz man aber noch so zugeben, folglich also, belege gibt Graff 6, 16. N., der sonst so schreibt, entzieht ihm in der Verbindung mit al die länge, betont aber dieses: also dar äne skein Mart. Cap. 12; also die in rücches wis zegänt ibid. 19; also wir sehen ibid. 25; also iz tänne veret Boeth. 12; also dar ibid. 13; Also die taten ibid. 15 u. s. w. bei Willeram erscheint neben also verdünnteres alse, im nihd. neben alse noch mehr gekürztes als.

Nicht anders gebraucht die alts. mundart al so oder all so. Smellers glossar zu Heliand 5".

In den ältesten ags. quellen, zumal Beovulf und Caedraon, gebricht, in der prosa erscheint allenthalben ealsva, aus dem sich später also, alse,- als, endlich das englische as ergab , wel- : ches neben also mit verschiedener bedeutung fortbesteht, wie mhd. und nhd. neben also als*.

Doch der goth. spräche war ein solches allsva oder allata sva ganz unbekannt, der altn. ein altsvä. das schwed. alltsä, dän. altsaa scheinen dem deutschen abgesehn, obwol mit aufge- nommenem neutralen kennzeichen, nach nordischer weise, auch gilt keine unserm als oder dem engl, as ähnliche kürzung. die altn. Partikel allz omnino und quando scheint entweder der gen. alls oder eine zusammenziehung aus allra heizt.

Das nhd. als hat dadurch sehr unorganischen umfang ge- wonnen, dasz erst die letzten jhh. unsre dem lat. quam nach comparativen entsprechende partikel mit ihm bildeten. sein eigentlicher begrif ist sie, ita, nicht quam, nach comparativen setzt der Gothe |iau = r^, wie auszer ihm kein andrer dialect. ahd. steht dan, danne, denni, denne (Graflf 5, 47. 48); alts. than; ags. [lonne, en<x\. than; mhd. gleichfalls dan, danne, denne, und so bis ins 16e jh. Seb. Brand, H. Sachs noch überall dann oder denn, auch Luther denn, dann**, Seb. Frank dan. mit Fischart, so viel ich sehe, beginnt ein schwanken, er schreibt bald dan, bald als nach comparativen; zur zeit von Opitz und Fleming herscht schon als, und heute klingt uns denn, dann daneben noch entweder feierlich, oder wir brauchen es nur, wenn unmittelbar dahinter ein anderes als = wie folgt, z. b. es

* nhd. alsbald, alsobald. mhd. alsbalde. Dietl. 4628. ** Luther in den briefen nach comparativen weder.

296 ALMEINDE.

ist besser vor ihm als freund denn als feind aufzutreten, der Niederländer sagt richtig zoeter dan, und zoeter als würde er verdammen, wir Hochdeutschen schreiben süszer als, und er- achten süszer wie für einen fehler, im gründe sind beide als und wie nach comparativen tadelhaft gegenüber dem alten be- währten dann, die ungenauigkeit hatte im als begonnen und ist im wie fortgeschritten, das sich mitunter bessere Schriftsteller erlauben; im volk hört man sogar 'als wie' hintereinander, im französischen würde comme oder comment nach comp, statt que unverstattet sein, so sehr hat das der partikel so an sich fremde praefix al bei uns um sich gegriflfen.*

Vielleicht übten romanische partikeln einflusz. provenza- lisch sagte man tot aissi (tout ainsi), tot atressi (tout aussi) Rayn. .S89 5, 390 ; aus ital. altresi = alterum sie, prov. atreisi, atresi, span. otrosi, altfranz. altresi, autresi gieng zuletzt das franz. aussi her- vor, wie das engl, also gleichfalls die bedeutung 'auch' hat.

ALMEINDE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M, Haupt, bd. 8. 1851. s. 389—394.

889 In seiner schätzbaren Zeitschrift für die geschichte des

Oberrheins 1, 388 drückt Mone über dieses wort sich wie folgt aus: 'und wenn almeinde wirklich vom nordischen almenningr abgeleitet wäre, wie kommt es, dasz in Niederdeutschland das wort almende nicht einheimisch ist? weder Grimm noch Haltaus geben aus Norddeutschland belege für das wort almende, dieser führt nur eine stelle an, worin loca communia mit mende über- setzt sind, was der niederen mundart entspricht, alle andern beweise sind aber vom Oberrhein und aus Schwaben, daiher fehlt auch dies wort den niederdeutschen Wörterbüchern, die benennung almenden für gemeingüter gehört eigenthümlich dem südwestlichen Deutschland und kann daher nur aus den Ver- hältnissen dieses landstrichs richtig erklärt werden.

Wir sind am Oberrhein, einem lande, welches gallische ansiedler bewohnt haben, auf deren spräche und Verhältnisse man bei emeni so alten Institut wie die almenden rücksicht nehmen musz. sie liegen der sache näher als Norddeutschland und Schweden und klären auch das wort almend einfach und richtig auf. al heiszt irisch fütterung, nahrung; main, maine fem. gut und mm fem. feld. die Verbindung almaine heiszt also fiitte- rungsgut, d. i. waide. in dieser erklärung hat man 1) ein haupt-

* iries. nach comp. sä. mehr als, leng länger als.

ALMEINDE. 297

wort, 2) ein femininum, 3) eine dem deutschen almeina genau entsprechende form und 4) eine richtige Bezeichnung der sache. mehr bedarf es nicht, kann die deutsche erklärung diese vier puncte nicht erreichen, so musz sie der keltischen weichen.'

Wie hätte sie die beiden ersten forderungen nicht von selbst schon erfüllt? almeinde ist ja ein substantivum und in den meisten fällen ein weibliches; da jedoch, wie sich zeigen wird, auch der genitiv almeindis erscheint, musz es daneben zugleich ein neutrum gegeben haben, wie manche andre Wörter weiblich und neutral sind, der vierten forderung wird durch die keltische erklärung augenscheinlich nicht genug gethan, denn 390 weide ist nicht gleichviel mit gemeinweide, drückt also den hier wesentlichen begrif der gemeinschaft gar nicht aus, weiden be- finden sich auch im sondereigenthum. dem dritten punct, ob das angeblich keltische wort dem deutschen entspreche, soll gleich näher auf den zahn gefühlt werden.

Mone selbst sagt s. 385, die benennung almende erscheine erst seit 1150. wie sollte doch geschehn sein, dasz ein von den Kelten, seien sie nun als ansiedier über den Rhein einge- wandert, oder lange schon in Germanien ansässig in diesem landstrich verblieben, während der ersten Jahrhunderte unsrer Zeitrechnung oder früher bereits am Oberrhein eingeführtes wort nachher verscholl und lange zeit darauf im 12n jh. wieder auftauchte, in ahd. vorzugsweise in dieser gegend niederge- schriebnen Sprachdenkmälern und glossen sollte man es weit eher erwarten; es erscheint in keiner einzigen alemannischen Urkunde vom 7n bis zum lln jh., noch im tieferen überrheinischen Gal- lien, unter den Deutschen des 12n jh., bei welchen alle künde von jenen Kelten völlig erloschen war, hätte kein keltischer ausdruck erwachen können, es gab damals nur deutsche.

Gesetzt, doch uneingeräumt, er sei in der that keltisch, so müste das behauptete compositum almaine wenigstens in irgend einer heutigen keltischen spräche und mit dem ihm beigelegten sinn vorhanden sein, das ist durchaus nicht der fall und kein keltisches Wörterbuch gewährt etwas ähnliches, ans irische al- moinne mandeln, engl, almonds wird niemand denken, noch weniger an den irischen Ortsnamen Almhain * in Leinster. zwar bei O brien treffe ich ailiomhaint, aileamhuinn nourishment, welche aber dem lat. alimentum, alimonia nachgebildet und im latein blosz abgeleitet, nicht zusammengesetzt sind.

Ein zusammengesetztes almaine hat Mone, der mitten in Alemannien wohnend seinen landsleuten ihr altes eigenthum zu schmälern und fernen Kelten hinzuwenden trachtet, rein erfun- den, die Wurzel al füttern brauchten wir nicht erst im kelti- schen aufzusuchen, sie ist im lat. alere wie im altn. ala, goth.

* Aliuhuine, Almhain, heute Allen Fionns palast. O'keamey 13G.

298

ALMEINDE.

aljan zu finden und unser bekanntes allen deutschen zungen

391 gemeines adj. alds, ahd. alt stammt aus ihr. kein einziges kel- tisches wort ist übrigens mit al = futter componiert. um main grundstück scheint es nicht viel besser zu stehn. O'brien und Norman Macleod führen gar kein solches wort an, es musz also ein ungewöhnliches oder bedenkliches sein. O'reilly hat nun allerdings main oder maince riches, goods, value, dessen Urver- wandtschaft mit min feld wenig einleuchtet, denn min a piain, a fine field bildet sich von dem adj. min planus, wie von diesem lat. wort planities, oder von unserm eben, flach ein subst. ebene, fläche, in der almende braucht man aber durchaus keine ebene zu sehn.

Also ein irisches almaine gibt es nicht, würde, wenn es sich fände, schwerlich ftttterungsgut bedeuten, und wenn es dies bedeutete, den begrif compascuum, ager compascuus, wie ich vorhin zeigte, verfehlen.

Weg demnach mit einer lästigen keltischen etymologie, deren wir hier nicht bedürfen.

Die Vorstellung der gemeinweide war bei den Germanen uralt und eingefleischt, schon Tacitus cap. 26 spricht ihnen das separare prata ab, und lange nachher sagt Freidank 120, 27 den Spruch her:

swelch mate ist gemeine, der gras ist gerne kleine. es war im frühern hirtenleben die gemeinschaft xax' l^oj^/jv, wo- für sich keine fremde benennunsr eindrängen konnte, das ein- zige wort marka reichte hin, diesen begrif auszudrücken, weil der wald an sich etwas untheilbares schien, wahrscheinlich galt auch gimarka, wie in lat. Urkunden commarchia, noch deutlicher war gimeinmarcha, gimeinmerchi, Notker im Boethius verdeutscht si compascuus ager est, ist tiu weida gemeine, ganz technisch heiszt es in der hier s. 112 angezogenen Urkunde von 1207: compescuum i. e. teutonice almeinda vel gemeinweida.

Es läge nun allerdings nahe bei almeinde und almende, die sich vorzugsweise in alemannischer gegend finden, an den volksnamen Alamannen selbst zu denken, zumal schon in der gothischen skeireins 51, 17 in allaim alamannam für in Omni- bus hominibus, und 43, 17 alamanne (kuni) für omnium homi- num (genus) gesagt wird; wahrscheinlich ist aber in der letzten

392 stelle nicht kuni zu ergänzen, sondern um sie der ersten gleich zu setzen, zu lesen all alamanne = omne genus hominum. ala- mans sind also was maus oder mannans, männer, leute über- haupt, nur passend durch das präfix ala verstärkt, und der volksname leidet überhaupt keine andere als diese deutung. nun würde sehr schicklich auch die gemeinweide ahd. alamannida, alamennida benannt worden sein, die allen Alamannen zu- stehende, und in der Schreibung alameinida wäre der diph-

ALMEINÜE. 299

thong e,i kein hindernis, weil er sich öfter statt des utniauts e entfaltet und j^tTade so ineiniki und meinege für manaki er- scheint (Graff2, 7G6). zu ihrer Bestätigung bedürfte aber diese etymologie, dasz ein ahd. alamannida oder alameinida vorge- wiesen würde, was bis jetzt unmöglich ist, und auszerdem sträubt sich ihr noch anderes entgegen, so sehr das altnordische almenningr inörk und schwedische allmänniug ganz mit dem begrif der gemeinweide sie unterstützt.

Almeinda soll nach Mone s. 385 seit dem j. 1150 vorkom- men, die erste s. 112 beigebrachte Urkunde ist aber von 1207 und hat compescuum almeinda, dann aber compescui id est al- meindis, wonach zugleich ein neutrum almeindi oder almeinde üblich war. dann folgt s. 125. H55. 371. 485. 491 in Urkunden von 1250? 1265? 1270. 1273. 1276 das fem. almeinda, acc. phir. almeindas, dat. pl. almeindis. s. 394 ein alemende von 1291, dann belege aus dem 14n 15n 16n jh., einmal auch alman und almath (von niate wiese). Ilaltaus p. 18. 19 nachschlagend ge- wahre ich, dasz dieser in Besold schon eine Urkunde von 1148 mit almeindis angetroffen hat, und almenda, almeinda aus 1268. 1277 bei Gudenus aufzeigt.

Sicher dachte sich zu jener zeit jedermann unter almeinda auch dem worte nach buchstäblich eine gemeinweide, und da schon ahd. meinscaf statt gimeinscaf vorkommt (Graff 2, 782. 784), scheint neben vorgesetztem al das ge noch entbehrlicher; dennoch gewährt es eine Urkunde von 1241 in Jägers Ulm s. 722: 'communia pascua sive algmendam' und nochmals 'in donatione predicte algmande', so dasz die identität von almeinde und algemeinde auszer zweifei steht*, wer möchte bei diesem zwischentritt der echtdeutschen partikel ge hier ein keltisches main walten lassen? möglich bliebe immer, dasz aus einem ahd. alameinida = alamanida, alamannida der spätere sprach- 393 gebrauch sich in ein verständlicheres almeinda, algemeinda mit gleich zutreffender bedeutung schuf, diplome vom 7n lOn jh. hätten zu entsciieiden.

Einschränkung aufs südwestliche Deutschland lasse ich mir dennoch nicht gefallen, ein so altes wort muste freieren Umlauf haben, auszer jenen Urkunden bei Gudenus, die nicht nach Schwaben gehören werden, heiszt es auch im oberhessischen weisthum von Wetter an der Lahn aus dem j. 1239 (RA. 498. weisth. 3, 343) 'communio quae vulgariter almeinde dicitur', und wenn Mone fleisziger, als er die keltischen Wörterbücher aufschlägt, unsere alten gedichte lesen wollte, würde er längst in einem des 12n jh. auf folgende merkwürdige stelle ge- stoszen sein:

* gemeine weide. Arnsb. urk. 195 (1283). silva gemeinde. Günther 2,372. a. 1271. silva qne vulgariter genieinweide nuncupatur. 2, 411. a. 1275. silva quae dicitm* gemainde. MB. 13, 22.

300

ALMEINDE.

Roth. 5123 din dinch stuont groze,

der minir genöze

quämen sehscene

üf ir alemene,

und clagetin, trüt herre min,

deme (?den) liebin vatir din,

der lac in sinin ende

unde bevahl dich mir bi der hende: es scheint, als Rothars vater (Nandichild) im sterben lag, ver- sammelten sich seine dienstmannen auf einem dazu bestimmten feld, wol einer wiese, die man alemeine hiesz, um zu rathschla- gen, zur landsprache. diesem alemene gleicht der in nieder- deutschen Urkunden des 13n Un jh. unseltene ausdruck wal- demene, communio silvae, silva communis, z. b. in Wigands archiv III, 3, 45 (a. 1296) 'campos communes pascuales dictos vulga- riter waldemeyne', daselbst i, 4, 100 (a. 1450) 'die waldemeyne vur unser stad Rüden'; ii, 363 (a. 1345) 'woldemene wo de ge- legen is'; Spilckers beitr. 2, 285 (a. 1323) 'ad usum communi- tatis quod waldemene dicitur'; Scheidts mantissa p. 322 (a. 1376) 'woldemene'; [weisth, 3, 79 (a. 1454) waldemeine;] später hat man es auch in waldemei, walmei gekürzt, waldgemene habe ich nie gelesen, der niederdeutschen spräche ist es vollends angemessen, das ge in waldemene wie alemene auszustoszen, ohne dasz die Vorstellung einer waldgemeinschaft darunter litte, den alts. Orts- namen Holtesmeni trad. corb. 321. reg. Sarach. 117, das heutige 394 Holzminden , nehme ich nicht für holtesmeni, sondern deute meni durch monile. auf ein alts. waldmennida liesze sich wal- demene kaum zurückleiten, so üblich der ausdruck waldmänner für waldgenossen war. doch bei allen diesen Wörtern bewegen wir uns immer auf deutschem grund und boden.

Die keltische spräche alt, reich und erforschenswerth, im- srer deutschen urverwandt (man sehe vorhin al und uile) pflegt mehr als jede andere fremde zu ungerechten eroberungen gegen uns selbst misbraucht zu werden; die art und weise ihrer Zu- sammensetzungen begünstigt diesen misbrauch, dem sich ge- sundes Sprachstudium offen widersetzen musz. nicht allein am Oberrhein, auch in andern theilen Deutschlands gieng dem lauf der Völkerwanderung nach keltische bevölkerung der deutschen voraus und hat zumal in namen der flüsse, berge und wohn- stätten manche spur hinterlassen, in andern stücken aber wenig auf die deutsche eingewirkt und wo sich zwischen beiden spra- chen oft eine klare gemeinschaft darthut, gründet sie sich, noch entschiedner als im osten gegenüber den Slaven, auf jene uralte Stammberührung, nicht auf ein unmittelbares entlehnen.

SCUOPUOZA. 301

SCUOPÜOZA.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 1851. 8. 394—396.

Noch entschiedner alamannisch als almeinda ist der auch 394 erst seit der mitte des \2n jh. in Urkunden erscheinende aus- druck scuopuoza, welcher einen bestimmten theil der feldflur bezeichnete, und kleiner als die huoba war, am genausten er- mittelt hat ihn PfeiÖ'er s. 358 des habsburgischen urbarbuches; ich suche hier blosz das wort selbst zu erklären, für welches Bader in seinem aufsatz über den ältesten güterbesitz des reichs- stiftes Salem (Mones zeitschr. 1, 315 353) neue belege mittheilt. Es wird nöthig sein die Verschiedenheit der Schreibweise nach ihrem alter voraus zu schicken.

scöpoza 1169 bei Bader s. 351.

scopoza 1185 bei Schöpf lin Als. no. 334.

scuopoza 1191 bei Bader s. 351.

schüpoza 1215 ebenda.

scoposa 1228 ebenda.

scaupoza 1228 bei Herrgott cod. 1, 235.

scopoze 1255 bei Zellweger appenz. urk. no. 37. 395

schupuza 1261 bei Oberlin sp. 1444 (es stand wol scupüza).

scopoza 1271 bei Neugart no. 1010.

schüpüze 1273 bei Bader s. 351.

scopoza 1276 bei Pupikofer no. 13.

schopoza 1282 bei Bader s. 353.

schüposa 1284 ebenda s. 351.

scoppoza 1290 ebenda.

schüpoza 1295 ebenda s. 353.

scüposa 1298 ebenda, [scopata bei Kopp eidg. 2, 507. 514.

scoposa ebenda s. 518. vgl. 529.]

Im vierzehnten und fünfzehnten jh. schwanken scopoza scoposa schübosa schuobuoza, noch später macht sich schup- posse schuppos schuppis schuppus, worin sich das zweite wort der alten Zusammensetzung fast als eine blosze ableitungssilbe darstellt.

Bader, den die kekomanie noch nicht ergriffen hat, der noch deutsche Wörter deutsch auszulegen strebt, denkt s. 352 an scoup garbe und pözan tundere, und bringt in anschlag, dasz nach Schmeller 3, 305 schaubboszen unaufgebundne gar- ben bedreschen bis auf heute heiszt, scouppoza also ursprüng- lich eine dreschtenne bezeichnen möge, wie denn auch in den hraban. glossen schupisi tugurium vorkomme, der name sei dann auf die äcker übergegangen, die eine solche besondere tenne gehabt und eine familie ernährt hätten, ein ahd. schupisi

302 SCUOPUOZA.

tugurium musz ich vorerst abweisen, ein solches wort gibt es nicht, Schmid im schwäb. idiot. 481 macht es aus chupisi, kubisi (Grafi"4, 359), das nichts mit scuopuoza zu schaflfen hat. scoup garbe und pozan dreschen sind vollkommen begründet ^, Mone würde für scoup das gallische sguab a besom und a sheaf of corn geltend machen, bei welchem ebenwol ans lat. scopae zu denken wäre, das unserm scoup, ags. sceäf zu begegnen scheint; nur ist seltsam, dasz das kleinere grundstück nach der tenne heiszen soll, die man eher der gröszeren huobe zutrauen 396 sollte, s. 475 wird an pose für juchart im Berner Saanenland, an böse franz. botte für gebund, ans ahd. pozo fasciculus, sti- pula (Graff 3, 233) erinnert, und dasz scouppöza ein bund zusammengelesenes bedeuten könne, auch ein mit schauben, Strohwischen eingehegtes grundstück dürfte in betracht kommen. Mir scheinen scoup und pozan beide hier auszuschlieszen. scoup weil die Schreibung mit pp schlecht und neu aussieht, in SCO aber alles auf scuo calceus weist, da für scuo auch geschrieben wurde scuoh, scuoch, schuch, setzte man richtig schuchbos, schuchbosse, und aus dem ch, chp erklärt sich die assimilation schuppos, schuppis höchst befriedigend. belege geben Scherz p, 720** und Oberlin col. 1444. um ein ackermasz handelt es sich hier und fusz und schuh geben es allenthalben her, in gewissen fällen bediente man sich des geschuhten, in andern des ungeschuhten fuszes, die Goslarer berggesetze 185 forderten einen geschuht, den andern barfusz. wenn nun der erste theil unsrer Zusammensetzung den begrif schuh enthält, was soll der zweite ausdrücken? nicht zu übersehn, dasz schon ahd. scuohbuozo caligarius, scuohbözari d. i. buozari calcearius verdeutschte, in der Pariser fortsetzung des vatikanischen ge- sprächs 37 'buoze mine sco' steht für cura oder para mea cal- ceamenta, und mhd. der schuhflicker schuochbüezer altbüezer heiszt (Ben. 1, 284*^), [mnd. oltböter upstand. 1121], altn. der cerdo sköboetari; ja wahrscheinlich ist unser nhd. Schuhputzer aus einem schuobüezer* entsprungen, wie zu bestätigen scheint, dasz für altbüezer auch altputzer geschrieben wird, dem allen zufolge liegt altgewohnte Wortverbindung in scuopuoza vor, das nichts anders bedeuten kann als schuhfleck, schuhlappe, assu- mentum calcei, was im gegensatz zu huoba, gleichsam dem ganzen schuh, das kleinere grundstück bezeichnen sollte, wobei vielleicht ein Vorfall oder eine sage im spiel war**, im Ans-

> ein Admonter vocabular des 14n jh. (altd. bl. 2, 197) gibt sogar scho- posa als ein urkundliches lat. wort wieder durch das deutsche schaup: also damals schon suchte man in Steiermark diese deutung: shopa, shkopa stroh- bund war dort auch unter den Slaven geläufig, vgl. böhm. sub, cub.

Nicolaus Scoubuz a. 1305 bei Wenk 2, 257. Schm. 1, 211 böszl, beszl art schuh oder stiefel. schueh- u. weiberpäszl, also schuehpäszl. zwene butz- schue, butschuen. Arnsb. urk. 979. 1002 ** vgl. Ruth 4, 7. 8.

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 303

bachischen hiesz mit ähnlichem namen ein kleinerer theil der hübe schuchkauf* und enkelein*, letzteres von enkel (ahd. an- chal, enchihi Graft' 1, 344) talus, wobei wiederum ein sinnliches niasz zum «gründe liegen mag; den Serben ist tschlen, tschlanek articulus, talus zugleich segmentum vineae. **

ALBRECHT VON HALBERSTADT.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 1851. 8. 397 422.

Oben s. 10 [=283] habe ich gesagt, dasz Albrecht sein 397 gedieht im j. 1210

üf einem berge wol bekannt, er ist ze Jecheburc genant vollendete, auch in den Urkunden des stifts oder der probstei steht immer geradeso 'üf dem berge zu Jecheburg', 'in regione montis Jechaburg.' 134 solcher Urkunden von 1186 1471 sind gedruckt in Würdtweins diplomataria maguntina. Magont. 1788. 4. p. 113 276, unter" welchen doch nur eine einzige, die von 1212 p. 117, den namen eines Albertus, wenn er dem stift näher angehörte, liefern könnte, in andern Jecheburger Urkun- den dieser zeit, oder der nähe wegen in Nordhäuser, Franken- häuser Urkunden wäre ferner zu suchen, Müldener, der in schwarzburgischen alterthümern bewandert war, sagt in seiner nachricht von bergschlössern Leipz. 1752 p. 60. 61, er wolle antiquitates jechaburgenses veröffentlichen, was jedoch unterblie- ben ist; vielleicht liegt seine Urkundensammlung noch zu Son- dershausen, wenn es nicht die von Würdtwein später bekannt gemachte eben war.

Für einen studierten mann, also geistlichen musz man Al- brecht schon halten, denn er heiszt n)agister, gleich seinem Zeit- genossen Conrad, der landgräfin Elisabeth bekanntem beicht- vater; des gedichtes vorrede wird ausdrücklich überschrieben meister Albrechts prologus hebet sich hie älsüs, *** die verse hat mindestens ein kundiger Schreiber, warum nicht er selbst? dem werke voran gesetzt, belesenheit, nach den da- maligen begrifi'en gelehrsamkeit gibt es an mehr als einer stelle

* schukauf stelle ich Gott. anz. 1831, 1359 [kl. sehr. 5, 119] zu scuopoza. ' stadtbuch von Lautershausen ini Jahresbericht des historischen Vereins im Rezatkreis. Nürnberg 1830 s. 31. 32 und 1831 s. 26.

** s. gegen diese erörterungen Mone in seiner zschr. 5, 136. *** alsus vahet daz büechlin an. Boner. hie hebt sich an daz buoch alsus. altd. v?äld. 3, 149. alsus hebet sich ditz buoch. Hpt. 7, 483.

304 ALBERCHT VON HALBERSTADT.

kund, nur ein geistlicher konnte es unmittelbar aus Ovids latei- nischem text schöpfen, den nicht etwa ein französisches gedieht erst vermittelte, denn dies anzugeben hätte er kaum unter- lassen, überhaupt kenne ich keine altfranzösische bearbeitung der vollen metamorphosen aus dem 12n jh.: in der oft ausge- 398 hobenen stelle des Chretien de Troies zu eingang seines Cliges ^ redet dieser blosz von den commendemens d'Ovide, vv^as doch die remedia amoris sind, von der ars d'amors, der ars amandi, von der hupe, aronde und dem rossignol, d. h. der fabel von Tereus, Procne und Philomela. eines spätem Thomas aus Wales, der aber zu Avignon 1340 starb, metamorphosis ovidiana mo- raliter explanata kann hier gar nicht in betracht kommen.

Hinter dem reichen blühenden ' original bleibt zvi^ar Al- brechts arbeit in w^eitem abstand zurück, das sie verdünnte und abkürzte, doch dem hauptinhalt nach erfaszte. Ovids fünfzehn bücher geben zusammen 11990 hexameter, deren doch viele im deutschen gedieht unübersetzt bleiben, für 180 hexameter wer- den etwa 320 350 deutsche verse nöthig; das ganze musz sich, bei manchen auslassungen, ungefähr auf 18000 Zeilen und dar- über belaufen haben, seine eignen gedanken schaltete der deut- sche dichter nur selten ein, beispiele sollen hernach folgen, auch solcher festere anschlusz an den urtext verbürgt uns dessen unmittelbare unterläge, während des Heinrich von Veldeck un- gleich freiere behandlung der Aeneis schon im romanischen nachbild vorbereitet wurde, diesen Ovid, worin ihm doch eine fülle anziehender mythen dargeboten war, fand wahrscheinlich Albrechts Zeitalter nicht rittermäszig und höfisch genug, um ihm beifall und aufmerksamkeit zu schenken; aus gleichem gründe mag Blickers von Steinach umbehang, wenn er ähnliche fabeln behandelte, schnell in Vergessenheit gerathen sein. Albrechts werk nennt uns kein andrer mhd. dichter nur mit einem worte. wäre Wolframs Parzival nicht vor, sondern nach 1210 erschie- nen, in ihm würde eine solche er wähnung am wenigsten aus- geblieben sein, denn in Thüringen an Hermanns hofe konnte damals die künde von diesem gedieht unmöglich fehlen.

Es ist ihm unglücklich ergangen, vierthalbhundert jähre später erwarb er sich, obschon in ganz verderbter gestalt auf einmal rege theilnahme. die einzige davon bekannte hs. war, müssen v(^ir aufstellen, nach Kolmar im Elsasz verschlagen wor- den, wohin sie, wenn rathen gilt, aus dem nahgelegenen kloster 399 Murbach, nach Murbach schon in früher zeit aus Jecheburg selbst mochte gelangt sein, die Benedictiner aus einem stift ins andere versetzt trugen mit sich bücher und handschriften in ferne gegenden. Kolmarer, Murbacher handschriften, wo sie genannt werden, sind jetzt immer abhanden.

zuletzt in Hollands Chr. d. Tr. p. 30. 31 und in Tarbes vorrede zur cnarrete p. xir.

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 305

Zu Kolraar, hernach in dem unfernen breisgauischen Städt- chen Burkheim am rechten Rheinufer lebte in des sechzehnten Jahrhunderts mitte Jörg Wickram, ein mittelmäsziger köpf, am vortheilhaftesten bekannt durch sein 1555 gedrucktes rollwagen- büchlein. ihm rausz, glaublich zu Kolmar selbst und vor 1545 jener codex in die bände gefallen sein und er faszte den Übeln gedanken, das alte ihm selbst nicht mehr genau verständliche gedieht nach seinem geschmack und für seine zeit umzuarbei- ten, aus dem latein verstand er noch weniger es zu ergänzen und sich zu erläutern, in der Zueignung an Wilhelm Böckle von Böcklinsau urteilt er von sich selbst bescheiden und das alte werk [Ovid?] höher stellend: 'dan ich musz bekennen dise mein arbeit ring genüg, vrsach, dasz mir vnder den neun göt- tinnen der freyen künsten keyne nie zu gesiebt kam, auch das solcher reiche vnd lieplich poet wirdiger gewesen wer, mit höherem verstand, besseren reimen vnd zierlicherem teütschen an tag zubringen; hat mich doch der lust, so ich zii disem poeten getragen vervrsachet, allen müglichen fleisz hierin an- zuwenden vnd dise lieplichen fahlen inn meine schlechten vnd gewonlichen reimen zustellen, wiewol eüwer veste nit meynen soll, mich so erfaren sein inn latinischer sprach, dasz ich disz buch ausz dem latein transferiert hab, dann ich des lateins gar vnkundig binn.' anlasz des Unternehmens war vielleicht mit, wozu ihn wol gar bilder der alten handschrift reizten, dasz er das buch 'mit schlechter kunst als eyn selbgewuchsener moler mit figuren gekleidet' hatte, die nun Ivo Schöffer zu Mainz in holz schneiden und ins gedieht drucken liesz, fiir welches zu- gleich Gerhard Lorich aus Hadamar [, ein Augustiner zu Mainz,] eine alberne theologische auslegung abfaszte, die mit in alle ausgaben übergieng. das buch sollte, wie vorrede und titel aus- drücklich besagen, bei künstlern, mahlern und bildhauern, die aus den fabeln stof zu darstellungen entnehmen konnten, ein- gang finden, hat ihn auch gefunden, angegeben werden sechs ausgaben. A Mainz 1545. B Mainz 1551. C Frankfurt 1581.400 D Frankfurt 1609. E Frankfurt 1631. F Frankfurt 1641; die drei ersten in folio, die drei letzten in quart, in welchen der spräche und dem text wiederholt nachgeholfen worden ist. es sind darin auch einige bei Wickram mangelnde fabeln ergänzt und zugefügt, deren beschaffenheit meine Untersuchung gar nichts an- geht, vielleicht gibt es noch einige Frankfurter abdrücke mehr, mir stehn A und E zu gebot, die ich im verfolg anführen werde.

Wie unberufen nun Wickram war mit diesem alten ge- dieht etwas vorzunehmen, geht am klarsten daraus hervor, dasz an zwei stellen er die durch fehlende blätter der handschrift entstandnen lücken des textes gar nicht einmal merkte.

A 35* E 114" mangeln so viel zeilen, als den versen m, 559 691 bei Ovid entsprechen würden, es war ein blatt von

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 20

306 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

wenigstens 170 zeilen ausgerissen, welche 350 hexameter, man- chem ausweichend, verdeutschten, die handschrift scheint in quart, auf jeder seite mit zwei spalten zu einigen 40 zeilen ge- wesen zu sein.

A 86'' E 279^ stoszen die zeilen

die Schwestern weinend dobei stunden zu handt sich von der erden vnden bei Wickram aneinander und sind unter einen reim gebracht, die erste übersetzt aber viii, 538, die andere viii, 717, folglich waren zwei ganze blätter ausgefallen, die etwa 330 340 zeilen für 179 hexameter enthalten hätten, den unsinn wiederholen alle ausgaben.

Man könnte es Wickram dank wissen, Albrechts werk, wenn schon getrübt und entstellt, den alten text wenigstens spurweise durchblicken lassend erhalten zu haben, wahrschein- lich aber wäre umgekehrt ohne seine erneurung die ihr zum grund liegende handschrift eben gesichert geblieben, das 15e und 16e jh. pflegte alter handschriften, sobald es sie durch die Umarbeitung überboten, im druck vervielfacht wähnte, wie aus- gepreszter citronen sich zu entledigen, auf bücherdeckeln im Elsasz oder Breisgau hätte man nach ärmlichen Überresten von dem zerschnittnen Jechaburger codex zu forschen.

Aus dem unbeholfnen druck des Engelhart liesz sich, weil uns Konrads stil bekannt und geläufig ist, das ursprüngliche 401 gedieht genau herstellen, wie Haupt durch die that bewiesen hat. für Albrechts art und weise gibt uns, von kleinen fetzen des etwas besser stehn gebliebnen prologs abgesehn, auszerdem gar kein anderes muster irgend anhält, und das gewebe des alten gedichts muste unter der vergröberung zumal dadurch lei- den, dasz Wickram ihm dunkle ausdrücke mit andern seiner elsässischschwäbischen mundart vertauschte und die fehlenden oder doppelten Senkungen, die synalöphen der alten verse aus- zufüllen oder zu tilgen trachtete, um der steifen regel seiner einförmigen silbenzählung zu genügen, nur darin findet das critische gefühl hilfe, dasz er seinem original fast durchgehends schritt vor schritt folgte, und sowol den gedanken, falls er ihn nicht misverstand, als auch die zahl der zeilen festhielt, wo sich Worte und silben mit seiner spräche und reimweise verein- baren konnten, hat er ganze zeilen getreu und ziemlich unver- letzt stehn gelassen, mitunter auch alte, ihm nur halbdeutliche Wörter dem reim zu liebe geduldet.

Dennoch würde ein versuch das ganze gedieht wieder her- zustellen bei der groszen Unsicherheit in vielem einzelnen und wegen der masse, die dreifach stärker als im Engelhart zu be- wältigen wäre, unfruchtbar und langweilig sein, aber einzelne stellen und verse sind mit einiger mühe noch einzurenken und das gedieht verdient auf jeden fall gröszere aufmerksamkeit,

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 307

als ihm bisher zu theil geworden ist. lehrer der altdeutschen spräche könnten sich und ihre schüler zweckmäszig üben, wenn sie ihnen ausgesuchte abschnitte aufzufrischen gäben, man fühlt bei genauem lesen alsbald, dasz hinter diesen versen des 16n jh. der grund eines alten werks, wie hinter der aufgetragenen gro- ben tünche ein feineres gemälde stecke und die rohe band des ehrlichen umdichters nicht alles vernichtet habe, verse, wie sie Wolfram und Hartmann mit häufig ausfallender und verzweifach- ter Senkung bilden, darf man einem ihnen gleichzeitigen dichter zutrauen, dem Konrads füllung der Senkungen noch fremd blieb.

Ich habe ermittelt, wo Albrecht dichtete, ich will auch in einzelnen beispielen ermitteln wie er dichtete.

Wo Zeilen mit einem 'solchs geredt' anheben, hat Wickram immer die seiner zeit erträgliche, der früheren unbekannte ab- solute redensart eingeschwärzt, noch schlimmer spielt er allen versen mit, welchen er die unausstehlichen reime gott : wott, 402 gottrsott, wott: sott, gött:sött, gott : hott, rott : sott, gerotten : sotten ertheilt. denn wandelt sich auch das ags. volde und sceolde in engl, would, should, deren ausspräche kein 1 hören läszt, gestattet gleich die mnl. spräche neben wilde und sulde woude, soude, so mag das jene schweizerische form, die wie heute schon im 16. jh. (z. b. bei RuflF) und ohne zweifei noch früher herschte, erläutern und rechtfertigen; dem mhd. dichten- den Sachsen darf man nichts anders zutrauen, als wolde, solde, und wie könnte er got, das ihm auf spot, gebot, oder rät und hat, das ihm auf tat, wät reimte, im reim zu solde, wolde ge- bunden haben, in allen solchen versen war dem umdichter der klingende reim anstöszig, den er durch eingeschaltete Wörter in einen stumpfen zu wandeln trachtete und dazu dienten ihm die ungeschlachten formen. Ovids haue deus et melior litem na- tura diremit i, 21 lauten bei Wickram A P E 2*

demnach der ewig mechtig gott

den streit vnd span zertheilen wott, Albrecht hatte wol geschrieben

do got, als er solde,

den strit scheiden wolde, dem umarbeiter gebrachen zwei silbcn, die er zurustete. A 76'' E 246* fürwar ich ihn verwerfien sott,

dann er meins liebsten weibs mich hot

beraupt, man lese verwerfen ich in solde,

wan er mins wibes wolde

mich behern. fast überall ist in ähnlicher läge ein wolde : solde im reim her- zustellen.

So sind noch eine menge andrer klingender reime in ihr recht einzusetzen:

20*

308 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

A 5^ E l?** hiemit die göttin schwig ir wort

do Pyrrha die (E dise) red erhört m. 1. diu gotin sweic ir worte,

Pyrrha die rede erhörte. A IP E SQ" wird Hamadryas erklärt:

welches zu teutsch heyszt eyn waltfeien (1. fein) 408 jr Wohnung was im wald alleyn,

m. 1. ze diute ein waltfeine,

sie büwet den tan aleine, Albrecht gebraucht dafür auch waldfrouwe, für nympha hin- gegen wazzerfrouwe, wazzerholde, für oreas eibin. A 23** E 76^ von Battus, qui nunc quoque dicitur index ii, 706

von yederman wirt er genant (1. gnant) meldt

vnd sthet noch daussen inn dem feldt, m. 1. geheizen ist er melde,

stät uzen in dem velde, ahd. kenne ich nur meldäri, mhd, meldare, ags. aber melda, folglich alts. meldo. wäre Battus statt in den stein in ein kraut gewandelt worden, so könnte man an die melde atriplex denken. A 28'' E 93* do stunt eyn selb ge wachsner käst

darin vil kalter quellen fast

Sprüngen vnd Aussen one zal, m. 1. stuont ein selbwahsen käste,

darin vil brunnen vaste

Sprüngen, fluzzen äne zal, käste ist hier das antrum nemorale arte elaboratum nuUa iii, 157 und auch ahd. chasto scheint oft ein cubiculum subterraneum auszudrücken, wie man getreidebehälter unter der erde wintar- chasto nannte.

A 33^1 E 110* dann also offt vnd dick ich heut den meinen mundt dem seinen beuth, m. 1. wan also dicke ich hiute min munt dem sinen biute, wo ich dem b zu gefallen lieber sinem als sinen schriebe. A 34^ E IIP Echo den schall herwider trug als ob sich Echo selb auch plewet vmb dasz sie jr Narcissus rewet, . m. 1. Echo den schal her wider truoc, waz ob sie sich bliuwet, ' daz sie Narcissus riuwet,

waz ob in der bedeutung von wie wenn, ebenda wird des Narcissus Verwandlung beschrieben:

dann er verkert was an der stund eyn schöne weisze blüm begund ^f^ an seiner stadt herfürher gohn

mitten ein gelber butzen schon

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 309

die man noch die keszblümen nent

von schönen junckfrawen wol erkent,

also Narcissus nam sein end, die letzte zeile tilge man auf der stelle, bei Ovid in, 509 nichts als: croceum pro corpore florem

inveniunt, foliis medium cingentibus albis, doch die erweiterung scheint hier der deutschen dichtung an- gemessen, dasz die käseblume schon von Albrecht herrührt bezweifle ich, Nemnich ertheit diesen namen der anemone ne- morosa und Wickram mag ihn eingeführt haben, dem alten dichter traue ich die zitlose zu, von welcher im mittelalter oft als von einer der schönsten blumen die rede ist, oder der Schil- derung nach unsre camille, die im norden Baldrsbrä hiesz, wo- fiir ich aber den mhd. namen nicht sicher weisz. bei dem butze veäre an hagebutte (Ben. wb. 1, 286"') zu denken, m. 1. also:

er verkarte sich ze stunde.

ein wiziu bluome begunde

an siner stat hervür gän,

mitten ein gelwe butze stän:

zitelöse ist sie genant,

allen meiden wol bekant. gunde für begunde, das Haupt 3, 291 unserra dichter im prolog einräumt [und ebenso Servat. 885. 2012. 2113. 2215. 3205. 3231 setzt, wo überall die hs. begunde], kann ich nicht zugeben, dergleichen hat sich erst Hans Sachs [oben s. 15 = 287], kein mhd. dichter gestattet*, mhd. ist gunde nur favi, indulsi, be- gunde coepi und darf sein be so wenig ablegen als das goth. duginnan sein du, gunde und begunde haben der wurzel nach gar nichts mit einander gemein (oben s. 18 [= 289]). ich ver- stehe also nicht Haupts angäbe im Engelh. s. 221, dasz Konrad niemals gunde sage; für begunde sicher nicht, aber gunde in- dulsit oder indulgeret reimt er gleich vornen im troj. kr. 79 auf künde. A 34'' E 113" gleich den geysteren vngeheur

sie trugen fleyten vnd tampeur, m. 1. alsam geiste ungehiure

barens floiten und tambiure. A 52*^ E 171" von Plutons rossen als er Proserpina raubte: 405

die eileten fast zu der hell

durch manig tieff vnd sorglich gfell

* gunde gäben für begonde Reinh, 1946 gegen die hss. gunde lachen Eracl. 1938. weinen 3994, wo die hss. beidemal begunde. fragen gunde La- ber 32. gunde lachen 252. gunde in ansmieron Dietr. u. ges. 994. zimbem gunde GA. 1, 12 (hs. gonde). gund sich ergeben Hätzl. 5'', neigen 6% er- schellen 10'', fluochen 22", singen 22'', lachen 163*. hsiufig gonde bei Muscatpl. gund ich nahen H. Folz (Hpt. 8, 515. 521). gundt B. Waldis 4, 17 (1565, 229"). begunde zweisilbig zu lesen. Lachm. vorr. zu Wolfr. XIV. umgekehrt begunde für gunde, gönnte kindh. Jesu 88, 20.

310 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

durch die siebenden (E siben) wasserwielen

die pferd fast gschwind hindurchin^ fielen

vnd eileten schnell auff die fart

jedoch Pluto geirret ward

an eym wasser dadurch sie solten

das gschach jm von eyner (1. eynr) wasserholten, m. 1. diu ilten zuo der helle

durch manec tief gevelle,

durch siben wazzerwielen

diu pfaerit vaste vielen

und gähten dräte üf ir vart,

iedoch Pluto geirret wart,

da sie durchz wazzer wolden,

von einer wazzerholden, Cyane nämlich, da aber Ovid v, 405 blosz hat perque lacus altos, so musz Albrechts belesenheit die sieben lacus anders- woher entnommen haben, wenn auch unpassend, da für die lacus Palicorum sonst keine siebenzahl vorkommt, dachte er an die Septem maria des Padus bei Plinius 3, 16 oder die Septem aquae lacus agri Reatini bei Cicero Attic. 4, 15? vielleicht ist ganz anders zu lesen, da auch wiele für Strudel gewähr fordert ^ :

diu wilden wazzer wielen, ferbuerunt? A 55'' E 177'' den leuten sagt er böse mehr

sein nam heyst der leydig hawer, m. 1. er saget boesiu maere

der leide hüwjere ignavus bubo v, 550. A 55" E 178=' von Arethusa v, 575

sie sagt ich wasz eyn schone maget

als man fand eyne vff der jaget

auch keyne sonst mehr seyler stalt

als ich thet vff dem gjegt im walt 406 von angesicht was ich so schon

mir het gezimmet wol eyn krön

solt mich schon hon eyn keyser gnommen

es wer jm nie zu verwisz kommen, m. 1. sie sagt, ich was ein schoener maget

dan ein andriu üf der jaget,

dehein me läge stalde

dan ich tet in dem walde;

ich gelebete also schone,

ich zgeme wol der kröne,

\ hindurchhin wie A 34^^ herfürher, und sonst hernachher; so wiederholte man im 16n jh. oft.

* Huyd. op. St. 3, 304. 305 hat ein gewässer Wiele = Widele.

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 311

solde mich der keiser hän genomen,

ez enwaerim zitewize komen, woraus wieder der deutsche dichter vorleuchtet, ein andriu wie ein anderre MS. 2, 13P. A 56'' E 182" die waltfrawen vnd göttin all

fürten jr gschrey inn gmeynem schall .

sagten die neun wem vberwunden

zu schelten sie [sie] auch begunden, m. 1. die waltfrouwen alle

Seiten in grözem schalle

die niune überwunden,

scheltennes ouch begunden oder: die niune überwunnen

scheltennes ouch begunnen. A 6Z^ E 202* sobald sein schweher nun vernam

das sein tochterman gfaren kam

vnd dasz er jn heymsuchen wolt

do thet er als er billich solt

frölich empfieng er seine gest

grüst sie so er mocht vflF das best, m. 1. als schiere der sweher nu vernam

daz sin eidem gevarn kam

und in heimsuochen wolde,

do tet er als er solde,

gruozte sine geste

so er mohte beste. A 66"^ E 215" sie furts hinein dem hausz eyn endt

das kindt reckt auff sein beden hend, m. 1. des hüses an ein ende, 407

daz kint ract üf die hende. A 67'' E 215'' Progne die künigin eyn schwalm wardt

dann sie auch noch ist von der art

das sie auch [noch] bey vnsern zeiten

gern wonen thut noch bey den leuten, m. 1. diu künegin ein swalwe wart,

diu ist ie von der art,

daz sie noch hiute

wonet bi dem liute. A 7P E 226'' das gfögel sasz an seiner rhu

keyn ander thier hört man darzü

das laub an beümen hatt auch rast

all creaturen schliefien fast, m. 1. daz gevügele saz an siner ruo,

daz wilde tier sweic dar zuo,

daz loup und diu luft raste,

al creatiure slief vaste.

312 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

vrn, 185 homines volucresque ferasque

solverat alta quies: nullo cum murmure sepes,

immotaeque silent frondes, silet humidus aer. ich setze die luft weiblich, weil sie A 77. 78 E 250. 251 als frau personificiert wird. A 7P E 227" mit Worten, kreütern ich ofil bindt

die ungestüm rauschenden windt, m. 1. mit Worten ich dicke binde

die ungestüemen winde. A 71'* E 230* bei aufzählung der zauberstoffe Medeas:

auch nam sie von dem sternen schieszen

des schmaltzes so dauon thut flieszen

sie thet auch inn den kessel legen

eyn hirn von eyner alten kregen, m. 1. und swaz von sterren schiuzet,

smalzes dar abe fliuzet,

tet ouch im kezzel umbe drä

daz hirne einer alten krä; sternschnuppenfettes wird vii, 274 nicht gedacht; weil dran für drasn zulässig ist musz auch nach thüringischer weise dem inf. 408 sein n apocopiert werden dürfen, also drä gelten, wie der pro- log mehrere beispiele bietet, krä hat auch En. 6419. A 73'= E 234" sie volgten jr vnd giengen trodt

hin inn jrs vatters kemminodt, m. 1. die tohter giengen dräte

in ir vater kemenäte. A 74^* E 24P disz jamer allererst begundt

erstlich zu kommen an die hundt, m. 1. daz jämer erst begunde

ze komen an die hunde. A76b E246» Boreas:

meins weibs Schwester nam zur ameyen

die aller schönste Orithien, m. 1. nam im zuo amien

min schoene geswien. daselbst: hörzu als ich eyns mols zu waldt

den wilden thieren lang nochstalt, m. 1. do ich einest ze walde

den wilden tieren stalde. A 87" E 280"^ dann diser bäum sehr heylig was

den bäum hiesz er auch nider hawen

bey welchem man oflft die waltfrawen

hat hören husten vnd auch lachen

vnd do eyn wild getemmer (E wesen) machen

do hört man sie offt singen süsz

ofit spürt man inn dem taw jr füsz

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 313

zu zeyten inn eyns ringes gang

sungen sie vmb den bäum jr gsang, m. 1. wan dirre boum heilec was,

den hiez er nider houwen,

bi dem man die waltlrouwen

dicke hat hoiren lachen,

ir wilde getemere machen,

singen ir wise süeze,

man spürte im tou ir füeze:

wilen in eins ringes schranc

sungens zesamen ir gesanc. zweifelhaft bleibt das 'hooren' lachen, das mnl. häufig genug erscheint, z, b. Laue. 7143. 16048 ic hebbe hören lachen. AI- 409 brecht mag ich kein

hat hoeren huosten, lachen zutrauen und den eibinnen eher fröhliches kichern. Ovid vii, 746 ist hier überall kurz, man sieht, des deutschen dichters einbildung lagen eibischer tanz und gesang näher und dasz die spur davon im thauigen gras sichtbar war erzählen alle volkssagen. A 87" E 281'' rüst dich vnd far hin wunderbaldt

inn Scytiam die insel kalt, m. 1. far hin wundernbalde

in Scythiäm daz kalde, nemlich daz kalde laut; so ist A 71'' E 228" vber das gantz Thessaliam zu fassen : über daz ganze lant Thessaliam. die deut- sche spräche hatte ursprünglich keine einfachen ländernamen, sondern muste sie entweder mit lant oder richi zusammensetzen (Walholant, Suäpolant, Franchonolant, Suäporichi, Franchöno- richi) oder lebendiger durch den plural der völkernamen aus- drücken, zumal den dativ (in Walhum, in Franchom). man verband auch einen solchen dativ und seine präposition noch mit dem worte lant: ze Sahsen in daz lant Servat. 2354. ze Doringen in daz lant En. 13305. ze Stürmen in daz lant Gudr. 232, 1. als endlich das gefühl dieses dativs erlosch und man anhub ihn für den landsnamen selbst zu halten, war natürlich, dasz er wegen jenes gesetzten oder schon ausgelassenen Wortes lant für ein neutrum galt und zwar Kriechen daz guote lant (wie noch heute Griechenland), aber auch gesagt werden durfte allez Kriechen troj. kr. 10812. über allez Kerlingen Servat. 994, wie nhd. Hessen, Preuszen, Sachsen neutra sg. geworden sind, gleich natürlich war ein anderes verfahren, die dichter hatten allmälich einfache weibliche lateinische ländernamen auf -ia auf- genommen, die entweder im abl., oft aber auch acc. standen, wie vorhin Scythiäm, Thessaliam, oder mit zugefügtem lant A 106« E 345'' 1. daz lant Arabiam; Bari. 396, 17 hin in In- diäm daz lant; welches -am auf bekannte weise in -an ver-

314 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

dünnt wurde: fuor in Indiän daz lant Bari. 36, 39 (wo die hss. Indiäm, Pfeiflfer ungut Indiä) ; welches -an bald auch den dativ

410 vertreten muste: in Indiän MS. 1, 15\ gegen Endiän MS. 2, 15". in Indiän Parz. 822, 23, sowie umgekehrt Indiä den acc. Parz. 823, 2; besser: in dem lande ze Indiä Bari. 7, 4; von Indiä Bari. 398, 6 (Pf. 400, 30). so gut man aber jenen dat. pl. der Völkernamen als neutralen landnamen im sg. auffaszte, durfte auch der lat. weibliche acc. ein neutraler nom. werden und das neutrale adj. dazu stehn. kein zweifei, dasz unsre nhd. länder- namen Scythien, Persien, Indien aus ursprünglichen weiblichen acc. sg. iam hervorgegangen sind, verschieden von den aus dem dat. pl. der völkernamen erwachsnen Thüringen, Hessen, Sach- sen, hiermit ist mein verschlag: in Scythiäm daz kalde gerecht- fertigt und Wickrams skythische insel war einfältig.

A 87*' E 284'' vnd speis daran eyn gantze Stadt

gnug hatt, mocht jn nit machen satt

vnd daucht jn minder dann eyn ey

man trug imm speis für mancherlei

noch gstund jm nit sein hunger grosz

vnd ward je grösser all sein (E als ein) frosz, m. 1. von mazze, des ein ganziu stat

gnuoc het, enmohter werden sat

me dan von einem eige,

spise maneger leige

tet im niht sines hungers buoz. aber die folgende zeile errate ich nicht, ein reim wort fruoz wäre unerhört^, auf fräz würde der sinn, nicht der reim füh- ren, selbst wenn gröz bliebe. A HO'' E 359^ die thierer vnd würm inn dem walt

kamen gekrochen, glauffen baldt

vom feldt kamen die ackerleut

vnd die so bawten jr gerewt, m. 1. diu tier üz dem walde

kämen geloufen balde,

vom velde d'ackerliute,

die büten ir geriute.

411 A ISS"* E 433''' bisz sie zum letzsten gar begundt

werden zu eym schülichen hundt m. 1. unz sie gar begunde werden zeinem hunde. A 138^ E 44P du bist vil edler dann der mey die weisze haut an eynem ey die möchte nit so weych gesin

_ * oder was bedeutet der ortsname Froaza, Froza, Erosa im Magdebur- gischen? Böhmers regesten no. 195 (a. 952) Vroaza; no. 137 (a. 946) Erosa; eh. a. 939 in Höfers archiv 2, 338. 349 Erosa, doch nicht ein sl. ortsname? proso mihum.

ALBKECHT VON HALBERSTADT. 315

m. 1. du bist edeler dan der ineige

diu wize hüt am eige

enmöhte weicher niht gesin. A 139' 442'* ich hau inn mitte meiner stirn

eyn aug ston, das ist gröszer zwirn

dann zwen halber schilt mögen sein

gantz zierlich sthet mir das aug mein, m. 1. hoch üf gein dem hirne

mitten an der stirne

merre stA,t daz ouge min,

dan ein halpschilt müge sin. vielleicht dachte Albrecht an Ernst 367 1 ; das lateinische unum est in media lumen mihi fronte, sed instar ingentis clypei xiii, 851 wurde aber mit einem halbschild (pelta) hinreichend aus- gedrückt. A 149" E 483'' Pythagoras redet:

was möcht jr vber das begern

euch wachsset haber gerst vnd kern

epffel vnd biren aller ley

die milch liandt jr auch zu dem ey

das süsze honigwab dabey

zu essen euch erlaubet sey, was die schönen worte xv, 76 80 wiedergeben soll:

sunt fruges, sunt deducentia ramos

pondere poma suo, tumidaeque in vitibus uvae, nee vobis lacteus humor

eripitur, nee mella thymi redolentia florem. wenigstens haber und birnen blosze ausfüllung, m. 1.

wes stät iu me ze gerne?

iu wehset gerste und kerne,

epfel aller leige,

diu milch zuo dem eige,

der süeze honecwabe da bi 412

zezzenne iu erloubet si. In allen solchen fast aufs geratewol ausgehobnen stellen, denen also überall eine grosze zahl ähnlicher könnte hinzuge- fügt werden, ist der alte text hauptsächlich durch Verwandlung klingender in stumpfe reime zu schaden gekommen und mit unnützem zeug belastet worden.

Es lassen sich aber auch ohne rücksicht darauf überall Verbesserungen gewinnen, deren noch einige folgen sollen, aus welchen sei es der mhd. Sprachgebrauch bereichert oder etwas für den Inhalt entnommen werden kann. A öS*" E 187" dann wie eyn junckfraw kem geflossen

hervber meer aufl' eynem ochsen, m. 1. wie ein frouwe kam gedohsen

über mer üf einem ohseu,

316 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

dehsen heiszt soviel als swingen und kam gedohsen so viel als kam geswungen, schnell einher gezogen; bisher habe ich dehsen dahs, noch nicht das part. praet. angemerkt*. A 146*^ E 47 P vmb desz gartens zäun gantz rund vmb

lagen der gött eyn grosze sum [B sunn]

von schletzen (E satyros) vnd gar vil der zvrergen

sich vmb den garten sach verbergen, nemlich Pomona. hier scheint guter rat theuer, doch schlage ich vor:

den zun des garten vmbe

lägen wihte krumbe

von Schraten und von twergen,

die sach sie dort sich bergen, wer krumbe nicht will, kann auch tumbe lesen, doch ermäch- tigte zu jenen mich Otfried, der iii, 9, 5 krumbu wihti hat, bei Ovid xiv, 637 stehn satyri, was ein nachbesserer in E ein- schwärzte, kaum sagte Albrecht slaze oder sieze für schraze, Schrate. A 15*"^ E 50'' von schrecken grosz [liesz] der vnweis

den pferden ire zügelleiten

aln vier pferden zu beyden selten A 6P vnd liesz domit den zigel gliten

vnd fil herab auff eyner selten. 413 E 194^ vnd liesz damit den zügeleiten

vnd fiel rab aufi" einer selten, zügelleite ist kein subst. für habena, sondern beidemal zu lesen

zügel gliten : siten. A 14" E 46'' soll eine von Albrecht eingeschaltete betrachtung den doppelten lauf der planeten, einmal um sich selbst, dann um die sonne verdeutlichen. Phoebus redet zu Phaethon.

wie fast ich thun entgegen streben

wie ich dir wil eyn zeichen geben

sich wann eyn flieg vmb eyn mülradt

meint [B ment] vmb zu lauflFen jren pfadt

so lauffet doch das radt so sehr

ja ob sie gleich noch schneller wer

so fürts das radt mit jr hernider

vnd bringts auch schnell mit jm her wider, m. 1. wie faste ich kan engegen streben,

des wil ich dir ein zeichen geben:

sich, swä ein fliuge umb ein rat

waenet loufen iren pfat,

wirbet daz rat so sere,

ob sie snelre waere,

IAA * ^^^^^ ^^^^- ^' ^^^ gedochsen : ochsen, vgl. kumt gedozzen. Mart. 165, 100 von diezen. ^ '

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 317

daz rat daz vert mit ir nider

und bringets dräte mit im wider, dies ist nicht aus Ovid, sondern einer dem mittelalter zu gebot stehenden quelle, vielleicht dem Lucidarius oder einer andern geschöpft, die wir auch in der eben von Wackernagel herausge- gebnen, gegen schlusz des 13n jh. abgefaszten Meinauer natur- lehre benutzt finden, wo es s. 3 heiszt: wände aber nieman mich lihte noch niht verstät, so wil ich ein bizeichen setzin. nim ein würmel vnde setze daz umbe (1. üf) ein umbe gendez rat, daz ez krieche wider des rades louf, so gat daz würmel für sich unde wirfet (1. wirbet) daz rat umbe diz würmelin hin wider vil manec werbe, e dan ez gekrieche wider an daz zei- chen da ez an huob. A 14'' E 48" do schlosz Aurora vfF ein thür

bald scheyn die morgenröt herfür

gantz milchweisz vnd auch rosenfar

die Stern verstuben alle gar

sonder alleyn der morgenstern 414

welcher do scheinen thet von fern, m. 1. Aurora üf entslöz ein tür,

der morgenröt brach her vür

milch wiz unde rösenvar,

die sterren zestuben alle gar,

wan der morgensterre,

der lühte von verre. A 46 E 152. 153, der heidnischen sitte zum trotz eine ganz deutsche beschreibung von Perseus hochzeit, von Ovid iv, 757 ff. abweichend :

do sach man auch manch seytenspiel

Sprecher vnd spielleut kamen vil

wie man pflegt nach heydnischen sitten

sie übten sich mit manchen dritten

der eyn der rang der facht der sprang

dort hört man meysterlich gesang A 46" manlich sie jre sper zerranten

eynander jre schilt zertranten

so dasz sie vpn eynander kluben

die schilt vnd sper gehn himel stuben

do bliesz man auch das weissenthorn.

ist binden weit vnd schmal dauorrn. m. 1. da was manec seitspil,

der leicha3re ^ kämen vil,

allez nach heidenischen siten,

sich uobende mit ir triten;

dirre vaht und jener spranc,

man hörte meisterlich gesanc.

^ leichaere saltator und tibicen, wie leich ein tanzB«ä.

318 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

ir sper sie zeranten,

ir Schilde sich zetranten,

daz sie von einander kluben,

die sprizen gein den lüften stuben

blies man ouch daz wisenthorn (Nib. 1924, 2),

ist binden wit und smal ze vorn. A 62* E 198*^ Latona, die ihren durst löschen will, sagt:

vj'^azzer, luft und sunnen schin

sol al der werlt gemeine sin, 415 das steht veieder nicht vi, 355, lag aber deutscher sinnesart auszudrücken nah (RA, 248). A 63'"' E 203 ähnliche erweiterungen.

Philomela das edel blut

jr kleyder waren reich von gut

von golt gaben sie Hechten schin

ja wann zu Rom eyn keyserin

semliche kleyder solte tragen

möcht sie mit recht [mit] drüber klagen

jr winnicklicher schöner leib

vbertraff all jrrdischen weib

sie fürtraflF jr schöne so fern

gleich dem Hechtenden morgenstern

der all andrem gestirn vorgoht

wann jn das trübe gwülck verlot. m. 1. Philomela diu riebe

ir wät was wünnecliche,

von golde gab sie liebten schin;

swenne ze Röme ein keiserin

so getäniu kleit solde tragen,

enmöhte sie mit rehte klagen.

ir minnecliche schoene lip

wac vür al irdischiu wip,

sie überwac so verre

alsam der morgensterre,

der brehende üf gät,

swenn in daz trüebe wölken lät. auch das Ovidische ai ai flos habet inscriptum x, 215 nicht eben glückHch:

A 102" E 333"^ diser jüngHng ward gnant vordesz mit seim namen Anticides, sidher aber hie ^ jn Phebus von dem ja Yacynthus dise blüm herfürher scheuszt vnd sich mit aller erst vffschleuszt

,„„\^^Segiiet diese form im 16n jh. öfter? ein mhd. hie für hiez eHche zvax dem he für hez, würde sich aber mit hie für hienc mischen.

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 319

so die erd nach des winters zeit 416

die aller ersten blümlin geit. m. 1. dirre jungelinc hiez vordes

mit namen Amyclides,

sider nantin Phebus

nach dem ya Yacinthus.

dirre bluome spriuzet

und erste sich ersliuzet,

swenne derde nach winters zit

ir aller ersten bluomen git. Albrecht von Halberstadt, wie die ausgehobnen stellen sattsam erkennen lassen, dichtete in gebildeter hochdeutscher spräche, vermochte aber so wenig als Heinrich von Veldeck alle ausdrücke seiner angebornen sächsischen mundart zu tilgen, und in dieser beziehung würde sein werk, wenn es ganz und rein erhalten wäre, für uns eigenthümlichen reiz empfangen.

Einzelne solcher sächsischen spuren bleiben selbst durch die plumpe wickramsche Übersetzung hindurch zu erkennen.

A 145^' E 466'' steht neben nepotem : heben caelum ge- reimt und des b sicher wird man aus dem reime neben : leben A 105" E 343". walre balaena A 4'' E 15» ist zwar ahd. hua- lira, walira (Graff ], 889''), mir aber mhd. nicht vorgekommen; Wickram gibt ihm falsch männlichen artikel. auch brustleffel A 85'i E 275'' ist ahd. (GraflP 2, 205) und mhd. (Diut. 2, 292) gewerf steht A4'' E 15'' A 83'"' E 269" 27" A 85*= E 274" von den hauzähnen des ebers, die auch noch heute den Jägern das gewerft oder gewer (Döbel 1, 24") heiszen, reimweise doch nur in der letzten stelle gewerflP: nach der scherpff, was nach Wickram aussieht, nicht nach Albrecht, wickramisch ist nicht minder A 13" E 44'' darnach der herbst kam gantz betrept

sein beyn mit most gar wol beklept, da sich betrebt für befleckt bei dem elsässischen Keisersberg findet (Oberl. 144)*, so dasz Albrechts worte hier nicht wieder zu gewinnen sind. Ovids carina, quam ventus, ventoque rapit contrarius aestus viii, 470 heiszt A 86" E 277 ein schif 'von wals und winde' getrieben, so dasz wals deutlich stürm oder gegenwind bedeutet, und eher sächsisch aussieht, altn. bedeutet 417 vols superbia, arrogantia, was leicht in die Vorstellung eines hochfahrenden windes übergienge, in den Goslarer berggesetzen ist volse ein Werkzeug, keil oder spille. des sächsischen sterre f. Sterne gewahrten wir schon beiläufig; dagegen scheint Al- brecht, wie auch Veldeck, sich kein fei und feilen zu gestatten und überall in mhd. weise fiel und fielen zu reimen, d für t in reimen wie stalde : walde silvä lassen sich noch andere auf-

* betrept u. beschient. Garg. 151". habt euch wol betrept. 241*'. be- strept : beschlept. H. Sacns I, 471"=.

320 ALBRECHT VON HALBERSTADT.

weisen, gleichen aber dem rein mhd. wolde solde : golde, wofür erst Konrad wolle, solte zu setzen begann.

An welcher eigenheit deutlicher den Sachsen erkennen könnte man aber als an dem häufigen reime bevorn statt des hochdeutschen bevor? das ist ein so alter unterschied, dasz ich umständlicher darauf eingehn will.

Im gothischen sollte nach analogie von inna inna|3r6, uta utajDrö, fairra fairraj^ro auch ein faura faura}5r6 erwartet wer- den, da indessen neben iupaj)r6 auch iupana, neben inna})r6 auch innana gilt, wäre wiederum faurana möglich; doch keins von beiden findet sich vor, weder faura|3r6 noch faurana.

Dem begriffe der goth. hvajsro l^al^rö hidrö innaj)r6 utaj)r6 fairraj)r6 entsprechen ahd. huanana danana hinana innana üzana ferrana, d. h. stimmen zur zweiten goth. form innana iupana; auch jenem vermuteten faurana ähnlich erscheint ahd. forna (Graff 3, 627) für forana, wie neben fornentic das volle fora- nentic.

Alle ags. formen hvonan ]3onan feorran innan ütan foran sind regelrecht, auch die alts. huanan thanan innan ütan ferran foran.

Doch die Angelsachsen pflegen noch ein be, die Altsachsen ein bi voraus zu setzen: ags. beinnan beütan beforan, deren beide erstere bald sich in binnan bütan zusammenziehen, alts. biütan und bütan, biforan. im engl, but wird en, in before n abgestreift.

Ahd. kein pi vor innana üzana, ein einzigmal büzsan im Isidor, wol aber oft pifora pifuri (Graff 3, 620), kein piforana piforna. wie nun ahd. pifora dem alts. biforan gegenüber, steht auch mhd. bevor (kein bevür) dem mnd. bevorn, wiederum nhd. bevor antequam, zuvor antea entgegen dem nnl. bevoren 4i8tevoren. organischer scheint die niederdeutsche, sächsische ge- stalt, denn die hochdeutsche spräche hat vorne behalten, be- vorne, zevorne oder bevorn, zevorn aufgegeben.

Ob reinmhd. dichtem man ein solches bevorn gestatten dürfe zweifle ich, die reime auf dorn hörn körn zorn enborn geborn erkorn verlorn gesworn hätten es überall herangezogen, wie bevor gesichert wird durch die reime enbor urbor hör spor tor. Wolfram hat Parz. 766, 11 bevor : urbor, doch schreibt Lachmann 221, 18 urborn : bevorn, ich würde auch hier lieber setzen urbor : bevor, denn urbor darf gen. sg. sein oder pL, den pl. wählt Wolfram Parz. 102, 15. 321, 28. Wh. 202, 30. 383 23; sprach er wirklich 221, 18 bevorn, so hat es sein ohr Niederdeutschen abgehört, hie bevor Walth. 107, 14. Ben. beitr. 331. 348. hie envor Ben. 308. 377.

Aber bei dichtem, denen sonst mehr niederdeutsches an- hattet, kann bevorn, hie bevorn nicht befremden, im Athis a 107. Alexander 5925, bei dem märkischen Herman von Damen

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 321

MSH. 3, 166, zumal bei Heinrich von Veldeck MS. 1, 18", im bruchstück des Ernst bei Hoffra. 229 (der mhd. umdichter tilgte es allenthalben), in der Eneit 43. 582. 723. 3654. 6367. 10695 und öfter, im passional 24, 1. 192, 76. 267, 47. schon auffal- lender bei dem von Morungen MS. 1, 53"'' hie bevorn : zorn, geborn. auszer reim bei meister Alexander MSH. 3, 36'' oder in der kaiserchronik 6873 nach einer lesart.*

Hier sind nun belege für unsern Albrecht: prolog 83 zwelf hundert jar und zehen bevorn,

Sit unser herre wart geborn. A 2*^ E 7'' und daz nian dar in saete körn,

daz selbiu derde bar zevorn. A 11" E 39" Epaphus von lo geborn

bi hern Jupiter bevorn. A 21'" £71" . . . unz mich vertreip ir zorn,

als ich iu seite hie bevorn. A 56'' E 182" daz ir den sige habt verlorn.

ir schultet sere uns zevorn. [Oldenb. bruchst. 247 (b. Hpt. 11, 366)

wender sinen brüder verlorn

het ein wenech da bevorn, wo A 113" E 369"" davor haben.] A 132'' E 431" ich gie vor eidmen und vor snorn

gar maneger künegin zevorn, snor mit kurzem vocal, wie ihn lat. nurus, gr. vuo;, skr. snusa bestätigen , ist besser als das sich mit snuor funis mengende 419 snuor snüere einiger dichter, z. b. cod. kolocz. 180; aber auch snur pl. snüre (fundgr. 2, 27) bleibt zulässig, nicht anders ver- dient ahd. snur gen. snuri den vorzug vor snuorä snuorün. zwischen bevorn und zevorn bei Albrecht sich zu entscheiden ist schwer.

Aus diesem bevorn war wenig neues zu lernen; anziehender sind einige substantiva, die den Sachsen verraten.

Im zweiten buch cap. 20, als der Ocyrhoe Verwandlung erzählt wird, ruft sie aus A 22' E 74'' weh mir ich wirt (E werde) eyn feldstreich,

vnd meinem vatter Chyron gleich, schwerlich verstanden das Wickrams Breisgäuer oder Elsässer. Albrecht hatte wol geschrieben

nu wirde ich ein veldstriche

niich mlnes vater liehe, und gemeint ist das lateinische equa bei Ovid ii, 667. mnd. bezeichnete veltstrike eine stute, wie die Zusammenstellung des Sachsenspiegels 3, 51 'den tochossen unde den veltstriken* er- gibt, wenn man nur 'de veltstriken' ändern will nach der

* Luther zuvom und zuvoran. br. 5, 30L

J. ORIMM, KL. SCHRIFTEN. VIL 21

322 ALBEECHT VON HALBERSTADT.

Variante feldstutten bei Zobel und dem equa der lat. Über- setzung, im wort veldstrike liegt nichts als feldstreicher, von striken, ags. strican ire, meare, wie wir noch heute landstrei- cher und durch das land streichen verwenden, es wird ein noc& nicht eingeseiltes, eingespanntes junges pferd verstanden, das zu felde läuft, also jedes geschlechts sein kann, obgleich die das geschlecht nicht verändernde Verwandlung der nymphe in unsrer stelle die stute begehrt*, abweichende lesarten des Sachsenspiegels gewähren für striken striezen, strieszen **, mit dem auch sonst wahrgenommenen Wechsel zwischen k und sz, sc (bd. 7, 560 [oben 's. 261]). strieze darf aber an den noch heute üblichen namen eines backwerks mahnen, strieze, striezel (cod. kolocz. 93 strüzel [, Helbl. 8, 440 strutzel]). denn solch ein ge- bäcke heiszt auch stute ^ und die pemmatologie des alterthums lehrt, dasz in thiergestalt gebackne opferkuchen, hirsche, rosse, eher, hasen unter dem volke fortdauerten und noch fortdauern, mich kümmert nicht, dasz man unser strieze aus ital. striscia 420 ableitet, bedeutet doch strisciare selbst streichen und scheint umgekehrt deutscher abkunft. Graff 6, 761 gibt aus Diut. 3, 151 strucel lolifa (ein mir unverständliches lat. wort), Schmeller hat 6, 682 struckel, 691 struzel strizel; das sloven. shtruz, poln. strucel mag aus Deutschland gekommen sein, wie wenn das ahd. zelto libum, tortella Graff 5, 660 ursprünglich auch vom zeltenden pferd (tolutarius) entnommen wurde?

Eine stelle, mir dadurch wichtig, dasz sie uns eine bisher unbekannte benennung des Scheiterhaufens lehrt, musz ich der länge nach herschreiben, um dann ihre herstellung zu versuchen. A 92'' E 302 als nun sein klag gantz hatt gthon Hercules desz Jupiters son do fieng er ahn vnd macht eyn rosen damit ihn thet der schmertzen lossen von beümen die er niderschlug die beum er all zusammen trug vnd stiesz demnach eyn fewr darunder den bogen, köcher legt er bsunder dann er das gschütz gar nit verbrant wann man darnach vor Troy das sant doselbs niemant daruor genasz als nun die rose wol anzünt was nam er die haut, des lewen kleit vff die brinnend rosen das spreit

* Nicl. V. Wyle 267, 5. 8. 11 feldpfert equa. altn. ferleikr equa -= via- ticum itineris.

** feldstrike strinze. Ortloff dist. 547. 548.

_' Ludolfus Semelstute in Urkunden von 1205, 1305. mitth. des thüring. Vereins iv, 2, 42. 53. [strfitte f. stüt. Herr feldb. 134. struzen in hufeisenform. Wolts zeitschr. 1, 289. vgl. löslein semmel, von los schwein. Schm. 2, 501.] 4

ALBRECHT VON HALBERSTADT. 323

vnd leget sich daraufi' gantz strack

den kolben vnter seinen nack

legt er, vnd lag also vnd brann

vff der rosen der hertzhafft man

als leg er inn eym rosengart

gar nichts von jm geweinet wart, man sieht Wickram verstand das wort nicht und machte die blume daraus, in der rubrik heiszt es sogar: Hercules verbrent sich selb vff eynem holtzhauffen gemacht inn der gestalt wie eyn rosen. vielleicht lauteten Albrechts worte:

dehein klage enmohte me getuon

Hercules hern Jovis sun,

der smerze enwoldin läzen,

do macheter ein räzen

von boumen, die er nider sluoc, 42i

daz holz er al ze samen truoc

und stiez viur dar under,

sin bogen leiter besunder,

geschützes er niht verbrande:

Sit manz vor Troje sande,

daz niemen dort da von genas.

diu räze enzündet was,

warf er die hüt, des lewen kleit,

über den brinnenden eit,

er leite sich dar üfe strac,

den kolben under sinem nac

leinete der küene man

üf dirre räzen lac, bran,

als er in bluomen Isege

und senfter ruowe pflaege. die beiden letzten zeilen erreichen lange nicht den ausdruck der lateinischen ix, 237

haud alio vultu, quam si conviva jaceres

intor plena meri redimitus pocula sertis, wie hätte aber Albrecht diese griechische sitte fassen sollen? auf den rosengarten war Wickram, selbst durch den misver- stand des wortes räze, nicht übel gerathen. was nun rechtfer- tigt für räze die Vorstellung des Scheiterhaufens? bisher kannte man ein weibliches räze oder neutrales räz nur in dem sinn von favus mellis, und es entsprach dem mnl. rate (Rein. 567. 664. 1117), nnl. raat oder raet, welche sich auf ein romanisches rata, franz. ree zurückführen, wie nata zu nee, lata zu lee wurde, rata aber entspringt aus dem lat. crates, hurt oder ge- tlochtenes reisig, was sowol für die Vorstellung von rogus als favus gilt, denn beide wurden gewoben oder geschichtet, jener aus reisem, dieser aus wachszellen: entscheidend sind hier die crates favorum bei Virgil georg. 4, 214. in rata wurde das c

21*

324 ALBERTUS SCOLASTICUS.

von crates weggeworfen wie das h vor r in zahllosen deutschen Wörtern, zwar scheint die altfranz. spräche ein männliches re für rogus, ein weibliches ree für favus zu unterscheiden, beide aber gehn zurück auf crates und wir sahen auch das genus von räze und räz schwanken, im heutigen französisch ist re 422 rogus verschwunden und ree favus in rai de miel gewandelt worden, dasz nun auch für mhd. räze, mnd. rate aus Albrecht die bedeutung von rogus aufgewiesen ist, macht eine unmit- telbare ableitung von re aus lat. rogus, worauf man verfallen könnte, unthunlich. Alberus kennt rasz, Frisch 2, 126. 127 ros und rose nur für favus, dieser führt auch rossprossen an, ligna transversa in quibus favi in alveari pendent, worauf sich auch die crates ziehen lieszen. in einer Urkunde von 1359^ lese ich aber 'ene rosen kalkes bernen laten', 'dat holt to der rosen to bernene', was deutlich die schichte des brennholzes meint, zu- gleich bestätigt dies die schwache flexion des mhd. räze, denn sonst würde man in Albrechts reim auch räze : läze mit thü- ringischem Infinitiv gestatten dürfen.

ALBERTUS SCOLASTICUS.

(zu s. 397 [= 303]).

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 1851. s. 464 466.

464 Unser Albrecht ist nun in Urkunden aufgefunden, ich hatte

mich nach Rudolstadt an Hesse, den gelehrtesten kenner der älteren thüringischen geschichte, nicht vergebens gewandt, der Jechaburger Albertus erscheint zuerst in einem document von 12h7, welches in dem alten jechaburgischen copialbuche die aufschnft hat: priuilegium de jure parochiali custorie in Jeche- burg ac capelle in villa Stoghusen datum per (Sigebotonem) episcopum ecclesie hauelbergensis, nebst andern zeugen in fol- gender Ordnung: Burchardus ibidem (in Jechaburg) prepositus. Fredencus decanus. Albertus scolasticus. Thietmarus custos. Wernherus, Hildebrandus und Wernherus canonici. Bernardus sacerdos. Absolon subdiaconus. capellani nostri. milites de Sundershusen. Hartungus scultetus. Witego. Bobo. W . . terus (Walterus.) acta sunt hec anno domini incarnacionis M^CCXYii".

' neue mitth. des thür. Vereins ii, 309. [m. 4, 64 mit der deutung röste. et rase ad calcem faciendam composita. Pertz 2, 371. kalkröse. zschr. des S. n'' ifir^'.u^^J-' ,?^2- kalkresen penninghe. Moser werke 8, 401. 402. wf ;t.i STa*"' /^i^^r"*"- ^^«k- I^^d^- 47, 24. in der hellen ratzen. muKatbl. »7, 80. das hebt brennet rosen. rockenphil. 3, 71 (wenn der docht oben eine kröne brennt). Burguy s. v. re == ret = four a chaux.]

ALBERTUS SCOLASTICUS. 325

Dann in einer Walkenrieder Urkunde von 1218: Burchar- dus Dei gratia praepositus Ikeburgensis notum f'acit, (|uod Si- fridus Mogunt. archiepiscopus Friderico abbati ... in Walken- rith talem dispensationis gratiam dignatus est impertiri, ut in parrochiis scilicet Megenstede et Guncerode et in capellis suis in Otstede et novali, pastores locare valeant, qui salvo dioce- sani et archidiaconi jure stipendio gaudeant honesto et ipsa ecclesia residuis proventibus potiatur . . . Hujus rei testes sunt: 465 Almarus majoris ecclesiae haluerstadensis canonicus et sancti Pauli prepositus. Albertus canonicus ibidem et prepositus in Torsalo. Richardus ibidem canonicus. magister Henricus vica- rius episcopi. Otto vicarius. Dudo plebanus in Bolkenstede. Wigandus sacerdos in Orden. Henricus decanus de Icheburg et concanonicus ejus Hildebrandus. Albertus scolasticus. Con- radus. Wernerus. acta sunt hec anno domini M" CC" xviii". datum Haluerstad.

Jetzt darf" auch noch aus einer schon bei Würdtwein a. a. o. pag, 1 1 9 unter LX gedruckten Jechaburger Urkunde späterer zeit, neuilich des j. 1251, die angäbe der zeugen hergenommen werden: hujus rei testes Ernestus decanus, Albertus scolasticus, Ludewicus de Rocstete, Cunradus de Slatheim etc.

Man hätte die wähl in der Urkunde von 1218 zwischen Albertus canonicus und Albertus scolasticus. die statuta jecha- burgensia vom j. 1372 handeln, was ich gleichfalls Hesses güti- ger mittheilung verdanke, art. 16 und 22 von den Verrichtungen des scholasticus: item decanus de amministratioue eure anima- rum imponenda canonicis et vicariis diligenter intendat. scho- lasticus de scolarum magistro in expensis procurando, literis capituli conficiendis et scribendis, et ut in organis diebus festivis solenniter decantetur procuret. item nullus eligatur in decanum vel recipiatur scolasticum aut cantorem ecclesie, nisi sit de greraio ecclesie et actualiter prebendatus.

Scholasticus bezeichnete im mittelalter nach Ducange eine dignitas ecclesiastica, qua qui donatus est, scholis ecclesiasticis praeest, franz. ecolätre, inspecteur des ecoles, wird aber auch oft mit magister scolarum gleichbedeutend verwendet ^, dem er andere mal vorgesetzt erscheint, bei dem bloszen canonicus braucht man weniger gelehrte bildung anzunehmen, als bei dem scholasticus.

Albrecht kann das amt eines scholasticus zu Jechaburg nicht lange vor 1217 erhalten haben, denn 1206 bekleidete es noch Fridericus, dessen zwei Urkunden namentlich gedenken, dieser Fridericus wurde wahrscheinlich decan, als welchen ihn obige Urkunde von 1217 nennt.

Dasz in der probstei zwei Scholastiker des namens Albertus 466 unmittelbar oder schnell hintereinander gefolgt sein sollten, ist

vergl. Mones Zeitschrift 1, 262.

326 IN WELCHEM ZEICHEN MAN FREUNDE KIESEN SOLLE.

unwahrscheinlich; eher hat man in dem von 1217 und 1251 dieselbe person zu vermuten, die sich freilich zu keiner höhern würde in der kirche aufschwang.

Gesetzt unser dichter war um das j. 1180 zu Halberstadt geboren und übersetzte den Ovid in seinem dreiszigsten lebens- jahre, so konnte er immer noch siebzig jähre alt als schola- sticus in Urkunden auftreten, er mag ein stilles, ruhiges leben geführt und dem dichten früh entsagt haben.

Die herschaft Sondershausen, wozu Jechaburg gehört*, soll, wie mir Hesse bemerkt, nicht den thüringischen landgrafen, sondern den herrn von Sondershausen, nach dem absterben der grafen von Honstein, und endlich den grafen zu Schwarzhurg unmittelbar unterworfen gewesen sein, indessen musz es mit des dichters angäbe im prolog seine richtigkeit haben und der mächtige landgraf Hermann, vogt von ganz Thüringen, galt für den lehnsherrn der von Sondershausen, deren gebiet also aucli landgräfliches land war, wenn es nicht mit Jechaburg eine be- sondere, uns jetzt unbekannte bewandtnis hatte.

IN WELCHEM ZEICHEN MAN FREUNDE KIESEN

SOLLE.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt, bd. 8. 185L s. 542—544.

642 JAN. Obe sich aquarius enthabe,

aller früntscefte ganc du abe, wanne swen du dir danne küses, viel sciere du in ferlüses. ** FEB. so sich enthabent pisces, so fliz du dich des, daz du dir einen gesellen küses*** zuo heinlichen dingen, wann daz zeichin ist fil guot,

643 alle froude da mite get dir zuo. MART. nim deheinen frünt in ariete,

wanne ir sceidet üch mit unrainnen. APR. so du findes daz signum in tauro,

so ne scoltu nicht erwinden (1. nicht erwint du dö), e du dir einen frünt gwinnes;

* Hpt. 8, 11 [oben s. 283]. *** ^^^*^"s^t = verlüsit. vom glauben 2886.

swer vrumen gesellen kiese. Iw. 3033. den chos ich mir ze gesellen. Diemer 308, 27. den si ze gesellen kiesent. Hartm. 1. büchl. 1576. diu gesellen kiuset. 2. büchl. 767.

IN WELCHEM ZEICHEN MAN FREUNDE KIESEN SOLLE. 327

daz zeichen hat guot auegenge

linde raichel bezzer ende. MAI. vindes tu si in geminis,

so soltii sin fil gwis,

daz dir hei volget zuo den dingen,

da man frunt sol mite gewinnen:

iu volget heil und ere

und sceidet sich niemer mere. JUN. obe du si in cancro findes,

daz dir sin dez minnest,

swen du dir danne kilses,

fon nide und von hazze du in ferlüses. JUL. so du si vindes in leone,

nu ne beit nie me,

einen frünt kus du dir dritte,

diu minne ist steitek (1. fil stäte). AUG. vindes du si in virgine,

so nim dir einen frünt dräte,

e sich daz zeichen urame kere:

dir volget minne und ere. SEPT. vindes du si in libra (1. obe du si in 1. vindes),

aller früntscefte sol du danne erwinden,

fon zorne muozet ir üch sceiden,

daz zeichen solt du fermiden. OCT. vindes du si in scorpione,

swelen frunt du danne gwinnes (me),

der ist dir holt durch gäbe;

so abe du danne ime des abe ges (1. ges abe),

diu minne sceidet sich sa,

so getan ist des zeichines natura. NOV. so si danne in sagittario stet,

alliu froude dir zuo get, 644

so ile vil snelle,

kfts dir einen gesellen. Dec. und capricornus fehlen, aus einer Wiener hs. des 12n jh. mit kleinen besserungen.*

sich enthaben, sonst sustinere, detinere, hier das w^alten der himraelszeichen ausdrückend, vom mai an steht bei finden der acc. 'si', worunter man jedesmal die sunne zu verstehn hat.**

'daz dir sin dez minnest', das lasz dir deine kleinste sorge, deinen geringsten kummcr sein. Willeram lxxiii, 22 iz ist imo ingegin miner minnen dez minnest; Aegidius 98 die werlt was ime diz minuist; Kother 2923 daz ist mir daz min- nist; Hartm. erstes bttchl. 718 arbeit ist mir daz minnest; klage 759 Ezeln fröude was gewant an das minnist; [Dietl. 8454 des

* vgl. Mommsen röm. chronol. s. 59. ** diu sunne Diemer 384, 6, sonst der.

328 ÜBER DEN SOGENANNTEN

kunnen si daz minnist; kehr. Diemer 334, 23. M. 10936 din drö ist uns der minnist;] Georg 5126 daz meiste ist dir daz minnist; MS. 1, 38* [MF. 7, 17] wol zu lesen: daz min fröide ist dez minnist umb alle andere man. die analogie der übrigen Superlative, wie im vorletzten citat daz meiste zeigt, würde for- dern daz minniste, ahd. daz minnistä, nhd. daz mindeste; aber für das 12e 13e jh. ist die anomalie im reim vollkommen be- rechtigt. *

'alliu froude get dir zuo', febr. und nov., wird auch sonst oft gesagt: Gudr. 1185, 1 dir get freude zuo; Ortnit 2, 55 so get im vröude zuo; 1270, 1 mir get freude zuo; Turl. Wh. 148* dir get freude zuo; Oswald 540 do gienc dem meister vröude zuo; [Diut. 3, 50 daz leit gieng ire zuo.] gleichviel ist: vröude siget zuo, wehset zuo.

im apr. könnte man erwinden auch auf gwinnes reimen lassen, dann bliebe taurö reimlos; wahrscheinlich ist die sechste zeile ausgefallen.

ÜBER DEN SOGENANNTEN MITTELDEUTSCHEN VOCALISMUS.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausg. von M. Haupt. bd. 8. 1851. 8.544 549.

544 Das passional ist, neben Ottokars von Horneck chronik und der doch von zwein bearbeitern ausgegangnen weltchronik ein unmäsziges, überlanges gedieht, bei dem die empfänglich- keit der geduldigsten leser bald erliegt, weltliche stotfe gewäh-

545 ren immer mehr natur und Wechsel ; in dem abgrund solcher einförmigen, dem selben ziel zugehenden legenden musten ge- schi^k und gewandtheit, die am Verfasser wol hervorblicken, beinahe versinken, für die sprachkunde läszt sich aus seinem ganzen werk vielfacher, nicht geringer gewinn schöpfen; es schemt in andrer gegend als die meisten übrigen gedichte ent- sprungen und bietet eine menge von Wörtern und formen dar, die sonst gar nicht vorkommen**, wie ich höre soll nunmehr auch der druck des dritten, noch nicht bekannten theils bevor- stehen.

Mit allem recht hat ihm bereits Pfeiffer besondere auf- merksamkeit zugewandt, nicht nur einen sorgsamen abdruek

* der Oberost : untrost. Ijchr. 905. zeme jungest. BB, 145. riebest aller kunege waren etc Gudr. 1063, 8. her daz groezest. 1172, 3. kleinist : einist. ,«.W Q r;^ "'l?,^^^^* ^or allen wiben! MS. 1, 49»». aller manne sundigest.

Ss^'mai! M. Fr! 4,16^ "^'' ^'" ^''- ''"'■ ^'^^ ''^'- "^^^ ^^^ ""'''' '''' ** vgl. Köpke Torr. xi.

MITTELDEUTSCHEIN VUUALISMÜS. 329

der in Ilahns ausgäbe gerade abgehenden, zumeist anziehenden Mariensagen veranstaltet, die narnen Konrads von lleiniesfurt und Konrads von Fuszesbrunnen für den ganz verborgnen Ver- fasser zurückgewiesen \ sondern auch die art und weise seiner vocale zu regeln gesucht, worauf ich hier näher einzugehn be- absichtige.

Pfeiffer nennt diese auch in seiner ausgäbe des Hermann von Frizlar [und bei Siegfried dem Dorfer zschr. 7, 109] durch- geführte regel die mitteldeutsche, für mittelhochdeutsch war nach analogie der media latinitas der ausdruck mittel im gegen- satz zu alt und neu gebraucht, weil granuiiatik und Sprach- geschichte nicht umhin konnten, der zeit nach drei perioden zu unterscheiden, wo es auf den gegensatz zwischen hochdeutsch und niederdeutsch nicht ankommt, liesze mitteldeutsch sehr gut sich auch für die spräche des I2n— 15n jh. verwenden, um sie von altdeutscher und neudeutscher abzusondern; manchem würde schon ausreichen, dem neudeutschen überhaupt ein alt- deutsch gegenüber zu stellen, jenes mitteldeutsch wird aber örtlich genommen und soll eine eigenthümlichkeit der mundart erfassen, wie sie in mittleren landstrichen Deutschlands, etwa vom Trierischen und Mainzischen aus durch Hessen nach Thü- ringen sich erstreckt" habe, lieber wäre, wenn die sache sich so verhält, um misverständnissen vorzubeugen, irgend ein andrer 546 name zu wählen.

Di(! angenommene mundart scheint kein mhd. ü, ae, oe, uo, üe, iu zu leiden, inSgemein dem umlaut abhold, zwar noch ä in e zu wandeln, o und u, 6 und ü unverändert zu lassen, während sie mhd. ei und ie, ou und eu = öu behält, soll sie " dem uo und iu entsagen, sie könnte zwischen den hochdeut- schen diphthongen und deren niederdeutscher Verdichtung eine mitte halten oder den Übergang aus jenen in diese vorstellen.

Einer solchen vocalbestimmung thun nun freilich alle hand- schriften des passionals, die auf Hessen leitenden des Herbort und Hermann von Frizlar, auch die älteren bruchstücke des Aegidius und grafen Rudolf Vorschub, allein weder die unge- naueu reime dieser beiden älteren gedichte, noch Hermanns prosa haben für sie beweiskraft und die reinen reime Ilerborts und des passionals selbst treten ihr entgegen.

Wenn statt des mhd. uo und üe Pfeiffer bei Hermann und in den Marienlegenden überall kurzes u schreibt, so kann das von vornherein nicht gebilligt werden, alle zweisilbigen Wörter mit solchem u in der penultima reimen klingend, begehren dem-

' zwar der herausgeber des gesaninitabenteuors wird die ihm oben s. 159 geinaobteu begründeten vorwürfe leicht damit ablohnen, dasz weder bd. 3, 263 eine Marienlegende zu finden sei, noch 3, 428 das unser frauen wunder eifern Konrad von Fuszesbrunnen beigelegt werde, und nach t;. cxxi war die fürs gesammtabenteuer getroflfeno auswahl schon vor 1846 abgedruckt.

330 ÜBER DEN SOGENxiNNTEN

nach langen vocal, der, wenn ein diphthong abgelehnt wird, ü zu bezeichnen wäre.* dann aber inüste er im laut sowol mit dem echten mhd. ü, als auch mit dem ü = mhd. iu zusammen- treffen, allein diese drei laute bleiben bei dem dichter im reim immer von einander gehalten, folglich hatten sie nicht gleiche ausspräche, folglich taugt ihre gleichförmige bezeichnung durch ü nichts.

tu zu ru vru = tuo zuo ruo vruo reimen allenthalben, freilich auch auf du und nu, wie bei andern mhd. dichtem (gramm. 1, 207); nicht aber reimen sie auf dru und u = driu iu, pass. 368, 57 und in den Berl. jb. 7, 290. 303 ausgehobnen stellen, wäre tu zu drü ü rechte Schreibung und ausspräche, so hätte der reim tu : drü nicht können ausbleiben.

schule reimt auf stule = schuole stuole; vulen : wulen knien = vüelen wüelen küelen, nicht auf vulen = virilen pu- trescere oder sulen = siulen columnis.

blumen reimt auf gumen palato M. 81, 100 = bluomen, <547guomen, nicht auf gumen virum, frumen kumen vernumen = gomen fromen komen vernomen. M. 25, 121 seltsam ja, sprachen sie, du gutgumen, sich, ob dir Kristus mac gefrumen, wo vielleicht zu bessern ist

ja, sprächens, du gotes guotgume sich, ob Krist helfe dir gefrume, man erwäge gotes arme und guotman. rüm spatium würde sich dem reim auf ruom gloria versagen, eigenheit des dicht ers ist küm für küme : rüm zu binden 169, 85. 184, 54. 338, 29. 380, 14 und öfter, dagegen verstattet er sich, die composita mit tuom, deren diphthong ihm in u verkürzt war, so zu reimen, vgl. irritum : um 205, 88; heilichtum : alum 135, 67; richtum : um 87, 20; Siechtum : Tiberium 85, 48; richtum : Magdalum 368, 75. doch heilichtuome : ruome 196, 92; heilichtum : rüm 135, 47.

sun reimt ihm, wie den besten mhd. dichtem, auf tuon huon ruon (gramm. 1, 207); auffallender ist vrunt : urkunt 312, 25 und vrunde : Urkunde 42, 25; vrunden : unden 313, 72 (vgl. granim. 1, 207) und spuen : muen 297, 27 für mhd. spient und müejent, doch kann spient leicht übertreten in spiwent, spiu- went und spuen ist entweder spiuen oder spuoen. -

_^^ur reimt auf vur = vluor vuor, nicht auf bur vur 380, r= bür ventus secundus, vür. ture : gehure vure = tiure gehmre viure; schüre : mure creature 74, 55. 93, 37 = schüre mure creätüre. bemerkenswerth vuren = vuoren : beschuren to- ^°"^e^"nt raserunt 167,22. 229,46, neben beschirt tondet radit 167, 30, welches praesens ein praet. schar schären bilden sollte; schuoren setzt aber ein ursprüngliches schüren voraus und gleicht dem gesch. der d. spr. s. 848 erörterten goth. trudan trödim ; * bei Siegfr. setzt er im kl. reim ü.

MITTELDEUTSCHEN VOCALlSMüS. 331

die goth. form wäre skurau, skar, skorun. viiren : be8(;huren mit kurzem ii würde unbegreiflich sein und dem vom metrum begehrten klingenden reim widerstreben.

hüben entsuben buben gruben = huoben entsuoben buoben gruoben, nicht auf tuben = tüben columbis oder duben = diu- ben furtis. schupen = schuopen squamae 182, 65: grupen = gruopen, was heiszt das? schuf: luf = schuof luof 97, 39, luof scheint ein ungeheuer, tölpel vgl. gramm. 1, 197. tufe : hufe = tiufe hiufe 107, 94. 147, 77. huwen : buwen getruwen =548 büwen (bubonem) biiwen getruwen 157, 51. 68.

truc cruc vuc = truoc cruoc vuoc. bezuge luge = beziuge liuge 269, 70. buch ruch tuch = buoch ruoch tuoch, aber bruch ruch = bruch ruch foetor 45, 35. betuche : bqche = betüche {raergatur, evanescat) : buche (trunco) 188, 88.

blut mut gut lut = bluot muot guot luot. lut trut brut = lut trüt brut. lut : zut 263, 77 = Hut : ziut f. ziuhet; ge- schut : lut 239, 52 = geschihet : liut. für geschihet geschit tritt aber geschiut ein, wie z. b. bei Boner iut für iht. gute mute blute rute hüte = guote muote bluote ruote huote; aber hüte: bedute lute = hiute bediute Hute; wer wollte glauben, die 32, 19 aufeinander folgenden Wörter gute lute hätten gleichen vocal gehabt? da man selbst in niederdeutscher mundart gude lüde, gode lüde scheidet, oft kehrt der reim buten : luten wieder = biuten Hüten 32, 26. 48. 49. 83, 90. 190, 25. 279, 67. 352, GJ. hinten heiszt auf beute, vortheil ausgehn, wie die kaufleute beim Handel pflegen (gramm. 1, 190). ein auffälliger reim ist uber- vlut : brut 129, 77, brut ist brut, ubervlut doch wol übervluot? suzen buzen = süezen büezen, aber duzet vluzet = diuzet vliuzet. auf cruce = kriuze reimt gehuce = gehiuze 71, 42. 99, 65. 179, 68. 210, 19. 281, 92 clamor. huse : suse = hüse süse, aber auch hus : alsufe 137, 35.

Was ich an dem u, das in dieser Untersuchung hervor- sticht, gewiesen habe braucht für die übrigen vocale nicht wie- derholt zu werden, der dichter des passionals fühlt wie den unterschied zwischen u tt uo üe ü und iu auch den zwisciien e und e, e und .t, 6 und a», hütet sich also ere lere mere auf b;ere w:ere maere, legen auf wegen zu reimen, kurz er befolgt im ganzen und mit geringen ausnahmen die regel der mhd. vocale.

Auch die meisten Handschriften der besten mhd. gedichte stellen diesen vocalismus nicht genau dar, lassen namentlich die langen vocale unbezeichnet. da wir sie nach dem gesetze der reime in den ausgaben herstellen, warum soll im passional die vom dichter selbst unverschuldete gröszere ungenauigkeit der Schreiber beibehalten werden? wie den circumflex über den langen vocalen lieszen sie das o und i über oder hinter und 549 vor dem u weg. keine eigene feste mundart scheint mir damit

332 SCHWENCK, DIE MYTHOLOGIE DER GERMANEN.

zusammenzuhängen, wenn auch in den gegenden, wo das ge- dieht abgefaszt und abgeschrieben wurde, nachlässigere aus- spräche der diphthonge die Schreiber dazu verleitete. Herborts gedieht, wie wir es haben, schrieb einer im j. 1233^ zu Würz- burg ab und gebraucht im angehängten epilog (Frommann s. XXVIII xxx) dieselben u für uo und iu, konnte sie also in das herbortische werk selbst gar wol eingeführt haben.

Wäre eine sicher nicht bis nach Franken reichende trieri- sche, wetterauische, hessische mundart hier in der that berech- tigt, warum hätte sie sich nicht schon früher spüren lassen und zumal in Hrabans schulen zu Fulda und Mainz erzeigt? aber die traditiones fuldenses unterscheiden uo (oder ua) und iu gleich andern ahd. denkmälern in ihren eigennamen, ohne es mit u, kurzem oder langem, zu verwechseln; selbst das noch vor 1250 in Hessen niedergeschriebene güterverzeichnis von Haina schreibt bald uo, bald dafür bloszes u.

Doch einige consonantische, auch durch den reim erweis- liche abweichungen im gedieht sollen nicht nach mhd. brauch abgeändert werden, weder das dit noch kurt, woraus im ge- sammtabenteuer 3, 467 (pass. 143, 24) nach handschrift B kurz und gar im reim darauf ein unleidliches behurz gemacht wor- den ist.

Die mythologie der Germanen für gebildete und die studierende Jugend dargestellt von Konrad Schwenck. Frankfurt a. M. 1851. Sauerländer. 376 s. 8. a. u. d. t.: die mythologie der asiatischen Völker, der Aegyp- ter, Griechen usw. 6. bd.

Literarisches centralblatt für Deutschland herausg. von Fr. Zarncke. 185L s. 483. 484.

488 Voraus gehn in 5 bänden die mythologien der Griechen^

Römer, Aegypter, Semiten und Perser, und sicher ist dieser sechste nicht der beste des noch ungeschlossenen werks, denn m deutschem alterthum und in altdeutscher spräche findet sich der verf. weniger zu haus als in der klassischen literatur. man

' also beinahe ein vierteljahrhundert nachdem es verfaszt war. Herbort von J^mlar und Albrecht von Halberstadt, zwei 'junge gelehrte schüler' schei- nen gleichzeitig sich dieser weltlichen poesie ergeben und ihre anregung dazu oeicie vom thüringischen hof empfangen zu haben. Herbort aber dichtete nach welschem muster, Albrecht aus dem latein; es wäre die frage, ob die dechatnirger handschrift der metamorphosen sich irgendwo in Thüringen oder sonst in Deutschland erhalten haben mag?

SCHWENCK, DIE MYTHOLOGIE DER GERMANEN. 333

ma}| einräumen, dasz er seinen eignen weg schreitet und man- chen feinen gedanken hat; alle diese mythologien müssen seiner fleiszigen belesenheit nicht zu schwer geworden sein, allen ge- bricht doch die kraft eines nachhaltigen, reichen forschens, bei- nahe würde die Wissenschaft nichts verlieren, wenn sie unge- schrieben gebliehen wären, er schiebt etwas leichtfertig, mit- unter sinnig und scharfsichtig, fast immer von sich eingebildet zusammen, was ihm das gerade in der luft schwebende mytho- logische gemeingut überliefert, seine ägyptische mythologie würde weit besser, seine deutsche weit schlechter gerathen sein, wären ihm schon alle Untersuchungen von Lepsius bekannt, die von Grimm unbekannt gewesen, wie aber jener abgang ihn keineswegs hindert über Aegypten zu schreiben, würde er mit Deutschland fertig geworden sein, hätten ihm auch blosz Rössig und Heinrich Delius zu gebot gestanden, freilich die namen Zio, Phol, Hakelberend, Wunsch, Hulda, Nerthus, Geban usw. 484 könnten dann gar nicht in seinem buche vorkommen, allein die nordische götterlehre füllte es so an, dasz man einen mangel nicht empfunden hätte, darum ist er auch herrn Grimm gar keinen dank schuldig, und spottet im angehängten epilog über dessen art und weise, um einige proben zu geben, der alte dämonsname Faland, Voland, Fold, den das volk in Frankfurt no(;h heute im ausruf ei fuld! für teufel gebraucht (anzeiger dieses hörte ihn auch in Thüringen), soll nach s. 354 von einem Frankfurter Juden namens Fuld herstammen ; das ist, als wollte man den rothen schild des friesischen gesetzes auf Rothschild, der bekanntlich anders zu deuten ist, zurückführen, oder unser substantivum schwank von dem Frankfurter conrector Schwenck ableiten, der nur barbarisch mit nck geschrieben wird, ein hübscher schwank steht s. 361, wo es heiszt, dasz man wün- schen möchte, Phol heurathete die frau Sffilde, nähme die dame Habonde für dieselbe zum kammermädchen und den Berthold zum lakaien, und Herodias flöge mit allen vieren nach Austra- lien um sie dort anzusiedeln und selbst der rückkehr zu ver- gessen, so gern entledigt der verdrieszliche mytholog sich seines hausraths. frau Siclde ist auch (als wären wir Deutsche nicht schon unselig genug, um uns noch ausdrücklieh die göttiu des heils zu rauben) schon ins buch nicht mehr eingelassen, da doch im 1. und 2. band frau Tuxi "°^ dame Fortuna höchst ungerechter weise sich umtreiben. s. 282 286 handelt eine lange, enge anmerkung vom dualismus und hosendualismus gogen hrn. Gerhard und dessen 'vornehmen cameraden", was jeden- falls in keine germanische mythologie gehörte, noch für und vor die gebildeten und die studierende Jugend, so freien lauf läszt der verf. seinen losen nicht immer zierlichen einf^illen.

334

SCADO.

SCADO.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem gebiete des deutschen^

D-riechischen und lateinischen herausg. von Th. Aufrecht und A. Kuhn.

bd. 1. 1852. s. 79 83.

79 In dem ausdruck schade, dessen wir uns heute nur für damnum, noxa, laesio bedienen, läszt unsere ältere spräche etwas persönliches durchblicken, worauf auch schon das männliche ge- schlecht hinzielt, bei den mhd. dichtem liest man:

daz min schade wachet. Mauritius 1450

des mm weinender schade wachet. MSH. I. 102*. und ich habe myth. s. 822. 823 nachgewiesen, dasz wachen und wecken von der Saelde und andern mythischen wesen gebraucht werden, so heiszt es weiter:

schade ist minne rätgebe. Mauritius 332. er steht ihr als gesell zur seite, verführt sie mit seinen rath- schlägen. wenn aber Wigalois 10104 (Pf. 257, 39) gesagt wird:

von disen fürsten tuon ich dir kunt,

daz si dir schade wellent sin und nochmals 10158 (Pf. 259, 14):

die mir schade wellent wesen,

die komen her swer si sin; so ist das die übliche absageformel, mit welcher man sich zu eines feind erklärt, und für schade könnte geradezu vient ge- lesen werden ; richtig aber steht hier schade oder vient, obgleich von mehrern geltend, im sg. nach grammat. 4, 291, wie wir noch heute besser setzen: ich habe mir die leute zu feinde ge- macht, als zu feinden.

Auf solche weise müssen sich auch ahd. stellen bei Otfried fassen lassen, obschon mehr oder weniger zugleich die abstracte sächliche bedeutung vortritt:

so bistu gote Haber, ninträtist scadon niamer I. 18,46. gleichsam brauchst den bösen feind, den teufel nicht zu fürchten,

wir wizun waz ther scado was II. 6, 56, es scheint wiederum der Verführer im paradis, der teufel, ge- meint, man vgl. die vorausgehenden II. 5, 2. 26;

thes scaden wiht ni luage II. 12, 94 des schaden nicht achte; persönlich aber:

ther scado fliahe in gäbe, II. 24, 37, der teufel weiche, fliehe; das verbum fliehen bezieht sich noth- wendig auf personen oder personificationen.

80 thia fruma liazun sie fon in,

joh nämun grozan scadon zin. IV. 24, 34. thaz scado uns hiar ni klibe. V. 1, 14. Allen zweifei entfernt aber die bei Grafi" 6, 421. 422 zwei- mal an verschiedner stelle eingetragene ahd. glosse 'scado ki-

SCADO. 335

luiili sodalis" Diut. 1, 274" und Ker. 253, wo das beigefügte ailj. kinuih den sinn von blandus, trauquiilus, aptus (was sonst hiuri, geheuer) hat, und den sinn eines trauten gesellen hervorhel)t. wir entnehmen hieraus, dasz scado, obgleich es gewöhnlich den schadenden f'eind und Widersacher bezeichnet, auch im geleit eines andern mildernden wortes von dem freund gelten kann.

Schade ist bis auf heute ein sehr verbreiteter eigcenname und erscheint z. b. im Berliner wohnungsanzeiger fünfundzwan- ziginal. ein minnesänger, dessen gröszeres werk verloren ge- gangen ist, hiesz her Blicger oder Blicker (= Blitger, Blidger) von Steinahe und in seinem geschlecht war wenigstens späterhin neben dem Blidger der zuname landschade hergebracht: her Blicker lantschade von Steinach (MSH, 4, 254), in der Flörs- heimer chronik s. 224 Bleick landschade von Steinach. zur rauhen zeit des fehderechts konnte ein tapfrer ritter sich schon gefallen lassen, feind des landes, landräuber, oder mild aufge- faszt (denn miltinamo ist ahd. cognomen, Grafi' 2, 1081) held und ritter des landes zu heiszen \ in übelm sinn könnte es teufel bedeuten, welches auch als beiname vorkommt. Muchars regesten von Innerösterreich geben unter 135 aus dem j. 1447 einen ritter Pongraz Rindschade als siegler, das will sagen, der den bauern rinder weggetrieben hatte.

Gleich häufig oder noch häufiger musz vor alters in Nieder- deutschland dasselbe scatho gewesen sein, im altsächsischen Heliand begegnen auszer dem oft und in der bedeutung von nequam, latro, für, hostis verwandten einfachen wort die ver- stärkten Zusammensetzungen landscatho, thiodscatho, liudscatho, reginscatho, menscatho vom teufel oder dem schächer am kreuz; niemals gebraucht es dieser geistliche dichter in einem milde- ren, weltlichen sinn vom held oder krieger. in Lappenbergs Hamburger Urkunden no. 128 stosze ich auf einen ort Scathene- si butli, nhd. up der Schaten, was vielleicht anders zu deuten ist.

Die angelsächsischen sprachquellen bieten dar das entspre- chende sceada für nequam, für, latro, praedo, hostis, adver- sarius und wiederum die dichterischen composita jjeodsceada, feondsceada, i^udsceada und andere ähnliche, sceadena |)re{itum virorum turmis Beov. 8; sceadan = ädelingas, nobiles Beov. 3B03. niemals aber habe ich das ags. sceada, noch das alts. scatho un- persönlich für damnum, noxa getroffen, im gegensatz zur hoch- deutschen, niederländischen und auch friesischen spräche, in welcher der sächliche begriff vorherseht oder allein geblieben ist. jenes erklärt uns den völligen abgang des wortes im eng- lischen, denn mit dem persönlichen, fast heidnischen begriff konnte die spräche nichts mehr auffingen.

' Plikkor landschad de Steinach, a. 1286, wie Lamey (act. acad. Theod. palat. 7, 294) meint: stirpis auctor a feritate sua damnisque longa lateque illatis.

336

SCADO.

Zu wichtigeren aufschlüssen leitet das altnordische, zwar besteht auch hier die bedeutung skadi damnum, allein ein eddi- scher held führt wieder einen beinamen, der mit skadi gebildet ist, Helgi Hatinga (oder Haddinga) skadi (Saem. 142. IGD), das will sagen feind oder tödter der Haddinge, und man wird da- durch an das häufigere bani percussor in Fäfnisbani, Hundings- bani u. s. w. erinnert, für skadi findet sich aber auch geschrie- ben skati, was alterthümliches beharren bei der älteren lautstufe scheint; in der Snorra edda 195 ist ein Skati hinn mildi aufge- führt, nach welchem alle beiden überhaupt skatnar genannt werden, dies merkwürdige skatnar = skadnar heroes, bellatores halte man fest.

Selbst eine göttin, des Niördr gemahlin, führt den männ- lichen namen Skadi (daher auch der genitiv Skada lautet, Sn. 82) und mit vollem recht, weil sie im heim und brunie gewafnet auftritt: Skadi tök hiälm ok brynju ok all herväpn, ok ferr til Asgardz. wahrscheinlich hängt mit ihr mythisch zusammen, dasz auch ein vogel, die elster, pica, altn. skadi, dän. skade, schwed. skata (wieder mit jenem t) heiszt. *

Wir sehen alle oder die meisten dieser Wörter durch sämmt- liche zweige deutscher zunge verbreitet; suchen wir näher in die damit verbundene Vorstellung zu dringen.

Dem Gothen ist 8kaJ)jan skojD dotxsiv, skaj^uls dSixöiv und skaj)is (gebildet wie sigis, riquis) dSuia, hätte Ulfilas ein per- sönliches ska|3a oder skajjja zu verwenden anlasz gefunden, es würde ihm auch einen gewaltthätigen, leidigenden ausgedrückt haben.

Unter schade wird noch nhd. vorzugsweise verstanden: leib- ! schade, ofner schade, wunde (Frisch s. 156)** und vom schwe- dischen skada sagt Ihre s. 545: notat vulnus, quasi corporis laesionem. arbitror Henricum principem skatelaer dictum a vul- nerato femore (laer). ein frischer schade, heiszt es, heilt leicht, mir scheint, dasz von dieser sinnlichen bedeutung der wunde und Verletzung hernach die von damnum abgezogen und aus- gegangen ist. aus unsrer spräche entlehnte auch die polnische ihr szkoda, die böhmische skoda, die slovenische shkoda, die littauische iszkadä, die lettische skahde.

Verwandt sein musz das altn. skä laedere, secare, skae noxa, caedes, manskae, manskaed caedes hominum, vielleicht das lat. caedere für scaedere? vgl. scindere scidi.

Auch das lat. nocere (vgl. necare) mag ursprünglich ver- wunden und noxa vulnus, hernach culpa ausgedrückt haben, ich habe anderwärts das goth. dulgs debitum, culpa auf das ahd. tolc vulnus zurückgeführt und gerade so gehört das slavische

* vgl. meinkräka pica. Lokaglepsa 43; altn. mein ulcus, vulnus, noxa. wundschade, weisth. 1, 561. schedeliche wunden. Gudr. 221, 4. ein schade der lange swirt. altd. w. 3, 472

SCADO. 337

vina culpa, causa, delictuin zu voina bellum, voin" miles und das lettische waina bezeichnet wunde, schade, schuld, nicht anders entspringt aus goth. banja vulnus = 'fovr, und cpovo; niordblut, aitn. ben vulnus, das persönliche bani, ahd. pano, (poViU?, und wie man ahd. sagte einemo zi panin werdan (einen tödten) hiesz es auch zi scadin werdan, ursprünglich tödten, ver- wunden, dann blosz schädigen, der altn. Fafnisbani war dann auch ein Ftifnisskadi; bani und skadi bezeichnen den tödter, mörder, in gutem sinn den held, krieger, in bösem den räuber, f'eind.

Vom ahd. teriau nocere, ags. derjan leitet sich ahd. tara laesio (Graft' 5, 438) ags. daru ; dazu halte ich darihaft nocivus (Diemer 99, 25) für tarihaft und taralih nobilis, kriegerisch, mannhaft, zu folgern aus dem allein nachweisbaren undarallh für uutaralih, ignobilis, vilis, agrestis (Graft" 5, 198). lantderi ist latro bei T. 199, 8 gleich jenem alts. landscatho; auch für tara, daru mutmasze ich die bedeutung vulnus. neben dem skr. ri occidere steht wiederum rina debitum.

Die gehaltreichste vergleichung habe ich bis auf zuletzt ver- spart, imsre spräche stimmt so oft zum sanskrit, dasz es nicht versagt ist auszer den Wörtern und formen auch indische ge- brauche und sitten mit denen unsers alterthums zusammen zu halten, unser volk hat keine engen kästen ertragen, wol aber stände und genossenschaften erzeugt, die freier gestaltet jenen kästen zur seite stehn. der scado und sceada, skadi ist den buchstaben wie der bedeutung nach ein xatra, xatrija, krieger, 83 held, fürst, sanskr. x entspricht öfter unserm sk; xi laedere, occidere gleicht jenem altn. ska; xira aqua, lac vielleicht dem goth. skeirs limpidus; xur rädere, scalpere dem ahd. sceran ton- dere; xag ire vielleicht dem goth. skevjan, sicher aber wird xatra oder xatrija, nach allem was ich voraus geschickt habe, richtig allein abgeleitet von xata vulnus, und der lautverschie- bung gemäsz steht das t dem goth. th, ahd. d zur seite. xatra bedeutet nur nicht vulnus servans von tra, vielmehr zu xata mag ein ri iens getreten sein, so dasz darin läge vulneratum iens, vulnerans, oder vulnus dans, da die begrifte ire und dare sich begegnen, der xatrija ist ein ahd. scadari, goth. ska|>areis, litth. iszkadorus, iszkaddarrys Schadenstifter.

ÜBER EINE AHD. ABKÜRZÜNGSWEISE.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, bd. 1. 1S52. s. 96.

Heutzutage beim abkürzen pflegen wir passend nur die % anlaute bekannter Wörter zu schreiben (u. für und, d. i. für das ist, u. s. w. für und so weiter, xtX. etc., in welches letzte doch

J. ORIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 22

338 ' ÜBER EINE AHD. ABKÜRZUNGSWEISE.

das ganze et aufgenommen wurde) oder die vocale wegzulassen (vgl. für vergleich, cf. für confer). in ahd. handschriften finde ich aber umgekehrt zuweilen den auslaut gesetzt, was bei der fülle der alten flexion für geläufige ausdrücke des textes, die sich jeder leser leicht ergänzen kann, vollkommen zulässig er- scheint, so steht in den hymnen p. 17 über dem lateinischen flebat blosz ein ta, über fortiter blosz ein cho statt weinöta und starchlicho. den umständen nach würde tun flebant, ti fleret, oder wie es der Zusammenhang fordert die flexionen andrer verba ausdrücken, besonders häufig tritt dieses verfahren in der S. Galler handschrift der keronischen Benedictusregel ein, wie man aus dem druck bei Schilter und den berichtigungen in Grafis Diutiska 3, 199 S. ersehn kann, z. b. tin bezeichnet truhtin, nan truhtinan, ne truhtine; ich weisz nicht, ob irgend auch lateinische Schreiber des mittelalters us für dominus, um für dominum, o für domino verwandt haben,- natürlich in fällen, wo kein zweifei über den sinn statt finden konnte.

Auf diese Schreibergewohnheit mich stützend habe ich eine verzweifelte malbergische glosse zu emendieren gewagt und (vorrede s. LVI) reabtena gedeutet wäre abtena = fuisset retro. so schreibt auch im salischen gesetz XX, ] ein codex min für chamin und LH, 1 scheint tauthe für tanthe, dies für necthanteo gesetzt ; bei genauer aufmerksamkeit wird sich mehr dergleichen entdecken lassen.

ÜBER EINE CONSTRUCTION DES IMPERATIVS.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, bd. 1. 1852. s. 144—148.

144 Die einstimmung der urverwandten sprachen in ihren lau-

ten und flexionen hat man vielfach und fruchtbar gewiesen; es kann nicht befremden, dasz auch in syntactischen Verhältnissen ein zusammentrefien stattfinde und ich will hier eine merkwür- dige, noch unbeobachtete ähnlichkeit zwischen dem griechischen und althochdeutschen vortragen.

Bei den dramatischen dichtem der Griechen pflegt hinter oMa der imp. aor. I. zu folgen, zwar aus Aeschylus entsinne ich mich keiner stelle, doch Sophocles sagt:

Oed. t^r. 543 oTa{>' a>? Tcotrjaov; und öfter Euripides:

Hec. 225 olaÖ' o5v 8 Spaaov; desgl. Hei. 315. 1233. Ion. 1029. Iphig. Aul. 725,

Heraclid. 451 aU'.oM' o fioi ö6[nrpa$ov;

Aristophanes pax 1061 dXK' oTa»' o Spaaov;

ÜBER EINE CONSTRL'CTION DES IMPERATIVS. 339

Hermippiis comicus (fragm. com. 2, 400) oTtjOot vüv o jxoi

Menander f'ra^ni. ine. 298 (fragm. com. 4, 297) oM' Z Tt roiYjaov; Diese fügiing ist also ganz attisch und bei Homer keine spur davon; doch sclieint sie auch den prosaikern abzugehn, wenigstens haben mir Pluto und Lucian keine beispiele darge- boten, sie musz gleichwol früher im lebendigsten gebrauch ge- wesen sein.

Eh ich mehr darüber sage, will ich nun anführen, was ihr im althochdeutschen entspricht.

Otfried IV. 19, 49 sagt: sis bimunigot, thaz thu unsih nu gidua wis, und eine in Wackernagels Wessobrunner gebet s. 69. 70 abge- 145 druckte beschwörungsf'ormel :

ich bimuniun dih suam pi gode jouh pi Christe, daz tu niewedar ni gituo, noh tolc noh tot houpit. munigon, munion, ags. mynegian ist beschwören (mythol. s. 1178). Gleich solchem gidua und gituo musz aber auch in einer andern stelle Otfrieds IV. 24, 6 der imperativ läz gefaszt werden thih zihen unhuldi bi michileru sculdi, thaz thu sus laz in heila haut thes keisores fiant, wir zeihen dich, ruft dem Pilatus, als er Christum losgeben will, die menge der Juden zu, wir zeihen dich mit groszem recht der kaiserlichen Ungnade, dasz du seinen feind frei lassen (in heile band lassen) willst, mit aller mühe habe ich in den übri- gen ahd. quellen keine belege mehr, zumal bei N. nicht, auf- treiben können.

Durch die reicher flieszenden mhd. wird der Sprachgebrauch sich noch fester bestätigen und verdeutlichen :

fundgr. II. 93, 39. 95, 4 ich sage dir rehte, wie du tue. kaiserchr. 1290. 11194 ich sage dir, herre, wie du tuo. 4697. [5718.] 6070 ich sage dir, herre, waz du tuo. Diemer 109, 22 ich sagi dir rehti wie du (tuo). Rol. 90, 2 ich sage dir rehte wie du tuo.

14, 22. 16, 21. ich sage dir, herre, wie du tuo. Trist. 86, 6 ich sage dir, Tristan, waz du tuo. Engelh. 343 ich sage dir rehte wie du tuo.

[4232 friunt, ich sage dir waz du tuo.] Dietr. 2945 ich wil dir sagen waz du tuo. Kolocz. 121 ich wil dir sagen waz du tuo. altd. wäld. 3, 218 ich sage dir, snecke, waz du tuo. Troj. 7997. [8012] ich sage dir, tohter, waz du tuo. Ernst 5294 ich wil dir sagen waz du tuo. Eracl. 3186 ich wil dir sagen wie du tuo. Maria 185, 37 wir sagen dir waz du tuo.

22*

340 ÜBER EINE CONSTRUOTION DES IMPERATIVS.

[GA. 1, 239. LS. 2, 370 ich sage dir, knappe, waz du tuo.

Silv. 3352 ich sage dir rehte waz ich (1. du) tuo.

kindh. Jesu 87, 65 (Feifal. 584) und sag dir me waz du tuo.

hundesnot 154 ich will dir sagen waz du tuo.

Wolfdietr. u. Sahen 276. 353 ich sag dir waz du tuo.]

Herbort 8435 weistu, son, waz du tuo.

Morolf 689. [1434] wizze waz du tuo.

Gudr. 149, 2 ich rate dir waz du tuo.*

[Hartm. 1. büchl. 737 von diu vernim, lip, waz du tuo. 1541 und merke waz du tuo.]

Alle diese tuo stehn im reim und erlangen dadurch volle gewähr, niemand wird wähnen, dasz dem reim zu gefallen gegen die spräche gesündigt und tuo für tuos oder tuost gesetzt wor- den sei**; der richtige imperativ war im gebrauch sicher be- gründet, doch scheinen ihn einzelne dichter absichtlich zu meiden, namentlich Wolfram; kam er ihnen irgend fehlerhaft 146 vor? oder war er blosz ihrer landesmundart ungeläufig? nach Otfried zu schlieszen könnte er mehr rheinisch, elsässisch als bairisch gewesen sein, wozu denn sein vorwalten im Rolands- lied und der kaiserchronik stimmt, doch hat ihn auch Wernher in der Maria und der dichter bei Diemer. man sollte jenem 'ich sage dir waz du tuo' längeres leben zutrauen; später als das dreizehnte Jahrhundert ist es aber ausgestorben und selbst bei den besseren volksmäszigen Schriftstellern der folgenden zeit keine spur mehr davon anzutreffen; wie in der attischen prosa das opaaov und -KOt'/jaov nach oiaöa erlosch, vielleicht aber spricht der gemeine mann noch heute, ohne dasz man darauf merkt, in einzelnen gegenden: ich sage dir was du thu.

Noch weniger gelingen wollen hat es mir bei mhd. dich- tem ein dem otfriedischen läz entsprechendes läz oder aufzu- spüren, da man doch meinen sollte, dem rath zum thun könne

* zu dieser stelle hält schon Ziemann 1835 die stellen aus Sophocles und Euripides.

** wie wil für will gramm. 1, 884. vgl. aber: der kneht sprach im zuo luoget waz ir tuo, für tuot. LS. 2, 413, wo vielleicht zu bessern: luoge waz du tuo. und andrerseits: ich sage dir, Singüf, waz du tuost. MSH. 3. 65*. ags. vite pät pn svä do. Lye s. v. vitan, für doe, und dies für doest? in: ■wä der man niht striten kan, da von, daz ist guot getan. Ernst 1645. kann imp., aber auch 3. sg. conj. sein, stehen könnte der conj. statt und neben dem imp. gramm. 4, 85. 177. beispiele derselben wendung in den an- dern Personen: 1. sg. ich sage iu waz ich tuo. Er. 632. ja enweiz ich waz ich tuo. Gudr. 1209, 1. und rät mirz wsegest waz ich tüo. Parz. 422, 17. ach hebes weib rat wie ich thu. Keller erz. 115, 23. 3. sg. irn hoert alrerst waz er nu tuo. Parz. 333, 18. nu hoert waz iesHchiu tuo. 234, 30. nu luo- gent waz diu frouwe tuo. Kunz Kistener 190. du sage minem liute wie ez *"•'• pf^ffenh^S. (altd. bl. 1, 217.) 1. pl. nu ratet helde wie wir tuon. Dietr.

•KT-K iar;'rF '^^ ^^^ ^"' ^^^^^■> "^^^ ^^ ^uot. LS. 2, 527. ich sage wie ir tuot. X^ib. 1350, 1. 3. pl. nu hoeret waz sie tuont. kröne 9487,

ÜBER EINE CONSTRUCTION DES IMPERATIVS. 341

ein nith zum lassen gegenüber gestanden haben ^. auch der griechische sprucligebrauch setzte dem obb' 8 opaotov, roir^aov, TTpacov kein oiaU' ö lasov an die seite. aber dem otiD' Z opaaov gleicht unser mhd. weistu waz du tuo aufs haar, ein ahd. weist waz tuo läszt sich voraussetzen, ein goth. vaist hva tavei, ein ags. vast hvät allenfalls mutmaszen, wenn sie auch in den Sprachdenkmälern nicht den geringsten anhält haben, und nur die hochdeutsche mundart mit der griechischen einstimmt, die deutsche spräche geht sogar darin weiter als die griechische, dasz sie den imperativ auszer nach weist auch nach ich sage dir, rathe dir und andern Wörtern zuläszt: ein gr. Xs^to ao\ 8 opaaov, so denkbar es wäre, hat niemand gelesen.

Völlig unerhört wäre ein lateinisches sein' quid fac, und mit unrecht halten die grammatiker zu der griechischen rede- weise das plautinische tange, sed sein quomodo? aus Kudens III. 5, 18, denn der vorausgehende, unabhängige imperativ be- greift sich von selbst, und ihn können wir auch nhd. noch eben so setzen, so wenig im griech. auf otofUa irgend ein an- drer imperativ auszer opaaov, iroiTjcfov, izpa^fjv, d. h. von Wörtern des begriffes thun, folgen dürfte, würde auch nur lat. fac oder age, kein andrer imp. in betracht kommen.

Wie ist nun überhaupt die ganze redensart aufzufassen? es soll ein rath ertheilt werden, den sie einleitet, und der in 147 einem gewöhnlich nachher folgenden weiteren imperativ be- stimmt ausgesprochen wird, heutzutage pflegen wir in solchem fall vorauszusenden: weist du was du thust, oder: ich will dir sagen was du thust; die alte lebendigere spräche stellt aber dies vorausgehende thun schon in den imperativ, ohne zweifei hätte auch der Grieche sagen können: oh\\' 8 opocssic;, der Alt- deutsche weistu waz du tuost oder tuos, wie z. b. bei Plato im Protag. 312 steht oiai)a ouv 8 jxsXXets vuv Trpaxtsiv; Suidas, dem vielleicht jenes -oiV^aov bei Sophocles anstöszig war, schreibt da- für s. V. oiaba lieber TroiVjtKuv ^, welches partic. fut. zwar sinn gibt, aber keinen so guten wie der imp. TrotTjctov. bei Eurip. Med. 600 und Cycl. 131 findet sich wirklich oiaf^' ouv 8 opaasi?; überall wird hinter dem Öpacrsi; oder opaaov eine frage ange- nommen, man könnte sie lieber ohne frage denken, wie jene mhd. ich sage dir waz du tuo nicht fragen.

Die von Hermann zu Viger p. 739 gebilligte bentleysche deutung des oh\y 8 öpaotov durch ein umgedrehtes opasov. otorH' ? scheint mir also nicht die richtige, es ist etwas anders zu sagen: weist du was du thust und: thu, du weist was, ob es gleich obenhin denselben sinn geben mag. die spräche geht

' die begriffe des thuns and lassens rühren vielfach aneinander, wie z. b. die Franzosen unser lassen häufitr durch faire übertragen, [min tuon oder min läzen. Parz. 405, 14. tuon und län. Hätzl. 21'.]

* er sagt: 2!ocpoxXf^; oIcO' lö; 7:oti^5tov. ävrl toü ^:o^i^<st^i drrtxdis.

342 SAGARA.

aus der indirecten, abhängigen rede höchst rührsain in den un- mittelbaren imperativ über; stelle ich den imp. voraus, so hört dieser schöne Übergang auf.

Nur darin ist die griechische spräche feiner als unsere, dasz sie für solchen imperativ nach ot3i>a den ersten aorist for- dert, weder das praesens noch futurum zulassen würde, bestim- muncr des aorists war es aber ein dauerloses, einmaliges handeln zu bezeichnen, was die Slaven durch ihre perfectiven verba ausdrücken, während ihre imperfectiven verba mehr dem fort- dauernden begrif des praesens entsprechen, weshalb prohibi- tionen durch den griech. imp. praesentis und durch slavische imperfectiva gegeben werden, jener rathschlag aber gieng auf einmaliges thun.

Unsere redensart setzt überall den imperativ zweiter persou voraus und alle angezogenen beispiele enthalten dessen singu- laris. der griech. pluralis wäre denkbar, z. b. ein oi'oaTS o,ti opa- aa-£, wofür ich doch keinen beleg kenne; in deutscher spräche 148 fällt die gestalt der II pl. imp. und ind. zusammen, dem tuot wäre also nicht anzusehen, welchen modus es ausdrücken soll.

Das ahd. bimunigön schlieszt einen dringenden, feierlichen rath in sich, die stelle aus O. IV. 24, 6 hat ihre Schwierigkeit, zumal auf den imp. läz zwei zeilen darauf ein conjunctivisches läzes folgt und dieser dichter mehr als einmal in constructionen sich verwickelt, aus welchen er nicht heraus kann.

Den gr. belegen aus Aristophanes siiid noch drei ola^' ouv 8 Spaaov beizufügen, av. 54. 80 und equit. 1158.

SÄGARA.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, bd. 1. 1852. s. 206 210.

206 Unter allen zungen unserer spräche nur in der angelsächsi-

schen anzutreffen ist der ausdruck gärsecg, womit überall das grosze meer oder der ocean bezeichnet erscheint, den alten gedichten besonders geläufig (Beovulf 97. 2024, Csedmon 8, 1. 195, 24. 199, 27. 205, 3. Andreas 238. 392. cod. exon. 427, 18) gieng er auch hin und wieder noch in die spätere prosa über und namentlich bedient sich seiner Alfred in der bekannten Weltbeschreibung, das wort zu deuten hat aber bedenken ge- kostet, Kemble im glossar zu Beovulf sagt nicht uneben: lite- rally homo jaculo armatus, a name for the ocean, which is probably derived from some ancient myth, and is now quite unintelligible. allerdings ist gär sper und secg mann; doch be-

SAGARA. 343

zeichnet das ags. secg, engl, sedge aucjh ein spitzes ried oder schilf und dieser begrif scheint hier vorzugsweise anzuwenden, das meer kann nach dem schilt", der seinen Strand, stellenweise seine Oberfläche bedeckt, genannt sein, vielleicht auch von einer bewencunjx der wellen ähnlich der des im winde sich kräuselnden Schilfes oder des wogenden getraides. ich habe schon in Haupts Zeitschrift 1, 578 [oben s. 89] stellen angeführt, in welchen alga (ßpuov ftaXacjatov) und ulva auf den ocean bezogen sind, wozu man auch den bericht des karthaginiensischen Himilco in Avie- nus orae maritimae 117. 378. 380 halte; bekanntlich verdeutscht Luther das rothe meer nach dem hebr. bär-suph d. i. algarum mare stets durch schilfmeer, die vulgata hat mare rubrum, dem lutherischen text folgend gibt die littauische bibel nendrü (oder szwendrü) mares, von nendre (szwendre, lendre) schilf den alten schien der arabische meerbusen mit gesträuch erfüllt, in mari rubro silvas vivere drückt sich Plinius 13, 25 aus. aber auch altn. Oegir: hüs sanda ok Jiängs, mare, domus arenarum et algae, altschwed. bera skiold yfir Jjang ok pangbrecku.

Ich darf mich von dem worte secg nicht entfernen: durch das vorgesetzte gsir empfängt es passende zuthat, die entweder seinen begrif nicht abändert oder die scharfen, schneidigen ecken des Schilfs hervorhebt, so sagen wir heute noch spieszgras ca- rex acuta und so wurde das ags. leäc in gärleäc, altn. geirlaukr allium verstärkt, weil das lauch gleichfalls in spitzen ausgeht, und mau componierte auch secgledc, engl, sedgeleek.

Dem ags. secg entspricht irisches seisg, mit gewöhnlichem Übergang des s in h welsches hesg oder hesgen, armorisches 207 hesk, immer ein scharfes röhr oder ried bedeutend, auszerdem gilt für ried und ginster ein irisches und gaelisches cuilc oder giolc, welches mir nichts anders als das lat. carex caricis, mit Verwandlung des r in 1 zu sein scheint, als name für die fünf- zehnte angelsächsische, hs oder chs = x ausdrückende rune findet sich aber eolugsecg, eolx, glossiert papiluus d. h. papy- rus, ägyptischer schilf, und eolx ist jenes giolc; die Zusammen- setzung eolugsecg enthält demnach nicht mehr als jedes der sie bildenden einzelnen Wörter.

Aus dem geläufigen ags. gärsecg folgere ich fast mit Sicher- heit, dasz auch altn. geirseggr, alts. gersegg, ahd. gersegg oder kersegg für oceanus gegolten haben müsse, dies wird mir sogar durch den Ortsnamen Brinseggeswang in einer Urkunde von 804 (Dronke trad. fuldens. no. 219, bei Pistorius 2, 58 von 802) be- stätigt, brima bedeutete myrica (GraÖ" 3, 305), genus humilis virgulti, das compositum brimsegg ungefähr dasselbe, das ags. brira wiederum mare, aequor. noch jetzt, wird in niederdeut- schen gegenden segge für carex, in Baiern saher, säher, sahr (Schmeller 3, 21G) vernommen, ahd. sahar (Graff 6, 148), und nun wage ich auch die ahd. benennung des Scheiterhaufens

344

SAGARA.

saccari^ hierher zu ziehen, insofern er aus röhr und binsen ge- flochten wurde, wir erfahren dadurch eins von den certis lignis bei Tacitus weiter, und wie der begrif von carex in den von myrica übertreten kann, reicht das skr. trina (Bopp 156^) zu- gleich an gramen, arundo und buchstäblich an dorn.

Aber eine viel wichtigere Übereinkunft mit dem Sanskrit musz uns auffallen; gleich dem ags. gärsecg, und falls ich recht vermutete schon gleich dem einfachen secg und ahd. sahar, be- zeichnet auch das skr. sägara den ocean (Bopp s. STS"*), ohne dasz dabei die Vorstellung eines rohrs oder Strauchs irgend überliefert wäre, von diesem männlich gedachten sagara geht jedoch folgende indische sage, deren mittheilung ich Kuhn ver- danke.

Die devas lagen in kämpf mit den kaleyas, einem asuren- geschlecht. die kaleyas flüchteten ins meer, wo ihnen jene nichts anhaben konnten, deshalb nahten die götter dem Agastya und baten ihn das meer auszutrinken, der auch ihre bitte erfüllte; auf diese weise vernichteten sie die kaleyas. als sie ihn darauf baten das meer wieder zu füllen, erklärte er, dasz ihm dies 208 unmöglich sei ; die devas giengen nun zu Brahma und trugen ihm denselben wünsch vor. Brahma sagte, nach langer zeit werde der ocean durch den Bhagiratha wieder in seinen frü- hern zustand zurückkehren, einige zeit darauf lebte nun im geschlechte des^Ixväku ein könig namens Sagara, der von einer gemahlin Vaidarbhi 60 söhne, die Sägaras, von einer andern der Qaivya hingegen nur einen söhn hatte. Vaidarbhi gebar nemlich einen kürbisz, dessen körner der vater in butterfässer steckte, aus welchen die Sagariden hervorgiengen. nun geschah es einmal, dasz Sagara ein pferdeopfer bringen wollte und das heilige pferd sich losgerissen hatte, er sandte seine 60 söhne aus es zu suchen, die Sägaras machten sich auf, durchstreiften und zerwühlten die ganze erde, bis sie endlich zu dem welt- elephanten unter der erde gelangten und dort das pferd in der nähe des Kapihi oder Vasudeva oder Krishna fanden, diesen angriffen, von ihm aber zu asche verbrannt wurden, ein vom söhne der Qaivyä abstammender nachkomme des Sagara voll- brachte später, dasz er die Gangä vom himmel herab und ihr Wasser auf die aschenhaufen seiner vorfahren leitete, um ihnen das todtenopfer zu bringen und sie des svarga theilhaftig zu machen, so ftillte sich der ocean wieder und empfieng von den Sagariden den namen sägara.

Dieser mythus, wie er sich unvermerkt den vorausgeschick- ten nachrichten anzuschlieszen scheint, gestattet neue combina- tionen. Wilson hat für sägara noch die bedeutung a sort of deer und für sagara als adj. die von poisonous, im alten glossar des Yäska steht aber sagara unter den die luft bezeichnenden

' über das verbrennen der leichen s. 30. 41. 59.

SAGARA. 345

Wörtern und kommt im Samaveda ftir nieer vor, da manche Wörter, welche die vorstelhiiifij Infi enthalten, zugleich meer ausdrücken, das alles mag dahin gestellt bleiben, wir dürfen, sobald etymologie und sage da/,u rei/.en, auch im sanskrit ver- schollene Wortbedeutungen rathen und von neuem walten lassen.

Wie nun wenn selbst in dieser uralten spräche sagara an- fönglich röhr bedeutet hätte? könig Sagara ist dem geschlecht des Ixvjiku entsprossen und ixu drückt gerade röhr aus (Bopp S?**); das geschieht in den stammsagen häufig, dasz den namen des Vaters die der söhne mit andern worten wiederholen, des Sagara gemahlin hiesz Vaidarbhi, d. i. sie war aus dem lande Vidarbha, wie aus gleicher Ursache Damajanti des Nala gemahlin den beinamen Vaidarbhi führte, die grosze menge ihrer aus den kürbiszkernen wachsenden söhne (der mythus redet nicht nur von 60, sondern von 60,000) gleicht dem gedrängt stehenden 209 schilf im meer. des Sagara söhne heiszen Sagaras (Schilfinge) mit verlängertem laut, wie wir eben aus Vidarbha den namen Vaidarbhi hervorgehen sahen, wie des Visrava söhn Vaisravana, des Bhima und Drupada tochter Bhaimi, Draupadi genannt sind, das meer selbst, dessen ausgetrockneten boden die überströ- mende heilige flut neu erfüllte, empfieng denselben namen sagara, weil die Sagariden in ihm verbrannt lagen, aus deren mit- erquickter asche nunmehr dichtes schilf emporstieg, ist es nicht wunderbar, dasz eine spur der indischen sage in dem angel- sächsischen namen gärsecg für den ocean fortdauert? ich habe nichts dagegen, dasz man auch das ags. secg, alts. segg, altn. seggr = vir auf die schilfmänner (wie den Askr auf die esche) zurückleite, da sich eben keine genügende etymologie auszer- dem dafür bietet, ein andrer Überrest darf aber in jenem ahd. saccari rogus gesucht werden; wie die Sagariden vom feuer verzehrt werden, aus ihrer asche schilf sprosz, scheint uralter Volksgebrauch den Scheiterhaufen sonst aus dorn, hier aus röhr und binsen geflochten zu haben.

Ixu heiszt ausdrücklich arundo saccharifera. man hat griech. oax/ap aax)(<zpov, lat. saccharum saccarum, franz. sucre, engl, sugar, nhd. zucker bisher etwas unbequem auf das skr. ^arkara glarea zurückgeführt (Bopp 345'' Lassen ind. alt. 1, 270); wenn sich bewähren sollte, dasz sagara röhr bedeutete, so wäre die ableitung davon unmittelbar leichter, und eben so wenig brauchte gagori (Lassen 1, 264) aus ^arkarä entstellt zu sein, das pra- krit hat sakkara.

Ich weisz nicht, ob die indische poesie auf versüszung des salzigen und bittern meeres irgend zu reden kommt, abgesehn von ihrem aus dem ocean ge(|uirlten kostbaren amrita. unsre alten dichter melden, dasz ein minnender liebling meer und feld schon mit einem fusz oder einer zehe, die hineingeworfen wurde, sösz mache:

346 KOLAHALA.

Wolfr. Wilh. 62, 11, solch süeze an dinem libe lac, des breiten meres salzes smac müeste al zuckermaezic sin, der din ein zehen würfe drin. daselbst 88, 1. aldä der minnaer lac erslagen daz velt solde zucker tragen al umb ein tagereise. MSH. 3, 442*^. kaeme sin inz mer zwo zehen 210 ez müeste deste milder wesen.

GA. 1, 457. ir güete was so süeze, und waeren ir die vüeze komen in des meres vluot, daz mer das waere worden guot von ir vüezen reinen und von ir wizen beinen;

so hätte auch ein in röhr verwandelter die flut versüszen kön- nen, und warum sollten nicht die Verwandlungen der mytho- logie sich auf manigfalten wegen mit den geheimnissen der spräche durchdringen?

KOLAHALA.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, bd. 1. 1852. s. 210. 211.

210 Bekannt genug ist, dasz im alterthum pflüg, wagen, brücke

als belebte thiere gedacht, mit haupt und schwänz ausgestattet wurden; bei dem pflüg aber kamen zumal der reiszende wolf, das aufwühlende schweiu in betrachte nun findet sich bei Bopp 86^ kolähala mit der bedeutung tumultus, strepitus, fre- mitus angegeben, in dessen erstem theil deutlich kola aper ent- halten ist, hala aber pflüg ausdrücken könnte, obgleich Benfey 2, 280 auch ein ähnlich gebildetes halähala hat, welches schlänge, gleichsam das sich ringelnde thier bezeichnet, wie der pflüg sich durch die erde ringelt, liesze für kolähala die Vorstellung eberpflug sich behaupten, die hernach in den begrif eines grun- zenden, lärmenden pflugs, endlich des bloszen grunzens über- getreten wäre; so hätte ich wieder einen noch unaufgeklärten ags. ausdruck nahe zu vergleichen.

' geschichte der deutschen spräche s. 56. 57, auf welcher letztern seite nur das malbergische diramni zu streichen ist, worin nichts als Schreibfehler lur chramni steckt (lex salica p. XVII. LXIX und II, 1). dagegen heiszt in der _we sehen spräche das schwein twrch d. i. wühler von turio wühlen, bre- tagnisch turia fouir ou tourner la terre en parlant des porcs et des taupes.

FRAUENNAMEN AUF NIWI. 347

Unsere glossen nemlich liefern für das gestirn des Orion, welches sonst auch, gleich der ursa major, wagen und pflüg zu heiszen pflegt \ den seltsamen namen eburdrung, ehirdring, ebirthiring (mythol. s. 689. 690) und diese form scheint noch mehr altsächsisch als angelsächsisch, da letztere eofordryng zu 211 lauten hätte, ebur, ebir ist unverkennbar aper, dryng aber ge- dräng, häufe; engl, throng, mlat. drungus globus miiitum von der Wurzel dringan promere irruere; es scheint, man dachte sich in der anhäufung dieser sterne eine anzahl tosender, knir- schender, wühlender eher, das ahd. luwaring = Euring, Iring (mythol. 332) hat wol mit eburdryng nichts zu schaffen, mit kola verwandt sein könnte das galische und irische cullach eher und an kolähala mahnt das irische culloid a great noise or rattling. die ganze hier gewagte Zusammenstellung würde aber erst halt gewinnen durch den mir wenigstens unmöglichen nach- weis, dasz auch das skr. kolähala von einer constellation gälte.

FRAUENNAMEN AUF NIWI.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, bd. 1. 1852. s. 429 434.

Das erste beispiel einer sicher weit älteren, noch unerklär- 429 ten form deutscher frauennamen, von der ich hier handeln will, kann ich aus dem sechsten jahrh. geben, in dem öfter und nach verschiedner *fassung abgedruckten testament des heiligen Remigius (f 583) findet sich Theodonivia oder Theudonivia, wo- für man fehlerhaft gelesen und gesetzt hat Theodonima und Theudovinia-, denn nivia empfängt schon bestätigung durch 430 Baudonivia, den namen einer nonne, welche das vom dichter Venantius Fortunatus abgefaszte leben der h. Radegundis ver- vollständigte. Radegund starb 587, Venantius Fortunatus etwa um 600, Baudonivia war seine Zeitgenossin und kaum viel jünger, derselbe name, wo nicht diesell)e person erscheint au(-h in einer Urkunde des siebenten jahrh., Mabillou no. 7 schreibt Baudo- nivia, Marini no. 76 Baudenivia. bei Pardessus no. 180 (a. 573) erscheint Baudonidia. in des Irmino polyptych s. \'2^ bieten sich dar Hildenibia, mit b für v. wie öfter um diese zeit: s. 209* Adalivia, was zu bessern ist in Adalnivia, denn Adalivia wäre unerklärlich, das alte fränkische v des 6. 7. jahrh. hat noch

' ahd. glossen geben pfluoc für Orion, das schottische pleuch aber ist ursa major, ebenso das ir. canicheachta pflüg und groszer bär.

- Pardessus no. 119 Tlieodmiiina. dagojion im testament des Bertramnus no. 230 (a. (315) p. 213 filii Theodoviniae, entweder derselben oder einer wenig späteren.

348 FRAUENNAMEN AUF NIWI.

die natur des gothischen oder lateinischen, und erst im lauf des 7. oder 8. bildete sich daraus das ahd. doppel-uu oder w, dem- es in den Wörtern entspricht.

Es sei hier gleich beigebracht, dasz auch in langobardi- schen Urkunden von 855 und 870 (Fumagalli 73. Lupi 1839) der frauenname Gotenia, Gottinia auftritt, wofür nach dem masz- stab der voraus stehenden formen ein fränkisches Godenivia zu erwarten wäre.

Wenden wir uns zu den ahd. Urkunden, die traditiones wizanburgenses unter no. 109. 110 und 154 von den jähren 782. 791 gewähren Hildiniuui und Godaniuui, beidemal ohne a, wel- ches nur in den alten rubriken steht: carta hildiniuua, carta gutharii et conjuge sua godaniuua. dies a verräth sich dem- nach als lateinische fassung und mangelt in deutscher form des namens, so dasz auch Theodonovia Baudonivia Hildenibia Adalnivia zu deutsch Theodonivi Baudonivi Hildenibi Adalnivi lauteten.

Neugarts alamannische Urkunden liefern wenig. no. 47 (a. 769) erscheint Cotaniuui, wofür no. 363 (a. 846) Cotiniu, worin das falsche Cotinui zu bessern ist, vorkommt, no. 88 (a. 784) Liupnia im accusativ, vielleicht verlesen für Liupniu, deren tochter Rotni daneben genannt wird, ich glaube Rötni = Rotniu, wo nicht Hrodniu, Hruodniu?

Desto reicher sind die fuldischen traditionen, die uns ins- gemein den gröszten schätz ahd. eigennamen bewahren, unter den mancipien werden, nach Dronkes ausgäbe, folgende genannt: 43iAdalniu 127. 388. 693; Albniuui 131. 455. Albniu 547; Be- rethniuui (1. Berehtniuui) 561; Biliniu 691; "Egilniu 530 1. En- gilniu, wie 113 steht; Frahniu (1. Ferahniu) 547; Fridiniuui (1. Friduniuui) 455; Gerniuui 504. 508. Gerniu 169; Gisalniu 693; Gotaniuui 508; Helidniu 127; Hiltiniu 169; Hruadniuui 555 und Hrundni 480 in Hruadni zu bessern; Intaniuui 531;. Leobniuui 100 (Leobuniuui 131), Liobniu 520; Otniuui 25, wo der dativ Otniuuo; Rätniuui 508 (Pistorius las 1, 127 Patniuui, nicht Patuniuui); Reginniuiii 223. 555; Rihniu 466; Ruomniu 702; Siginiu 169; Theotniuui 88. 379; Uodalniu 388; Waldniuui 131; Williniu 137. 379; Wolfniuui 517 = Wulfniu 547; Wul- darnm 419, wofür Wuldarnhiu 498; Zeizniuui 555. vielleicht habe ich noch einige übersehn, denn die ausgäbe hat kein re- gister und es ist mühsam unter mehrern tausenden alle namen- reihen aufzusuchen, die meisten Urkunden sind aus der zweiten hälfte des achten und aus dem neunten jahrh., wir sehn neben nmui diphthongisches niu abwechselnd, einmal in Hruadni QQ^^K^^x?^" schreibt auch Eberhard in seinen summarien 38, 57 Regmnm und 41, 6Q Reginni, doch misverstand war es, wenn er 38, 59 Reginniu et uxor ejus schreibt, als wäre Re- gmnm em mann, der name geht nothwendig auf frauen.

FRAUENNAMEN AUF NIWI. 349

Im codex laureshamensis begegnen : Albniii 3551 ; Crothni (1. llrothni) 749; Gurniii 25(). 1887; Gozuiu 724; Godeniu 2617; Herniu 346; Ililtdiniu 816; Oltniuui (1. Otniuui) 713; Osterniu 2248 51; Otnui (1. Otniu) 582; Ruotniu = Hruodniu 249, Rutniu 773; Self'niu 1286; Udalniu (1. Uodalniu) 475; Udal- niuwa 809 und im acc. Udilniuuen 716. hier herscht niu vor und niuui oder niuwi ist selten, einmal ni in Crothni. Godeniu entspricht dem Gotaniuui bei Dronke, dem Godauiuui bei Zeusz, dem Gotaniuui bei Neugart, dem langob. Gotenia und, wie wir gleich erkennen werden, dem bairischen Cotani, Gotani.

Nemlich alle bairischen Urkunden bei Meichelbeck, Ried, in der Juvavia und in den MB. geben solchen frauennamen nie- mals niuui noch niu, sondern immer blot^zes ni, welches doch ni zu sein scheint, wie in vielen Wörtern iu in i überspringt (mhd. pfiu und pfi, hin und hi, hiurät und hirat, nhd. heurat und heirat). ich will aber den belegen noch das handschrift- liche ni lassen, wo keine andere quelle angeführt ist, wird Mei- chelbeck gemeint: Adaini Meichelb. 475. tr. juvav. 154; Cotani 175. Gotani MB. 6, 363; Cozni 475. 562; Deotni 704. Diotni tr. juv. 154; Farani Ried 21 (a. 821); Gölni 1012; Helidni 190; 432 Hohni 213; Hrödni 144; Kisalni 143; Liutni 1107; Mahelni 453; Reginni 1093;Rihni tr. juvav. 145; Sigini 1011; Tagani 455. Tagini 1010; Waldni 178; Werdni tr. patav. 27.

Damit wird ein beachtenswerther unterschied für die ahd. dialecte gewonnen, Franken und Alamannen bildeten solche namen auf niwi und niu. Baiern auf ni, und auch die manches mit den angrenzenden Baiern gemein habenden Langobarden scheinen, wenn auf zwei stellen zu bauen ist, nia d. h. ni zu verwenden, jene fränkische Theodonivia wird zur alamanni- schen Thiotniwi Diotniu, zur bairischen Deotni; die bairische Reginni, alam. Reginniu würde den alten Franken des 6. jahrh. Raginonivia, Ragnonivia gelautet haben.

Seit dem eilften jahrh, ungefähr sind aber alle diese ge- fügen und woUautigen frauennamen wie weggeblasen und zeigen sich gar nicht mehr, die letzte spur wäre etwa die mulier Go- tine MB. 29'', 261 (das jähr unbestimmt) zu Passau, ein erbli- chenes Gotani; noch weniger in mhd. denkmälern die spur eines Goteniu Adelniu Üedelniu Regenniu, die doch den dichtem ftir den reim willkommen gewesen wäre, geschweige dasz irgend ein -neu oder -nei in nhd. geschlechtsnamen sich verkrochen hätte, seltsam wandelt Caspar von der Rhön im Dresdner hel- denbuch 18. 20 den männlichen namen Otnit in Ortnei : bei, sei, was ganz einem weiblichen Ortni, mhd. Ortniu, ahd. Ortniwi entspräche.

Unter den Sachsen scheint diese namensbildung überhaupt unüblich gewesen zu sein, die Corveier traditionen müsten doch wenigstens ein beispiel davon aufzeigen, auch die ags. urkun-

350 FRAUENNAMEN AUF NIWI.

den gewähren keine, hier würde man den ausgang neov oder niv erwarten, z. b. für ahd. Alpnin, Gernin ein Älfneov, Garneov.

Um so mehr zu verwundern ist dieser mangel, da die altn. denkraäler solcher namen, wie sie den ahd. genau gleichen, voll sind, ich begnüge mich mit folgenden beispielen, die sich noch beträchtlich vermehren lassen werden, fornaldar sögur und Islen- dinga sögur ergaben die meisten: Alfny = ahd. Alpniu; Asny; Dagny = ahd. Taganiu; Eyrny; Fastny; Geirny = ahd. Gerniu; Gudny = ahd. Gotaniu; Hagny; Laekny; Oddny, wofür auch Orny, auf Ordny weisend; Signy = ahd. Siguniu; Veny landn. 2, 25; Thorny. einmal, fornald. sog. 3, 406 auch Ednyja f. Edny. aus Signy, Hagbards geliebter, die schon bei Saxo grammaticus Sygne heiszt, machen die schwedischen und dänischen volkslie- 433 der Signil, Signild, Signelille, unser heldenbuch Sigelint (mythol. s. 1215); sonst ist auch den neunordischen sprachen die namens- form ny erloschen, unser mhd. Sigüne war früher Sigunia, altn. Sigyn, welches von Signy zu unterscheiden, und ahd. Sigunia wäre nur abgeleitete, Siguniu aber zusammengesetzte bildung, aller scheinbaren ähniichkeit zum trotz ständen beide von ein- ander ab.

Überschlägt man die ansehnliche zahl der aufgeführten frauennamen ^, die sich im mittelalter erschöpfte, so kann nicht gezweifelt werden, dasz sie früher, also in den ersten jahrh. unsrer Zeitrechnung und darüber hinaus noch weit gröszer war. wie das frauenleben stiller verflieszt, war eine menge üblicher frauennamen aufzuzeichnen gar kein anlasz, auch unter den zeugen unserer zahlreichen Urkunden würden wenige begegnen, nur das aufzählen der mancipien im achten und neunten jahrh. hat sie zum groszen theil gerettet, wer nach ahd. frauennamen sucht, musz die mancipienreihen durchgehn.

Was nun nivia niwi niu ny in solchen frauennamen aus- drücke und bezeichne, scheint an sich oflfen zu liegen, sie ge- hören zu unserm neu, ahd. niwi niuwi, altn. nyr, goth. niujis, novus; doch die Vorstellung der neuheit wird man nicht darin gefühlt haben, und schon die Baiern, welche niu zu ni werden lieszen, schlössen den gedanken an neu aus.

Da aber das griech. vioq nicht blosz neu, sondern auch jung bedeutet, 6 veo? den Jüngling, veot die freier, veavta? den Jüng- ling, verkleinert vsaviaxo?, vsovujicpo? den bräutigam und neuver- mählten, vETjVt? eine Jungfrau bezeichnet und unser alt nicht nur den gegensatz von neu sondern auch von jung ausdrückt, seit gamal auszer gebrauch gerathen ist; so darf man vermuten, dasz unser nivia niwi niu vor alters einfach den begrif einer Jungfrau, eines mädchens enthielt, wenn die Jägersprache neu für den frischgefallnen schnee (ich lasse den anklang von nix,

zum rechten beweise, wie ungenügend Graff für alle ahd. eigennamen ist; er hat unsere völlig übersehn und nirgends aufgeführt.

BAUDO. 351

it. nove dahin gestellt), die altnordische ny für neumond, neu- licht verwendet, warum sollte nicht das hlopze niwi niuwi ein junges mädchen aussagen? im skr. tinde ich neben nava novus navja juvenis, im sl. neben nov" novus, im litt, neben nawas und naujas novus kein wort verzeichnet, das auf jung fiihrt. das finu. neito und neitsi virgo, sponsa, estn. neitsi, läpp, neit, nic'id virgo, ja das grönländische niviarsiak virgo und nutak 434 novus könnten im weitereu kreise sich berühren, wenn man nicht vorzieht zu neito das goth. nij)jö ou^Ysyr;?^, lat. neptis, welsche nith, armor. nizez, ir. nigh neptis, filia zu halten.

Noch blieb ungefragt, wie Theodonivia auf gothisch gelautet hätte? Thiudanivi antworte ich, und nivi substantivisch gefaszt wie |)ivi ancilla, mavi virgo, deren genitive f)iuj6s maujös auch niujos nach sich ziehen, der acc. sg. aber würde sein niaja wie })iuja mauja. dadurch bestätigt sich der oben gemutmaszte fränkische nom. nivi, während der acc. nivia haben dürfte, beide casus in dieser declination sind groszer vermengung ausgesetzt, aus dem ahd. niwi niuwi niu ergibt sich, dasz wenn ein gen. sg. niwiö niwo oder niwiä niwä, analog dem niujos erwartet werden kann, auch das ahd. diwi diu ancilla den gen. diwio diwö oder diwiä diwä bildete, was durch die bei Graff 5, 89 unter b angeführten formen sich erweist, allmälich warf man aber diu, also auch niu in die i-declination und bildete den gen. diwi niwi, acc. diu niu wie den nom. statt des besseren diwia oder diwa, niwia oder niwa. die substantivische, nicht adjectivische declination von niwi liefert, wie mich dünkt, einen grund mehr für den Übergang des begrifs der neuheit in den der Jugend.

BAUDO.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, bd. 1. 1852. s. 434 438.

Der zweite unter den beigebrachten namen war Baudonivia, 4M dessen erster theil gleichfalls erörterung begehrt; schade dasz diesem alten fränkischen frauennamen keine spätere gestalt sicher an die seite tritt, denn Patniuui bei Pistorius muste in Rätniuui geändert werden, für das baudo ergeben sich aber auch noch andere ältere und wichtige belege, indem es bald den ersten, bald den zweiten theil von eigennamen einnimmt, ja ganz allein stehend vorkommt, dies letzte scheint der fall beim namen eines in römischen dienst getretenen Franken, der im jähre 385 sogar als consul unter der benennung Flavius Bauto auftritt.

' und hier gliche das aus Pardessus angezogne Baudonidia für Baudonivia.

352 BAUDO.

Zosimus 4, 33. 53 schreibt ihn aber BotuStov, Symmachus 4, 15 Bautho, doch Ambrosius und Augustinus setzen Bauto. auszer- dem gewährt Greg. tur. 4, 3 den namen Baudinus aus dem jähre 54(). in zusammengesetzten mannsnamen nimmt aber baudes die

435 zweite stelle ein. Vopiscus in Aureliano 22 nennt einen Gotho- rum dux Cannaba sive Cannabaudes, der um 272 gegen die Römer streitend fiel und dessen wagen von vier gezähmten hir- schen gezogen wurde; Cannaba scheint die koseform für Canna- baudes. gerade so verhalten mag sich Genaba oder Genobon zum vollständigen Genobaudes, Atech und Genobaudes heiszen zwei fränkische könige, die sich im jähre 288 dem Diocletian und Maximian unterwarfen, wie Claud. Mamertinus im panegyr. 1, 10. 2, 5 meldet, hundert jähre später, 388 treten die Franken Genobaudes, Marcomir und Sunno auf, nach Gregor, turon. 2, 9. schwerlich sind Cannabaudes und Genobaudes verschiedne na- men, nur verschiedne Schreibung, wie Cannaba und Genaba bestätigen; wie wenn darin das alte Cannane Canine des volks- namens Canninefates steckte? das scheint sehr annehmbar und wir gewinnen nun bessere etymologieen für Genobaudes und Genoveifa, die nichts anders sind als Caninebaudes, Canineveifa. aus dem vierten jahrh. werden noch andere genannt. Baino- baudes, ein scutariorum tribunus a. 354 bei Ammianus Marc. 14, 11; cornutorum tribunus heiszt er a. 357 daselbst 16, 12, wiederum Franke in römischem dienst. Hariobaudes alamanni- scher könig, im jähre 359 bei Ammian 18, 2. Fl. Merobaudes bei Ammian 28 am ende, 30, 5 und 10 in den jähren 370. 375 erwähnt, den Römern dienend und a. 377 consul; gleichen na- men führt der bekannte dichter, welchem im jähre 435 die statua zuerkannt wurde. Mellobaudes oder Mallobaudes armaturarum tribunus a. 354. 355 bei Ammian 14, 1 1. 15, 5. doch 30, 3 a. 374 heiszt auch ein Frankenkönig Mellobaudes. Balchobaudes arma- turarum tribunus a. 366, ebendaselbst 27, 2. das fünfte jahrh. liefert auszer Genebaudus bei Pardessus no. 64. 65 (a. 499) kei- nen beleg, mehrere aber das sechste in den Unterschriften der concile und zwar im gen. sg.; Leudebaudis conc. turon. II. a. 567. paris. IV. a. 573; Winobaudis conc. autisiod. a. 578; Friobaudis ebenda a. 578; Theodobaudis conc. aurelian. III. a. 538; Theudobaudis conc. aurel. V. a. 549; Britobaudes in Re- migs testament a. 533 bei Pardessus no. 118; Leodebaudus bei Pardessus no. 172 (a. 566); Gariabaudus ebend. no. 180 (a. 573), welches gleichviel sein musz mit Hario oder Chariobaudus. im siebenten und achten jahrh. scheint die form baudus vorzuher- schen, der conventus attiniacensis von 765 hat Genbaudus f. GeQebaudus und so auch Remigs testament; Gregors mirac. Martini 2, 15 Merobaudus; bei Marini no. 145 a. 655 Theodo-

436 baudus; bei Miraeus tom. 3 p. 4 Genebaudus und Herlebaudus; tom. 1 p. 12 a. 748 Senobaudus, bei Hontheim p. LXI Sebaudus.

BAUDO. 353

Andere Zusammensetzungen zeigen das baudo im ersten theil. Baudastes coiic. aurolian. 111. a. 538 nach fränkischer weise für Baudogastes wie Leodastes f. Leodogastes; Baudigi- fiilus conc. matiscon. II. a. 585, Gregor, turon. 7, 15 schreibt Baudegisilus, das test. Bertramni a. 615 bei Pardessus no. 230 Baudechisilus; Baudoloifus im testam. Remigii no. 119, Baude- gisil und Baudeleif stehn auch in Gregors mirac. Mart. 4, 14. 17. Baudomeris concil. cabilon. a. 650; Baudacharius bei Marini no. 76; Baudulfus ebenda; Baudegundus und Baudasindus im test. Bertramni a. 615; Baudemundus bei Pertz 2, 185 und Mi- raeus 1, 8 a. 661; Baudovicus im test. Remigii no. 119, wofür ich lesen möchte Baudoricus. alle diese sind männlich, von weiblichen kommen vor, auszer Baudonivia, in Kemigs test. Baudorosena; bei Pardessus no. 137 (a. 541) Baudomalla und bei Marini no. 76 Bauderuna.

Wie nun das baudo fassen? an goth. bau|)S mutus, surdus kein gedanke und der ablaut bau]) von biudan hilft uns nichts, zuerst verfallen könnte man darauf, in dem au die nachher den romanischen zungen geläufige auflösung von al zu erblicken, Baudo wäre Baldo, Hariobaudes Haribald, Gundebaudes Gunde- bald; unleugbar sind auch Baldo Haribald Gundebald u. a. m. gangbare namen. doch will eine so frühe vocalisierung des 1 in u mir hier nicht einleuchten und auch noch anderes wird ihr entgegentreten, sonst entspricht das alte fränkische au dem goth. au, so in Austregisil, wo ahd. 6 eintritt und wirklich wird beim Venant. Fortunatus neben Baudvaldus geschrieben Laune- bodes und Bodegislus; wären diese, was ich bezweifle, zu be- zeichnen Launebüdes, Bodegislus, so fänden wir in Launebödes = Launebaudes denselben laut zweimal verschieden ausgedrückt. Merobaudes an das ahd. Meripoto GrafF 3,81 mhd. Merbot MSH. 3, 267"^ (Freid. 150, 26 ist es wieder was anders) zu halten und flugs Meripoto zu schreiben, wäre voll bedenken. Meripoto ist unbezweiflich der alte Maroboduus bei Tacitus, den ich gleich nachher auslegen will, und beide haben sicher kurzes o nach dem labiallaut. noch nachweislicher scheint die vergleichung von Hariobaudes mit dem ahd. Heripato, wie er sich in folgendem verse einer Wiener handschrift findet: Adallioz glosam tibi Heripato dat istam,

wo die falsche scansion w für Heripato nicht irre; weiter

von Baudericus mit ahd. Patarih. aber ganz entscheidend dafür 4.17 wird das goth. 'lX5ißa8o? bei Procop 2, 29. 3, 1 = ahd. Hilti- pato; "AoßaSo? Procop 4, 32 sogar mit der nebenform 'Aaßaör^? 3, 38, gerade wie in den fränkischen namen baudus und baudes schwankten, bekanntlich heiszen die Burgunden in den capi- tularien Guntbodingi und Guntbadingi (Pertz 3, 63. 74), also nachkommen eines Guntbado = ahd. Kuntpato, welchem frän- kisches Gundobaudes entspräche, doch Gundebadus steht in

.1. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 23

354

BAUDO.

Remigs kürzerem testament bei Pardessus no. 118 vom jähre 533; auch ist bei Gregor von Tours 2, 28 Gundobaldus falsche lesart und die richtige Gundobadus, noch den späteren Fran- zosen heiszt das burgundische gesetz loi Gombette (Gundbada), nicht Gombaude (Gundbalda). lust hätte ich jetzt das Patniuui bei Pistorius dem Ratniuui vorzuziehen und Pataniuui für eins mit Baudonivia zu erklären, in baudo liegt keine andere wurzel als das goth. badv pugna, welches wir doch einem beinamen Totilas entnehmen, der Baduilla = Badvila pugnator, pugil hiesz, wozu ich bei Gregor mirac. Martini 4, 10 Bodillo = Bodilo halte, sogar scheint mir der altn. Budli hervorgegangen aus Bödli, Bodli = Badvila, ihm entsprechen Botelung und mit ver- setztem 1 Bleda und Bloedel Bloedelin, mit unorganischer pro- duction des vocals in unsrer heldensage. dem goth. badv zur Seite stand ahd. pato, ags. beado, deren geschlecht ich unbe- stimmt lasse, das altn. böd gen. bödvar (besser wäre böd böd- var) ist weiblich, im bades, baudes aller jener eigennamen musz ursprünglich die Vorstellung eines kriegers enthalten ge- wesen sein. Heripato bezeichnet einen im beer kämpfenden, Hiltipato, Kundpato einen im geleit der Hilta und Kunda, Meri- pato = Maroboduus einen auf dem meer streitenden; das -uus der ältesten form verbürgt uns ein v, wie in badv. Baudoniuui würde ich auslegen: ein im krieg gebornes oder ein kriege- risches mädchen.

Das wichtigste aber ist mir ein nun gewonnener neuer auf- schlusz über die vocalverhältnisse. bisher zeigte sich noch kein weg, auf welchem fränkisches kurzes a und au gleichgestellt werden konnten, indessen wandelt altn. a bei folgendem oder vorauszusetzendem u in ö um, statt dessen ältere handschriften richtiger o oder au schreiben, so dasz a, durch i in e, durch u in o oder au umgelautet wird; e und o stehn einander häufig parallel, besser als e und ö. kurzes e und o wurden bei den Gothen nur durch die brechung ai und au erreicht, welche ich 438 ai und bezeichnet habe, um ihre kürze gegenüber dem lan- gen äi äu auszudrücken, weiter aber als die brechung ai und reichten in den übrigen dialecten das aus dem diphthong verdichtete e oder e (denn beide waren ai) und o (= au), wie nun altn. böd oder besser bod band = badu schrieben die Franken und andere stamme baudo d. i. bodo = bado, und nun erklärt sich, warum bei Fortunat baudes und bodes, sonst aber Guntbadingi und Guntbodingi, ahd. Meripoto für Meripato vorkommt, ja weit früher klang schon dem ohr des Römers der name Marobaduus wie Maroboduus.

Das System dieser vocale liesze sich so aussprechen: a wird durch i in ai = e, durch u in au = o gewandelt, i durch fol- gendes a in ai = e, u durch folgendes a in au = o. auch das ags. ea erläutert, die brechung ea bleibt kurz und beado ent-

ÜBER IN FKANKREICU GEFUNDENE RUNEN. 355

spricht dem baudo, bodo; langes ei'i hingegen gleicht dem goth. au, ahd. ou oder 6. nur scheint das kurze ags. ea weiter aus- gedehnt worden zu sein auf fälle, wo kein fränkisches au an- wendbar wäre, wie aber gewisse analogie bestand zwischen goth. all und au, zwischen ags. ea und eä, musz sie auch zwi- schen ahd. o und 6, das heiszt zwischen länge und kürze ge- waltet haben, jenen umlaut des a in au scheint die gothische mundart gar nicht, die hochdeutsche zuweilen, zumal die frän- kische, am deutlichsten die altnordische zu besitzen.

Diesmal lag mir nur an niwi und baudo, über andere Wör- ter, die hier in der Zusammensetzung erschienen, wäre viel zu sagen, nebenher gelang es geno = cannane aufzuschlieszen, ich will noch eine bemerkung über den frauennamen Kosena oder Rasena hinzufügen, auszer Baudorosena (wofür eine fassung fälschlich Haudorosena) gewährt Remigs testament auch noch Theodorosena Flavarasena Dagarasena Modorosena, lauter com- posita. das einfache Rosanna kenne ich nur aus dem codex laureshamensis no. 2770 und 3565. es scheint aber ein gutes deutsches wort, denn Grafi' 2, 548 gibt aus glossen rosennun lentiginem statt des bekannteren rosomon aeruginem, ruborem. dies rubor mag der eigentliche begrif sein, den man auf aerugo, rubigo, lentigo anwandte. Rosenna war nicht sowol eine som- mersprossige frau als eine rothwangige, und zumal schön ist der name Dagarosena, roth wie der anbrechende tag, eine poSo- SaxTuXo? 'Hu)s. wenn zu schreiben wäre rosenna, rosena, rösamo, liesze sich schon berührung mit rot darlegen.

ÜBER RUNEN, WELCHE IN FRANKREICH GEFUNDEN WORDEN.

Monatsberichte. 1854. 8.527 530.

Herr Lenormant, mitglied des instituts zu Paris, hat nuch 627 von einer neulich durch ihn gemachten anziehenden entdeckung benachrichtigt, deren vorläufige künde ich unserer akademie nicht vorenthalten will, in der alten Normandie, heute depar- tement de l'Eure, arrondissement de Bernay, canton de Beau- mont le Roger, im thal der Risle unfern der Vereinigung dieses flusses mit der Charentonne findet sich eine capelle des heili- gen Eligius mit einem baptisterium und kirchhof, wie es, nach 528 Lenormants annähme schon vor Eligius im fünften Jahrhundert zuerst errichtet wurde, es enthält lauter dem sechsten angehö- rige grabschriften und keine davon scheint bis in das siebente zu reichen, unter mehr als sechzig lateinischen inschriften haben

23

356

ÜBER IN FRANKREICH GEFUNDENE RUNEN.

4- ^KRT-tS

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Ih; FRIt':

ET5I6E

ÜBER IN FRANKREICH GEFUNDENE RUNEN. 357

sich nun, überraschender weise, auch zehn oder eilf runische dargegeben, theils auf den mauern des baptisteriums, theils auf römischen gebogenen ziegeln (tuiles a rebord), zwei oder drei darunter bilingues, d. h. erst in runen, dann in lateinischer Schrift abgefaszt.

Bisher hat man durchaus nichts von runischen denkmälem im ganzen umfang des alten Galliens gehört, ja überhaupt erst in beträchtlich späterer zeit die runen aus Scandinavien her sich verbreiten lassen, welche ansieht gleich wol durch andere er- scheinungen, namentlich den Zusammenhang der runen mit dem gothischen aiphabet und das vorkommen einzelner nmen und runenalphabete in handschriften des achten und neunten jahrh. erschüttert worden ist; es hat sich auch eine bedeutende ab- weichung dieser runen von den eigentlich nordischen kund- gegeben, hatten einzelne deutsche stamme schon vor ihrer be- kehrung zum christenthum den gebrauch der runenschrift , so durfte man von vornherein ihn unter allen vermuten.

Von altfränkischen runen tauchte noch keine spur auf, viel- leicht hätten sie die ältesten handschriften des salischen gesetzes, wenn sie erhalten worden wären, in den malbergischen glossen gewährt, auf einmal beweist uns Lenormants fund ihr dasein, man kann nicht denken, dasz sie von späteren Normannen etwa erst im neunten, zehnten Jahrhundert eingeritzt worden seien, schon die lateinischen schriftzüge der bilingues widersetzen sich dem, und alle namen, die sie uns überliefern, sind des sechsten Jahrhunderts.

Ein merkwürdiges datum enthält die siebente inschrift in welcher man liest conung chludouig consul, könig Chlodowig hatte im jähr 510 von kaiser Anastasius die insignien des con- sulats empfangen, die formel scheint der in lateinischen Urkun- den regnante rege Chlodoveo vergleichbar, wozu hier consule tritt, der vorausgehende, Ingomer benannte mann, der hier be- graben zu liegen scheint, musz kurz nach 510, noch unter Chlodowigs regierung gestorben sein, in der achten inschrift 529 finden sich nur bruchstücke der formel konung Chil. . , , die ebenso auf Childebert, welcher von 511 558 herschte, gehen kann, schwerlich auf Chilperic, Chlotars söhn, bei dem namen Ingomer würde man auf Chlodowigs eignen söhn rathen, der bald nach der taufe starb, wäre es glaublich, dasz dieses kind in der kirche des heil. Eligius begraben worden sei und filgte die inschrift niclit noch worte hinzu, die diesen Ingomer als einen söhn Hakons kennzeichnen.

Abgesehn von einem solchen seiner ganzen fassung nach merkwürdigen datum sind es vor allem die runen selbst, welche unsere aufmerksamkeit fesseln, ich lege hier eine mir über- sandte durchzeichnung des facsimiles vor äugen, man sieht da- raus, dasz einzelne runen namentlich die von O oder othil, os

358 ÜBER IN FRANKEEICH GEFUNDENE RUNEN.

zu den markomannischen stimmt und von der nordischen ge- stalt abweicht, während das schöngerundete ; die nordische form, nicht die scharfeckige der übrigen deutschen runen hat. viele kommen mit beiden alphabeten überein. sehr auffallend ist in der fünften inschrift das nach nordischer art gebildete i^, wofür sonst überall steht, Y ist das nordische zeichen für M . % bedeutet CH, wie es bekanntlich auch in der handschrift des Wessobrunner gebets erscheint, dasz es hier in Cherman oder Chariman und Chagon steht, ist altfränkisch; man dürfte es aber auch in einfaches H auflösen, wie zumal aus der Schrei- bung Chludovig hervorgeht, bemerkungen über andere runen würden hier ohne mancherlei typen nicht deutlich gemacht werden können, nicht zu übersehen ist aber die öftere auslas- sung der vocale, und zwar nicht nur des E, sondern wie es scheint auch des ü oder O. die erste inschrift hat Chrman oder Hrman, d. i. Herman, die siebente Ingomr, d. i. Ingomer, unmittelbar dahinter sn, welches zu lesen ist sunu, filius, so wie der folgende genitiv Chacanes oder Haganes, falls hinter dem g ein a, hinter dem n ein e richtig ergänzt wird; auch die dem lat. in pace entsprechende formel in fri|3 verlangt ein fri|)u. die vollen formen, welche man um so frühe zeit der fränkischen spräche zuzutrauen hat, fordern solche ergänzungen. ich lese nicht Hagons, Hakons, was zu nordisch klingt, der name schein eher ein deutscher Hagan oder Hagano. aller- 530 dings ist konung auch völlig die nordische gestalt , abweichend vom ahd. chuninc, ags, cyning, alts. cuning; aus diesem konung, dem Hakon darin , und dem f , ^^ , selbst dem % für hagal würde man verdacht schöpfen und auf einen späteren Normann rathen, wenn das die übrigen umstände zulieszen. wie wäre ein Normann auf Chlodowigs consulat oder patriciat verfallen? wovon er freilich in den gestis Francorum lesen konnte.

Diese inschriften werden noch manche reifere betrachtun- gen veranlassen, herr Lenormant hat durch seine entdeckung sich ein wahres verdienst um unser alterthum erworben.

ÜBER DAS VORKOMMEN DES WORTES WÖRTER- BUCH IM 17. JAHRHUNDERT.

Monatsberichte. 1854. s. 697. 698.

697 In der vorrede zum deutschen Wörterbuch s. IX wird auf-

gestellt, dieser ausdruck selbst sei im siebzehnten Jahrhundert noch unerhört gewesen, das gründete sich darauf, dasz er in kemem der damals erschienenen vocabulare verzeichnet steht

VORKOMMEN DES WORTES WÖRTERBUCH IM 17. JAHRH. 359

und Henisch aus dem beginn dieses Jahrhunderts zu geschwei- gon auch an dessen schhisse bei Stieler fehlt, der ihn weder unter buch und wort anführt noch ihn auf den titel oder ins register setzt, in dieser läge der sache entsprang also die Ver- mutung, dasz ihn Mathias Kramer den Holländern abgesehen haben könne, wobei gleichwol entgieng, dasz dieser schrifsteller bereits im jähr 1693 ein italieuischteutsches sprach und Wörter- buch hatte drucken lassen, mithin schon in das siebzehnte Jahrhundert zurückgeschritten werden musz. allein auch dem Kramer gebührt die ehre dieses Wortes, wenn es eine ist, den- noch nicht, beim wiederleseu der Stielerschen, wenigstens 1691 geschriebnen vorrede fand ich neulich folgende stellen: im übri- gen wird ein bescheidener leser nicht ungleich ausdeuten, dasz man in diesem Wörterbuch die natürliche dinge und welche die erbarkeit sonsten verdecket und verschwiegen haben will mit ihrem eignen namen nennen, auch zuweilen gar einen fluch, heszliches wort und nicht gar zu höfliche redart mit einstreuen 698 müssen, weiter hinten: alle Wörterbücher, so anjetzo in an- dern sprachen gleich groszen riesen daher trotzen, sind anfangs zwerge und kaum eines fingers lang gewesen.

Doch wie noth um Stieler, ich werde genöthigt alsogleich noch fast dreiszig jähre höher hinauf zu rücken. Schottelius in seiner ausführlichen arbeit von der teutschen hauptsprache, deren Zueignung von Wolfenbüttel 1 merz 1663 datiert, sagt in der ersten der zehen lobreden, welche er seinem werk vor- aussendet, Seite 5 offenbar: endlich wird mit mehren bericht erstattet, auch exempelweis vorgestellet , wie ein völliges und nach den fundamentis der teutschen spräche einzurichtendes Wörterbuch als lexicon zu verfertigen, möglicherweise kehrt das wort noch öfter bei ihm, der es also nicht unwahrschein- lich aufgebracht hat, wieder, es war folglich im ganzen Zeit- alter von Leibnitz bereits gäng und gebe, in dessen deutschen Schriften ich noch nicht darnach gesucht habe.

ÜBER MICHAELIS 'VEREINFACHUNGEN DER DEUT- SCHEN RECHTSCHREIBUNG."

Zeitschrift für stciiogra})hie und orthograjihie in wissenschaftlicher, pädagogi- scher und praktischer beziehung, herausgegeben von G. Michaelis. Jahrg. 10. 1862. s. 62 64.

(Zur Verständigung über einzelne dem Verfasser entgegen- 62 getretene irrige ansichten, übergibt derl'elbe das urteil, welches Jacob Grimm im unmittelbar nach dem erscheinen des buches hat zukommen lassen, mit dessen ausdrücklicher freundlicher

360 MICHAELIS, VEREINFACHUNGEN DER RECHTSCHREIBUNG.

Zustimmung, hiermit der öflfentlichkeit. die schreibweife Grimms ist crenau beibehalten, wodurch der lefer die unterschiede von der'unfrigen leicht wird erkennen können.)

Hochgeehrter herr doctor, ich habe Ihre schrift mit groszem vergnügen gelesen und wahr- genommen, dasz Sie nicht nur richtig und einsichtig urthei- len, sondern auch über Ihre Vorgänger sich gerecht und mild äuszern. Sie werden, hofie ich, nützlich einwirken und die reform unserer Schreibung wesentlich vorbereiten helfen, worin wir uns beide unterscheiden, das liegt darin, dasz ich in einigem noch nicht so weit gehe als Sie, Sie in anderm nicht so weit als ich.

Ich verwerfe die sogenannten deutschen buchstaben, folg- 63 lieh auch das ß und fs, welche wir, wenn wir mit lat, schrift drucken lassen, nicht vorfinden, welche sich auch in majuskel nicht wiedergeben lassen, da in minuskel s und z sich nicht verbinden, so ziehe ich sz vor, das über alle berge hilft, liesze sich dafür und für seh ein einfacher buchstabe einführen, es wäre gut, für ch würde sich x ungemein schicken, das schon Griechen und Russen dafür haben, die Spanier hatten.

Die Verbannung des v für f und der dadurch mögliche er- satz des w durch v wird unsrer schrift und ausspräche künftig einmal groszen gewinn bringen, wir gelangen dadurch auf den natürlichen und einfachen standpunct der Schweden und Dänen.

Es war ahd. und mhd. hergebracht und eingeübt die ge- minierte consonanz auslautend, so wie inlautend bei anstosz an t etc. zu vereinfachen, als man mannes, war wirren, gewis gewissen, schif schiffes zu setzen, warum soll dieser schöne grundsatz nicht aufrecht erhalten und zurückgeführt werden? ich habe vorläufig nur auf s und f gedrungen, was Sie p. 69 sagen, scheint mir in Widerspruch zu stehen mit den gründen, die Sie gegen das dehnende h selbst billigen, ein vertheidiger des h könnte ebenso von beeinträchtigung der klarheit und be- stimmtheit unsrer schrift reden, denn auch durch tilgung des h wird Zweideutigkeiten thor und thür geöfnet. auf solche Zwei- deutigkeiten gebe ich nichts, jeder leser merkt aus dem Zu- sammenhang ob 'gefült' gefüllt oder gefühlt ist, so wie ja jeder verständige augenblicklich die Verschiedenheiten der bedeutung fühlt, die bei demselben worte gelten, z. b. abrede heiszt uns bald Verabredung, conventio, bald leugnung. wollen wir beide bedeutungen in der schrift unterscheiden? das gienge nicht an. noch viel weniger ist es nöthig in gefült die dehnung oder kürze des vocals hervorzuheben.

Die fehlerhafte englische abbrechung p. 68, welche einige unter uns nachäffen, verwerfen Sie mit allem fug. nach der etymologie schreiben oder sprechen zu wollen ist unsinn, alle lebendige ausspräche einigt ja wurzeln und ableitungselemente.

ÜBER LANDAUS BEv^^CHHEfBUNG DES GAUES WETTEREIBA. 361

Si? halten p. 74 die frage der groszen anfangsbuchstaben 64 für unerheblich, ich nicht, denn das ist der hauptschlupfwin- kel der pedanterei, dessen Zerstörung alles andere erleichtert, dessen festhaltung alles andere erschwert, und mancher hexa- meter musz diesen breiten buchstaben zu gefallen im druck ge- brochen werden, zur probe lieszen sich Zeilen mit und ohne solche anlaute einander gegenüber stellen und man würde sehen, was schwerfällig und leicht ist.

Was Heyses theorie der sprachlaute angeht, so wäre viel dagegen einzuwenden, worauf ich aber hier nicht eingehe.

Auch der unterschied zwischen begrifs- und form Wörtern p. 48 scheint mir bedenklich.

Ich theile aber, wie Sie sehen, viele Ihrer ansichten, habe auch nichts dawider überall -iren für -ieren zu schreiben.

Mit aufrichtiger hochachtung und ergebenheit 7. oct. 1854. Jacob Grimm.

BERICHT ÜBER G. LANDAUS BESCHREIBUNG DES GAUES WETTEREIBA.

Monatsberichte. 1855. s. 42. 43.

Hr. Jacob Grimm erstattete bericht über die von dr. Georg 42 Landau zu Kassel der akademie eingereichte schrift: beschrei- bung des gaues Wettereiba. Kassel 1855. es sei eine wol gerathene, aus sorgfiiltigem Studium der Urkunden und vollstän- diger lokalkenntnis hervorgegangene arbeit, die man freudig begrüszen dürfe, noch fehle es an einer dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft angemessenen darstellung der alten topo- graphie und geographie Deutschlands, vorliegende schrift könne muster werden für die beschreibung aller übrigen deutschen gaue, und nicht nur seien solche aus der band des Verfassers, sondern hoffentlich auch von andern zu erwarten, die in seine 43 fuszstapfen zu treten vermögen, ganz neu sei hier im gau Wetterau eine trilogische eintheilung ermittelt und vor äugen gelegt worden, die ohne zweifei noch viel weiter um sich greife, das buch verdiene allen, die sich unserer älteren und neueren geschichte befleiszen, empfohlen zu werden.

362 REIME AUS DEM KINDERLEBEN.

REIME AUS DEM KINDERLEBEN.

Zeitschrift für deutsche mythologie und sittenkunde herausg. von J. W. Wolf, bd. 2. 1855. s. 1. 2.

1 In den fleiszigen samlungen von Fiedler und Simrock, so wie in der oldenburgischen, mangeln zwei Sprüche, die sicher beide sehr alt und wahrscheinlich noch heute in vielen deut- schen gegenden verbreitet sind, ich weise sie schon aus Kei- sersberg nach, und was kurz vor 1510 gepredigt wurde, kann ebensowol bereits um das jähr 1200 üblich gewesen sein.

In den predigten vom christlichen hilger, blatt 68"* heiszt es: gedenk dasz die menschen sint unsers herrgots ruten, do mit er dich fitzet, wenn man ein kind houwt, so rausz es dann die ruten küssen und sprechen:

liebe rüt, trute rüt, werestu, ich thet niemer gut. blatt 74^, nachdem er dieselben wiederholt hat, fügt er hinzu: jo wir solten sie, die rute gottes, billich loben und über die rüt springen, als die kind müssen thun, so man sie mit der ruten schlecht, sprichestu, solt ich das minem kind thun, ich weinet mit im. du solt din kind zimlich (d. i. wie es sich ziemt) mit Vernunft strofen, und mit der ruten erzipperen, denn besser ist din kind wein, denn das du weinest vor sinen wegen in dinen alten tagen, dise dri haltent die kind, sie küssent 'die rut, und springen darüber, io sie hupfen darüber.

Die noch fortlebende redensart: wir sollen die rute küssen, die uns straft, zumal in der anwendung auf Züchtigungen, die dem menschen aus gottes band widerfahren, leitet sich, wie ich glaube, von dem gebrauch und verfahren gegen kinder her. man zwang das unartige, widerspenstige kind, die rute zu küs-

2 sen , deren streiche es eben gefühlt hatte und darüber hin zu springen, es könnte sein, dasz auch gezüchtigte knechte, die in des herrn, wie das kind in des vaters gewalt stehen, ange- halten werden, die geisel zu küssen, denn es heiszt in ähn- lichem sinn, dasz der sclave seine ketten küsse.

In jenem spruch ist auch grammatisch nicht zu übersehen, dasz vor 'werestu' die negation unterdrückt wird, wie sonst in diesen fällen geschieht, die volle form lautete mhd. 'enwsere du', ahd. 'ni wari du'. 4

Einen andern spruch führt dieselbe predigt an blatt 68'': also thüt die mutter dem kind, so sie im streit (es kämmt) und es weinet, sie zeigt im die lüs und spricht, 'lossestu sie nit herab thun, so dragen sie dich in wald', und also macht sie, das es sich lidet gedültiglich.

Auch hier zeigt sich die zähe kraft der Überlieferung, denn in Hessen hörte ich die mutter dem ungeduldigen kind, das

RUNISCHE INSCHRIFT AM LÖWEN VON VENEDIG. 363

beim kämmen nicht still halten will, zurufen: wenn du dich nicht kämmen läszt, so kommt der läuseburgermeister und dreht ein seil und trägt dich in den wald, da bekommst du läuse- suppe und flöhsuppe zu essen, dann hält das kind still.

ÜBER DIE RUNISCHE INSCHRIFT AM LÖWEN VON VENEDIG.

Monatsberichte. 1856. 8.437 440.

Von herrn Rafn in Kopenhagen , correspondierendem mit- 437 gliede der akademie, geht uns eine gelehrte abhandlung zu be- titelt inscription runique du Piree, publice par la societe royale des antiquaires du nord. wer zu Venedig war, hat dort am eingang des arsenals einen marmornen löwen stehn gesehn, auf welchem bei näherer betrachtung schrift eingehauen erscheint, diesen löwen hatten die Venetianer im jähr 1687 bei der ein- nähme von Athen aus dem Piraeus als siegszeichen heimgeführt 488 und aufgestellt, im athenischen hafen am ufer war lange Jahr- hunderte hindurch sein stand gewesen und der Piraeus führte davon den namen porto Leone.

Auf die alte inschrift richtete sich die aufmerksamkeit erst spät, es ist nicht bekannt, dasz vor dem schwedischen reisen- den Akerblad am schlusz des verflossenen Jahrhunderts irgend jemand sie betrachtet hätte, die sonne hatte die züge ausge- bleicht, der regen ausgewaschen, wären griechische oder latei- nische buchstaben hervorgetreten, so würden sie früher angezo- gen haben, jener Schwede erkannte endlich darin nordische runen und nach seiner ungenauen, unsicheren abzeichnung wur- den sie verschiedentlich herausgegeben und besprochen, es kam vor allem auf bessere, vollständigere copien an. im sommer 1834 reiste deswegen Rafn mit dem bekannten runologen Finn Magnusen und mit Theophilus Hansen, der später baumeister zu Athen ward, nach der inselstadt, anfangs konnten sie bei hellem tag gar keine schriftzüge auf dem löwen entdecken, bis sie endlich nach Sonnenuntergang in dem dämmernden licht sichtbar wurden und sich abzeichnen Jlieszen. man versäumte nicht gipsabdrücke zu machen und mitzunehmen.

Die allmäliche, wiederholte betrachtung aller Zeichnungen und abdrücke hat, nachdem man erst nur die entzifierung ein- zelner Wörter erwartet und erstrebt hatte, zuletzt so weit geführt, dasz es möglich wurde in den vollständigen sinn der inschrif- ten zu dringen und aus dem inhalt Schlüsse auf ihre Urheber und die zeit, in welcher sie eingehauen wurden, zu machen.

364 RUNISCHE INSCHRIFT AM LÖWEN VON VENEDIG.

Die Inschrift auf des löwen linker seite besagt in altnor- discher spräche, dasz Hakon im verein mit Ulf, Asmund und Örn den hafen eroberten und dasz diese männer und Harald der hohe dem griechischen volk wegen eines aufstandes be- trächtliche geldbuszen auflegten; dann werden noch drei ihrer landsleute genannt, die wegen ab Wesenheit an der waflfenthat keinen theil genommen hatten. Harald der hohe, anführer des zugs, scheint Harald Sigurdson halbbruder königs Olaf des hei- ligen, nachdem Olaf in der schlacht bei Stiklastad gefallen war, entfloh Harald nach Gardarike und dann nach Constantinopel,

439 wo er im j. 1033 anlangte, zehn jähre lang blieb er als an- führer der Väringe in griechischen diensten, worauf er nach Gardarike zurückkehrend dort Ellisif, die tochter des grosz- fürsten Jaroslaw heiratete und wieder in seine heimat reiste; erst mitregent Magnus des guten wurde er nach dessen tode im j. 1047 alleiniger könig.

Die Väringe wurden von den Griechen in verschiednen theilen des reichs verwandt, in den jähren 1034 1035 hiel- ten sie Winterquartier im öljxa 6paxrjaio)v, das die Innern theile von Karien, Lydien und Phrygien umfaszte, wie Kedrenos meldet, unerschwingliche lasten, welche Joannes, minister des kaisers Michael, dem volk auferlegte, riefen misvergnügen und aufstände hervor, in einem aufstände der Bulgaren wurde Epirus und Achaia überzogen, alle städte der provinz Nikopolis, Naupak- tos ausgenommen ergaben sich den aufrührern. ins jähr 1040 scheint die in der runenschrift erwähnte empörung des Grie- chenvolks und die dadurch herbeigeführte eroberung des Pi- raeus zu fallen, der löwe musz schon damals dort gestanden haben, die Nordmänner lieszen das andenken an ihre that darauf einhauen.

Die runen auf der rechten seite nennen die namen der Nordmänner, welche sie auf Haralds befehl einhauten, obgleich die Griechen es untersagten, dieser auffallende letzte satz wird gelesen : J)uat Grikiar uf hugsajDu auk banaj^u, obgleich die Grie- chen darüber nachdachten und es verbannten, mit bann beleg- ten, untersagten, es ist jedoch von bana}Du das einzige erste a sichtbar, sonst kein buchstab und die Vermutung hat gerade bei dieser anziehenden stelle weiteren Spielraum, die deutlich vor- hergehende conjunction J^oat, obschon, scheint allerdings ein folgendes wort des Verbots zu rechtfertigen, dasz den Griechen das eingraben der fremden inschrift anstöszig und zuwider war, läszt sich denken, doch die runen und deren sinn verstanden sie kaum, auch konnten sie die inschrift späterhin wieder tilgen und auslöschen, sie sahen wol nichts darin als eingegrabne eigen- namen; vielleicht liesze sich der satz in anderm sinn ergänzen.

Herr Rafn verheiszt noch ein ausführlicheres werk über

440 diese mschrift, schon wie es gegenwärtig vorliegt ergibt es will-

RUNISCHE INSCHRIFT AM LÖWEN VON VENEDIG.

365

koramne aufschlüsse für die geschichte und für die nordischen runen. wir sind in den stund gesetzt hier einen abklatsch der inschrift linker seite, wie sie in dem dänischen buch gegeben ist, folgen zu lassen.

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366 ÜBER UND ZU HEINRICHS VON HERFORD CHRONIK. ÜBER UND ZU HEINRICHS VON HERFORD CHRONIK.

Nachrichten von der Georg-Augusts-universität und der königl. gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. 1856. no. 4. s, 94 108.

94 Als rastlose förderer mönchischer gelehrsamkeit erscheinen vorzugsweise die schreibseligen Dominicaner, welchen fast alle gelehrten männer des 13. und 14. jahrh. angehören, unter ihnen auch unser Heinrich, hätten begabte geister, wie Albertus magnus, Thomas von Aquino sich darauf verstanden, mit ihrem talent hauszuhalten und in wenigen aber nachhaltigen werken der weit vorzulegen, was sich in einem dutzend oder in zwanzig bänden verdünnt und zersplittert, so würden sie stärker und länger eingedrungen sein, doch ist in diesen mönchen etwas, das als verböte der reformation darf angesehen werden.

Von den Dominicanern gieng auch eine neue behandlungs-

95 weise der geschichte aus. sie saszen nicht so fest in den klö- stern und kamen mehr in die länder, was ihnen gelegenheit gab, viele bücher einzusehen und zu gebrauchen, ihre neigung zog sich nicht sowol auf erforschung des einzelnen, als auf all- gemeine, zusammenfassende compilationen. solche geschichts- bücher wie die der Benedictiner Widukind, Wippo, Thietmar, Lambert u. a. m. hätte kein predigermönch unternommen, es lag ihnen daran, die geschichte nicht nur einiger könige, sondern vieler hinter einander zu überschauen, ihre mit gröszerem appa- rat begonnenen werke verhalten sich in dieser hinsieht zu den früheren, wie späterhin nach erfindung der druckerei, als noch reicheres Werkzeug zu gebot stand, die historischen, freieren Schriften zu denen der Dominicaner, zwar hatten auch unter den Benedictinern schon einzelne wie Hermann, Eckehart und Sigebert allgemeine geschichte behandelt, doch aus einem noch beschränkten vorrat des Stoffes, ein muster solcher encyclopä- disten wurde Vincentius, der in seinen drei spiegeln natur, moral und geschichte abzuschöpfen trachtete und uns heute unaus- stehlich dürr erscheint, im 13. 14. jahrh. aber allen behagte.

Nach seinem vorbild hat auch Heinrich unter dem übel gewählten titel de temporibus memorabilioribus ein umfassendes historisches werk angelegt und durchgeführt, nur dasz darin einzelne theile mit ganz gestörtem gleichgewicht ausführlicher behandelt und durch eingeschaltete dichterstellen oder ausge- hobne berichte allerdings belebt werden, gerade solche ungleich- artigen stücke sind es, die seiner arbeit in unsern äugen werth verleihen; an seinem ganzen plan, wie an dem was er aus be- kannten älteren quellen auszieht, ist uns wenig oder nichts ge- legen.

96 Heinrich zerlegte sein werk in drei theile, deren beide ersten fünf weltalter umfassen, im dritten theil hebt das sechste weit-

ÜBER UND ZU HEINRICHS VON HERFORD CHRONIK. 367

alter an von Christi geburt, und nur die Wolfenbütteler band- schrif't erhält ihn vollständig, die übrigen Codices beginnen erst mit dem jähr 381 und reichen bis zu 1355.

Der hier allein in betracht kommende abschnitt des ge- sammten werks ist nach den regierungsjahren der byzantinischen, von Karl des groszen krönung an der römischdeutschen kaiser geordnet, welches verfahren auch bereits bei älteren Schriftstel- lern, z. b. dem chronographus Saxo, beobachtet wird und in der that die regierungszeit der einzelnen herscher anschaulich macht; oft ist aber zugleich die gewöhnliche jahrzahl daneben angezeigt, so lange die könige selbst in ihren Urkunden die jähre ihrer regierung zählen, hat die einrichtung etwas natür- liches und bequemes ; seltsam klingt es freilich, wenn eine ganz fränkische begebenheit unter dem jähr eines byzantinischen kai- sers, das gar nichts damit zu schaffen hat, erzählt wird.

Heinrich ist ein fleisziger, belesener mann, der sich vorge- nommen hat, die merkwürdigsten weltbegebenheiten zu sam- meln und vor allem die reihe der römischen kaiser und päbste vollständig zu erfassen, da die deutschen kaiser die römi- schen fortsetzen, fallt sein werk groszehtheils der deutschen ge- schichte zu.

Ihn zieht vorzugsweise das kirchliche und der Wechsel der regierungen an, doch so dasz er nicht verschmäht, auch geringe weltliche ereignisse, die ihm seine quellen darbieten, gleichsam als blumen einzustreuen.

Er ist aufrichtig und wahrheitsliebend, nicht gesonnen die misbräuche und verirrungen unter geistlichen oder fürsten zu verhehlen, alle ketzereien rügt er sorgfaltig, unter dem jähr 97 1344 schildert er das verkehrte leben der geistlichen seiner zeit mit lebendigen färben, das thun auch schon frühere, z. b. Richer, und die deutschen dichter des dreizehnten Jahrhunderts noch viel frischer und eindringlicher.

Man musz sich verwundern, wie eingeschränkt Pleinrichs blick in bezug auf die deutsche litteratur ist. nicht einen ein- zigen der seiner zeit doch noch viel näher stehenden heimischen dichter scheint er zu kennen, waren ihm die Schwaben und Baiern durch ihre mundart fremd, so hätte er uns gerade ver- schollene namen niederrheinischer und westfälischer überlie- fern können, wenigstens solcher, die geistliche gedichte verfaszt haben, bruder Berthold, der gewaltige volksprediger, mochte ihm als Hochdeutscher oder als Franciscaner abliegen; so ist doch auffallend, dasz er Tauler und Suso, Zeitgenossen und beide Dominicaner, die eine Zeitlang zu Cöln lebten und ihm sicher bekannt waren, mit keinem worte anführt, war ihm ihre mysti- sche richtung zuwider? oder hat er den bericht über die Do- minicaner des vierzehnten jahrh. bei sich behalten? unter Rudolf

368 ÜBER UND ZU HEINRICHS VON HERFORD CHRONIK.

von Habsburg führt er eine ganze reihe älterer des dreizehnten jahrh. auf und theilt über sie manciierlei wissenwerthes mit.

Überhaupt teuscht er die erwartung, die man von einem kenner und beschreiber der geschichte hegen darf, dasz er die begebenheiten seiner eignen zeit und heimat, was er selbst mit erlebt hat, reichhaltiger und lebendiger als alles übrige vortra- gen werde, ein paar umständliche mittheilungen über Ludwig den Baier abgerechnet (unter andern z. j. 1347 den hübschen zug, der in keiner Schilderung dieses kaisers wegbleiben darf,

98 dasz er seine geliebte, kleine frau auf den arm genommen und so mit ihr am hofe umgewandelt sei, getanzt habe); so ist er hernach bei Karl dem vierten desto magerer, der ihn doch im jähr 1377 ausgraben und feierlicher bestatten liesz. das ganze vierzehnte Jahrhundert füllt er mit ein paar auszügen aus bran- denburgischer chronik, mit der erzählung vom morde des erz- bischofs zu Magdeburg, mit einer scandalösen ringgeschichte einer tochter Philipp des schönen von Frankreich, mit berichten von der pest, blutregen, misgeburten, Judenverfolgung, flagel- lanten, welche astrologisch gedeutet werden, von naturerschei- nungen und geistern, worin er lauter zeichen und Vorbedeutun- gen erblickt, die meidungen sind für uns nicht ohne mancherlei interesse; hat aber je ein ernster geschichtschreiber aus seiner eignen lebenszeit läppischere dinge, mit übergehung der wich- tigen, in jeder epoche vorhandnen, aufgezeichnet? kurz die Wahrheit, dasz man einen historiker nach dem beurtheilen müsse, wie er seine zeit beschrieben hat, gereicht nicht zu Heinrichs vortheil.

Sein Stil ist höchst ungleich, in der vorrede und dem epilog (vielleicht flieszcn sogar die worte, welche er den beurtheilern seines werkes formelhaft vorschlägt, aus seiner eignen feder) gezwungen und geziert, im gewöhnlichen Vortrag nüchtern und dürr, nach maszgabe der quellen, die ihm zum grund liegen und wörtlich ausgeschrieben werden, empfängt er besseren Schwung und hebt sich hin und wieder, so ist das ende des Albertus Teutonicus im j. 1266 lebhaft und warm geschildert, hier war eine sehr gute nachricht benutzt, auch die darstel- lung der pest vom j. 1347 gewährt gelungene züge.

99 Sein werk erlangt werth und Wichtigkeit durch die aus verlorenen Schriften gehobnen stellen und durch einzelne nach- richten.

Schon Waitz (könig Heinr. I. s. 185) hat, durch Bruns auf Heinrich geführt, nach ihm und nach Korner eine leider ver- lorne chronica Saxonum besprochen, die zu anfang des 13. jahrh., ohne zweifei von einem Sachsen, aus lebendigen, einheimischen nachrichten und Überlieferungen abgefaszt wurde, manches aus ihr scheint noch in das spätere chron. picturatum von Botho geflossen ; von der Repgowischen chronik ist sie der grundlage

ÜBER UND ZU HEINKICHS VON HERFORD CHRONIK. 369

nach verschieden, wie sich, sobald diese einmal vollständig ge- druckt sein wird, näher ergeben musz. wahrscheinlich verhielt es sich mit der chronica Angarorum ebenso.

Da Heinrich in Eugern zu hause war und lebte, darf ihm vor allen eine engrische chronik i.ur band gewesen sein, ich will auf die den könig Widekind betreffenden stellen hier näher eingehen, wen zöge es nicht an, allen Überlieferungen die gröszte Sorgfalt zuzuwenden, die dem edlen volksstamm der Sachsen angehören? ists nicht auffallend, dasz Widukind von Corvei den sächsischen held, seinen namensverwandten, nicht einmal nennt? aber wie kurz gleitet er 1, 15 über Karls krieg und eroberung hin! dasz Widuchind selbst eine historische person war, lassen die ältesten fränkischen annalen, z. b. die laureshamenses (Pertz 1, 32), nicht bezweifeln.

Zum jähr 778 gedenkt Heinrich der Zerstörung und des Wiederaufbaus von Eresburg, wovon auch Einhard ad a. 776 berichtet, fügt aber die bei diesem fehlende meidung hinzu: (reaedificavit) et aliud castrum super Lippiam prius regis SaxQ- num Widikindi, scilicet Vechtlere. den namen hat auch Role- loo vink (bei Leibniz 3, 622), der entweder aus Heinrich oder noch der alten chronik schöpft, die heutigen karten weisen an der Lippe kein Vechtlere, wol aber begegnet ein Fechtel oder Vechtel sonst in Westfalen. Fehtiere, Fechtlar würde domus pugnae bedeuten. Heinrich musz den umstand aus der chronica Anga- rorum haben, obgleich er sie hier nicht nennt.

Beim j. 780 erwähnt Heinrich wieder des rex Angarorum Widekindus, ohne seine quelle zu nennen, es ist blosz von "Widekinds flucht über die Elbe die rede, im j. 782. 785 folgt Widekinds empörung, besiegung und taufe; die schlacht an der Hase zu Slachvorderberg (bei Osnabrück): ex cronicis, was doch nichts anders als die engrische sein kann, gleich darauf heiszt es aber: alibi tamen legitur sie, und es folgt die sicher unhisto- rische sage, dasz Widekind aus seinem lager an der Ora bei Wolmirstedt (den flusz nennt auch Einhard a. 781) auf einem nachen übergefahren sei, um als bettler verkleidet zu spähen, wie es bei Karl hergehe, doch habe ihn sein krummer finger an der hand verrathen, und vor Karl geführt und gefragt, habe er von dem schönen kinde erzählt, das Karl in den mund ge- schoben, als ihm am Osterfest die hostie gereicht wurde, diese fabel steht nun auch anderwärts, wie im chron. pictur. bei Leibn. 3, 289 (vgl. deutsche sagen no. 448), und Hugo von Langen- stein, ein dichter aus dem Schlüsse des 13. jh. in seinem ge- dieht von der heil. Martina wendet sie auf die bekehrung eines heidnischen königs, genannt der Littauer in Preuszen an, ja in den Marienlegenden wird ähnliches von einem judeuknaben er- zählt, es war also ein, mindestens im 13. jh. bereits umgehen- des sagenhaftes dement.

J. GKIMM, KL. SCHKIFTEN. VII. 24

370 ÜBER UND ZU HEINRICHS VON HERFORD CHRONIK.

101 Ich gestatte mir hier eine in etwas frühere zeit zurück- gehende bemerkung. Heinrich meldet zum j. 744 die einnähme des castrum Hochseeburg (bei Sigebert a. 743 Hoscoburg), wo- für die annales laurissenses (Pertz 1, 134) Hocseoburg, unter manchen abweichungen der lesart, geben, doch scheint Hocseo- burg, Hoscoburg das richtige, die deutung auf Seeburg bei Mansfeld in Thüringen ist wol falsch, 'Carlomannus in Saxo- niam ambulabat' kann nicht Thüringen meinen, das altsächsi- sche hocs oder hose bedeutet contumelia, confusio, hoscoburg, hocsoburg arx contumeliae, eine bürg vor der der feind mit schimpf abziehen musz. nun wird in den volkssagen von Wide- kind seine burgfeste am einflusz der Werra in die Weser ge- nannt Babilonie (westfäl. provinc. blätter band 1, heft 4, Minden 1830 s. 37. 49. 50) und die biblische deutung von Babel (1. Mos. 11, 9) ist confusio, Verwirrung, wie auch Notker in seinen psal- men 41, 11. 64, 2 Babilonia durch Scantpurh verdeutscht, aus dem sächsischen Hoscoburg gewann man später diese biblische auslegung. Wedekind (der preisstifter) und andere haben Hoc- seoburg auf Asseburg im Braunschweigischen gezogen.

Beim j. 789 erzählt Heinrich die Stiftung der abtei Herford durch den grafen Wolder, hortante Carolo et adnitente rege Angarorum Widekindo, jam tunc fideli christiano. dieser Wol- derus wird im j. 820 Waldgerus geschrieben, wo alte gesta Waldgeri ausgezogen werden (dieselben die Pauliini mitgetheilt hat), sonderbar ist, dasz Waldgers noch heidnischer groszvater Adolfus 'secretarius regis Wedekindi' heiszt, welcher doch dem Widekind um ein paar geschlechter vorausgegangen sein müste.

102 Ausdrücklich 'ex chronicis Angarorum' wird zum jähr 934 die genealogie der königin Mathilde, der mutter Otto des groszen entnommen.

Häufiger sind die berufungen auf die chronica Saxonum, welche freilich mit den chronicis Angarorum eng zusammen flieszen und verlaufen können.

Zum jähr 917 ist Heinrich des ersten abkunft und stamm ausgehoben, er heiszt Henricus de dinkelere und Heinricus au- ceps, was die bekannte sage voraussetzt, die jedoch nicht erzählt wird, ich mag diese anmutige sage unserer geschichte durch- aus nicht rauben lassen, unser von den boten der königswahl beim vogelstellen betroffene held tritt auf gleiche linie mit Cin- cinnatus, Vamba, Premysl (geschichte der deutsch, spräche s. 59) und die sage musz höher hinauf rücken, schon der annalista Saxo, in der mitte des 12. jahrh. hat Henricus cognomento au- ceps (Pertz 6, 594), Lambert ad a. 919 freilich Heinricus Saxo, weil er gleich dem Herforder Heinrich die sage und dazu den namen verschmäht, warum sollte die sage nicht schon im 10. jahrh. selbst erschollen sein? Widukind kann sie nachzu- erzählen wie Lambert bedenken getragen haben, in sich selbst

ÜBER UND ZU HEINRICHS VON HERFORD CHRONIK. 371

hat sie uiclits unwahrscheinliches, da jagd und Vogelfang von alters her eine beschäftigung der fürsten war. Gotf'ried von Vi- terbo erfand die geschichte nicht, sie wurzelt zu tief und mit sagenhafter ahweichung (Waitz, Ileinr. «. 181. 182 und Masz- mann, kaiserchronik 3, 10G3. 1064), es ist auf jeden fall schöner und beholfner zu sagen Heinrich der vogler, Friedrich Kothbart als Heinrich, Friedrich der erste, und selbst wenn der name erweislich unhistorisch wäre, darf man dem könig gönnen was ihm die sage schenkte.

Wie verhält sichs aber mit dinkelere, das kein Schreibfehler 108 für vinkelere ist? die erzählung bei Maszmann 1064, die aus dem 13. jahrh. sein soll, hat: cum venissent ad villam Thin- chelere dictam, a civitate hildeneshemensi non valde remotam, und zu Thinchelere soll Heinrich gehaust haben, die annales hildesheimenses, die vita Bernwardi erwähnen niemals eines sol- chen ortes; man findet ihn aber in Lüntzels diöcese Hildesheim und auf der darin mitgetheilten karte von 1500 in der nähe von Hildesheim, aus de Dinklere, von Dinklar, machte man de (der) Dinklere und endlich de Finklere, der finkler, ich be- zweifle aber dasz die nd. spräche finkler für auceps kennt, der cod. palat. 525 fol. bd^. hat: ditz ist Heinrich der vogeler ge- haissen, wan er ward zu Vinkler funden, do er von den für- sten gekorn ward, do vögelt er mit seinen kinden, wo Finkler wenigstens ein ort (gleichsam der finkenherd) geblieben ist. merkwürdig der dichter des Lohengrin s. 80

under stunden man in schimpfe in nante den vogeljere, do er ze kunige wart genomen und do fürsten boten nach im waren komen, mit eime kloben er vögelte, da^ bräht da^ m^re, woraus erhellt, dasz man den namen frühe für einen scherz- haften nahm, der doch auf dem könig haften blieb.

Beim jähr 1114 steht eine stelle aus der sächs. chronik über die Schlacht bei Welpesholte, zu deren andenken die Sachsen eine kapeile bauten und in ihr die bildsäule eines auf vaterlän- dische weise mit einem eisenhut (cum pileo ferreo) bewafneten 104 beiden aufstellten, welche die dummen bauern (rustici de terra rüdes) den heiligen Theioduthe geheiszen und geglaubt hätten, dasz durch seinen beistand Heinrich der vierte von den Sachsen besiegt worden wäre, wenn die zu beginn des 13. jahrh. ge- schriebene Sachsenchronik dieser sache zuerst gedenkt, berich- tete sie eine noch nicht hundert jähre alte Überlieferung, deren freilich Eckehardus (Pertz 6, 248), die annales hildesh. ad a. 1115 (Pertz 3, 113) und der annalista Saxo (Pertz 6, 751) geschwei- gen. Korner a. 1117 p. 659 nimmt sie aus unserm Heinrich, te iodute! ist nichts als ein altsächsischer weheruf oder waffen- mf, ein Zetergeschrei (rechtsalterth. 877), das man in groszen nöthen erhob:

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wapen to iodute! helpet mi! Claus bur 464; o jave tut! MüUenhofi' sagen 175. das to iodute entspricht deutlich dem noch mehr entstellten hochdeutschen zeter, zieter ! (gramm. 3, 303), wofür ein thüringi- scher dichter des 13. jh. Kristan von Lupin MS. 2, 17'^ schreibt:

ziether (ziehter) wie rehte zart ist ir lip! ursprünglich scheint in diesem waflfen- und wehruf der name des heidnischen gottes sächs. Tio, hochd. Zio enthalten, wie wir heute gott! oder Jesus! rufen, ob die zu anfang des 12. jh. längst bekehrten, aber noch in heidnischen Vorstellungen haf- tenden Sachsen in einer auf dem schlachtfelde erbauten christ- lichen kapeile heidnischen anklang fanden (der pileus ferreus ist merkwürdig) und den ihnen damals schon unverständlichen alten waflfenruf dabei erschallen lieszen, steht dahin, das chron. pic- turat. s. 335 stattet die bildsäule zwar nicht mit eisenhut, aber mit Schild und gezackter keule aus. die eignen worte der sächs. chronik müste man noch haben! 105 Ausgezeichnet ist zum jähr 1125 die erzählung von Lothar,

dessen gemahlin Richinza oder Rikiza sich auf Widekindischen stamm zurückführte. Reinerus namque patruus ejus (Luderi) . . ipsum primo apud imperatorem (Heinrich V) cognatum Rikze uxoris suae locaverat, ubi quum se primo molliter gereret, mater Rikzae hoc aegre ferens misit sibi gladium exterius regle ador- natum, quam extrahens invenit, quod interius erat de tilia lig- neus, quod videns ipsum abjecit et post viriliter factus quasi vi extorsit ab imperatore ducatum Saxoniae, quod ita accidit etc., worauf eine gleich lebendige meidung folgt. Jaffe (Lothar s. 3) sagt: 'Corner fabelt', er kennt nur Korner, nicht dessen quelle Heinrich, mir scheint das wieder ein hergang, der in Lothars geschichte nicht unerzählt bleiben darf; will man ihn als sagen- haft auslassen, so tilge man auch aus der fränkischen geschichte was Gregor 3, 18 von der schere und dem schwert sagt, die Childebert seiner mutter Chrodhild zusandte wie freilich schon im ripuarischen gesetz begründet war. was unglaubliches hätte es, dasz ein heroisches weib aus ruhmvollem stamm ihren Schwiegersohn durch Übersendung eines hölzernen schwerts auf- wecken wollte? die gleichzeitigen mönche, welche geschichte schreiben, wissen dergleichen nicht oder wollen es nicht wissen; unter ihrer geschichtschreibung ist die deutsche geschichte ab- gemagert und verarmt, einzelne umstände retten noch die Chro- niken. Korner 667. 669 hat manches abgekürzt.

Nicht minder kostbar zu sein dünkt mich was zum j. 1156 aus der Sachsenchronik geschöpft wird, der besuch kaisers Frie- drich bei Heinrich dem löwen in Braunschweig, die herzogin loeläszt der kaiserin Beatrix ihre edelsteine und ringe vortragen, dasz sie sich auswähle, die kaiserin nimmt alles und schüttet es m ihren schosz, die herzogin weint und sagt zum kaiser:

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euer oheim hat den braten und ihr den spiesz. die ganze dar- stoUnng von Heinrich dem löwen ist einer sächsischen chronik gemäsz in sächsischem sinn, was mag die chronik nicht noch anderes enthalten haben, was der Hertorder uiönch unausge- zogen liesz!

A. 095. eine htibsche, auch von Korner wieder aufgenom- mene sage von einem schüler zu Quedlinburg, der geister in ein glas bannt und dabei einen räuber Heine zum gefahrten hat. bei Eckehart steht nichts davon, und Heinrich musz sie doch aus einem schriftsteiler genommen haben, da sie nicht in seine zeit fällt, ihm also nicht mündlich überliefert sein wird, auch der annalista und chronographus Saxo, bei welchen man sie hätte erwarten können, bieten sie nicht dar. entstammte sie der sächsischen chronik, so wäre sie wol von Botho behalten worden, bei Korner fehlt Quidelingeburg und statt auf Ecke- hart weist er auf Wilhelm (von Malmesb.).

A. 1009. die bekannte sage von den während der messe tanzenden in villa quadam Saxoniae, was andere erzähler als Kolbeck oder Colobize, Colovize im Halberstädtischen bezeich- nen, obgleich man nicht begreift, warum sich der Cölner erz- bischof Heribert hineinmengt, alles soll sich auf den eignen bericht eines der mittanzenden, namens Otbert und ein schrei- ben des erzb. Pilgrim, Heriberts nachfolger, gründen. Heinrich schöpft aus Wilhelm v. Malmesb. d. i. vmmittelbar aus Vincen- tius. die ärzte wollen aus der fabel ein beispiel des Veitstanzes gewinnen, der meines wissens immer nur einzelne ergreift, nicht 18 personen auf einmal, mir scheint das ganze eine uralte riesensage, wie es viele Überlieferungen von der chorea gigan- io7 tum, versteinerten brautleuten und hochzeitgästen gibt, einige beispiele stehen deutsche mythol. 518. die steine, welche der landesherr den Kolbecker tänzern zum andenken soll haben stehen lassen, standen sicher schon früher und die sage hieng an ihnen, sogar der ortsname Kolovize weist auf den tanz, und scheint das slavische kolo, tanz, reigen zu enthalten, im eilften jh. verfiel wahrscheinlich ein geistlicher darauf, der volks- sage eine geistliche und erbauliche deutung zu geben.

Ein anziehendes ereignis findet sich zum jähr 1808. eine gräfin von Mansfeld (im Dannenbergischen bei Lüchow) über- rascht im wald einen Slaven, der seinen alten vater tödten will, sie gibt ihm geld, dasz er ihn noch ein jähr friste, nach ver- lauf des Jahrs tödtet er ihn dennoch, das ist der altwendische grausame gebrauch, dessen bereits Notker im Marc. Capella er- wähnt (rechtsalterth. s. 488). der Slave war einer der Drivani, die zu den Polaben zwischen Ülzen, Lüchow und Dannenberg gehörten. Heinrich fügt aber gelehrt hinzu : et hoc videtur esse quod dixit Aristoteles in fine secundi topicorum: bonum est mactare patrem in Trivanis (1. Trivallis). forte debet esse anis

374 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

et non allis, nam et lingua nostra Drevenen appellautur. bei Aristoteles heiszt es, topica 2, 11: xov aürov ös xpoTOv xal iroa usv xaXov töv Traxspa ^usiv, oiov sv TpißaK/vor? xxX. der triballi- sche gebrauch galt auch unter den Hernien, unter den alten Preuszen und Slaven. die namensähnlichkeit zwischen Trivanis und Triballis ist nicht übel bemerkt, Heinrich hatte den Ari- stoteles sicher nur in lateinischer Übersetzung gelesen. Korner 108 schreibt 972. 973 alles aus Heinrich ab und hat: in Trivanis, läszt jedoch forte appellantur aus.

A. 1349. aus der Diemelgegend in Niederhessen hat sich der geschichtschreiber ein märchen aufbinden lassen, eine sage vom stillen volk, oder von w^ichtelmännchen, heinzemännchen, wie sie noch heute in dortiger gegend umgehen, mit aufzeich- nung dieser Überlieferung thut freilich Heinrich der deutschen mythologie einen gröszern gefallen, als wenn er ein paar ge- schichtliche ereignisse seiner lebenszeit mehr verzeichnet hätte, ein gutmütiger geist oder kobold namens Reineke (d. i. Rein- hart) erscheint im j. 1349 in der gegend von Zierenberg (also des groszen Reinhartswaldes), doch wird nichts von ihm als seine band sichtbar, die er froschkalt den leuten zu befühlen hinreicht, ähnliches wird von einem geist Hütchen oder Ho- deken (im chron. pictur. 338 steht für Hodeke fälschlich Bo- deke) in Hildesheim, von Hinzelmann im Lüneburgischen, von Goldemar in Westfalen erzählt, es ist eine alt westfälische, säch- sische Überlieferung, und auch die von Reineke wird künftig in die Sagensammlungen eingehen. Korner gibt sie nur theilweise.

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

Germania, viertel) ahrsschrift für deutsche alterthnmskunde. herausg. TOn Fr. Pfeiffer, jahrg. 1. 1856. s. 18 33.

18 Die Zahlwörter aller sprachen, namentlich auch unserer,

stecken voll anomalien und Störungen der laute, bildungen und flexionen, ihre fassung wird dadurch noch erschwert, dasz sie in den älteren, reineren quellen, nur unvollständig enthalten, oft mit Ziffern oder buchstaben (z. b. in den gothischen bruch- stücken von Esra und Nehemia, in Joh. 6, 19) ausgedrückt sind, Vielehe die form nicht erkennen lassen, manches musz also bei ihnen nach nicht völlig sicherer analogie theoretisch aufgestellt werden, ich habe mich verschiedentlich bestrebt die eigenheit dieser anziehenden Wörter zu ergründen, doch lange nicht alles erschöpft; diesmal sollen -einige Wahrnehmungen über die art und weise folgen, wie sich einfache zahlen zu den zehen

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 375

und zig gesellen, der einfachen zahlen eigne gestalt und flexion wird dabei vorausgesetzt, obschon auch an ihr viel zu berich- tigen und bestimmen bliebe, was aber gröszern räum begehren würde als die darstellung ihrer Zusammensetzungen, die car- dinalzahlen I, II, III waren für alle drei geschleohter ursprüng- licli und aus einleuchtender Ursache in den sprachen höchst biegbar und sind es auch zulängst geblieben, von IV bis X biegt das latein gar nicht mehr, das griechische nur von V bis X 19 nicht, indem es IV noch der flexion und des geschlechtsunter- schieds von III theilhaft werden läszt; im sanskrit hört von V bis X der ausdruck des geschlechts auf, doch dauert die flexion fort, im slavischen nehmen V bis X eine weibliche sub- stautivflexion an. die littauischen V bis IX declinieren vollstän- dig und gleichförmig, können aber, wie diese spräche über- haupt, nur m. und f. unterscheiden, auch bei uns waren auszer I, II, III ehemals IV bis X biegbar imd nach der regel von III die geschlechter unterscheidend, stehen jedoch häufig unge- bogen.

Einfach erscheinen zur die zahlen I bis X und alle übrigen müssen mit ihnen und auf ihre grundlage weiter gebildet werden. eigentliche, d. h. durch einen bindungsvocal haftende Zusammen- setzungen treten dabqi nicht ein, sondern nur uneigentliche d. h. blosze aneinanderschiebungen, wie sie auch mit partikeln stattfinden. eigentliche Zusammensetzung kann niemals dem ersten wort eine flexion lassen, wol aber die uneigentliche und darum flectiert auch in der Zahlzusammensetzung oft noch die erste zahl, ja die lose Verbindung beider zahlen wird durch eine zwischentretende partikel hervorgehoben, endlich sind beide zahlen gleich partikeln verrückbar, für einundzwanzig wird franz. vingtun gesagt und lat. tertius deeimus ist gleichviel mit decimus tertius. solange in beiden aneinander gefügten zahlen das gefühl für den sinn der ersten lebendig bleibt, erhält sich auch ihre flexion, sobald er sich verdunkelt und beide zahlen in ein ganzes verwachsen, pflegt die flexion nur hinten ans zweite wort zu treten oder völlig zu erlöschen.

1) Von XIII XIX wird in deutscher zunge mit der einfachen zahl und zehen zusammengesetzt, XI und XII haben abweichend andere gestalt, die aus unserm heutigen eilf und zwölf kaum /.u erkennen wäre, wenn schon die anlaute von ein und zwei darin hervor leuchten, dem goth. ainlif, tvalif hat Bopp vergl. gramm. s. 447 453 eine ausführliche, scharfsinnige deutung gegeben und beide ihrer form nach dem skr. ekädasan, dvadasan, also dem gr. ivosxct, otoösxa, lat. undecim, duodecim gleichgestellt, lif soll durch lautwechsel dem littauischen lika, dem prakritischeu raha, hindostanischen reh, leh und deh, folg- lich dem skr. dasan vermittelt werden, unverkennbar ist die Identität zwischen goth. lif und litt, lika, ihre heranziehung zu

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den fernen asiatischen formen aber gezwungen und schwer zu glauben, wie auch Pott zählmeth. s. 75. 172 sie verwirft, aiulif und tvalif, wienolika und dwylika gehen deutlich auf goth. leiban, litt, likti zurück, welche verba nicht nur jjLSvetv, sondern auch TTEpisSiUStv ausdrücken, die zahl flieszt um eins oder zwei über zehen, das als einen merkbaren abschnitt im zählen machend nicht gesetzt zu werden brauchte, sich von selbst hinzu denken liesz, das eine und zwei ist das Trsptaaov, die zuthat. so wird auch die litt. Ordinalzahl für XI gebildet pirmas lekas, gleich- sam Tipaixo? Treptaso?, der erste überflieszend , für XII antras 20 lekas, osuiepo? Trspiaao?, der andere überflieszend. bestätigung empfängt alles dadurch, dasz Letten, Slaven und Albanesen hinter die ein- und zweizahl ihre partikeln pa, na, mbe setzen und die zehnzahl ausdrücklich folgen lassen, pa, na, mbe be- deuten über, auf, lett. XI weenpadesmit, XII diwpadesmit mei- nen eins über zehn, zwei über zehn, [alban. XI nie mbe diette, XII di mbe diette eins auf zehn, zwei auf zehn.] so bei allen Slaven ist XI altsl. iedinonadesjat', russ. odinadzat, serb. jeda- naest, sloven. enajst, poln. iedena^cie, böhm. gedenäct; XII altsl. dvanadesjat', russ. dvenadzat', serb. dvanaest, sloven. dvanajst, poln. dwanascie, böhm. dwanact; wer auf den ersten blick würde in den späteren kürzungen die präposition na samt der zehnzahl erkennen? das sanskrit, die griechische und latei- nische spräche fügen eins und zwei ohne partikel addierend aneinander, die sinnliche Vorstellung des pa und na = über bezeichneten unsere und die litt, spräche noch sinnlicher durch lif und lika, man erwäge das gr. si/oai Treptt-a zwanzig und drüber, über zwanzig, wo die bestimmte kleinzahl unausge- drückt bleibt, wie umgedreht bei unserm eilf und zwölf die zehnzahl, will man ainlif, tvalif auf ein volles, schleppendes ainlifanataihun, tvalifanataihun zurückleiten? die Littauer bilden nun auch XIII— XIX mit demselben lika, die Slaven mit dem- selben nadesjat'. die Albanesen mit demselben mbe diette; dasz wir lif auf XI und XII einschränken, hängt offenbar zusammen mit der ausdrucksweise analoger minderung in einsminzweinzig für XIX, zweiminzweinzig für XVIII oder auch dem lat. un- deviginti, duodeviginti, wir sagen weder drei minder zwanzig für XVII noch dreilif, dreilf für XIII, der Lateiner nicht tria- deviginti, es war sinnlich eins und zwei ab oder zu zu thun, drei davon oder darüber wäre unsinnlich gewesen.

2) Nun aber die flexion von XI und XII. die einzahl in amlif und in IvSexa, undecim musz doch nothwendig als sg. gedacht werden und wenn man deutet eins darüber, eins und zehn, lag darin auch die Vorstellung unum. dem zufolge geben die Slaven ihrem iedinonadesjat' den gen. iedinogonadesjat', den dat. ledmomunadesjat'. der zweizahl in tvalif und duodecim gebührt dagegen ursprünglich ein dualis, wie er im sl. dvana-

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desjat', gen. dvoionadesjat', dat. dvjemanadesjat' gebildet wird, die poln. iedenascic, dwanascie haben den gen. icdenastu, dwu- nastu, wo dwu dem altsl. dvoio gleicht, dieser sl. fbrn)vollkoin- menheit entspricht aber das ganz unbiegsame Ivoexot, undecim, öwSexct, duodecim nicht, im goth. ainlif und tvalif erscheint die erste zahl in allen lagen unveränderlich, das lif hingegen bald ungebogen, bald nach der dreizahl (|)rei8 jireis ]iria = tres tres tria, TpsT? xpsi? tpict) gebogen, unflectiert: |)ai tvalif, ot oouosxa. Luc. 8, 1; l^aim tvalif siponjam seinaim. Matth. 11, 1. flectiert: urrais |)ridjiu daga jah ataugids ist paim ainlibini. 1 Cor. 15,5, wo Ulfilas gelesen haben musz xoii; IvSexo, wie auch bei Lachm. die hss. AGfgv geben , um Judas von den zwölfen auszu- schlieszen; ains |)ize tvalibe. Marc. 14, 1(1; jere tvalibe. Marc. 5, 42; vintrive tvalibe. Luc. 8, 42. die flexion des nom. m. f. •würde ainlibeis, tvalibeis, des acc. m. f. ainlibins, tvalibins, des nom. acc. n. ainlibja, tvalibja lauten.

Nicht anders erscheinen auch in den übrigen dialecten beide 21 zahlen bald ohne, bald mit flexion. der ahd. nom. m. f. ist im letzten fall einlifi, zuelifi, der dat. einlifim, zuelifim, dem gen. würde einlifö, zuelifo zustehen, mhd. einlif, einlef, zwelif, zwelf unflectiert, mit flexion aber einleve, zweleve, dat. einleven, zweleven. nhd. eilf, eilfe, zwölf, zwölfe, dat. eilfen, zwölfen, ein mhd. gen. eilver. Wh. 151, 29, zwelver, hat so wenig befremdendes als drier, [drir. Helbl, 2, 335,] sehser, niuuer, zehener. Wh. 283, 19. am neugierigsten wäre man auf den gebogenen ahd. mhd. nom. acc. n.; ich kann sie nicht belegen, warum sollte nach analogie von driu nicht gestattet sein z. b. der hüse brunnen einleviu, der sper wjiren zueleviu? [der wan- del sind wol zweifln. Helbl. 2, 437.]

Seltsam ist ein ags. endleofan, endlufon neben tolf, und noch heute engl, eleven neben twelve; ebenso alts. ellevan, eleven in der Freckenhorster Urkunde s. 26 und altn. ellifu, schwed. ellofva, dän. elleve neben tolf, welchen nordischen formen n, wie gewöhnlich, abgefallen scheint, dies endlufon schlieszt sich unorganisch an seofon, nigon (wie ellifu an sjö, niu, tiu), goth. sibun, niun, entspricht also dem lat. em in Septem, novem, decem, undecim.

Unser goth. ainlibeis tvalibeis, ainlibja tvalibja hält die mitte zwischen den erstarrten gr. und lat. formen und der altsl. vollen biegsamkeit. die spräche, sobald sie tvalibeis bildete, ■war des Ursprungs der grundlage tvalif vergessen, verfuhr aber nicht kühner als das latein, dem aus duodeviginti ein duode- vigesimus, duodevicesismus hervorgieng, worin die präposition de ihren rechten sinn verliert, von der littauischen flexion soll in folgender bemerkung die rede sein.

3) Wir schreiten fort zu einer betrachtung der zahlenzu- sammenfügungen XIII XIX, die nicht mehr mit lif, vielmehr

378 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

deutlicher mit taiiiun, zehan selbst gebildet werden. Ulfilas reicht uns nichts dar als zwei beispiele: fidvortaihun jera. Gal. 2 1; ana spaurdim fimftaihunim, dizh araSituv osxaTisvTS. Joh. 11, 18, taihun also, wie lif, biegbar oder unbiegbar, hiernach lassen sich auch saihstaihun, sibuntaihun, ahtautaihun, niun- taihun aufstellen, niemals erscheint die erste zahl gebogen, die Griechen, wie sie das einfache drei und vier flectierten, sagten auch xpi?xaiosxa für xpsT? xal osxa, xpi'a xal Ssxa und xeasapsaxat- 0SX7., xsscjapaxaiösxa, umgedreht osxotxpsi;, Ssxaxsacfotps?, Ssxotxpta, Ssxaxsasapa, doch Ulfilas in jenen beiden stellen liesz die gr. form unnachgeahmt. wenn daher Lobe für XIII jjrijataihun vermutet, so wäre es blosz für das n. gerecht und m. f. for- derten Ijreistaihun. leichter könnte man sich, bei zwischentre- tendem jah die formein Jjreis jah taihun, Jorija jah taihun vor- stellen.

Die ahd. denkmäler bei GrafF 5, 628 liefern dreierlei,

a) beide zahlen unflectiert: fiorzehan, sehszehan, ahtozehan, wonach sich die fehlenden folgern lassen,

b) die erste zahl ungebogen, die zweite gebogen: ahtoze- 22 haue und im n. zehaniu, also auch niunzehani m. f., niunzehaniu n.

der dat. hätte zu lauten fimfzehanim = goth. fimftaihunim.

c) beide zahlen gebogen: drin cenin, d. i. drim zehanim, folglich drizehani m. f. driuzehaniu n.

d) ein möglicher vierter fall, die erste zahl gebogen, die zweite nicht, scheint abzugehen, gerade er zeigt sich in der alts. Freckenhorster urk. , die s. 18, 30 thriutein (verschrieben thrutein) muddi n. hat, sonst sivontein, nigontein.

Auch mhd. ergibt sich diese letzte weise für den nom. acc. von XIII, ich habe früherhin, verführt durch das zweideutige ags. ]3reotyne, gramm. 2, 948 falsches vorgetragen, man unter- scheide die drei geschlechter so : drizehen man, drizehen frouwen, driuzehen kint; drizehen boume, drizehen linden, driuzehen laut, hier folgen, belege: driuzehen jär. Nib. 1082, 3. Gudr. 1092, 2; driuzen sper. frauendienst 456, 19; [driu zehen tüsent. kehr. 7580, weil tüsent n. ;] auch mit eingeschaltetem und, ich hän ir driu und zehen jär gedienet, frauendienst 424, 15. in dem sprach- reinen steierischen heberegister bei Rauch, welches ei = i, eu = iu setzt, Hest man: dreizehen phennige. 427. 437. 440. 448. dreizehen gens. 445. dreuzehen hüener. 459. 460. hingegen lau- ten die übrigen zehner unflectiert: vierzehen, fünfzehen u. s. w. fttnfzehen sper. frauend. 489, 7 oder (nach ahd. weise b) mit gebogner zweiter zahl: aller vierzehene. Wh. 427, 13; nach tagen vierzehenen (wo die hs. vierzehen.) Gudr. 164, 1. der dat. von XIII hat drizehen. frauend. 485, 20 nicht driuzehen und der gen. würde kaum drierzehen gewähren, sondern drizehene oder drizehener. jener mhd. unterschied des drizehen und

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 379

driuzehen pjieng in der uhd. ausspräche, der kein feines gehör für die dij)hthonge ei und eu beiwohnt, längst verloren.

Aitslavisch wird bei Xlll XIX eben wie bei XI und XII ein nadesjat' an die einfache zahl gehängt, nur dasz diese von XUl an die flexion des pl. erhält, wie in XI des sg., in XII des dl. allmälich aber tritt die flexion hinten an desjat und die der einfachen zahl in der mitte hört auf.

Ebenso bilden sich den Littauern alle zahlen von XI XIX gleichförmig mit lika, das der bedeutung, nicht der form des sl. nadesjat' entspricht und für ein weibliches subst. gilt, nach dem sich die vorstehenden einfachen zahlen richten.

[Welsch findet die bildung von Xlll. XIV. mit ar, zu, statt: tri-ar-ddeg m., tair-ar-ddeg f. Zeusz s. 32(j trywyr ardcc 13 viri, teir llong ardec 13 naves.]

4) Auf die decaden habe ich mich in der gesch. der deut- schen spr. 8. 247 253 eingelassen und übergehe was dort über deren bildung gesagt ist, um mich hier blosz mit den einfachen zahlen, die ihnen vortreten, zu befassen, das goth. tigjus ist der pl. eines männlichen subst., welchem sich alle zahlen von II VI in einstimmigem genus und casus verknüpfen sollten, doch thut es nur die zwei und dreizahl: tvaitigjus tvaddjetigive tvaimtigum tvanstiguns; |oreistigjus l)rijetigive JDrimtigum |>rinsti- guns. IV". V. VI binden sich ungebogeu: fidvörtigjus XL, acc. fidvörtiguus; fimftigjus L, acc. timftiguus; saihstigjus LX, dat. saihstigum. Vll. Vlll. IX. X binden sich, ebenfalls ungebogen 2:^ mit tehund, das ein neutrum ist und im sg. steht: sibuutehund LXX; ahtautehund LXXX; niuntehund XC, gen. niuntehundis. Luc. 15, 7; taihuntehund C. das neben tigjus erscheinende no- men musz im gen. pl. erscheinen: dage tvaitigjus, zwanzig tjige, skatte fimftigjus, denariorum quinquaginta, im acc. dage tvansti- guns, skatte fimftiguns. neben den Zusammensetzungen mit tehund steht zwar ebenfalls der gen. pl.: jere ahtautehund. Luc. 2, 37; niuntehund garaihtaize. Luc. 15, 7; taihuntehund lambe. Luc. 15, 4; taihuntehund käse. Luc. 16, G. einigemal aber auch der casus, welchen das unflectirte tehund selbst darstellt: ))ai si- buntehund, die siebzige. IjUC. 10, 17; anl)arans sibuntehuud, alios septuaginta. Luc. 10, 1; sunjus niuntehund, filii nonaginta, die neunzig söhne. Esr. 2, 16.

Wie goth. zwischen tigjus und tehund wird auch ahd. zwischen ziic (^.ug) und unterschieden, beide sind aber fast unbiegsam, doch erhellt das männliche geschlecht von zuc aus dem in zueinzuc vorstehenden zuein = zuene, zueine und man darf mntmaszen, dasz früher dafür ein volleres zueinezugi (wie suni = goth. sunjus), gen. zueiözugö, dat. zueimzugum bestanden haben werde, auch drizuc triginta für drizugi würde den gen. driözugö, dat. drimzugum ertragen, in fiorzuc, fimfzuc, sebszuc steht die erste zahl unveränderlich, dem dat. wäre wiederum

380 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

ein verschollenes fiorzugum fiinfziigum sehszugum einzuräumen, die composita sibunzo, ahtozo, niunzo und zehanzö scheinen ganz erstarrt, neben beiden, zuc und z6, stehen subst. im gen. pl., wofür schon gramm. 4, 74:3. 744 belege gegeben sind.

Mhd. finden wir alle Unterscheidung zwischen zuc und z6 erloschen und für beide zec, zic, sogar in dem hin und wieder noch üblichen zehenzec = hundert, dagegen dauert zweinzec^ zwenzec XX fort, und hatte sich selbst nhd. bis ins 16. jh. bewahrt, Luther schrieb mit andern seinen Zeitgenossen nur zwenzig, was die späteren ausgaben der bibel in zwanzig ver- fälschen, unser sehr anomales a in zwanzig entspringt aus einem oberdeutschen a = ai, ei. merkwürdig haftet auch im nnl. twintig, engl, twenty der ags. pl. m. tvegen, alts. tvena, tvene^ wofür sonst engl, two, nnl. twee gesetzt wird, aus dem goth. dat. tvaimtigum, ahd. zueimzugum läszt sich zwenzig, twentig, twenty nicht herleiten, sonst müste sich auch von J)rimtigum,^ drimzugum ein drinzig statt dreiszig darbieten.

5) Bisher war nur von Zusammensetzung der decaden selbst und ihrer flexion die rede, nun aber fragt es sich nach der art und weise, wie diesen compositionen weiter die einzelnen ein- fachen zahlen hinzutreten, bei den zehnen stehen sie meisten- theils vornen: eilf zwölf dreizehn vierzehn u. s. w. , doch hin- dert nichts sie in bequemer rede auch abzutrennen und nach- folgen zu lassen; wir dürfen noch heute sagen: ich gebe dir zehn und drei dazu, wie es bei Lichtenstein im frauend. 497, 7 heiszt: der wären zehen und darzuo dri, statt drizehen. in ra- schem zählen wird aber stets präfigiert. nicht anders zählen wir bei den decaden: einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiund- 24 zwanzig u. s. w., einunddreiszig, zweiunddreiszig, dreiunddreiszig durch sämmtliche zige hindurch, gleichergestalt nnl. een en twintig, zes en dertig, zeven en veertisr. im emA. hat man aber das voraussenden der kleinen zahl verlassen und obschon es ags. hiesz an and tventig, six and fiftig heiszt es heute gewöhnlich twenty one, fifty six, nur ausnahmsweise six and fifty n. s. w. auch die Schweden setzen nach: tiuguen XXI,. trettiosex XXXVI, sjuttiofyra LXXIV, wie die Franzosen vingt un, trente six, cinquante trois.

Das goth. verfahren erhellt lediglich aus drei beispielen: yiduvo jere ahtautehund jah fidvor. Luc. 2, 37, nach yj^pa STÄv ÖYSoTjXovxa -saaapwv, nicht knechtisch, sondern mit einge- fügtem jah und ungebognem fidvor; |36 niuntehund jah niun (nemlich lamba). Luc. 15, 4; niuntehundis jah niune garaih- taize. Luc. 15, 7, in welchen stellen der gr. text schreibt IvsvVjxovxa ivvsa. es scheint hiernach, dasz die Gothen die kleine zahl, flectiert oder unflectiert, den decaden mit eingeschaltetem jah folgen lieszen, das geschlecht der flexion richtet sich nach dem des in rede stehenden Substantivs, nicht nach tigjus oder

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 381

tehund. einundzwanzig männer hätte demnach goth. zu lauten tvaitigjus manne jah ains, zweiundzwanzig weiber tvaitigjus qinönö jah tvos, triginta duos viros I)rin8tigun8 vaire jah tvans. Ahd. begegnet nach beiden weisen: unzi ze järun ahtozö feorin (s. 1. für feoriu), ad annos LXXXIV, in einer glosse bei Haupt 3, 466"; drizog inti ahto jar habenti, triginta et octo aunos habens. T. 88, 2; ubar niun iuti niunzog (scaf), super nonaginta novem. T. 96, 3; dri auti zuainzuc. Grafi" t), 721; üblicher wird es sein, die kleine zahl voraus zu lassen, man achte auf geschlecht und flexion der drei ersten zahlen: einer inti zueinzuc, einiu inti zueinzuc, einaz inti zueinzuc; acc. einan inti zueinzuc, eina inti zueinzuc, einaz iuti zueinzuc; nom. pl. zuene inti fiorzuc, zuö inti fiorzuc, zuei inti fiorzuc; dri inti zueinzuc. m. f., driu inti zueinzuc n.; dat. drim inti zueinzuc. früher wol auch drira inti zueinzugum. beispiele mit dem gen. pl. subst. : dri inti drizuc silubarlingo ; sibunzö lempiro inti driu, dreiundsiebzig lämmer.

Mhd. ist es noch zu thun um den guten unterschied der drei ffeschlechter bei den drei ersten zahlen: einer unde zwein- zec, einiu unde zweinzec, einez unde zweinzec, ein paar belege hat das mhd. wb. 1., 418''; man schrieb: zwelf hundert und einz und niunzec = 1291 und in Pfeiffers Jeroschin s. 196 findet sich: tüsint zweihundert zehenre min, uemlich jär, mit einem von min abhängigen gen. pl. zwene unde zweinzec, zwo unde zweinzec, zwei unde zweinzec, also z. b. zwene unde zweinzec tage, zwo unde zweinzec nwhte, zwei unde zweinzec laut; [zwo und drizeg raste. Hahns Stricker 16. zwo und drizec meide. Nib. 645, 3. zwo und fünfzec frowen. MS. 2, 135''. 136". zwo und sibenzic zunge. Servat. 370. zwei u. zwenzig phunt. thür. mitth. HI. 4, 69.] dri unde drizec tage, na;hte, driu luide drizec laut; drü und drizic jar. Pfeiffers myst. [1.] 197, 13. [driu und drizic jär. 2. 219, 2. driu unde drizec jär. MS. 2, 143''. Helbl. 2, 251. driu u. zwainzig jär. Fritz v. Zolre 445.] im steirischen heberegister: ainer und zwainzich metze. 416; ainz und zwainzich huener. 395; zwen und zwainzich phenninge. 405. 407. 408. zwen und dreizich phenninge. 403. 404; zwo und dreizich (schultern), zwo und ohzich (zinspalten), zwai und sibenzich (huener). 410. ebenso dri unde drizec m. f., driu unde drizec n. drei und funfzich phenninge. 430. dreu und 26 sehzich muttel. 410; dreu und dreizich (lemper). 416; dreu und dreizich huener. 397. die zahlen vier bis niun pflegen der flexion zu entraten :

ir sint vier unt zwenzec jär

vil lieber danne ir vierzec sint. Walther 57, 29; doch kann das neutrum auch, besonders das nachgesetzte gebogen sein: zweinzec unde vieriu. deutsche Urkunden des 14. 15. jh. in ihren jahrsangaben am schlusz gewähren eine

382 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

menge von Beispielen, z. b. driuzehen hundert und ahtiu und vierzijT jar = 1348. mon. zollerana no. 309. 310.

Nhd. unterbleibt jetzt alle flexion, auch bei der ein und zweizahl: einundzwanzig, zweiundzwanzig, ohne unterschied der geschlechter; im volk hört man wol eins und zwanzig. Luther schrieb in der bibel noch: zween und dreiszig knaben. 1 kön. 20, 15; zween und dreiszig wagen. 22, 31; zwo und vierzig stedte. 4 Mos. 35, 6; zwo und dreiszig seelen. 31, 40; zwo und zwenzig stedte. Jos. 10, 30; zwei und dreiszig jar. Dan. 5, 31. doch hat die ausgäbe von 1545 auch zwei und dreiszig könige. 1 kön. 20, 1 ; in zwei und fünfzig tagen. Neh. 6, 15; zwei und zwenzig söne. 2 chron. 13, 21. drei und die folgenden zahlen können ihm nicht mehr flectieren: bei vier und achtzig jaren. Luc. 2, 37; vor neun und neunzig gerech- ten. 15, 7.

6) In der mathematik wird zuthat oder abgang durch plu& und minus ausgedrückt, in der spräche versteht sich jene schon bei bloszem aneinanderrücken zweier zahlen, octodecim, ahtau- taihun, achtzehen ist acht -|- zehen; zuweilen tritt zwischen beide bindendes jah, und : niuntehund jah niun, neun und neun- zig und oben sahen wir den zugang durch lif oder sl. na be- zeichnet, abgang versteht sich nie von selbst, fordert immer bestimmten ausdruck. die lat. spräche, im gegensatz zu jenem sl. na, bezeichnet wegnähme mit de, undeviginti, duodeviginti sagen eins, zwei an zwanzig mangelnd aus, 20 1, 20 2. ahd. mhd. musz man in gleichem sinn das wörtchen min einge- schoben haben: einaz min zueinzuc, zuei min fiorzuc =19 und 38, doch stehen mir erst aus dem steirischen heberegister belege zur band: ainsminzwainzich phenninge. 448; summe der chese ainsminzwainich. 457; ainsmindreizich (phenninge). 450; ainsminvierzich muttel. 431; zwaimindreizich mutte. 456; und min in mi gekürzt: ainzmizwainzich. 409; ainzmidreizich. 424. nur wundert mich, dasz die kleine zahl vor dem min immer neutral steht, man sollte bei den pfenningen und käsen erwar- ten ainerminzwainzich. heute verwenden wir statt min das un- beholfnere weniger: eins weniger zwanzig oder auch zwanzig weniger eins und auch hier scheint das neutrum eins die summe des betrags zu bestimmen, doch läszt sich- unbedenklich sagen: zwanzig thaler weniger einen zahlen, vingt ecus moins un. den Angelsachsen galt laes, das sie gleich jenem min zwischen beide zahlen rückten: an lags tventig, undeviginti, tvä lass tventig, duodeviginti, wieder im neutrum, mir entgeht ob andere ge- schlechter statthaft sind, laes ist das engl, less, ob noch one 26les8 twenty im gebrauch blieb, weisz ich nicht, man sagt in less than an hour, in weniger als einer stunde, bei zahlen steht aber das romanische save, franz. sauf, auszer: fifteen save

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 383

one, save two. altn. faera = weniger, von för paucus, ahd. foh, und eine bekannte stelle der edda S.Tm. 142'' hat:

fioriun f'rera enn fimm togo, neinlich sverd, seh werter, vier weniger als fünfzig, demnach 46. den goth. ausdruck habe ich auf /aj letzt gespart, II Cor. 11, 24 liest man: fimf 8in})am fidvortiguus ainanmia vanans nam, zu verstehen slahins, piagas, gr. irsvTaxi^ Täaa-apiotx'ivta irctpa jAiav sÄaßov, vulg. quinquies ([uadragenas una minus accepi, bei Luther fünfmal vierzig streiche weniger eins, d. i. 199*. zctpi [xiotv sc. TT^Tj-'r^v ist bei, neben, einen streich abgerechnet, engl, save one; das goth. vans ist mangelnd, zweihundert streiche einen mangelnd, also weniger, ainamma nemlich slaha. bei diesem einen streich gieng die zahl derselben leer aus, er fuhr nebenhin, traf nicht, oder wurde nicht gegeben, im lutherschen text übersehe man nicht das neutrum eines, das zu einundzwan- zig stimmt, heute würde man setzen weniger einen (streich).

Die Partikel min bei zahlen ruft mir eine andere, in der bedeutung von minimum, mindestens, wenigstens beigefügte, nemlich doch in gedanken. im gedieht von dem himmlischen Jerusalem bei Diemer (wo ich nicht irre, in keinem andern dieser Sammlung) steht:

der selben porte doh tri. 362, 20;

hin norderet stjint porte doch dri. 363, 5;

hine westeret stant porte doch dri. 363, 13;

varwe er hat doch tri. 367, 17;

varwe habet er doch zwä. 369, 18;

der vier steinwente doch tri. 372, 1.

[zwir doch wol. Kenn. 1604.] im mhd. wb. ist dies wichtige doch ganz uneingetragen, es drückt aus minimum, saltem, Varro sagt: ita fiunt omnes partes minimum octoginta et unum, es bezeichnet die eahl, unter welche nicht hinab gegangen werden soll, dasz schon ahd. doh saltim ausdrückte, bezeugen die von GrafF 5, 69 angegebnen stellen, die nicht erkennen lassen, ob es bei zahlen stand, auch die Griechen verwenden ^Xot'/ta-a und }xaXi(jTa neben zahlen, die Polen najmniej und najwi^cej, vgl. oben unter 1 sixoöi :re- ptTxa. [vgl. goth. sve{)auh, sve, [asv, '(i, itep. Schulze 333'. 382".] ähnlich dem doch verbindet sich wol, franz. bien mit zahlen, [guet tusig. ad minimum mille. id bernense.]

7) Wir gelangen zu den Ordinalzahlen, bekannt ist, dasz die einfachen und die zehner goth. auf da, oder wo altes t

* s. 485 desselben bandes findet sich folgender nachtrag: Grieshaber hat mich belehrt, dasz die seile 26 angezogene stelle aus II Cor. 11, 24 nicht 199 schlage, sondern nach hebräischem Sprachgebrauch nur 195 meinen kann, um das strafmasz nicht zu überschreiten, wurden statt 40 immer nur 39 auf- gezählt, [vierzig streiche weniger einen, weim. jahrb. 6, 10.]

384 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

durch einen consonant gebunden blieb, auf ta, ahd. auf to en- dio-en; auszunehmen sind nur bei der einzahl das superlativi- sche goth. fruma = lat. primus und das ahd. furisto, eristo; bei der zweizahl an|)ar, ahd. andar, mhd. ander, wofür sich erst nhd. unorganisch zweite einschlich, die ordinalien von XX XC sind bei Ulfilas unersichtlich, haben aber ahd. und altn. super- lativbildung. darf man aus zwenzugösto ein goth. tvaitugösta 27 schlieszen ? sämmtliche Ordinalzahlen, nur die der zweizahl aus- genommen, flectieren nach deutschem Organismus schwach, gegenüber den stark flectierenden cardinalien.

Hier ists mir wieder nur auf die Zusammensetzung der ordinalien abgesehn. goth. erscheint unter den zehnern allein die für XV, und noch dazu in unsichrer gestalt. Luc. 3, 1 setzt man in den text in jera fimftataihundin, iv ixei Trsvxsxai- Ssxaxq), auch Uppström thut es, der eigentliche text hat fimf- taihundin, und ein ta ist übergeschrieben, hielte man fimftai- hundin fest, so schiene alles gerecht, nach griech. weise werden alle ordinalien von den bereits zusammengefügten cardinalien fortgebildet, svoexaxos von IvSsxa u. s. w. ebenso verhielte sich goth. ainlifta, tvalifta, fidvörtaihunda, fimftaihunda zu ainlif, tvalif, fidvortaihun, fimftaihun u. s. w. ebenfalls heiszt es ags. tvelfta, feoverteoda, fifteoda, wo teoda dem taihunda entspricht; altn. tölfta, fiortända, fimtända von tölf, fiortiu, fimtiu, mit Schwächung des tiunda decimus in tända. denkbar wäre aber, dasz auch, nach lateinischer weise, wie quintus decimus ein fimfta taihunda bestanden hätte, dem jedoch im neutrum fimfto taihundo, folglich im dat. fimftin taihundin = quinto decimo zu- käme, fimfta taihunda wäre lediglich dem nom. sg. m. angemes- sen, soll im dat. sg. fimftataihundin gelten, so müste a die natur eines bindevocals haben, der doch bei zahlen bedenken erregt.

Wie verhält es sich ahd. damit? einlifto, zuelifto sind un- bedenkHch und allein statthaft, ihnen zur seite steht drizehanto, fiorzehanto, finfzehanto u. s. w. ebenso erscheint aber auch, von XIII an, das zweite, lateinische verfahren und wiederum ohne die gebührliche schwache flexion des ersten worts, mit einem festen vocal. in themo finfta zehenten järe heiszt es T. 13, 1, noch dazu in der nemlichen stelle aus Luc. 3, 1, die auch fimftataihundin brachte. K. cap. 18 (Hattemer s. 67) liest man: unzi za niuntazehantin salmin, usque nonum decimum psalmum. in N. Marc. Capeila 54 folgen aufeinander: dero zueleftun, dero drittezendun, dero fierdozendun, dero finftezendun [finftozehendun Hpt. 8, 110], immer dat. sg. f. [aber sehszen- dun für sehstezendun]. Notker gibt auch sonst den bindevocal o und e statt des alten a, welches bekanntlich hinter starken und schwachen subst. eintritt, ein in der mitte unabänderliches ahd. drittazehanto, finftazehanto wäre demnach gleich dem goth. fimftataihunda rechtfertig, doch schienen beide unorganisch.

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 385

In unsern mhd. denkraälern scheinen auch solche bildungen wieder geschwunden, ich entsinne mich keines drittezehende, vierdezehende, uud es wird stets, wie einlef'te, zwelef'te gesetzt drizehonde, vierzehende u. s. w. doch ist hier eine andere Ver- letzung des Organismus ins äuge zu fassen, unter 3 wurde ge- wiesen, dasz vor dem zehen die einfache zahl drei sich nach dem gesehlecht richte und zwischen drizehen m. f. driuzehen n. unterschieden wurde. von einem solchen drizehen oder driuzehen leitet sich nun, mit beibehaltnem geschlechtsunter- schied ein durch alle flexionen feststehendes drizehende und driuzehende, es heiszt der drizehende man, diu drizehende frouwe, daz driuzehende kint. an sich scheint das unpassend, 28 ja widersinnig, da in die zahlencomposition keine flexion ein- gehen soll, und das pluralische dri, driu nicht in einem wort entlialten sein kann, dessen gegenständ als ein einzelner gedacht wird, man musz cardinal und Ordinalzahl in der Vorstellung vereinen :

unz an daz driuzehende jär. Nib. 1330, 4; unz au den drizeheuden tac; diu drizehende frouwe. nhd. vermögen wir dreizehnte von dreuzehnte nicht mehr zu scheiden.

Für die goth. cardinalzahlen mit tigjus kommen keine ordi- nalformen vor. ahd. begegnet zueinzugosto, drizugösto, tiorzu- gösto u. s. w. mhd. zwenzegeste, drizegeste, vierzegeste u. s. w. ; da hier das m. zuein, zwen von zug, zeg abhängt, versteht es sich, dasz kein zwozegeste, zweizegeste möglich ist.

8) Die einfachen zahlen dürfen neben den decaden auf doppelte weise erscheinen, so dasz entweder auch die einfache zahl in der ordinalform gesetzt oder von der bereits erfolgten Zusammensetzung beider zahlen die ordinale blosz abgeleitet wird, in jenem fall heiszt es ahd. zueinzigösto eristo, andar, dritto, z. b. niunzogösto fiordo psalmo und niunzogostin feordin. K. cap. 10; sextugösto sexto, zehanzugösto sibunto zehanto ^l]7ter^ cap. 12; fünfte drizugösto, ahtozo^iösto , sibunzogösto andrer (72'*'0' cap. 13. im andern fall: einer inti zueinzigösto, einiu inti zueinzigöstii, einaz inti zueinzigösta, zuCne inti zueinzi- gösto, zuö inti zueinzigösta, zuei inti zueinzigösta, wozu jedoch belege abgehen, das zwischentretende inti erleichtert die Ver- knüpfung einer cardinalen und ordinalen zahl, ohne inti würde sie kaum ergehen, mhd., wo die zahlzusammensetzungeu fester und geläufiger geworden sind, heiszt es mit Übertragung jenes einer, einiu, einez und zweinzec, zwene, zwo, zwei und zweinzec, dri, driu und zweinzec auf die ordinalform nun auch der einer, diu einiu, daz einez und zweinzegeste, der zwene, diu zwo, daz zwei und zweinzegeste, der dri, diu dri, daz [driu und] zweinzegeste, ja diese cardinalen nominative bleiben meistens neben dem obliquen ordinalcasus stehen, es gilt ganz die bei

J. ORIMM, KL. SCHRItTEX. VII. 25

386 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

drizehende und driuzehende gemachte bemerkung. hier sind belege :

diu ein (für einiu) und zweinzigest wise. frauendienst 436 ; ein newez jär im ainz und vierzigisten. Hätzlerin 196^. altd. bl. 2, 61; in dem ains und vierzigsten jare. MB. 35'*, 323; im ains und siebenzigisten jare. So**, 388; in dem ains und achtzigisten jare. 35'', 411; driu zehen hundert jar und dar- nach in dem einen und fünfzigosten. Schmids [pfalzgr. v.] Tübingen s. 135; ein tanzwise, diu zwo unde zweinzigeste. frauend. 440; der zwen und zweinzegeste tac merzen; im zwei und vierzigisten jare. Hätzlerin 197''; in dem zwai und zwain- zigisten jare. MB. 35'', 363 ; diu dri und zweinzigeste. frauend. 443; an dem dri und zwenzigsten tage. Dietr. 4525; im drew (s. 1. statt drey) und vierzigisten jare. Hätzlerin 197''. altd. bl. 2, 61; in dem drew und dreiszigsten jare. MB. 35'', 316; 29 tausend vierhundert und in dem drew und sibenzigosten jare. 35'', 390; darnach in dem driu (s. 1. für drin) und zwainzegesten jarn. Schmids pfalzgr. von Tübingen s. 127. es hiesz also: daz zwei und drizigeste liet, daz driu und vierzigeste liet, in dem zwei und drizegesten, driu und vierzegesten liede. die deutschen Urkunden des 14. 15. jh. liefern in den jahrsangaben solche für Verbindung und folge der zahlen lehrreiche stellen in menge, zu- weilen steht aber auch die kleine zahl ordinalisch, z. b. driu zehen hundert jar und in dem subenden und subenzigosten jar (1377). mon. zoller. no. 370; driu zehen ^'hundert und darnach in dem vierden und vierzigesten (1344). no. 301 ; driu zehen hundert und darnach in dem drizigosten jare. Wackernagels Ib. 837, 1; in dem achten und achzigsten. MB. 35'', 154; in dem sibenden und achzigsten, das. 152; in dem achten und zwainzigsten. 82.

Nhd. hören die geschlechtsunterschiede der vorgesetzten zwei und dreizahl auf und schon Luther schreibt nicht nur im neutr. das zwei und zwenzigst losz. 1 chron. 26, 29, sondern auch im m. am zwei und zwenzigsten tag. Judith 2, 1. darum werden doch nicht alle beispiele des alten brauchs getilgt, viel- mehr hin und wieder in büchern des 16. jh. zu treffen sein, wirklich stöszt mir in Val. Schuoman nachtbüchlein theil 1 vorr. A3''' auf: den zwen und zwanzigsten tag novembris; [ebenso bei Hans Sachs 1, 212" am zwen und zwainzigisten tag und Berthold von Chiemsee schreibt zwai und fünfzigist, drew und fttnfzigist, drew und newnzigist capitel.]

9) Nun kann ich nicht umhin allen diesen betrachtungen eine etwas ausführlichere über die nhd. zweizahl anzufügen; zwar blieben oben die einfachen zahlen absichtlich ausgeschlossen, doch trägt der zweizabl heutige gestalt nichts bei zu aufschlüssen über ihren Ursprung, die nur aus älteren formen zu entnehmen sind; allein sie zeigt auffallende erscheinungen, die gerade durch die bisher gepflogne Untersuchung beleuchtet werden, auch ihnen hat man noch nicht die nöthige ,aufmerksamkeit zugewandt.

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 387

Allzulange ist es nicht, dasz wir die hergebrachte günstige flexion der zwei/,ahl völlig haben fahren lassen, gründe, wie Adelung im lehrgobäudc 1, 5f)9, im magazin 1, 3, 37 wider sie vorbringt, sind die alleruntrif'tigsten und bedürfen keiner ubfer- tigung; doch fordert die gerechtigkeit anzuführen, dasz schon vor ihm Frisch in seinem Bödiker s. 108 und im wörterb. 2, 486 ohne einsieht diese formen verurtheilt hatte, in der rede müssen sie beholfen und dem unmittelbaren, lebendigen aus- druck sehr zu statten kommend erscheinen, zumal da, wo die alte regel unsrer spräche aufrecht blieb, dasz m. und f. ver- bunden gedacht als n. gesetzt werden, wie es Matth. 19, 5 heiszt: und werden die zwei (mann und weib) ein fleisch sein,

1 Cor. 6, IG zwei in einem fleische; ahd. inti sint zuei in einemo fleisge, wo im gr. text ot Suo, [wo zwai in lieb und laid zusamb kummen. H. Sachs 1, 315''. sam treib wir bulerei all zwei (die bäurin und der pfarrherr) 2, 4, 18". zwei die müssen wache sein, schlafen kann man wol allein. Opitz 2, 68]. man sagte: da gehen zween, da gehen zwo, aber da gehen zwei far zwei männer, zwei frauen, mann und frau zusammen, wie kurz und deutlich Günther s. 44:

zwo verschneiden stets die dritte, wo zwei frauen beisammen sind, gehts über die dritte her; [und Luther: in derselben nacht werden zween in einem bette liegen; zwo werden malen mit einander. Luc. 17, 34. 35].

Sei es, dasz die lehre jener grammatiker mitgewirkt hat :ho unserer Schriftsprache hier, wo sie am nöthigsten ist, die Unter- scheidung der geschlechter zu verleiden; beim volk, zumal dem oberdeutschen, haftete sie stärker und dauert da noch heute fort*, es lag aber allgemein in der luft, die reste alter flexion zu verwischen oder auszugleichen, das ohr vernahm ein nieder- deutsches twe, twei, ein niederländisches twee für alle drei ge- schlechter, aus dem französischen erscholl einförmiges deux, aus dem italienischen due, auch hier hatten diese das ältere dui, den unterschied von duo dure duo längst verschlungen**, seit Lessing, Wieland, Göthe, Schiller nur zwei setzten, konnten die bei Klopstock, Voss und einigen andern noch geschützten zween zwo zwei sich nicht mehr halten.

Luther gebraucht zween zwo zwei fast durchweg richtig: zween andere brüder. Matth. 4, 21; zween besessene. 8, 28; seiner jünger zween. 11, 2; die zween engel. 1 Mos. 19, 1; zween gülden ringe. 2 Mos. 28, 23; zwo hende, zween fiisze. Matth. 18, 8; ich habe zwo töchter. 1 Mos. 19, 8: zwo nieren.

2 Mos. 29, 13; so dich iemand nötigt eine meile, so gehe mit im zwo. Matth. 5, 41; zwei grosze liechter. 1 Mos. 1, 16; zwei

* noch Schweiz, zwo chatze. Corrodi prof. 29. zwo stund. 182. zwee nn. 124. 157. 162.

** neapol. noch duje duo, doje duae.

388 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

weiber. 4, 19; zwei äugen. Matth. 18, 9. doch läszt er sicFi beschleichen zu zwei für zween: deine zwo brüste sind wie zwei junge rehzwillinge. hohelied 4, 5, hier lag ihm das junge oder das reh im sinn, man vergleiche zwei und zwenzig söne, zwei und dreiszig könige oben unter 5.

Bei allen guten Schriftstellern des 16. jh. werden zwen zwo zwei reinlich unterschieden, namentlich bei Hans Sachs und Fischart, wie man auf allen blättern lesen kann, z. b. zwen bäume. Garg. 183"; zwo oder drei stunden. ITO''. 173"; zwei schafe; zweimal. 18P; enzwei. ITT*». 119^ und allenthalben.

Im 17. jh. hebt ein schwanken an und zumal machen sich die schlesischen dichter des fehlers schuldig, neben zween auch schon zwei für das m. zu setzen, zwo f. findet sich strenger beibehalten, so schreibt Opitz : zwei brüder. 1, 171. 186; zwei söhne. 1, 200; [zwei thürhüter. 2, 256; auf zwei Schwestern. 2, 322; zwei färben. 2, 336; zwei leute. Argenis 1, 28]. Gryphius: zwei morde. 1, 730; zwei carfunkel. 1, 741; ein tag zwei oder vier. 1, 740; zwei tage. 1, 766; einen oder zwei tage. 1, 767; zwei ducaten. 1, 771; ein halb dutzend weniger zwo (säue). 1, 733. [aber zwei seelen. 1, 219. zwei klingen. 1, 229.] auch Fleming sagt richtig zwo seelen. 614; zwei herzen. 629; daneben zwei arme. 657; [zwei lüfte 351; Hein- rich Julius: zwei oder drei tag. 318; zwei lange leitern. 303; ein stund oder zwei. 521; Ettner: zwei officierer. hebamme 5; denen zwei jungen herren. 27; zwei stunden. 11; WolfFerber: zwei kranzfahnen. X, 4^*; Abr. a S. Clara: zwei tag. Judas 1, 182; zwei zwilling. 1, 183; Schupp: zwei teufel. bei Wackern. Ib. 3, 741; Weise: zwei glocken. ebd. 837; Bandhauer: zween alte weiber. 278; aber bald darauf: zwei kinderle; Grimmeis- hausen noch richtig: zween augäpfel. Simpl. ed. K. 905; zween wäld. 910; ein angster oder zween. 914; zwo elen. 908; zwei dörfer 921.]

Bei Geliert findet sich zween söhne, unmittelbar darauf aber zwei muntre knaben. 1, 219; zween schwarze. 1, 236; zween blicke. 1, 69; zween nachbarn. 1, 77; zwo krempen 1, 44; zwo Jungfern. 1, 221; zwo goldne Stangen. 1, 233; zwei jähre. 1, 235; zwei bänder. 1, 80.

Rabener und Kästner halten den unterschied, jener sagt zween briefe, zwo Schwestern, zwei äugen. Kästner: zweene puncte, zwo nymphen, zwo elegien, zwei herzen, auch noch Jacobi im Woldemar: zween menschen. 132; zween tage. 160; zwo Schwestern. 131. 31 Dasz ihn Lessing nicht achtet, weder für zween noch zwo,

erhellt aus: zwei brüder. 1, 141; zwei knaben. 1, 141; zwei freunde. 1, 166; zwei Schriften. 1, 301; zwei schafe. 1, 160. [Herder schreibt gar 1773 (weim. jb. 3, 48) ein tag oder zwo.]

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 389

Für Wieland und Göthe bedarf es keiner anführungen. Klopstock hiufjjegen, der seine spräche viel nach Luther, Voss, der sie nach Luther und Klopstock bildete, [und auch Jung- Stillingl geben zween zwo zwei nicht auf; hier nur aus Voss stellen :

zween heerfürsten der Völker. II. 1, 374;

o wie gut, wenn zween sich beraten. Luise 1, 180;

ein sandart, oder auch zween. 3. 47;

zwo dienende mägde. üd. 6, 18;

auch sind dort zwo quellen. 7, 129;

schlängelten ihr zwo locken herab. Luise 3, 150;

zwei der redenden menschen geschlechter. II. 1, 250. doch gibt er in liedern nach und hat auch : zwei hieszen. werke 6, 143, für zween.

Bei zween zwo zwei blieb aber die spräche nicht stehen, sondern gestattete sich

a) einen gen. m. und n. zwei: das haus der zwei freunde; das futter der zwei thiere. richtiger ist, ohne artikel, zweier, [auszerdem einen gen. m. zweener: erzschrein 173. zweener hirten. Günther 192.]

b) einen gen. f. zwo:

die eintracht zwo vertrauter herzen. Günther 315, wo doch die Verbindung mit dem neutralen herzen gar nichts taugt;

[ein contrefait zwo bloszer Charitinnen. Günther 638;]

die stimme der zwo Seirenen. Voss 12, 52;

drauszen in dunkeler kühle der zwo breitblättrigen linden.

Luise 1, 1. später geändert:

in luftiger kühle der zwo breitlaubigen linden. Klopstock sang: zwoer umdufteter cedern. Mess. 1, 57, wie man auch in Bodraers vorbericht zu den proben LV liest zwoer Zeilen, [zwoer zwercher bände. Remigii daemonol. Frankf. 1598 s. 446.] dies zwoer ist falsch nach zweier gebildet.

c) einen vom nom. zween gebildeten dat. m. zweenen:

bei zweenen herren. Günther 44;

zweenen prinzen. Hagedorn 2, 64;

zwenen weisen göttern. 2, 99;

[vor zweenen monaten. Schwabe Beaumont 1, 103. 2, 93.] dies zweenen, wenn zwene, was hier unerörtert bleibt, die distributivzahl ist, wäre rechtfertig, und ihm gliche der ags. dat. tveonum, neben tväm. der organische cardinaldat. lautete goth. tvaim, ahd. zueim, mhd. zwein, was sich vom nom. m. schied (vgl. si zwen under in zwein. Trist. 43, 7 [; so wajren zwene wider zwein. Iw. 6699]). aus zwein entsprang nhd. zween, hätte aber für alle geschlechter dauern sollen. Luther hat: mit zween sönen. Ruth 1, 3; zwischen zween knechten.

390 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

apost. gesch. 12, 6; mit zween flügeln. kirchenlied bei Mützell33.

Fischart: [euch zwen dieben. Garg. 93'';] mit zwen ärsen. 119";

bei den heiligen zwen fingern. 221*'; und das sind lauter mas-

culina, denn zum neutrum setzt Luther und Fischart zweien:

32 in disen zweien geboten. Matth, 22, 40; mit disen zweien

büchern. bienenk. 27''. auch spätere lassen dem m. zween,

dem n. zweien: mit zween bräunlichen stieren. Voss Od. 13,32;

einst fiel der leu zween tigern in die pranken. Pfeffel 3, 27;

[in zween wagen. Geliert 4, 265. |

d) einen dem nom. gleichen dat. f. mit zwo schnüren. Ruth

1, 6; mit zwo ketten, apostelg. 12, 6; mit zwo henden und

häufig.

das auf zwo schultern ruht. Fleming 98; in zwo reihen. Rabeners br. 39; ihren zwo ältesten Schwestern. 98; mit zwo linien. Bodmer vorr. der fabeln; [auf zwo schus- seln, irrg. der liebe 288; aus zwo zeilen. Geliert 3, 77; aus zwo geschichten drei. Wieland Oberon 10, 16.] man hüte sich dies zwo schon für mhd. zu halten. MS. 1, 189'' heiszt es:

mit tiuren varwen zwo ist ir lip bestrichen, wo gebessert werden musz:

mit drier tiuren varwen zol (: wol und vol)

ist ir lip bestrichen. Fischart bildet von zwo den dat. zwoen, wie von zwei zweien: mit zwoen schusseln. Garg. 42"; in zwoen questionen. 202''; auf zwoen achseln tragen. Philand. 1, 13; [mit zwoen quellen. Schwabe Beaumont 2, 182; und schon weisth. 3, 542 zwischen den zwuen (= zwoen) pforten,]

Heute hat der dat. aller geschlechter meist unverändertes zwei, den umständen nach auch zweien.

Die letzte frage steht nach der Ordinalzahl, alle älteren dialecte bilden diese aus einer der cardinalzahl fremden wurzel und auch darin steht goth. anjjar, ahd. andar, mhd. ander u. s. w. ab, dasz es nicht der schwachen flexion der übrigen ordinalien unterliegt, ich habe im deutschen wb. 1, 307 gezeigt, dasz ander bis ins 16. 17. jh., ja in einzelnen redeweisen noch heut- zutage die Ordinalzahl ausdrückt, wo erscheint zweite zuerst? der in jener stelle über 'das zweite buch' der lutherschen bibel von 1545 ausgesprochne tadel ist doch wol zurückzunehmen und nicht unwahrscheinlich, dasz schon Luther selbst so ge- geschrieben hatte, ich finde, auch Fischart Garg. 287" sagt: im folgenden zweiten buch, und zählte man zwar nur der erste, der ander, der dritte, so mag doch damals 'zweite' schon den smn des lat. secundus neben alter gehabt haben, [schon die kammergerichtsordnung von 1507 hat: der zweit oder ander termm.] es ist aber nicht dem aus dvi entsprochenen skr. dyitija zu vergleichen, sondern, glaube ich, dem ags. tvffide, inesischen tvede, duplus, und hat endlich ordinalbedeutung an-

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 391

genommen, kein ahd. zueiti, kein mhd. zweite haben sich bis- her gewiesen, ich weisz nicht, wann das nl. twede zu erschei- nen beginnt, vielleicht musz dennoch die eben vermutete her- leitung aus tv:ede aufgegeben, und eine unorganische abkunft aus dem neutralen zwei angesetzt werden.

Als sich nun endlich zweite in die stelle von ander zu drängen anfieng, was im laufe des 17. jh. der fall war, teuschte sich die Sprachbildung, hielt es für erzeugt aus dem neutralen zwei, das wir allmälich auch auf das m. bezogen sahen, und stellte ihm nun ein ähnliches, dem f. zwo entstammendes zwote as zur Seite, sogar scheinen einzelne, um die trilogie zu erfüllen, nach dem m. zween ein ordinales zweete erzeugt zu haben, so dasz zweete zwote zweite den cardinalzahlen zween zwo zwei entsprachen, es ist unermittelt, bei welchem Schriftsteller zwote am ersten vorkommt, aus dem erzschrein der fruchtbringenden gesellschaft s. 176 sehe ich eben, dasz schon Dieterich von dem Werder im jähr 1645 'zwoete regel' schrieb, im 18. jh. wird es sich häufen. Rabener in den freundschaftlichen briefen s. 20 sagt: die zwote stütze der hiesigen kirche; s. 98 die zwote Barbara. Kästners vermischte sehr, geben 2, 144 im zweeten verse, 154 der zweite knabe, 187 das zweite gedieht, s. 41 die zwote stunde, auch in Jacobis Woldemar 113 ist zu lesen: zwote Jugend, [ebenso heiszt es: Schillers räuber. zwote ausgäbe. Frkf. u. Lpz. 1782.] Klopstock und Voss neben ihren zween zwo zwei bilden das ordinale nur zweite.

Überlege ich dies zweite und zwote nach allen Seiten, so scheinen sie zwar unorganisch und in der älteren spräche un- erhört, doch nicht durchaus verdammlich. es gibt zwar an- stosz, dasz die cardinalflexion eingang findet in die ordinalbil- dung; doch auszer der analogie von beide und bode (welche hier unbesprochen bleibt, vgl. Wörterbuch 1, 1361) kommt ihnen auch die vorhin erörterte von drizehende driuzehende, von einz und zweinzegeste, von zwen und zweinzegeste zwo und zwein- zegeste zwei und zweizegeste, von dri und zweinzegeste driu und zweinzegeste zu statten, deren cardinale biegung ebenfalls in die ordinale und selbst in die obliquen casus trat, was der mhd. spräche thunlich war, musz es auch der jüngeren geblie- ben sein, es sind gleichsam neue schritte, die die spräche ver- sucht, wenn alte formen untergehen und wanken, jedenfalls haben zweite und zwote einander nichts vorzuwerfen.

10) Wer die hier in dem xnnfang der zahlwörterlehre ent- sprungenen beobachtungen aufmerksam liest, wird nicht ver- kennen, dasz sie lauter elementarische dinge angehen, die auf dem gebiet unserer spräche zu wissen unentbehrlich sind, fast besorge ich, manches darunter werde den lesern unbekannt er- scheinen, am beginn dieser neuen Zeitschrift für deutsches alterthum mag sich schicken das bekenntnis abzulegen, dasz

392 ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

deutsche grammatik unter uns nur lässig und nicht mit der anstrengung betrieben wird, deren es bedarf, um den ganzen bau unserer spräche aus ihren eignen mittein zu ergründen, mängel und lücken der begonnenen Forschung bleiben allent- halben zu berichtigen und auszufüllen, man läszt sich aber an den gangbaren ergebnissen für andere zwecke genügen und trachtet nicht weiter, dergleichen beitrage als ich diesmal lie- fere, sollten auch von vielen mitforschenden gegeben werden, denn es wird mir schwerlich vergönnt seih die grosze masse der seit zwanzig und dreiszig jähren nachgesammelten Stoffe meiner lust nach zu verarbeiten, und was meine äugen nicht gesehen haben, ersehen andere.

Bei Übersendung dieses ersten beitrages znr Germania schrieb Jacob Grimm am 29. September 1855 an Pfeiffer: 'durcli betrachtung der einzelnen zahlen, die ich schon niederzuschreiben begonnen hatte, wäre der aufsatz noch einmal so weitläuftig geworden.' (Germ. XI, 123.) dieser ursprüngliche eingang, den er im manuscript aufbewahrt, möge hier, unter weglassung des ersten, mit dem oben gedruckten ziemlich übereinstimmenden absatzes, folgen.

Die manigfalten, verwickelten gestalten der alten zweizahl schiebe ich jetzt beiseite, um mich ein andermal eigens an sie zu wagen, die dreizahl hat den character i und wurde auf gothisch gebogen:

t)reis J^reis K^^

l^rije {)rije |DriJe

\>nm J)rim J)rim

t>rins {)rins J)rija,

was ganz dem gr. xpsi? ipsi? xpia, wie dem lat. tres tres tria

begegnet, das männliche |)reis stimmt zu gasteis, das weibliche

J)reis zu dedeis, der acc. beider geschlechter J)rins zu gastins,

dedins. beleg für den acc. f. steht Luc. 9, 33 hleil^rös l^rins.

dem {)rija entspricht kein goth. subst., das adj. frija schiene ihm

gleich, welchem doch in beiden ersten geschlechtern frijai frijos,

kein freis freis zur seite stehn.

Nach dieser regel von Jjreis haben nun auch alle goth. zahlen von IV bis X zu flectieren, wie sich aus den sparsamen belegen des gen. niune Luc. 15, 7. des dat. fidvorim Marc. 2, 3. taihunim Joh. 11, 18 folgern läszt, in beiden ersten geschlech- tern fidvoreis fimfeis saihseis sibuneis ahtaveis niuneis taihuneis, im neutr. fidvorja fimfja saihsja sibunja ahtavja niunja und tai- hunja. gewöhnlich aber steht das unflectierte wort bei jedem casus: fidvör vindam Marc. 13, 27. fidvor dagans Joh. 11, 17. sibun hlaibans Marc. 8, 5. dagös ahtau Luc. 2, 21. Jjai taihun o( ösxa Marc. 10, 41. taihun skattans Luc. 19, 16. das beige- lugte subst. macht die flexion entbehrlich, und jenes fidvorim stand allem, doch waren taihunim und niune auch vom nomen begleitet.

ÜBER DTE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 393

Die ahd. dreizahl lautete der theorie gemäsz: dri dri driu

driö drio driA

drim drim drim

dri dri driu

dri wie gesti tati, drio wie gestio tatiö, drim wie gestim tatim, auch hier fällt die parallele des neutr. aus. fehlerhaft erschei- nen die nom. acc. m. drie, f. drio (GraiF 5, 240), die einem adj. frie frio gleichen, keinem fri fri. nicht anders sind die übrigen zahlen aufzustellen: fiort fiori fioriu, fimfi fimfi fimfiu, sehsi sehsi sehsiu, sibuni sibuni sibuniu, ahtowi ahtowi ahtowiu, niuni niuni niuniu, zehani zehani zehaniu. allmälich schleifen sich die flexionen ab und wie im subst. der gen. pl. gesto tato lautet er hier fimfo sibunö, der nom. neutr. sibunu statt sibu- niu, statt des i erscheint nur gekürztes i, endlich e. die flexion mag, gleich der gothischen, ganz unterbleiben, wird aber noch häufiger als diese angewandt, so lautet jenes jiai taihun ahd. bei T. thie zeheni. Matth. 20, 24, d. i. in älterer gestalt die zehani.

1) für die zweizahl, je nachdem sie als getrennt oder ver- bunden gedacht wird, entfalten sich die Vorstellungen der zwei- heit und der beidheit, des duo und des ambo. in jedem dieser ausdrücke sind ihr wesentlich nur dualformen angemessen, ja sie ist die eigentliche grundlage des dualis selbst und an sich sowol des sg. als des pl. unfähig, daher sehen wir die skr. dväu dve dve und ubhäu ubhe ubhe in vollem einklang mit vrkäu, dhare, dane; litt, du dwi, abbü abbi mit wilkii ranki; sl. dva dvje dvje mit raba, rutzje, djelje. doch im gr. o-jou und ajjL'fu) fallen die drei geschlechter zusammen, während sie in X6y«>, Tvtojxa, (juxü) das fem. sondern, folglich ein älteres öuto 36a 8uto und ajjLcpo) a[xcpa atxcpoi voraussetzen, wie es auch in zm xd x(u (sl. ta tje tje) erscheint, das latein vermag gar keine duale mehr, hat aber im männlichen und neutralen duo und ambo die dualform bewahrt, ins f. ist der pl. duae gedrungen, unsere deutsche zunge entbehrt, abgesehn vom persönlichen pronomen, den dualis ebenfalls gänzlich und hat auch in ihre zweizahl pluralformen eingeführt, vielleicht lassen sich darunter noch einzelne spuren des duals entdecken, der Gothe bog: tvai tvos tva

tvaddje tvaddjo tvaddje

twaim tvaim tvaim

tvans tvos tva,

wovon der einzige gen. f. unbelegbar, aber nach dem substan- tivischen J)iujo ancillarum angesetzt ist, wie tvaddje dem asnje servorum folgt, diesen flexionen entsprechen die groszentheils mangelnden, doch unzweifelhaften:

394

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN.

^ bai bös

baddje baddjo

baim baim

bans bös

hierzu stellen sich vorerst die ags. formen

tvegen tvega tväm tvegen und begen bega bäm begen

tvä

tvega

tväm

tvä

bega

bäm

ba

baddje baim ba.

tvä

tvega

tväm

tvä

bega

bäm

bä.

allen übrigen dialecten geht das einfache wort der beidheit ab und musz durch eine fortbildung vertreten werden, von der hier nicht die rede ist. die form der zweiheit lautet:

alts.

ahd.

altn.

tuena

tueio

tuem

tuena

zuene

zueiö

zueim

zuene

tveir

tveggja

tveim

tvä

tuä

tueio

tuem

tuä

zuö

zueiö

zueim

zuö

tvoer

tveggja

tveim

tvoer

tue

tueio

tuem

tue

zuei

zueiö

zueim

zuei

tvö

tveggja

tveim

tvö.

2) überschaut man, so ist die goth. flexion des nom. dat. acc. der des adjectivischen pl. gleich: blindai blindös blinda u. s. w., erhebhch aber die abweichung des gen. tvaddje baddje von blindaize. Bopp vergl. gramm. 434 leitet tvaddje von einem thema tvaddja, welches er zu der skr. Ordnungszahl dvatija hält, allein baddje liesze sich gar nicht, tvaddje nur schwer als gen. einer Ordnungszahl denken, auszerdem, da alle goth. ordinalien schwach flectieren, würde von dem angenommenen tvaddja der gen. tvaddjane lauten, wie von jjridja })ridjane. endlich bleibt das dd unerklärt, dessen nähere erwägung mich auf eine an- dere auskunft führte, die Gothen müssen ein wort addi ovum besessen haben, das freilich in unsern bruchstücken fehlt, aber nach aller analogie gefolgert werden darf ahd. lautete es agi, egi, endlich ei (wie Aganhart Eginhart Einhart, Maganhart Me- ginhart Meinhart), und bildete seinen gen. pl. agiö egiö eiö, welchem eiö das zueiö duorum (folglich peiö amborum) gleicht, wie dem gen. pl. addje das tvaddje baddje der Zahlwörter, das ei m eiö zueiö hat also mit dem des dat. zueim, alts. tuem nichts zu schaflPen, noch weniger mit dem ai der goth. nom.

ÜBER DIE ZUSAMMENGESETZTEN ZAHLEN. 395

tvai bau nicht anders zeigt das entsprechende altn. egg ovum den gen. ))1. eggja in genauer einstimmung zu tveggja und beggja anihorüni, welcher casus sich erhielt, fürs ags. :eg = ahd. eig oder eigi würde der gen. pl. .'cga gerecht sein, den ich nicht gelesen habe, dagegen erscheint ein paragogisches :egru ova, a3gra ovorum, gerade so neben tvega bega paragogisches tvegra begra und wiederum ahd. neben eio zueiö ein eigiro zueiero. wäre die paragoge gothisch statthaft, so würde sich zu addi ein nom. pl. addiza, ein gen. addize, vielleicht adjize darbieten, welches sich verhielte zu blindaize ohngetähr wie eigiro, zueiero zu plintero, wie ags. aegra zu tvegra begra blin- dra. dies alles könnte licht spreiten auf die natur unserer ge- nitivflexionen, obschon einiges nicht nach aller schärfe stimmt, namentlich der vocallaut der penultima eigiro nicht zu plintero. augenscheinlich hat uns addje : tvaddje baddje aufgeklärt über eiö : zueiö, in keiner dieser formen kann etwas ordinalisches liegen, dd und gg stehen sich hier fast gleich, wie sonst ein- faches d und g schon wechseln, erinnert man sich aber, dasz gg auch aus ng hervorgeht, so darf dd an nd mahnen, imd merkwürdigerweise finden wir für addi ovum das skr. anda oder auch anda m. (Böhtling s. 86 und 614), mit lingualem n und d, unser goth. tvaddi, baddi wäre demnach zu übertragen in skr. tvanda, ubhanda, ich weisz nicht, ob solche formen irgend begegnen, den verhalt von dd : nd bestätigt uns auch im engeren kreise deutscher sprachen das goth. vaddjus = altn. veggr = ahd. want, nhd. wand und noch anderes mehr, worauf ich diesmal nicht eingehe, der linguallaut des goth. bajöj)s, ahd. pede, unseres heutigen beide scheint anderer beschafl'en- heit. hin und wieder mag dd als hochdeutsches tt ohne vor- schlagendes n und ohne Übergang in g gehaftet haben, denn unser zwitter, ahd. zuitarn, ferner das ags. bäddel, bädling hermaphroditus hängen unverkennbar mit einem ahd. zuittö = tvaddje, einem ags. bädda = baddje zusammen, vgl. bidibidi im deutschen Wörterbuch 1, 1810 und pfitzidisser bei Fischart im Garg. 63^

3) der altn. nom. m. zeigt auslautendes r, gleich dem ar- tikel l^eir, dem adj. blindir und allen subst., wodurch er günstig vom acc. tva, |iä, blinda (für blinda) absticht, wie auf andere weise goth. tvai, |)ai, blindai von tvans, jmns, blindans. ahd. ags. alts. fallen diese beiden casus zusammen, die form zuene, tuena, tvegen, begen hat aber ihre Schwierigkeit, bei tvegen begen schiene zwar das g der gen. tvega bega unmittelbar nah zu liegen; doch richtiger wird man sie von einer distributivzahl herleiten, von welcher sich nur der goth. dat. tveihnaim und acc. f. tveihnös darbieten, die ein vollständiges tveihnai tveihnös tveihna, bini binae bina folgen lassen, welchem lat. ausdruck ein goth. beihnai beihnös beihna genau entsprechen würde, die

396 O TST HV.

übrigen dialecte lassen den kehllaut schwinden: ahd. zuene für zuehne, zuehane ^ ; alts. tuena für tuehna, altn. tvennir, wie diese mundart überhaupt kein inlautendes h duldet, ags. tvegen he- gen kann sich auf tvega bega stützen oder das g wie in nigon novem und a. m. zwischen den vocalen entsprossen sein; auch im dat. erscheint neben tvam ein tveonum = goth. tveihnaiin, altn. tvennam, binis. bemerken» werth ist die ahd. einschrän- kung des distributivs auf den nom. und acc m., wo es die echte cardinalzahl verdrängte, die nach dem goth. tvai ahd. zue lau- ten sollte, wie in plinte. kein zuenö = tveihnos, kein zuenem = tveihnaim hat sich aufgewiesen.

4) noch auffallender als zuene, tuena ist das ahd. neutrum zuei, alts. tue, gegenüber dem goth. tva, altn. tvö. ^ denn goth. tva und ba fügen sich genau zu blinda und dem substantivi- schen vaurda, altn. tvö setzt ein tvöu voraus, wie das adj. hvöt ein hvötu, das subst. föt ein fötu oder ohne umlaut tvau hvntu fatu, nur der goth. artikel hat hier abweichendes \)ö und nicht })a, wodurch die parallele zu tva und blinda gestört wird, eine erklärung dieses ]i6 will ich bei andrer gelegenheit versuchen, jenes ahd. zuei entfernt sich gleichfalls von dem diu des arti- kels, von dem plintu oder plintiu der adj., von dem u einzelner neutralen subst. ihm gleicht aber die auch beim artikel in sehr alten denkmälern auftretende form dei (gramm. 1, 791). am leichtesten lieszen sich diese wichtigen ahd. dei und duei aus einem nicht seltnen lautwechsel zwischen ei und iu (z. b. in hei und hin, stei5 und stiu3) verständigen, wie aber, wenn sie uns eine alte, sonst erloschne dualfcrm bewahrten? das ags. tva bleibt zweideutig, zumal seine quantitat unsicher ist, ä stünde freilich dem ahd. ei gleich.

O IST HV.

Germania. Jahrg. 1. 1856. s. 129 133.

129 Junius, als er die silberne handschrift heraus gab, wies den

gothischen buchstaben J) und v ihre rechte stelle an, mit 0 und q konnte er noch nicht fertig werden. 0 dem lat. q gleichsetzend nahm er goth. q für eine art von v und liesz es im glossar unmittelbar diesem voraus gehen. Ihre drückte 0 durch qh, hingegen q durch qu aus. bei Lye ist richtig 0 als hv anerkannt, q dem ags. cv verglichen, auch Zahn, meine

^ wie zene bei N. für zehene.

2 vgl. goth. tvalif, ahd. mhd. zuelif (nie zueilif), nhd. zwölf, ags. tvelf, altn. tolf.

O IST HV. 397

grammatik, so wie später Castiglione, Dief'enbach u. a. m. blie- ben diesem hv treu, Lobe hatte den unglücklichen einfall, es für ein doppeltes v zu halten, also w zu bezeichnen, und bei dem verdienten ansehen, welches sein werk sich erwerben muste, fand nun w nachahmung unter neueren, leider ist auch Uppströms werth volle ausgäbe dadurch verunziert worden.

Solch ein w stört den verhalt der gothischen laute und gefährdet alle Sprachvergleichung, nicht nur Angelsachsen, Alt- sachsen, Friesen, Scandinaven, sondern auch die frühesten Hoch- deutschen schrieben hv an derselben stelle, wo goth. 0 ein- tritt, das ags., vor alters ebenfalls in Deutschland übliche V ist nichts als v, und ihm wird, z. b. in der ahd. Übertragung der lex salica h voran geschrieben, sobald hv stehn musz, so dasz in dem v das h nicht enthalten sein kann, bekanntlich risz ahd. und auch alts. der gebrauch ein anstatt hv zu setzen hu und huu, da die mönche in lateinischen handschriften aller- wärts u für v vor äugen hatten; dies führte den nachtheil mit sich, dasz hu, wenn a oder o folgten, sich von hua, huo, in welchen ua, uo diphthongisch waren, nicht unterscheiden liesz. hier, wo wir echtes ahd. hu dem goth. hv an die seite stellen, verschlägt es nichts.

Wie nun goth. h überall dem h der anderen deutschen sprachen begegnet und handus hairto hilpan hunds ahd. haut herzä helfan hunt sind, lauten auch in den übrigen dialecten diese Wörter mit reinem, voHem h an. folgt ein consonant, so verhält es sich nicht anders und goth. hlaupan hlaiv hrains hraiv wird ahd. hloufan hleo hreini hreo, und ags. altn. er- scheinen dieselben hl und hr. warum sollte goth. hv in hvair- ban hveila nicht stimmen zu ahd. huerpan huila, zu ags. hveorfan 130 hvil, zu altn. hverfa hvila? also wer die goth. Wörter schreibt wairban weila, läszt die wesentlichste, genauste einstimmung fahren. Uppström, der sich ein falsches war ubi, weit album für hvar hveit erlaubt, tilgt damit den einklang seines eignen schwedischen hvar und hvit.

Noch mehr, die vergleichung der urverwandten sprachen wird verdunkelt, unsrer lautverschiebung nach steht griech. x, lat. c und in allen sprachen jener höheren stufe die tenuis da, wo goth. h eingetreten und auch ahd. h festgehalten ist. xspac cornu xaXatxo? calamus xtScuv canis x^vi'vstv xXt'vr^ clivus xXaSo? xpsjiato xpsjxavvufjii werden haurn hörn halm hund hlinen hlains hlaiv hleo hlauts hlöz hramja. die gr. spräche hat kein v, nur vocalisches u, dessen zeichen dem des consonantischen goth. v graphisch entspricht, wir finden dem goth. hv gegenüber gr. xo oder xu, in welche der dem hv folgende vocal mit ver- schmolzen ist: hva|3ar gibt xoTspo?, ags. hveohl rota gibt xuxXo? und mit schwindendem zweitem kehllaut sl. kolo, gerade wie hveohl in hveol verdünnt wurde, wahrscheinlich xuXi'v8o>

398 .O IST HV.

aus xuxXi'vow hervorgieng. die lat. spräche hat bald den kehl- laut unterdrückt, wie in ut für cut, uter für cuter, ubi für cubi, bald bestehn lassen; ceu = goth. hvaiva, quis = hvas, litt, kas, quid = hva, ahd. huaz, aqua = ahva. im skr. kataras hva|3ar fehlt das v, in kva ubi ist es erhalten, kutas unde steht für kvatas. q ist nichts als cu, wie goth. q (dessen nach unten gehender strich freilich sehr abgestumpft erscheint) nichts als kv, nur an andrer stelle, in kv ist k, in hv h der wesentlichere, wurzelhaftere laut.

Dem bekannten Wechsel zwischen k und p steht der des verschobnen h (= ch) und f (= ph) analog, fiir xoispo? galt TTOTspoc:, für xou -ou, goth. hvar, das skr. ap, litt, uppe ist lat. aqua, neben goth. ahva, ahd. aha erscheint in vielen flusz und bachnamen affa, für lat. quatuor welsches pedwar, goth. fidvör, jenes ags. hveohl hveol ward den Friesen lial. wer sieht nicht ein, dasz in hvar ahva hveohl hv gutturalbedeutung hat? ist sein eigentlicher gehalt, sind jene gleichungen unbestreitbar, so wird unerträglich scheinen, dasz man von hv das h in die schanze schlage und sich dafür mit einem w begnüge, in den altn. wie ags. poesien alliterieren hv wie hl, hr auf h, dessen laut in ihnen hörbar sein rauste. setzt doch die englische spräche die ags. hv um in wh und nicht in w, das davon ab- steht, aus hval hvät hvaete hvelp ist ihr geworden whale what wheat whelp, und whet wetzen wird anders ausgesprochen als wet nasz, whip peitschen anders als wipe wischen, in whore hat sich who aus ergeben, ags. höre, ahd. huorrä. da schon ags. für goth. hvaiva, ahd. huoo eingetreten war, entsprang engl. how. immer hebt sich in wh h hervor, das im hoch- deutschen und niederländischen dem folgenden w gewichen war, während im engl, w ein u kurz vorschlägt.

Warum aber, kann gefragt werden, schrieb Ulfilas 0, und nicht beide buchstaben hv nebeneinander, wie hl und hr? darum, weil er auch nicht kvimau kvi|)an nach analogie von klismo 131 und krusts schrieb, sondern qiman qijjan, er hatte für die ver- bundnen laute hv und kv behülfliche, einfache buchstaben, und wiederum lehrt dieser parallelisraus von hv und kv, dasz die gutturalis unentbehrlich sei dem einen wie dem andern fall, jenes verwerfliche war weit ist um kein haar besser als wiman wiJDan statt qiman qij)an oder gar vein viltan statt svein sviltan wäre, auch im latein wird geschrieben clemens cliens creme creo, allein quis quo quam aquila aqua einem cuis cuo cuam acuila acua vorgezogen, obschon cujus cui daneben gelten, zwi- schen quum und cum geschwahkt wird.

Über dem Ursprung des gothischen alphabets schwebt noch groszes dunkel, das sich aufhellen würde je weiter wir in das alterthum der runen vordringen könnten, es gibt von altersher zeichen nicht nur für einfache, sondern auch für verbundne

O IST HV. 399

laute, ich für mein theil glaube nicht, dasz Ulfilas einen ein- zigen buchstab selbst erfunden hat, er traf alle schon in her- gebrachten runen an, im griechischen und lateinischen aipha- bet, und konnte wählen, wozu hätte er neue zeichen für laut- verbindungen erdacht, die sich füglich mit einfachen buchstaben ausdrücken lieszen, wie z. b. auch sp sk st sv fortwährend ausgedrückt sind? dasz er ein unter den Gothen bereits übli- ches 0 und q beibehielt das versteht sich.

Diese beiden zeichen mögen nun ganz in weise der runen und wie es der ersten findung des alphabets überhaupt ange- messen ist, namen geführt haben, deren anlaut den laut des buchstabs deutlich enthielt, und solcher namen können, wie die geschichte der runen wieder bestätigt, mehrere nebeneinander in verschiednen landstrichen gegolten haben, am glücklichsten gewählt schiene der name, dessen begrif zugleich mit der ge- stalt des Zeichens stimmte, für 0 wäre die Von Zacher in sei- ner vielen Scharfsinn entfaltenden Schrift über das gothische aiphabet vermutete benennung hvilhus rad, dessen consonanten denen in xi'pxoc begegneten, die allertreffendste ; s. 116 macht er glaublich, dasz der ags. runenname eolh mit hveolh zusam- men hänge. /.(jxXos.= hveohl würde auf ein goth. hviuhl leiten, im altn. hvel ist das zweite h (wie in fela = filhan) ausgestoszen, in der jungem form hiol noch das v nach dem ersten h, wie schon angemerkt wurde, die Engländer schreiben wheel, die Niederländer wiel, die Friesen fial, Schweden hjul, Dänen hiul. auch des sl. kolo ist bereits vorhin gedacht, das poln. kolo- wrot, böhm. kolovrat scheint beide ausdrücke xuxXo? und lat. rota, litt, ratas, lett. rats, unser rad zu vereinbaren, in dem unrein gothischen runenalphabet des Wiener cod. 140 erhält 0 den namen uuaer, d. i. lebes, kessel oder becken, altn. hverr, ags. hver, engl, ewer, wofür ich einmal goth. ahvareis, vas aquarium mutmaszte. wieder würde die ründung des gefäszes sich zu Ö schicken, doch erst seit [durch] aphaeresis hvareis eintrat aufgekommen sein, die Schreibung uu für hu kann den hier getadelten laut nicht bezeugen , es ist die ahd. allmälich eingedrungne, dem mhd. nhd. nnl. w für hv entsprechend.

Man könnte darauf verfallen , Ulfilas habe 0 eingeführt, i32 um ein zeichen für die zahl 700 zu erlangen, welche bei Grie- chen und Slaven durch ^ ausgedrückt wird, sichtbar gleicht die gestalt des gr. psi der des goth. th und, wenn man will, der rune für m. griechisches 9 aber, dasz doch graphisch mit goth. 0 zusammenfällt, so verschiedenes beide bedeuten, hat im aiphabet die neunte stelle, 0 im gothischen die fünfundzwan- zigste, welch unnatürliche Verwirrung setzt solch eine annähme voraus, der laut hv soll durch das gr. zeichen für th, der laut th durch das für ps wiedergegeben sein, über die wirkliche ausspräche der griechischen buchstaben konnte Ulfilas keinen

400 O IST HV.

zweifei tragen, warum liesz er also, wenn er auswählte, nicht dem 8 seinen gehalt auch im goth. 0 und nahm nicht vielmehr ili für goth. th? weshalb verwandte er das zeichen des slavi- schen tscherv, zwar in keinem goth. wort, aber zur bezeich- nung der zahl 90, die den Griechen das zeichen sampi aus- drückt? offenbar musz der Schreibung des Ulfilas schon eine ältere mit zeichen für laute und zahlen vorausgegangen sein, deren grundlage uns entgeht, von welcher er nicht abweichen durfte, alle deutschen Völker werden bereits vor dem beginn unserer Zeitrechnung die schrift gekannt, wenn gleich nur spar- sam gebraucht haben; auch die Geten und alle Thraker waren der schrift kundig, wie könnte es bei ihrem häufigen verkehr mit den Griechen anders sein, doch von der beschaffenheit ihres alphabets ist uns nicht das geringste überliefert, der an- nähme fehlen beweise, aber schon dasz sie an sich nicht um- gangen werden darf verleiht ihr grosze Wichtigkeit, man hat eine gewisz frühe Verbreitung der buchstaben unter Thrakern, Deutschen, Kelten und Slaven voraus zu setzen, um sich eine richtige ansieht von den runen zu bilden, die es thöricht wäre auf Scandinaven und Angelsachsen, wie man gethan hat, einzuschränken, bei jedem dieser Völker, bei verschiednen stammen eines und desselben volks werden eigenthümlichkeiten stattgefunden haben.

Hier oder dort liesz man zeichen fallen oder war bedacht sie zu mehren, wie es die laute forderten und die auf die schrifl verwandte Sorgfalt mit sich brachte, während allmälich alle ahd. anlaute vor consonanten h wegwarfen und nur w behiel- ten, haftete inlautend h mit ausfallendem w. goth. hvaiteis hva|)ar hveila wird zu weizi wedar wila, hingegen ahva j^eihvö saihvan leihvan zu aha dihä (vgl. Tuxrj sehan lihan. ausnahms- weise kehrt in der flexion nach kurzem vocal w zurück, leh bildet den pl. liwun, sah aber sähun, allein im part. erscheint gisewan neben gisehan. der Gothe schrieb an, in und aus- lautend 0.

Bekanntlich sollten alle deutschen sprachen erster stufe, von der gothischen an bis auf die sächsische und nordische, da wo ihr kehllaut der gr. und lat. tenuis gegenübersteht, aspi- rata haben, mildern sie aber in die spirans, was zur folge hat, dasz diese spirans feststeht und sich nicht weiter abstufen kann, denn goth. ch würde zu ahd. g herabsinken, nur die altfrän- 133 kische mundart scheint echtes ch besessen zu haben, den Gothen gebrach der laut, nicht das zeichen dafür, da sie Xristus schrie- ben (2 Cor, 9, 2 hat eine hs. Axaia, die andere Akaia, falls die lesart sicher), das goth h vor 1, n, r, v kann nicht wie ch gelautet haben, ob schon es mühe und übung kostet vor diesen consonanten die reine spirans auszusprechen, ohne sie dem ch zu überweisen, aber selbst ahd. würde der haft des h vor 1,

O IST HV. 401

r und V fester gewesen sein, wenn es scharf wie ch geklun- gen hätte.

Nicht anders war auch lat. h aus ch, gr. / erweicht vor vocalen in Wörtern, wo ihm goth. g, ahd. k zur seite stehn, und natürlich pflegte solches h zuweilen ganz zu erlöschen, lat. gr. g fordern aber goth. k, ahd. ch: genus kuni chunni, granum kaurno chorn, caltha chleo trifolium, anders lautend als hieo tumulus; dies ch ist es, was die strenge ahd. mundart und noch heutzutage die ihr treu gebliebnen oberdeutschen rauh macht, unsere Schriftsprache hat sich seiner in den anlauten ent- ledigt und es nur dem inlaut und auslaut gelassen, wiederum aber fällt das ihm entsprechende lat. g gern ab vor v: venire für gve- nire, goth. qiman, ahd. chuoman; venter für gventer, goth. qi}3rs. da unser vintrus in frühester zeit qintrus gewesen zu sein scheint, hätte auch lat. hiems und gr. X£t[J.a zu stehen für giems, YsTixa, wie das keltische geimhre bestärkt, dasz romanische ausspräche unser w in gu wandelte, begreift sich ohne mühe: Wodan Guodan, Walther Gualtieri. ich habe diese gu und qv berührt, weil sie licht auf hv werfen, insgemein sehen wir von verbund- nen consonanten bald den vorderen, bald den hinteren weichen, das digamma (f aus F) schwand allerhäufigst, hilft aber fidvor neben qvatuor, fial üeben hveol verständigen.

Auf den angegebnen gründen der vergleichung deutscher und fremder sprachen beruht die ausspräche des goth hv. das sonnenzeichen 0, ohnehin den druckereien nicht fremd, ver- diente in gothischen texten fort zu scheinen, auch q findet sich von selbst, und das zeichen für th, nicht nach nordischer form, sondern wie bei Junius, Lye, Castiglione geschnitten ist, kostete geringen aufwand, ein deutscher Verleger sollte sich zur ehre rechnen , das älteste denkmal unserer spräche einmal ganz mit reinem gothischen gewande auszustatten, denn die aufgelösten buchstaben bleiben immer schleppende und nachtheil drohende behelfe.

* Soviel von hv und dem was damit zusammen hieng. es liegt mir nahe bei diesem anlasz einige worte hinzuzufügen über die art und weise des Verfahrens mit Sprachdenkmälern, wie es sich gegenwärtig geltend macht und worin sich reaction wider das früher beobachtete kund zu geben scheint, was hier zu heil oder schaden ausschlage wird die zukunft entscheiden.

Als ich, nun sind seitdem vierzig jähre verstrichen, in der deutschen grammatik zu arbeiten begann, gieng mein haupt- bestreben dahin die lautverhältnisse reiner und fester zu ermit- teln, als in den quellen selbst vorlag, vergleichung der dialecte und sprachen untereinander so wie beachtung der überraschend

* [dieser ursprünglich beabsichtigte schlusz des aufsatzes fand sich, von dem maniiscript des vorstehenden abgeschnitten, im Grimmschen schranke vor.]

.7. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 26

402 0 IST HY.

genauen mhd. reime lieferte eine gute grundlage. zu den Sätzen aufzusteigen, dasz unsre spräche anfangs nur drei kurze vocale kenne, ihre consonanten nach regelrechtem gesetz verschiebe, machte mir ungeheuere freude. ich erkannte bald, der ablaut walte in der conjugation und zucke durch die Wortbildungen, Quantität der vocale helfe die flexion meistern, in ahd. liand- schriften fand sich der lange vocal hin und wieder, am aus- greifendsten, ja mit bewundernswerther Sorgfalt in Notkers wer- ken circumflectiert. angelsächsische bücher bezeichneten ihn schwankender, desto genauer die altnordischen, alle Wahrneh- mungen stützten und bestätigten einander, glänzendste gewähr leistete das gothische gesetz, vermöge dessen a i u nur kurz, alle übrigen einfachen vocale und die diphthonge immer lang zu fassen waren, es erschien in der granunatik unerläszlich, in den ausgaben der dichter ersprieszlich sämtliche längen hervor- zuheben und dadurch zugleich die kürzen kennbar zu machen, bei Ulfilas verstand sich die bezeichnung der länge fast von selbst, ihre angäbe kommt aber dem vergleichenden blick zu statten und bewahrt vor fehlem.

Desto schwerer hielt es die natur der hochdeutschen laute zu entwirren und zumal lag mir an die massen des e, welche dieser dialect davon getragen hatte, auseinander zu halten, die Verdichtung des ei hat e, der umlaut des a ein e, die brechung des i ein e erzeugt; diese erkentnis des gebrochnen i, sowie des analogen in o gebrochnen u muste unmittelbar auf die goth. lautlehre zurückwirken und einen unterschied zwischen äi und ai, äu und rathsam machen, ohne den unmöglich wäre, die eigentliche läge gothischer und ahd. laute gegen einander zu erfassen.

Ich darf nicht verkennen, dasz die einfflhrung der circum- flexe und accente ins gothische etwas aufdringliches und lästiges hat und von vielen, die sich einem so ehrwürdigen denkmal hingeben, gern wieder weggelassen wird, e und e zu unter- scheiden macht ahd. und mhd. texte bunt, wenn auch die be- zeichnung der längen noth wendiger scheint, hinzutritt, dasz schon im goth., noch weit mehr im ahd. und mhd. die anwen- dung der zeichen auf flexionssilben manchem zweifei unterliegt und ein Herausgeber bei ihnen oft unschlüssig werden musz.

Auf der andern seite leuchtet ein, dasz der gleichförmig- keit wegen die beibehaltung dieser bezeichnungen wünschens- werth erscheint, wer stellen aus Notker hebt, oder bezeichnete altnordische, altsächsische anführt, in Otfried und Tatian oder in gothischen stellen die lautverhältnisse unbezeichnet läszt, stört wiederum durch verschiedenartige behandlung und müste, um zu gefallen, jene bezeichnungen gewaltsam unterdrücken, wie Graft' wirklich bei citaten aus N. gethan hat. in grammatik und Wörterbuch leisten die zeichen groszen dienst, ich habe ander-

Cr.ER DAS LUDWIGSLIED. 403

wärts dargethan, in welche irrthümer Graff gefallen ist, weil er auf die Unterscheidung des e und e keine rücksicht nahm.

Aus diesem Beispiel (und die behandlung der consonanten würde andere darbieten) erhellt, dasz bei dem bewustsein die texte weder zu erschöpfen noch zu erreichen, ich gleichwol für die grammatisch erkannten regeln sie zu überbieten und zu vervollständigen trachtete, allen fehlem, die dabei unterlaufen musten, habe ich immer bereitwillig nachgeholfen, so weit ich es vermochte.

Solchen grundsätzen und bestrebungeu scheint man allmä- lich minderen werth beizulegen und geringere theilnahme zu erweisen, die ansieht ist im steigen, dasz man ein werk, wie es in der handschrift vorliege ohne änderung und zuthat und besonders beim ersten druck, ohne seine fehler zu berichtigen gleichsam mit haut und haar wiedergeben solle, dabei wird mühe gespart und tieferes eindringen in den text überflüssig; was sonst herausgeber jahrelang überschlugen, kann nach voll- brachter abschrift ungesäumt unter die presse kommen, was jener forderung buchstäblicher, unveränderter abdrücke wahres zum gründe liegt, ergibt sich nach dem höheren oder späteren alter der schriftsteiler von selbst; gothische und althochdeutsche stücke aus den buchstaben der handschrift hervorgehen zu las- sen, ist geboten, ich weisz nicht, ob für alle mittelhochdeutsche rathsam, beim wie(Jerabdruck der meisten bücher des 16. 17. jh. die widerwärtige Schreibung jener zeit beizubehalten, ist, dünkt mich, in den meisten fällen thöricht. jeden fehler, der nicht eine grammatische unterläge hat, blosz auf dem verstosz und der Übeln angewöhnung des Schreibers beruht, haben wir das recht und die pflicht zu bessern, lassen wir doch eine allge- meine mhd. schreibregel gelten und nehmen von ihr nur werke aus, die eine besondere, abweichende mundart kund geben; warum soll uns untersagt sein die zwecklosen, plumpen conso- nanthäufungen zu tilgen, die das ohr nicht hört, das äuge mit ärger ansieht?

ÜBER DAS LUDWIGSLIED.

Germania, jahrg. l. 1856. s. 233 235.

In der zweiten hälfte des neunten Jahrhunderts laufen namen 233 und reihe der westfränkischen und ostfränkischen Kerlinge so ineinander, dasz man zweifeln könnte, von welchem dritten Ludwig 881 der glänzende sieg" über die Normannen bei Sa- thalcurt erfochten worden sei. beide könige hatten mit diesem feinde zu schaffen, beide starben schon das nächste jähr 882

26*

404 tBER DAS LUDWIGSLIED.

und jedem von ihnen stand ein briider Karlnmn zur seile, wel- cher nanie im siegeslied iubt den einzigen anhält gibt, doch die annales Vedastini (Pertz, 1,520. 2, 199) und Fuldenses (1, 394) zeugen für den VVestfranken , ja die letztern besagen ausdrücklich, dasz der neäe (nepos d. i. vetter) des ostfränki- schen dritten Ludwigs zu verstehen ist. wollte man au einen älteren kämpf denken, und die normannischen einfalle reichen höher hinauf, so hatte auch Ludwig der deutsche, Ludwig des frommen söhn, einen bruder Karlman, es ist doch nicht be- kannt, dasz dieser ostfränkische könig die Normannen geschla- gen habe.

Mit keinem aller dieser Ludwige verträgt es sich aber, dasz der held des liedes als ein vaterloses kind geschildert wird. Ludwig der deutsche, schon 817 von seinem vater zur königs- würde erhoben, herschte lange jähre neben demselben, des westfränkischen dritten Ludwigs vater Ludwig der zweite starb 879, drei jähre vor seinem söhn; des ostfränkischen dritten Ludwigs vater, Ludwig der deutsche 876, sechs jähre vor dem söhn, ein ostfränkischer vierter Ludwig, Arnolfs söhn, heiszt 'das kind', weil er 902 im sechsten jähr seines lebens gewählt wurde [kehr. 15599. 15616], und starb 911, ohne schon eine helden- that verrichtet zu haben, ein westfränkischer vierter Ludwig war 923 nach England zu Adelstan geflohen, 936 zurückge- kehrt, 945 von den Normannen gefangen und starb 954, be- 234 reits zu unsers Otto des groszen zeit, die spräche des liedes leidet kaum, dasz man es dem zehnten jh. beilege, wenn auch möglich wäre, dasz ein späterer sänger in die sage von dem sieg Züge aus dem leben jüngerer herscher gewebt hätte.

Bleibt es also beim neunten jh., wie begrifi'e sich, dasz ein geistlicher dichter, und man hat auf Hugbald geraten, in der geschichte seiner eignen fränkischen könige so unerfahren ge- wesen sei, um einen verwaisten Jüngling vorzuführen, von dem gar keine künde geht? wie hätte er die kühnheit gehabt gott selbst unter den menschen handelnd und redend auftreten zu lassen? im geheimnisvollen dunkel der genesis redet gott mit den menschen, zu eingang des Hiob gott mit dem teufel, wie in Göthes Faust oder im serbischen liede von Gawan gott mit den engein; unterm namen figura gott mit den ersten menschen in dem (neulich von Luzarche herausgegebnen) drama Adam, doch mitten unter fränkische könige würde ein christlicher dich- ter keinen leibhaften gott gemengt haben, dessen erscheinen ein unbegreifliches wunder gewesen wäre.

Die merkwürdige einkleidung unseres alten liedes hat viel- mehr heidnischen anklang, dem volksdichter schwebten noch gesänge seiner vorzeit im sinn, deren weise er anwandte: einan kuning wei^ ih, heilet er Hlüdwih, ther gerno gode thionot, ih wei^ er imos lonot.

ÜBER DAS LUDWIGSLIED. 405

kind warth er faterlos, thes warth iino sar buo^, holoda inan truhtin, magazogo warth er sin, gab er imo dugidi, fronisc githigini, stual hier in Frankon, so brüohe er es lango. zur forinel ich vvei^, wei^ ih hat schon Haupt 3, 187 belege gesammelt, welchen sich viele beifügen lassen, holön bedeutet zu sich holen, zu sich nehmen, wie wir vom tod sagen, dasz er die menschen hole, von gott, dasz er die sterbenden zu sich nehme, gott aber holte das verwaiste königskind kann nichts anders meinen als er ward ihm pfleger, nährer, erzieher schon auf erden, gab ihm kraft und tugend, ein herliches ge- folge, zuletzt den fränkischen thron, auf das wort magazogo lege ich gewicht, ihm entspricht das nordische fostri, das doppel- sinnig bald den nutritor, bald den alumnus bezeichnet, nun ist aus dem eingang zu Grimnismal bekannt, dasz Odinn und Frigg zwei auf dem meer verschlagne königssöhne in schütz und pflege nahmen, Geirrödr ist Odins, Agnarr der Frigg fostri. der Urheber unseres liedes will nicht sagen, dasz gott den vater- losen Ludwig habe sterben lassen, sondern dasz er ihn leben- dig an seinen jrlänzenden hof hinnahm und für den thron aus- rüstete, des vaters .verlust ward ihm reichlich ersetzt, thes warth imo sär buo^. eine vollere sage hätte Karlman zum an- dern Zögling machen, die brüder sich entgegenstellen können, wie Geirrödr und Agnarr in gemütsart und Schicksal verschie- den waren. hier aber sind beide söhne geraten und theilen sich in das reich, wie die geschichte gerade mehr als eine theilung zwischen Ludwig und Karlman meldet, thia zala wun- 235 niöno drückt aus einen häufen wonne und freude, franz. nombre (d. i. grand nombre) de rejouissances unzahl von lust. nach dieser vorgenommenen landestheilung beschlieszt gott seinen Schützling zu prüfen :

so tha^ warth al gendiöt, korön wolda sin got, ob er arabeidi so jung tholön mahti, lie^ er heidine man obar seo lidan, thiot Franköno manön sundiöno thoh erbarmedes got, wisser alla thia not, hie:^ er Hlüdwigan tharöt sar ritan: 'Hlüdwig, kuning min, hilph minen liutin, eigunsa Northman harto biduungan.' thanne sprah Hlüdwig 'herro, so duon ih.' tho nam er godes urlub, huob er gimdfanon üf, und nun nimmt das lied einen höheren schwung, überall wird hier gottes wirkliche irdische gegenwart vorausgesetzt, der könig war seinem laude erfirret und das ganze land war geirret, da heiszt ihn gott die fahne ergreifen und seinen leuten zu hilfe eilen, Ludwig verspricht es freudig, nimmt von gott abschied und reitet zu den Franken, die seiner lange warteten, der

406 DER LE AM SEESTRANDE.

sänorer, um für den preis des siegreichen beiden festen boden zu gewinnen, nahm keinen anstand ihn als vaterlos und darum aus göttlicher pflege und erziehung hervor gegangen darzustel- len, wobei ihm vielleicht noch eingänge altheidnischer sieges- lieder in gedanken hafteten, wem fällt nicht der Wunsch ein*', der so oft als Schöpfer, meister und pfleger geschildert wird? das ganze lied rückt unserm Verständnis näher, wenn man die christlichen Vorstellungen beseitigt und heidnische an deren stelle schiebt, nicht zu übersehen, dasz Ludwig von gott selbst kuning min, von den Franken frö min, gott aber von dem könig herro angeredet wird, aber auch truhtin heiszt. herro d. i. heriro war den Franken ein höherer name als frö, wäh- rend Üllilas xu[^'.o; 6 Uso; frauja gu|» überträgt und für herro kein haiziza kennt.

DER LE AM SEESTRANDE.

Germaaia. Jahrg. 1. 18ÖG. s. 235. 236.

235 Wie man grabhügel an der heerstrasze aufwarf, wo das Volk täglich vorbei gieng oder an der stelle, wo über den ström gefahren wurde, noch schöner und erhabner lagen sie am uf«'r des brausenden meers, schiffenden aus weiter ferne her im ge- siebt, der alte brauch war, erst die leiche des gefallenen bei- den zu verbrennen und hernach die gesammelte asche und das gebein in einem hohen hügel zu bestatten, des Patroklos Über- reste, vorläufig in einem kleineren beigesetzt, sollten künftig sammt denen des Achilleus in einen groszen aufgenommen

236 werden. 11.23, 239 25(5. dasz die Griechen nach Achilleus tode dies grabmal am gestade des Hellespontos schütteten meldet Odyssee 24, 80:

dli(p' au-oTcjt o' luSiTa [xs^av xal c/.jx6[jL0va T6[x[5oy )^£6a[X2v 'ApYsiojy ispo? arpato? nl/\xr^-d(ov, dx-fj £-1 7:pou/o6a-(j, s.-\ TrXaTci 'EXX-/;3-ov-(i), (S? xöv xrjXccpavY]; ix itoyTocptv dvöpdsiv ^vr^ TOI? o" vöv YSTOcaat xocl of [xsto-iaüiV laovTai. In der Aeneis 6, 232 35 wird des Misenus gebein in einem groszen hügel am meer bestattet:

monte sub aerio, qui nunc Misenus ab illo dicitur.

Beovulf fand seinen hügel zu Hronesnäs (promontoria ba- laenae) v. 6264. 5603 Th.

* vgl. s. 484 [unten s. 40!)].

ZUM MUSPILLI. 407

hätad headomiere hlaev gevyrcean

beorhtne äfter hx\e ät brimes nosan,

se sceal gemyudum miuum leodum

heah hlifian on Hrones nässe,

|)ät hit sa^lidend siddan hatan

ßiovulfes biorh, pa }ie brentinjojas

ofer floda genipu feorran drifad. 6293 gevorhton ])ä Vedra Jeode

hliev on hlide, se väs heäh and bräd

vaeglidendum vide to syne. die einstimm ung zum griechischen bericht ist beinahe vollstän- dig und wird noch dadurch erhöht, dasz wie des Patroklos Verbrennung leichenspiele folgten, es auch hier heiszt v. G319:

})ä ymbe hlaev ridon hildedeor. Hohe poesie liegt aber in einem gedieht der nordischen Ynglinga saga cap. 36, wo Yngvars fall und bestattung erzählt wird: hann er heygdr ]mr vid sia sialfan, |3at er ä A|)alsyslu (zwischen Dago und Osel = Egsysla, an der estnischen kttste). Thiodolf sang:

ok austmarr iöfri sa^nskum

Gymis liod at gamni qvedr, die Ostsee singt dem schwedischen beiden ein wellenlied zur freude, der im hügel ruhende hört die wogen um sich her schlagen und ihr geräusch ist des einsamen unterhaltimg. solche gräber am meer sind auch ossianisch s. Fionghal 2, 99. [527.] 3, 142. Carraigthura 554. Oighthonna 118 nach Ahl- wardt. *

ZUM MUSPILLI.

Germania, jahrg. 1. 1856. s. 236. 237.

Beim wiederlesen des Muspilli schien es mir, dasz die von 2!<6 Schmeller unergänzt gelassenen verse des Schlusses so ausge- füllt werden können:

uzzan er iz mit alamuasanu furi ilit rehto 2.s7

enti mit fastun dio firina kipuazit.

denne der man gipuazit hapet, denner ze deru missu gigangit,

uuirdit denne furi cjitragan daz fröno chrüci,

dar der heligo Christ ana arhangan uuard,

denne augit er dio mäsun, dio er in deru menniski intfiang,

dia er duruh deses mancunnes minna ana sih ginara. auf alamuasanu muste ein vocalischer anlaut gesucht werden,

* ein grübe bi dem mer. Ludw. d. fromme 2394.

408 I>ER GRAUMANTEL.

ich fand endlich ilan, furi ilan bedeutet einem zuvoreiien, hat aber in der alten spräche, wie lat. praevenire, den acc. bei sich (GraflF 1, 231). die folgenden verse sind ohne kunst ge- bildet und besonders wird das viermal gesetzte denne lustig, dia in der letzten zeile geht auf menniski. missa bezeugt Graflf 2, 867, wenn man zweifeln wollte.

DER GRAUMANTEL.

Germania, jahrg. 1. 1856. s. 484. 485.

484 Der historischen auslegung des Ludwigslieds sind wir nun

los und die mythische wird bald ein stattlicheres ansehen ge- winnen, es ist ja gar nicht zu verkennen, wie oft in märchen, da wo die kinder von ihren eitern verlassen oder ausgestoszen sind, in der wildnis ihnen ein alter mann, im grauen mantel und meist einäugig aufstöszt, sie zu sich nimmt oder begabt, er ist kein andrer als Wuotan, nicht selten erscheint aber auch eine alte frau, worunter man sich Holda oder Fricka zu den- ken hat und woraus dann allmälich Maria, wie aus Wuotan unser hergott wird, diese schönen züge zeugen lebhaft von der milde und menschlichkeit des heidenthums und verwischen sich nicht einmal, wenn den erscheinungen sogar ein teuflischer anstrich gegeben ist; des teufeis mutter erweist sich oft als erbarmende alte göttin. man lese die erzählungen von frau Holle oder von Maria, die das kind mit in den himmel nimmt*, dann aber wieder auf die erde entläszt.

In Haltrichs eben herausgekommenen siebenbürgischen mär- chen, die ein sehr werthvolles und treu aufgefasztes material darreichen, sind reichliche belege enthalten, s. 4 will sich unser hergott der ausgesetzten kinder annehmen und erscheint ihnen als guter alter mann. s. 8 als alter mann im grauen mantel, das ist deutlich als Hakelberend oder heklumadr. s. 39 dem vaterlosen kind begegnet der graue mantel; s. 45 der alte ein- äugige, sehr merkwürdig scheint, dasz nach s. 44 die erzähler an die stelle graumantels eine steingeisz setzen [nach s. 63 eine wilde katze], denn die steingeisz oder waldgeisz, die ibex, hiesz den Angelsachsen firgengät, der waldbock firgenbucca. dies firgen läszt sich freilich durch wald deuten, klingt aber an die alte erdmutter Fiörgyn, Donnersmutter und wenn man will an die teufelsmutter: bocke und geisze waren den beiden heilige thiere und zumal dem donnergott geweiht, der also in bocks-

* so die merfeine den Lanzelet 180—183.

SINDOS. 409

gestalt erscheinen konnte, wie die christliche ansieht sie nach- her auf den teufel anwandte.

Den persönlichen Wunsch, dessen ich schon s. 235 [oben s. 406] gedachte, nennen unsere kinderniärchen, wenigstens die bisher gesammelten, nicht mehr; im dreizehnten jh. wird es anders gewesen sein, denn die häufigen, nirgends erklärten an- führungen der dichter setzen eben eine allgemein und volks- mäszig bekannte grundlage voraus, des Wunsches kint, des Wunsches triit, des Wunsches ingesinde stimmen genau zu dem Verhältnis, das man sich zu denken hat, wenn von der aufnähme, bildung und ausstattung eines vaterlosen kindes die rede ist. statt des graumantels könnte der Wunsch erscheinen, er ist ein optans, adoptans, der das kind annimmt und pflegt, das alterthum wird ausführlicher zu erzählen gewust haben, wie und auf welche weise das höhere wesen seine kinder erzog und 485 begabte ; möglich, dasz sich noch irgendwo Überlieferungen auf- finden lassen , die dem vermuteten ein siegel aufdrücken.

SINDOS.

Germania. Jahrg. 1. 185G. s. 485.

Unter den Casseler glossen steht die merkwürdige siudos 485 pergite.' man hat dafür leichtes spiel zu vermuten entweder sindot oder pergis. ich halte lieber beide worte fest und er- kläre mir nur pergite durch perge. die erste person des dua- lis, so wie nach dessen schwinden des pluralis, kann zugleich den begrif der zweiten person in sich einschlieszen, was meine neuliche abhandlung näher gewiesen hat, gehen wir, goth. gag- gös, drückt aus gehen wir beide, geh du mit mir!* ein mhd. wir da^ sin! ein nhd. lassen wir das! darf geradezu als ab- mahnung an eine zweite person gerichtet werden.

Als der alte blinde Egill mit dem fusz strauchelte und frauen darüber lachten, sagte Grimr, sein verwandter und ge- fahrte: midr hjeddu konur at ockr j^a er vit vorum yngri (min- der höhnten uns die frauen als wir jünger waren). Egilssaga 755, dem Zusammenhang nach, da die frauen über Egill, nicht über Grim spotteten: minder höhnten dich die frauen, als du jünger warst, die duale ockr und vit drücken also dich und du aus.

Wir kennen die nhd. spracheigenheit genauer und ver- trauter als die mhd. oder gar ahd., daher kommt es, dasz heute

* göngomc firr funil Ssem. 40*, gehn wir von einander feuerl d. h. geh du von mir, feaer!

410 AUHNS UND STEIN.

fortlebende ausdrucksweisen manchmal in jenen nicht mehr auf- zuzeigen stehen, sie dürfen darum doch bestanden haben, das angeführte sindös würde auf einen schlag nicht nur die ahd. dualform, welche das goth. o wie noch lauge unser zwo = tvös oder ahd. plinto = blindos hegt, sondern auch das frühe dasein des syntactischen gebrauchs, von dem hier die rede ist, erweisen, wenigstens ist aufzumerken und nach weiterem beleg zu streben.

AUHNS UND STEIN. Geschrieben 1856.

Die treffende und berechtigte vergleichung des gothischen auhns (sprich darin au, nicht o), ahd. ovan, ags. ofen, altn. ofn, schwed. ugn, dän. ovn, finn. uuni, estn. ahhi mit dem skr. agnis, lat. ignis, litt, ugnis, lett. ugguns, altsl. ogn', serb. ogan, poln. ogiei'i, böhm. oben nimmt es mit allem auf, was s. 135* dawi- der eingewendet wird, es wäre ein wunder, wenn so einstim- mige formen, wie schwed. ugn und litt, ugnis nichts mit ein- ander zu thun haben sollten; der Zusammenhang der übrigen sprachen und dialecte fällt aber fast ebenso sehr ins äuge und entgieng mir schon in der deutschen mythologie s. 359 der ersten ausg. (1835), s. 595 der zweiten (1844) nicht, was ich bemerke, weil Aufrecht meint, Bopps glossarium (1848, denn die erste ausg. nimmt agnis gar nicht auf), habe diese Wahrneh- mung zuerst gemacht und die mythologen damit irre geleitet.

Agnis und auhns sollen nun verschiedne Wörter sein 1) weil agnis der i-declination, auhns der a-declination gehöre, wir kennen auhns nur aus dem acc. sg. auhn Matth. 6, 30, dessen pl. so gut auhneis als auhnös lauten könnte, zu dem letzten stimmen ahd. ovanä, ags. ofnas, altn. ofnar; agnis, ignis, ugnis würden auf auhneis raten lassen. ' allein wie viele substantiva schwanken zwischen beiden deolinatiouen, selbst unsere heutige spräche bildet den pl. bald öfen, bald ofen. dieser einwand hat also keine beweiskraft und auhns müste auch mit erwiesenem pl. auhnös dem skr. agnis verwandt bleiben. 2) die lautver- schiebung fordre für skr. g gothisches k, nicht h, agnis könne kein goth. ohnas sein, jede regel hat aber ihre ausnahmen und wir sehen verschiedentlich neben goth. g, k auch h entwickelt, z. b. aigan, ögan bilden aihta, öhta, vakan vahtvö, juggs juhiza und rauhtjan setzt ein dem lat. rugire entsprechendes riukan

* [nämlich des 5. bandes der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, und zwar von Aufrecht in seinem aufsatze 'auhns'.]

AUHNS UND STEIN. 411

voraus, neben lat. und gr. g erscheint zuweilen skr. h, wie in üh uugere, mahat niagnus, duhita UD^aT/^p, aham ego £7(6, warum sollen nicht ähnliche einwirkungen auf die goth. kehl- laute eingetreten sein? ich werde auf diese lautverhältnisse zu- rückkommen, ein goth. oknas hat schwerlich je stattgefunden. 8) auhns drücke aus fornax, nicht ignis. das ist richtig, denn jener acc. auhn verdeutscht xXißwJV, und Ulfilas hätte sicher fon geschrieben, wäre irup zu übertragen gewesen, den Gothen musz also damals schon auhns nicht mehr das blosze dement bedeutet haben, wie den übrigen Völkern agnis, ugnis u. s. w. das finn. uuni, estn. ahhi meinen ebenso nur den ofen, es liesze sich denken, dasz sie aus dem schwedischen übernommen wur- den, allein zwischen ofen und feuer waltet wesentlicher, innerer Zusammenhang der begriffe ob, wie häufig die Vorstellung des enthaltenden und enthaltnen in einander übergehen, wir lassen uns aus dem brunnen ein glas brunnen reichen, verstehen also unter brunne sowol puteus als aqua, näher noch liegt hier das beispiel von focus, das im latein den herd, zuweilen aber noch das feuer bezeichnet, und aus welchem nach Untergang von ignis allen romanischen sprachen der name des elements erwuchs, it. fuoco, sp. fuego, franz. feu (wie lieu locus), das ags. ad be- deutet rogus, die zum brand geschichteten scheiter, das ahd. eit rogus und ignis, eiten ist brennen, man sagte eitofan für brenn- ofen, was ofan für sich schon ausdrückte; skr. ist edhas lignum, idhma lignum, indh wie al'üo) leuchten, brennen, zu eit wird man eitel, glänzend, leuchtend und itis, ags. ides leuchtende fran und dann frau oder schöne überhaupt bringen dürfen, diese sogar das s von edhas in itis aufweisende etymologie ist der von a{>r^vr] (3, 153 dieser Zeitschrift) vorzuziehen, wahrschein- lich hängt auch altn. bäl, ags. b:el rogus mit der Vorstellung des feuers und lichtes zusammen.

Hiernach wäre, wie mich dünkt, vollkommen gerechtfertigt, dasz auhns und agnis einen. und denselben Ursprung haben, Aufrecht hat aber eine scheinbar abweichende deutung von auhns hinzugefügt, indem er das skr. a(;?man stein, herd, ofen, sowie a^nas, a^an, a^ani stein berücksichtigt, gegen diese ver- gleichung habe ich nicht das geringste, werde sie aber in meinen vortheil ziehen.

Den angeführten sanskritwörtern entspricht das gr. axfitov ambosz, donnerkeil (Hesiod theog. 722) und dxovr^ Schleifstein, skr. päna, gekürzt aus a^äna, ags. han, altn. hein, lat. cos cotis, mit ausgefallnem n, litt, akmü lapis, sl. kamen' lapis, ahd. ha- mar malleus, donnerstein, altn. hamar, tudes, rupes. unmittelbar zu kamen' stein fügt sich aber das skr. a^manta, gr. xajxivoc, lat. caminus, steinofen, mlat. caminata, franz. cheminee rauch- fang, kamin, vielleicht auch roman. Camino, chemin steinweg, Chaussee, ungr. kementze ofen. überall, wo der kehllaut das

412 AUHNS UND STEIN.

wort beginnt, scheint a abgeworfen oder versetzt (kamen für akmen, caminus für acminus), in hamar und hein begegnen wir wieder dem h des goth. auhns. sollte nicht das c der sanskrit- wörter, das k der littauischen und slavischen aus dem g in agnis, ugnis, ogn' entsprungen sein?

Zwischen den vorsteUungen feuer und stein liesze sich schon darum berührung annehmen, weil feuer aus dem stein (silex, TTupiTTi?) geschlagen wird; noch nälier liegt aber der vom himmel, mit blitz und donner geworfne, glei(;hsam im feuer erhärtete stein, darum ist a(?ani oder a^man donnerkeil, hammer des donners, wie ich in andern Wörtern Verwandtschaft zwischen goth. J^eihvo, donner und tjxoc gewiesen habe, am allerdeut- lichsten wird die berührung, wenn man sich gebrannte steine, backsteine denkt, der ofen ist ein steinofen oder brennofen, caminus desgleichen, das gr. ^Tn^o?, ofen, rauchfang scheint aus txvo? (wie iTCTro;, Txxo?) geworden, mit labialis statt gutturalis wie ofen aus auhns. herd und ofen sind unmittelbar verwandte begrifie, beide hegen und erzeugen feuer, beide errichtete man mit gebrannten steinen, wahrscheinlich hatten apman, akmü, kamen' ursprünglich und vorzugsweise die bedeutung eines ge- brannten Steins, überall musz der Vorstellung des steins, ofens und herdes die des feuers und lichts vorangegangen sein, also bei Properz

exhibuit vivos carbasus alba focos, oder bei Juvenal

jam lavat et bacca foculum excitat die alte, hernach wieder im romanischen durchgedrungne be- deutung des Wortes obwalten, wie der donnerkeil einen blitz voraussetzt, ich glaube dasz selbst die geologische ansieht steine aus einem groszen brand und vulkanischer thätigkeit entspringen lassen kann.

Fragen wir nach der wurzel von agnis, so finde ich in Böhtlingks und Koths sanskritwörterbuch, das sonst mit etymo- logien zurückhält, hier einmal auf ag geraten, 'wegen der be- weglichkeit des feuers'. gehen und bewegen ist doch ein so allgemeiner begrif, in der natur geht und bewegt sich beinahe alles, dasz bezeichnender das wasser und die lufit danach be- nannt sein könnten als das feuer; für feuer glaube ich darf keine andere wurzel gesucht werden als die welche Vorstellun- gen des leuchtens und brennens enthält, unbedenklich gehört ihr ahan, ahas und ahar, der leuchtende tag, welchen kaum ein d vornen abgefallen ist. dah und ah werden ähnliche, gleich- bedeutende, dennoch verschiedne wurzeln sein; diesem ah oder ag dürfte eg lucere nahe treten, vielleicht gar dem ag ire ein lucere, splendere zum gründe liegen, man sehe zu, wie aus dem schwanken zwischen g, h und g ein Übergang auf das <} in a^man u. s. w. gefunden werde, vgl. as splendere. auch die

AUHNS UND STEIN. 413

Wandlung des h in zendisches, slavisches z (aham, azem) ist dabei zu erwäijen.

Wie ihm sei, eine gothische wurzel möchte ich ansetzen iuhan auh uhum und daher auszer unserm auhns auch uhtvö, morgenlicht, tages- röthe leiten, den u-laut trägt wiederum das litt, ugnis an sich. die gothische wurzel führt aber noch zu andern auf'schlüssen.

Man weisz dasz in allen sprachen und in vielen wurzeln die begriffe des lichts und schalls nebeneinander gelten und da der blitz dem donner, der gedanke dem wort vorangeht, auch ein scheinen, leuchten dem schallen und rauschen im hinter- grunde liegt, nun, neben auhns finden die bisher unerklärten auhjön lärmen, schreien, schallen, auhjödus {Jopußos und au- huma clarus, auhumists clarissimus, summus zureichende er- klärung. auhuma ist der leuchtende, vorleuchtende und auh- jödus turba, tumultus dürfte auch donner ausdrücken und ein- facheres auhjö dem vorhin genannten Jjeihvö = tuxo? begegnen, so dasz wir von neuem auf die Vorstellung des donnersteins gelangen, so ist unser rahd. braht, nhd. pracht beides glänz und lärm (wörterbuch 2, 283), das ags. gleam jubar, das altn. glaumr strepitus, man halte skr. vahnis ignis zu flare, färbe und ton, feuer und luft erkennen gleiche wurzeln, die flamme ist nicht nur leuchtend sondern auch prasselnd, in der edda heiszt das feuer hripudr, tumultuans, der prasseler, und die flamme sprüht, knistert, das feuer nennt die edda den bruder des winds und Loki der feuergott greift über in Loptr, die lohe in die luft. keine spräche drückt diese innige Verwandt- schaft zweier demente genauer aus als die finnische, das feuer durch tuli, den wind durch tuuli und unsere gedichte des mittel- alters gebrauchen für feuer wind:

si sluogen durch die schilde, daz ez lougen began

von viwerröten winden. Nib. 1999, 1;

von ir zweier s werten gie der fiurröte wint. 2212, 4. so gut Agnis ein feuergott, den Gothen Theihvö^ eine donnerin ist, darf in redensarten unseres volks von dem Ofen (mythol. 596) spur eines persönlich gedachten Auhns erkannt werden.

Das sanskrit verbreitet licht über alle sprachen, aber jede spräche hat ihre eigne anläge, Schönheit und kraft, und durch diese andere sprachen wird erst die sanskritforschung recht le- bendig und fruchtbar.

' nicht zu schreiben Theiwo. ich habe mich über die vei'werf liehe auf- lösung des goth. 0 in w statt hv eben in Pfeifers Germania näher ausge- sprochen.

414 JOHANN LAÜREMBERG.

JOHANN LAÜREMBERG.

Germania. Jahrg. 2. 1852. s. 298 SOG.

298 Dieser ausgezeichnete dichter des siebzehnten Jahrhunderts ist nicht genau in der geschichte unserer literatur aufgestellt und die beste schrift über ihn von Classen Lübeck 1842 läszt doch in vielem unbefriedigt, man weisz noch gar nicht, dasz es von ihm auch hochdeutsche gedichte gibt, obgleich sie hinter seinen niederdeutschen sehr zurückstehen, wie hätte ein ge- lehrter mann jener zeit, der es in deutscher dichtung versuchen wollte, anders als zuerst in dem höher gebildeten dialect auf- treten können? den natürlichen vortheil heimischer mundart sah hernach niemand besser ein als Lauremberor, und wahrscheinlich hat sein ofi'en darüber ijethanes bekenntnis eben beigetragen seine früheren hochdeutschen versuche in Vergessenheit zu bringen.

299 Die 'veer olde berömede Scherzgedichte' sind zumeist durch einen Casseler nachdruck verbreitet worden, sollen aber anfangs zu Copenhagen 1648 erschienen sein, welche von Alb. Bartholin de scriptis Danorum, Hafn. 1699 p. 75 ausdrücklich angeführte ausgäbe bisher doch nirgends gesehen oder näher beschrieben ist.

Den ungeschickten titel kann der Verfasser selbst nicht ge- wählt haben, wie sollte Lauremberg seine eignen gedichte be- rühmte und wie alte nennen? da sie ihrem ganzen inhalt nach neugemacht waren und klagen über den Untergang der guten alten zeit aussprachen.

Die epitheta sind auch erst auf späteren ausgaben, wo man Rachels satyrische gedichte mit den Scherzgedichten zusammen druckte, hinzugekommen, auf der Berliner bibliothek findet sich die ausgäbe von 1652, deren titelblatt nur 'veer Scherzgedichte' hat, 94 Seiten, aber nicht den ort des drucks enthält, zu Ham- burg soll 1654 eine hochdeutsche Übersetzung herausgekommen sein, die ich nie sah.

Jene hochdeutschen gedichte, nebst älteren niederdeutschen, die nur zugäbe oder anhang zu späteren ausgaben der Scherz- gedichte bilden, denn die von 1652 hat noch nichts davon, liegen vor mir unter folgendem titel: poetische lustgedanken über den sauersüszen ehestand un dat honnigsöte frien, nebst angehenktem weiber A. B. C. gedrückt und verlegt in diesem itzigen jähr, sechs bogen in duodez, alles unpaginiert, ohne angäbe des orts, jahrs und Verfassers, wer mit den Rostocker, Lübecker, Hamburger drucken aus der zweiten hälfte des 17. jh. bekannt ist, wird vielleicht im stände sein, nach gestalt der buchstaben ^ zu ermitteln , wann ungefähr und aus welcher

' eigenthümlich geformt erscheint das grosze U.

JOHANN LAUREMBERG. 415

drucker.ei das büchlein hervorgieng; meinem exemplar steht unten die jahr/ahl MDCCI beigeschrieben, was ein besitzer hinzugefügt haben mag. wäre 1701 das wirkliche jähr des drucks, so müssen einer oder mehrere bereits vorausgegan- gen sein.

Voran steht eine, ich zweifle nicht aus Laurembergs feder geflossene vorrede, worin es heiszt: die weil aber dieses vielen für äugen kommen wird, und ein oder der ander davon wunder- liche gedanken schöj3fen möchte, als habe ich allem verdacht vorzubeugen, vor notig erachtet, hievon mit wenigem bericht zu ertheilen, wie nemlich mit nichten die meinung sei den hl. ehestand zu verkleinen u. s. w. am schlusz: fröhliche gemüter werden hierinnen auch ihre ergetzlichkeiten finden, zumalen viel lustige Sachen mit unterlaufen, zweifle nicht ein jeder werde solches hoflich empfinden und des verfertigers mühe rühmen.

Aus diesen Worten ergibt sich, dasz nicht ein compilator, der diese gedichte zusammen trug, sondern ihr eigner Verfasser redet; ein bloszer samler hätte gerade allen anlasz gehabt Laurembergs namen anzuführen.

Das erste gedieht heiszt nun ehesorge und beginnt: 300

der ehstand, hör ich, soll als fischerreusen sein,

das drin ist wil. heraus, was drauszen wil hinein. 46 Zeilen, worauf folgt ehefreuden in 44 Zeilen:

hör, kehr das blättlein umb und geh ein ander strasz,

jetz schenk ich andern wein aus einem andern fasz. dann kommt niederdeutsch Tewsens klage, entschieden laurem- bergisch und neben den Scherzgedichten s. 90 &. der Cass. ausg. enthalten:

gott beter düsse werlt, de wert jo länger jo schlimmer,

jo older dat se wart, jo böser ward se jümmer. schlusz: sta fedder! tis genoch, dat men sich nit verschnackt,

so ha ik süs wol west, ik ha wol wat mer mackt. die letzte zeile lautet richtiger im Cass. druck s. 95:

ja had ik süs war west, ik had wol wat mer mackt, wiewol sich die apocope von had in ha ertragen läszt.

Nun folgen hochdeutsch: einer hatte nicht lust zu freien, sang dero wegen also:

ich gedenke hin, ich gedenke her u. s. w. ob es best sei jung oder alt gefreit:

wenn mich einer wolte fragen u. s. w. eine andere ehefreude:

freud wenn Phöbus flicht den kränz u. s. w. mit gar angenehmen stellen, ehesorge: sorge eh man kriegt die braut, das beste recept eines mannes:

menschen pflegen oft zu bauen

auf der edlen medicin.

4 ] 6 JOHANN LAÜREMBERG.

dann niederdeutsch: entföldige beschriving, wo it mit dem hon- nichsöten frien vor nn bi der köss to geit:

help gott, wo geit it to, wat is dar all to kaken u. s. w. in der Cass. ausg. s. 96 ff.

Weiter hochdeutsche gedichte:

ob der ehestand sei ein wehestand, ungelegenheit der ehe, lauter jirosasprüche, unter andern: ist sie verständig und demütig, so hat sie gewis im hemde gefreiet, d. h. dem mann nichts zugebracht als ihr hemd, ist ganz arm gewesen, wie noch heute von einer braut initer dem volk ge- sagt wird, sie hat nichts als das hemd, was alles an Nib. 1066, 3 gemahnt, wo ich die lesart D vorziehe:

bi im w:ere Kriemhilt hemdebloz bestän, da zum groszen hört das hemd natürlichen gegensatz bildet, nicht die blosze band, die bei reichen wie bei armen vorkommt, entscheidend ist, dasz auch Gudr. 1654 auf die frage : wa naeme si gewant? folgt: 301 sprach der künic von Moren, daz er ir wan in eim

hemede baete. jungfernlob, 20 Strophen, deren letzte anhebt:

wie manch lied hab ich geblasen vor der zeit zu ihrer ehr,

welches freilich auf gesang im Ständchen, aber auch auf ge- dichtete lieder gehen könnte.

Jetzt aber wird eingeschaltet: wie man eine Jungfer küssen sol.

nirgend hin als auf den mund u. s. w. was ein bekanntes, hübsches gedieht Flemings ist (öden 5, 37), wie kam Lauremberg dazu es hier mitzutheilen, ohne dessen Verfasser zu nennen? Flemings gedichte waren 1642 im druck ausgegangen, viele davon aber vorher schon in den dreisziger Jahren abschriftlich von Liefland und Estland her nach Nord- deutschland geschickt; den ausgaben ist hinten ein ansehnliches Verzeichnis der dem dichter abhanden gekommenen, in den bän- den seiner freunde verwahrten stücke angehängt, das von den küssen kann nun dem Lauremberg, ohne dasz man von seiner bekanntschaft mit Fleming das geringste weisz, zugekommen und von ihm abgeschrieben worden sein, es hatte ihm so ge- fallen, dasz ers in sein büchlein rückte und wie er seinen eignen namen verschwieg auch den des dichters, falls er ihm wirklich bekannt war, nicht nannte, auf eine vielleicht durch manche band gelaufne abschrift scheint auch das Verhältnis des hier mitgetheilten mangelhaften textes zu dem alten flemingschen zu weisen, in der vierten zeile liest man hier

nicht zu närrisch, zu gedrungen statt nicht mit gar zu fauler zungen.

JOHANN LAUREMBERG. 417

nach zeile 12 fehlen die beiden schönen: halb gebissen, lialb gehaucht, halb die lippen eingetaucht, die Lauremberg unmöglich unterdrückt hätte, wenn sie in seiner abschritt gestanden hätten, da sie aber seit 1642 in der ihm sicher zu gebot stehenden ausgäbe zu lesen waren, folgere ich, dasz Laurembergs büchlein vor dieser zeit zu stände gekommen sein müsse und den Scherzgedichten von 1648 mindestens um sieben jähre, wahrscheinlich schon um fünfzehn vorausgieng. man möchte genau wissen, wann Fleming das gedieht abgefaszt hat, ich werde hernach darauf zurückkommen.

Nächst diesem findet sich ein witwenlob in 22 Strophen, und der bescherzte bockesbeutel , 'das ist ein beutel, da man vor alters die bücher eingestakt, wenn man zur kirche gangen', was im deutschen Wörterbuch 2, 206 nachzuholen ist. auch in dem niederdeutschen gedieht 'de verdorbene werlt un ere nie maneeren (Cass. ausg. s. 100) singt Lauremberg

dat golden kleenod disser stad, de bocks buel is to nicht,

da is nu hier keen minsch nich mer, de sik na sülken rieht, womit nicht sowol der beutel fürs gesangbuch als ein altbürger- licher brauch gemeint wird , unter der stadt aber Hamburg, 302 denn die schluszzeile lautet:

Hamborg, nu du de suek af legst, werd di de sueke rören? 4ieuk un suek' bezeichnet eine altfränkische frauentracht, deren ablegen von den Hamburgerinnen mit schwerer krankheit ver- golten werden könne, heuk ist hoike mantel und suek das französische souquenie, mhd. suckenie, sukni Parz. 145, 1, eine urk. bei Günther 2, 106 vom j. 1211 hat sucgania, Kosegartens wb. wird dafür viele niederdeutsche belege anzuführen haben, in diesem sonst hochdeutschen gedieht vom bocksbeutel, eigent- lich einem hochzeitsgedicht auf bestimmte gelegenheit, ist eine ganze seite plattdeutsch eingeschaltet:

schnacken van dem kindeltrecken,

schnacken van de bradespecken u. s. w.

schnack van hicken, schnack van hacken,

van dem schnacken kumt wan schnacken, was gar nicht an Laurembergs autorschaft zweifeln läszt.

Es folgt gespräch zwischen einer jüngfer und frauen wegen des ehestandes. 12 Strophen.

klaglied der klosterjungfrauen über ihre entführte äbtin.

Jungfernmarkt, nach einem holländischen gedieht von Cats.

ein kribbelkrabbellied im ton : Daphnis gieng vor wenig tagen. 10 Strophen.

Leander und Rosemund, wiederum nach Cats. darauf: dieser thut so viel ihm immer mensch ulid müglich ist, nochdennoch kau er in der weiten weit kein weib bekommen, anfanff :

D J. GKIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 27

418 JOHANN LAüREMBERG.

ich habe zu genieszen

der lieb auf freiers füszen

gar keinen stern und glück. 23 Strophen.

diese kann keinen mann bekommen. 35 Strophen.

niederdeutsch: Tewsen wachset sein hart, musz derowegen ein weib haben, beginnend

moder wat dünkt ju, scholde ik wol frien? dies launige, an viel ältere ratschlage zwischen niutter und söhn, mutter und tochter erinnernde lied steht auch hinter den Scherz- gedichten s. 132 mit der plattdeutschen Überschrift: Tewesken wasset de hart, drüm muet he eene fruwe hebben.

Den schlusz des ganzen büchleins macht der weiber A. B. C. 24 Strophen nach den buchstaben des alphabets, wenig be- deutend.

Hiermit ist der inhalt vollständig dargelegt und eine allge- meine betrachtung kann platz greifen.

Johannes Lauremberg war 1591 (nicht 1597) zu Rostock geboren, auf dem titel der Scherzgedichte nennt er sich versteckt 303 Hans Willmsen L. Rost., d. i. Johannes Wilhelmi filius, licen- tiatus rostochiensis. sein vater Wilhelm, der 1547 geboren, 1612 als Professor zu Rostock starb, stammte aus Solingen in Westfalen, wie der bekannte Rostocker Nie. Baumann gleichfalls westfälischer herkunft war. seine mutter war gebürtig aus Utrecht und darum begreift sich, wie ihre söhne früh nach Hol- land geschickt wurden.

Peter, der ältere bruder (nicht der jüngere, wie Classen angibt) war schon 1616 zu Hamburg und hernach auch zu Rostock angestellt, er hat die vielgelesene, oft aufgelegte und vermehrte acerra philologica geschrieben, siö erschien zuerst 1637 und ist hochdeutsch, in niederdeutscher fassung würde sie uns jetzt weit mehr behagen, das damalige publicum stellte aber an eine schrift, die sich verbreiten wollte, andere forderungen. Peter war 1585 geboren und starb bereits 1639 als professor der medicin und philologie.

Johannes, der mathematiker, aber auch philologisch gebil- det, wurde 1619 professor zu Rostock, doch schon 1624 nach Soröe in Dänemark gerufen, wo er bis 1659 lebte, seine fach- werke schrieb er zwar lateinisch, von der neueren spräche waren ihm zunächst die niederdeutsche und hochdeutsche geläufig, auszerdem die niederländische und dänische, in den Scherzge- dichten werden verschiedentlich auch dänische zeilen eingestreut, seine gesinnung blieb stets seiner heimat zugewandt, mit der er ohne zweifei den lebendigsten verkehr unterhielt.

Dasz er sieh wahrscheinlich schon in seinen jünglingsjahren hochdeutscher poesie beflisz, darf man beinahe voraussetzen, im ersten Scherzgedichte heiszt es seite 9:

JOHANN LAUREMBERG. 419

een schriverken bin ik allreed, gelövt mi even, ik heb in verlieh jar vel bagen vul geschreven, und Seite 15 ist mit derselben jahrzahl seines aufenthalts in der fremde, vermutlich in Holland gedacht:

wat ik vor vertich jar heb sehn in frembden landen, im vierten Scherzgedicht seite 74:

an der sttlven süke bin ik gelegen krank, de versehe de ik wol er hebbe geschreven, sind mi to keenem groten profit gebleven, gar weinig ere heb ik darmit ingelegt, dewil se sind geschreven so siecht und recht, hed ik gedonnert un se so hoch erhaven so hedde ik wol gekregen grote gaven . . ik konde wol so hoch draven, wen ik wolde, dat it nemand als ik alleen begripen scholde, wenn ik als de grote poet schriven würde, die frau hat abgelegt ihres leibes reife bürde versieglend ihr ehbett mit einem theuren pfand. wol würde ergründen disses radeis verstand? 304

he meent darmit, de fruw de heft en kind gekregen. ich kann nicht sagen, ob einem und welchem dichter diese eben nicht besonders schwülstige stelle entnommen ist, tauglicher war die 8. 75 verspottete:

de sülve poet, dar he künstlik verklaret wo sin fründ up dem meer in enem schepe faret, sine hochflegende flögel mit dissen worden ut breidet: auf einem hölzern pferd das nasse blau durchschneidet spaltend Neptuni rück mit einem waldgewächs. die Scherzgedichte mag Lauremberg etwa zwischen 1640 und 1648 geschrieben haben, als er schon in den funfzigen stand, vierzig jähre rückwärts leiten auf die zeit seiner holländischen reise, in die zwanzige und dreiszige des Jahrhunderts mögen denn seine hochdeutschen gedichte fallen ^, daneben auch manche niederdeutsche traulichere entsprungen sein, kann uns Lappen- berg in seiner bevorstehenden ausgäbe Flemings das jähr ermit- teln, in welchem die ode von den küssen, ich denke mir zu Reval 1635 oder 1639, entsprang, so hätten wir einen punct, hinter welchen Laurembergs bekanntmachung der hochdeutschen gedichte nicht zurückgeschoben werden darf, allem anschein nach wurde das büchlein zuerst in den dreiszigen und jeden- falls vor 1642 gedruckt, gesetzt die Copenhagener ausgäbe der Scherzgedichte von 1648 beruhte auf einem irthum, und die

^ im gedieht von dem bocksbeutel heiszt es D 2":

hola! es ist genug, wer hat mir macht gegeben der weiber vogt zu sein? es ist mein junges leben mir noch zu lieb dazu, als dasz ich es so ganz in zweifei setzen solt und schlagen in die schanz.

27*

420 JOHANN LAUREMBERG.

von 1652 wäre die erste, so würden einige der vorausgehenden annahmen und die daraus gezognen Schlüsse sich noch leichter machen. Flemings lateinisches gedieht Rubella seu suaviorum Hber. Lips. 1631 war jener deutschen ode vorausgegangen.

Lauremberg, so früh aus Deutschland verpflanzt und seine besten jähre unter Dänen verbringend, muste dem damals durch einen grausamen krieg zerrütteten vaterlaud allmälich entfrem- det werden, und wenn auch sein hehnatsgefühl und die liebe zur muttersprache unvertilgt blieb, so erklärt sich doch, wie in allen seinen gedichten nie die leiseste klage über den jamraer Deutschlands ausbricht und warum er wenig oder keine freude empfinden konnte über die mitten im kriege durch Weckherlin, Opitz und Fleming erweckte dichtkunst. langweilige Über- tragungen, wie wir sahen, aus dem holländischen hatten auch ihn beschäftigt, diese Verdeutschungen untergeordneter gedichte aus dem italienischen, französischen und niederländischen legten der deutschen poesie steife fessel an. Laurembergs derbe nieder- deutsche natur bewahrte ihn davor, seine hochdeutschen lieder sind schlicht und gefallig, nirgends eben hervorragend, doch 305 nicht ohne glückliche gedanken und ausdrücke, ihre form wird nachlässig gehandhabt, alles aber, was er niederdeutsch ge- dichtet hat, ist in hohem grad einfach, ungezwungen und natür- lich, so dasz es den wohlthätigsten eindruck gegenüber den halben oder falschen tönen macht, die damals von hochdeutschen dichtem angeschlagen wurden. Lauremberg musz immer fühl- barer diesen vorzug des niederdeutschen vor dem hochdeutschen erkannt und eben das ihn bewogen haben, seine eignen hoch- deutschen versuche selbst fahren zu lassen, das gedieht von der bunge und gelen gigel ist ein kleines meisterstück und über- rascht durch die gefügsten, zierlichsten worte, überhaupt scheinen mir die im anhang der vier Scherzgedichte enthaltenen gedichte die eigentliche krafit seiner muse, alle sind früher verfaszt und mehrere derselben, wie gezeigt wurde, schon unter den hoch- deutschen mitgetheilt worden, spuren des dänischen aufenthalts erscheinen auch in ihnen, z. b. in der letzten zeile des honnich- söten friens B 12'' des büchleins oder s. 100 der Scherzgedichte:

wo doch en fattich blöd, de nichts hed, ward gekrenket. wer die häufigen anspielungen auf französische ausdrücke und gebrauche in den Scherzgedichten erwägen wollte, könnte da- raus einzelne aufschlüsse über die zeit der abfassung gewinnen, der name Tewesen oder Tewesken für einen albernen bauer gemahnt an das um dieselbe zeit in westfälischer mundart nieder- geschriebene Tevesken kinderbehr, das in Holland zusammen mit Slennerhinke und Lukevent als ergetzliches volksbüchlein öfter gedruckt ward. Tewes ist wie unser Theis kürzung von Matthaeus, das Bremer wb. 5, 58 setzt teevsk geradezu für alber. nach Kochs compendium 1, 269 erschien ohne ort, viel-

JOHANN LAUREMBERG. 421

leicht zu Rostock, im jähr 1644 gedruckt: Teweschen hochtit, dat is ardige vif uptöge, darin der enfolligen bueren wunnerlike see un selsene ree to sehn, kortwilig to lesen, lustig to hören un lefliken to ageren. auf der Göttinger bibliothek findet sich unter gleichem titel ein späterer druck von 1661. see und ree für sede rede entspricht dem oben angezognen ha für had. ge- nauere einsieht dieser beiden drucke würde zeigen, ob man sie vielleicht jenem des bttchleins vereinbaren und die abfassung des lustspiels unserm Lauremberg beilegen könne, in Wachlers Vorlesungen 2, 61 stehen aber von ihm 'zwo komödien. Kopen- hagen 1635. 4. in prosa mit arien und plattdeutschen bauern- gesprächen' angegeben, die Bartholin verschweigt, diese lust- spiele nach den drucken von 1635 und 1644 oder 1661 ver- dienten aus mehr als einem gründe neue herausgäbe.

Lauremberg zeigt uns, wie wenig damals die literatur aus dem norden in das übrige Deutschland vordrang, niemand kennt ihn, und seine Scherzgedichte hätten doch den blick in manchem betracht erweitern können, sie stehen an practischem geschick über den meisten andern erzeugnissen jener zeit; erst Morhof nennt und rühmt ihn. selbst Schuppius, der ihm näher zu Hamburg wohnte und eines ihm verwandten geistes war, zieht im regentenspiegel (werke Frankf. 1684 s. 32) seine 'arith- 306 metik und grosze historische Wissenschaft' hervor, ohne jemals bei hundert gelegenheiten einen vers von ihm anzuführen, um so mehr anlasz hätte er dazu gehabt, als Laurembergs bruder ihn, es wird im jähr 1629 gewesen sein, promoviert hatte, wie er sehr lebendig im freund in der noth s. 268 erzählt: zum an- dern bin ich extraordinari hoffärtig gewesen, da ich zu Rostock magister wurde und primum locum hatte; wann ich damals einen hofiartigen kerl auf den straszen sah, da dachte ich, du magst dir einbilden was du wilt, so bist du dennoch kein ma- gister. o wie spitzte ich die obren, wann nach der promotion, bei dem angestellten convivio, mein promotor und groszer freund, der edle Petrus Lauremberg, ein glas mit wein nähme und sagte, Salus herr magister! da dachte ich alsbald, das gilt mir, der mann bin ich. zwei ganzer tag übte ich mich, bis ich ein schönes M mahlen konnte.

422 NACHTRAG ZU LAUREMBERG.

NACHTRAG ZU LAUREMBERG.

Germania, jahrg. 2. 1857. s. 445 448.

Auf der Berliner bibliothek findet sich: Erneuerte und ver-

445 mehrte lustige gesellschaft, comes facundus in via pro vehicuio, allen reisenden auch in gesellschaft anwesenden herren und freunden zu ehren und lust aus vielen andern bttchern zusani- mengesuchet und auf begehren ausgeben von Johanne Petro de Memel. jetzo aber mit vielen historien verbessert und mit etlichen kupferstücken gezieret, gedruckt zu Zippelzerbst im Drömbling im jähr 1657. 497 Seiten in 12.

Zippelzerbst, d. i. Zwiebelzerbst meint, nach Mannerts geogr. lexicon, das Städtchen Zörbig zwischen Leipzig und Cöthen, den geburtsort des berühmten Joh. Jac. Reiske. ob

446 sich der Drömling bis dahin erstrecke, ist mir unbekannt, diese ausgäbe von 1657 gibt sich als wiederholte und Gödekes grund- risz s. 513 führt auch eine vorausgehende von 1656, eine spätere von 1695 an.

Gödeke weist zurück auf den bekannten, aus Memel gebür- tigen Simon Dach s. 460, von welchem ein ähnliches büchlein unter dem titel: kurzweiliger zeitvertreiber ohne ort 1668. 1678 u. 8. w. erschien, dessen vorrede Chasmindo unterzeichnet ist. dieser name ist ein anagramm von Simon Dach, doch war. Dach bereits 1659 todt, und auf dem titel wenigstens der zweiten ausgäbe nennt sich als herausgeber C. A. M. von W., und die buchstaben C. A. M. klingen wieder an ChAsMindo. diese namensverstellungen waren damals üblich. Petrus de Memel wäre freilich auf Dachs geburtsort gerecht, nicht Petrus, man müste denn an Simon Petrus denken wollen, und obgleich beide Sammlungen nach demselben plan eingerichtet und ausgestattet sind, beide ihrem Vortrag oft unanständiger, schlüpfriger ge- schichten viele gedichte einstreuen, so rühren sie doch schwer- lich von demselben Verfasser her. die lustige gesellschaft geht dem zeitvertreiber, wenigstens dessen redaction um zwölf jähre voraus.

Beide Sammlungen sind aber auf thüringischem oder nieder- deutschem boden entsprungen und enthalten viel niederdeutsche stellen, die lustige gesellschaft liefert 1220, oft ganz kurze stücke. 91. 130. 171. 334. 367. erzählen aus dem Jahr 1632. 1634. 1636. 1646. 1649. eine neue ausgäbe Logaus hätte auf 820 954 bedacht zu nehmen, so viel ich nachgeschlagen habe sind 787. 794. 903 sicher aus Logau herrührend, der bekannt- lich zuerst 1638 und 1654 im druck erschien, manche der 820 954 enthaltenen stücke lassen sich aber so logauisch an, dasz sie, wenn auch nicht in sein werk eingegangen, ihm bei- gelegt werden könnten.

NACHTRAG ZU LAUREMBERG. 423

Was mich vor allem anzog, es finden sich auch einzelne der im anhang zu Laurembergs Scherzgedichten oder in den von mir ausgezogenen poetischen lustgedanken vorkommenden gediohte, und zwar unter 685 :

god betert düsse werlt de wert jo länger jo schlimmer, mit der Überschrift: Corydons klage über die jetzige verkehrte weit u. s. w. unter 686:

help got, wo geit it to, wat is dar all to kaken, tiberschrieben: schäftige Marta dat is entfoldige beschriving, wo it mit dem honnichsöten frien vor un bi der kost togeit, in der fedder gefatet un upgedrücket durch Jeckel van Achtern, herr up Lik.

unter 687 der bescherzte und beschimpfte bockesbeutel , hoch- deutsch mit den eingewebten platten stellen, unter 688 poetisch Scherzgedicht auf die jetzigen närrischen complementen und französische kleidertracht, hochdeutsch und anhebend:

man siht herr bräutigam, nicht hilft das grosze prangen, zusammen 172 verse, worunter sechs plattdeutsche, alles aber 447 ganz verschieden von dem zweiten laurembergischen gedieht, unter 716:

wie man eise küssen soll, veiederum die flemingischen verse in ungenauer, lückenhafter aufzeichnung.

unter 987 ein kurzweiliges gespräch von dem winter, nieder- deutsch :

Hinrich, böte wat in, et frust, in de kulle is wenig lust, lat en erlick für in leggen, da men weet von na to seggen u. s. w. 108 verse mit anspielung auf Alster, Elbe und Harburg, oflPen- bar in Hamburg verfaszt.

unter 990 ein gedieht von dem Hamburger schwarzen und Braunschweiger weiszen mummerlaken, hochdeutsch:

mein herr, ich weisz es ihm nicht füglich abzuschlageii was er begehrend ist u. s. w. zusammen 96 verse.

Thunlich sein wird es nun nicht, diese verschiedenen ge- dichte auf denselben Verfasser zu bringen; man sollte sich vor- stellen, dasz sie zuerst auf einzelnen blättern gedruckt und all- mälich in Sammlungen aufgenommen worden wären, vielleicht lassen sich solche einzeldrucke noch auffinden und daraus ge- nauere Schlüsse über ihren Ursprung ziehen, auch die abwei- chende mundart der einzelnen gedichte wäre sorgfältig zu ])rüfen, auf allen fall bezeugen sie noch die rührigkeit und das ver- mögen der niederdeutschen spräche im siebzehnten Jahrhundert, die Verschiedenheit des gedichts über die kleidertracht von dem

424 PARTICIPIUM PRÄS. FÜR KRANKHEITEN.

laurembergischen ist auffallend, doch die in der zugäbe oder im anhang der vier Scherzgedichte enthaltenen stücke müssen, wie nunmehr erhellt, schon 1654 oder früher im Umlauf ge- wesen sein, ganz wie ich vermutete, der name Jeckel von Achtern herr auf Lik ist, wie Corydon, ein versteckter, er- sonnener, wie sich auch im Peter von Memel und Chasmindo der wahre Urheber barg, sogar in Jeckel und Lik könnte Jo- hann Lauremberg liegen, wie in Hans Wilmsen L. Rost, ein Hans Lauremberg von Rostock lag, es ist besser das L auf seinen namen zu beziehen, als darin, wie ich vorher that, licentiat zu suchen.

Dessen alles ungeachtet steigen mir wieder starke zweifei auf, ob dem Soröer professor die gedichte des anhangs und die hochdeutschen der lustgedanken wirklich gehören. der be- scherzte boksbeutel, wie ich von Lappenberg höre, wurde schon 1640 als hamburgisches hochzeitsgedicht gedruckt, so wie auch das von complementen und kleidertracht. 'de verdorvene werlt' sei aber zuerst 1689 gedruckt worden, und dann müste sowol der anhang zu den Scherzgedichten als die lustgedanken erst zwischen 1690 1700 gesammelt sein, in diesen dichtungen er- schiene manches noch poetischer und lebendiger als in den sicher 448 laurembergischen Scherzgedichten und die niedersächsische spräche ganz in ihrem vortheil ; damals standen ihr noch rüstige federn zu gebot.

Bemerkt sei noch, dasz Alb. Bartholin s. 75 nicht den titel Scherzgedichte hat, sondern Satyrae Hafniae 1648 und Jocoseria ibid. s. a. , unter welchen beiden auch zweierlei niederdeutsche gedichte gemeint sein können, lateinisch wird Lauremberg solche gegenstände nie behandelt haben, jocoseria geht zunächst auf die Scherzgedichte.

» PARTICIPIUM PRÄS. FÜR KRANKHEITEN.

Germania, jahrg. 2. 1857. s. 377. 378.

.S77 Es ist noch heute hergebracht von erkrankten zu sagen:

das hat ihn angepackt, das kam ihm wie angeflogen, du siehst recht angegrijäen aus, oder ähnliche redensarten zu verwenden, die sich, wie die mythologie näher darlegt, auf die Vorstellung eines dämonischen ergreifens, angreifens, anfliegens, anpackens, anrührens, schüttelns und rüttelns zurückleiten, diese geister- hafte, plötzliche ein Wirkung bezeichnet aber nichts deutlicher als das participium praesentis bei vielen alten krankheitsnamen. Die pest war der umgehende, schlagende engel:

der slahente engel vuor da vure. Diemer 327, 24. 328, 13.

PARTICIPIUM PRÄS. FÜR KRANKHEITEN. 425

die gicht (arthritis vaga) das farende, laufende thier, die sprin- gende, fliegende, rürende gicht:

da ist si müende daz gegihte. Ulr. Trist. 1512; swer daz wüetende gibt hat. Renner 9904; die fieber oder gicht hervorbringenden elbe oder holden heiszen die fliegenden, genauer sind aber viele arten zu unterscheiden, die reiszenden, spleiszenden, blasenden, zehrenden, fliegenden holden, die paronychis ist der umlaufende wurm , rotlauf die fliegende vrolke, blutflusz das blutende, flieszende fich, stein- schmerz der reiszende stein, schlagflusz die schlagende, rührende sucht oder driis: dasz dich die drüs rür! hab dir die drüs ins herz hinein! dat dik de quade flegende geist int lif vare! h. Julius 325.

Einige solcher namen sind weniger transitiv als intransitiv zu fassen, bei dem blutenden, flieszenden übel ist der anfall schon eingetreten gedacht, ebenso bei der schwindenden und fallenden sucht, denn es heiszt nie die schwendende, fällende: sweme wirret diu vallende suht. kehr. 6491; die heten die vallenden suht. Ulrich 1092; die diu vallunde suht warf nider. Servat. 1572; 378

ir brach diu vallende suht harte vil mitungenuht. Haupt 8, 185.* gemeint wird, dasz der kranke schwindet oder zu boden stürzt, daher auch die stürzende sucht, welches sich eben wol transitiv ►nehmen liesze. mänotfallönti kommt ahd. für lunaticus, sonst mänotsioh vor.

Die niederdeutschen dialecte scheinen besonders reich im gebrauch von dergleichen participien. auszer fallende oder stor- tende süke finde ich de swindende süke, de glidende, lidende süke, von gliden, nhd. gleiten fallen und liden, nnl. lijden gehen ; de slikende von sliken, nhd. schleichen ; de kinkende süke, von kinken drehen, winden, nhd. kann wütende, schleichende, an- steckende Seuche nur allgemein, nicht von einer besondern krankheit gesagt werden. Mestwert, ein aus Westfalen gebür- tiger schriftsteiler, im fluchspiegel 1674 s. 21 hat: rührende, bebende, reiszende, tummelnde, rennende, stürzenfallende seuche, neben andern namen, worin kein particip enthalten ist. es werden sich, wenn man aufmerkt, noch manche andere beispiele einer, wie mir scheint, alten, erst in der neueren zeit beschränk- ten eigenheit unsrer spräche sammeln lassen.

Bei dieser gelegenheit sei noch etwas bemerkt, ich hatte in unsern akademischen berichten, jahrg. 1851 s. 99 101 [kl. sehr. 5, 400 fi'.] die personification des ritte und' des podagra aus einem elb oder Schmetterling erklärt, wie wir noch bei an- dern krankheiten solche unheimlich zufliegende wesen annehmen,

* auch einfach: daz vallende. Rückert zum heil. Ludw. s. 125.

426 TIGRI, CANTI POPOLARI TOSCANI.

man sagt: er hat motten im köpf, die filierte (ahd, fifaltara) fliegt den leuten an den hals (Woeste s. 44). in Lucians trago- podagra und ocypus bricht dieselbe Vorstellung durch, nur dasz hier ein mann namens schnellfusz vom podagra ergriffen wird, wahrscheinlich hatte Lucian eine fabel vom podagra und dem schnellfusz = floh erzählen hören, die er falsch abändert, nun bringt mir Kuhn aus dem Pantschatantra (der grundlage des Hitopadesa) eine fabel vom floh (feuermund) und der laus (leise- gang) bei, die an einem fürstenhofe lebend einander ihre erfah- rungen über das blut der menschen mittheilen (jahrb. der Berl. ges. 10, 284). das hängt allerdings merkwürdig zusammen und steht auch in Calila und Dimna (übersetzt von Phil. Wolf 1, 59) und schon in der alten weisen exempel (ausg. von Frankf. 1592, bl. 46'') zu lesen, nur kann ich nicht annehmen, dasz aus dieser indischen quelle alles übrige geflossen sein soll, es liegt hier wieder uraltes gemeingut vor, das sich selbst in den namen des Schmetterlings, der motte und der krankheit weit verbreitet hat. der indischen erzählung fehlt gerade die schöne epische ausführlichkeit. allerdings passen floh und laus besser zu gesellen als Schmetterling und floh oder Schmetterling und spinne; spinne und floh verursachen auch am leibe des men- schen keine krankheit, wol aber der nicht genannte oder unge- nannte wurm, man wird der sage noch weiter nachspüren müssen.

Canti popolari toscani raccolti e annotati da (jiuseppe Tigri. volume unico. Firenze, Barbera, Bianchi e compagui. 1856. LX und 415 selten.

Germania. Jahrg. 2. 1857. s. 380 382.

I Wer die lieblichen von Tommaseo schon vor sechzehn

Jahren herausgegebnen auf den Apenninen gesammelten lieder armer, unschuldiger landleute und hirten kennt, wird mit wahrer theilnahme diese neue, vollere samlung empfangen, volksge- sänge in so rein flieszender spräche, von so inniger dichtung wie sie sind, kann es sonst nirgends geben, man glaubt einen der italienischen dichter des vierzehnten, fünfzehnten Jahrhun- derts zu vernehmen, so leicht und ungehemmt rinnen die worte der weichsten, süszesten rede und es sind nichts als liebeslieder voll einfacher, anmutiger, zierHcher gedanken, ohne dasz je ein zweideutiger, schlüpfriger ausdruck, eine unehrbare anspielung unterliefe, diese natürlichen, glücklichen menschen bringen ihr stilles leben zu auf den bügeln und gebirgen der landstriche

TTGRl, CANTI POPOLARI TOSCANI. 427

von Pistoia und Siena und erheitern sich durch gesänge, wie sie ihre leidenschaft einflöszt, in einer ihnen von alters her überlieferten weise, land und meer, gestirne, blumen und vögel liefern unerschöpflichen vorrat der angemessensten bilder und Wendungen, die meisten lieder sind in den mund der Jünglinge, viele auch in den liebender mädchen gelegt, ein theil der männer wandert zur herbstzeit aus über meer nach Elba oder Sardinien, um sich den winter hindurch in eisenwerken oder als kohlenbrenner und holzschneider ein verdienst zu schaflen, gegen den sommer kehren aber alle zum geliebten boden der heimat zurück und manche aus der fremde erschallende lieder geben ihre Sehnsucht zu erkennen, wie die nachtigall stets an- ders und doch auf dieselbe weise schlägt, enthalten auch diese lieder immer den gleichen grund, unter nie ermüdendem Wechsel des Vortrags, in solchem betraeht dürfen sie den provenzalischen gedichten und noch mehr unsern minneliedern verglichen wer- den, denen man ungerecht und ohne einsieht eintönigkeit vorge- worfen hat, worin, wer sie verstehen lernt, gerade ihren grösten reiz findet, wenn auch andere gegenden Italiens anklänge an die toskanische volkspoesie gewähren, so ist sie doch vorzüglich auf den Apenninen mit einer wunderbaren liederfülle ausgestattet. Den hauptinhaltder samlung bilden rispetti, 1037 an der zahl, raeistentheils sechs- oder achtzeilig, zuweilen auch länger ausgesponnen, unter rispetto, wie das in solchem sinn unge- wöhnliche wort besagt, versteht man einen gesang, worin der liebende die geliebte gleichsam ins gesiebt fassend und be- schauend anredet, nicht wenige beginnen mit dem zuruf giova- nettina oder giovanettino. proben kann man entnehmen wo man wolle:

242. la prima volta che m'innamorai,

m'innamorai con uno sguardo solo.

m'innamorai di voi, non ci pensai;

feci come la starna al primo volo,

feci come la starna al primo passo,

mi sia cavato il cuor se piü vi lasso. 302. tutte le strade le vo' far bandire 381

tutte le porte le vo' far serrare,

tutti que' poggi vo' fare spianare,

che mi riparan si bella veduta:

tutte le querce le vo' far tagliare,

quelle che metton la foglia minuta,

quelle che metton la foglia si bassa

che paran l'amor mio quando ci passa. 304. quando ti vedo per la via venire,

tutti li conto i passi che tu fai.

tu fai li passi, ed io fo li sospiri,

passo per passo sospirar mi fai.

428 TIGRI, CANTI POPOLARI TOSCANI.

dimmelo, caro amor, quali son piune, i mi' sospiri, o i passi che fai tune? dimmelo, caro amor, quai son piu tanti, i mi' sospiri, o i tu' passi galanti? heller wollaut und entzückende rede.

Hierauf folgen lettere, erst neuerdings geschrieben, wie die Überschriften zeigen: dalle maremme toscane 1851. Follonica febbraio 1856, von welchem orte in der weit erhalten heutzu- tage geliebte so sinnige Zuschriften? dann serenate, 39 stücke, äuszerlich von den rispetti nicht verschieden und gleich anmutig, zunächst stornelli, überhaupt 425, stornelli sentenziosi, zusammen 40, form und Inhalt nach vorzüglich reizend, alle von drei Zeilen, in so engem räum wird alles, was das herz gerade zu sagen hat, ausgehaucht und eingeschlossen, die bedeutung von stor- nello ist nicht recht deutlich, musz aber den Sängern geläufig sein, da sie sich des verbums stornellare, d. h. cantar gli stor- nelli bedienen, viele stornelli heben an mit dem namen einer blume, der nur einen quinar füllt und meistens mit dem schlusz der dritten, eilfsilbigen zeile reimt, man hat sich zu denken, dasz der dichter durch feld und wald gehend, sobald er einer blume, einem blühenden bäum begegnet, sie gleichsam zum zeugen seiner liebesqual auffordert, bereits vor langen jähren theilte ich in den altdeutschen wäldern 1, 35 einzelne stornelli dieser art, damals unter dem wol verwandten titel ritornelli mit, hier aber ist deren eine viel gröszere zahl entfaltet, z. b.

fior di ginestra.

dove s'accende il fuoco una volta,

sempre un po' di scintilla vi ci resta.

fiore di ruta.

la donna quand' e bella, e delicata,

l'uomo se gli e innocente, Iddio Taiuta.

fiorin di mela.

la mela e dolce, e la sua buccia e amara.

l'uomo e finto, ma la donna e sincera.

fior di radice.

lasciale dir queste lingue mordace;

ama chi t'ama, e lascia dir chi dice. 382 fior di finocchio.

val piü una parolina in d'un orecchio,

che centomila strizzatine d'occhio. den schlusz macht ein poemetto rusticale : le disgrazie della mea, m 111 ottave rime. alles was man zur erläuterung der mitgetheilten lieder verlangen kann, hat der herausgeber in kurzen anmerkungen unter dem text gegeben, sie verursachen aber, ihrer einfachheit wegen, geringe Schwierigkeit.

ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION. 429

ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION.

Germania, jahrg. 2. 1857. s. 410 418.

In der grammatik haben assimilation und attraction grosze 4io ähnlichkeit. wie laute bei der berührung sich ausgleichen, streben auch sätze, die aufeinander folgen, ihre fuge zu verein- baren, der natur des einen lauts, welcher dabei nachgibt, ge- schieht gewalt, doch beide zusammen verstärken ihren eindruck; nicht anders entspringt, wenn ein satz gleichsam in den andern übertritt, festerer .einklang des ganzen, die Servitut schadet dem eigenthum auf einer seite und gibt ihm auf der andern besseren halt, unter ausnahmen hebt sich jede regel.

Alle sprachen, deren form natürlich und ungezwungen ent- faltet wurde, lassen assimilationen zu und verfeinern sie in der an Wendung, für usreisan, usrinnan, usruns sprach der Gothe urreisan urrinnan urruns und Ulfilas schrieb immer so, bei Ot- fried 1, 23. 37 lesen wir fillorane statt firlorane, im latein gilt intelligo affatim assiduus attraho statt interlego adfatim adsiduus adtraho und dergleichen in menge; griechische beispiele würden zahllos sein, fast in .jedem Jahrhundert treten aber pedantische philologen auf, die ihren liebhabereien nachhängend sich für die nichtassimilierte oder assimilierte wortgestalt ereifern, und zwar noch diligo, coUigo behaltend intellego dem intelligo vorziehen, berechtigt in den meisten fällen sind ohne zweifei beiderlei for- men und man hätte, wo es angeht, jene von dem strengeren Sprachgebrauch, diese von dem feineren herzuleiten,

Attractionen, bächen, ja wassertropfen ähnlich, die wo sie ' sich nähern, in einander rinnen, gewährt die ungehemmte rede der Griechen am meisten, wenigere schon die lateinische, beide jedoch werden sie vorzüglich im dement der Volkssprache, na- mentlich also bei comikern aufzuweisen haben, von Cicero wird man eben keine beispiele dafür verlangen, deutsche zunge, der von jeher, soweit ihre geschriebenen denkmäler reichen, zwang angethan wurde, sei es durch Steifheit der Übersetzungen, sei es durch verwarlosung und beschränkte regeln der grammatiker, kann nur sparsame spuren einer doch nicht gänzlich in ihr ver- tilgten erscheinung zeigen. Gottsched und Adelung würden sich davor gekreuzigt haben, sie und alle übrigen Sprachlehrer wissen gar nichts davon.

Es gibt manche fölle der attraction, ich beabsichtige hier zu erörtern, wie der casus des hauptsatzes ausweicht in den des relativsatzes ; ihm entgegen steht ein umgedrehter fall, wo dem casus des hauptsatzes der des relativen sich bequemt, diese letztere, in allen sprachen häufige construction habe ich schon verschiedentlich besprochen, sie macht, da ein relativer zwischen-

430 ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION.

satz überhaupt an kraft dem hauptsatz nachsteht, minderes aufsehen. 411 Kein einziger casus nun lenkt so leicht in den relativsatz

ein als der nominativ in dessen accusativ. diese beiden casus stehen sich zumal verwandt und wir sehen in allen sprachen, besonders den neueren, ihre formen oft zusammen fallen, unsere heutige unterscheidet sie fürs fem. und neutr. gar nicht mehr, für das masc. nur noch im sg. des pronomens und adjectivs; überall also, wo kein nom. letzterer art einzutreten hätte, macht sich der übertritt in den acc. am bloszen Substantiv nicht mehr fiihlbar.

Ich schicke lateinische beispiele, weil sie die sache gleich deuthch machen, voraus, bekannt ist Virgils

urbem, quam statuo, vestra est. Aen. 1, 573, und man könnte das allerdings so verstehn, als wäre gesagt: quam statuo urbem, ea vestra est, wo das Substantiv unmittel- bar in dem relativsatz enthalten wäre; doch richtiger scheint, weil das subst. deutlich voraus geht, das relativum erst nach- folgt, ein urbs, quam statuo, vestra est zum gründe zu legen und den nom. urbs von dem folgenden quam anziehen, d. h. in urbem übergehen zu lassen.^ nicht anders beurtheile man die folgenden, vornemlich aus comikern geschöpften fälle:

sed istum, quem quaeris, ego sum. Plautus Curculio 3, 49, wo Rapp, der geistreichste Übersetzer des Plautus, den wir haben, zwar ganz richtig, doch ohne attraction verdeutscht:

doch den du suchst, der mann bin ich; warum nicht:

ihn, den du suchst, der mann bin ich; istum, quem quaeris, Periphanem Plantenium, ego sum.

Epidicus 3. 4, 12, hier sind durch das quem die drei nominative iste Periphanes Plantenius in den acc. gezogen.

Naucratem, quem convenire volui, in navi non erat.

Amphitr. 4. 1, 1. bei Rapp mit aufgehobener attraction

der Naucrates, den ich nun will, ist nicht im schif. eunuchum, quem dedisti nobis, quas turbas dedit.

Terentius eunuch. 4. 3, 15. sumptum, filii quem faciunt. Adelphi 5. 3, 21; hunc, quem per urbes ire praeclarum vides, levis est.

Seneca Herc. oet. 410. um auch einen beleg aus der prosa zu geben, Petron sagt cap. 134: hunc adolescentem, quem vides, malo astro natus est, dieser Schriftsteller ist lebendiger, volksmäsziger als viele andere.

absichtlich ist hier in allen stellen nach dem attrahierten casus ein comma gesetzt worden, so feind ihm die heutige Schreibweise ist.

ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION. 431

Im text des neuen testaments, so wie in der vulgata, be- 412 gegnen aber auch einige merkwürdige stellen, die zu denen ge- hören, bei welchen die abweichende, schwankende lesart von Wichtigkeit für die beurtheilung des alters wird. Matth. 21, 42. Marc. 12, 10. Luc. 20, 17 überliefert der recipierte text: Xi'iJov, ov a-£00xi'}xaaav ot o^/looo}xo!JlVT£?, oüto? l^evT^&rj st? xscpaXyjv -((ovias. und dazu stimmend die vulgata: lapidem, quem reprobaverunt aedificantes, hie factus est in caput anguli. von diesen drei stellen können wir nur die zweite aus Marcus bei Ulfilas ver- gleichen und hier steht ohne attraction : stains, |)ammei usvaur- pun \>Si\ timrjans, sah varjD du haubij)a vaihstins. erschien dem Gothen die griechische construction undeutsch oder hatte er eine handschrift vor sich, die gleichfalls den nom. setzte? das letzte ist weit wahrscheinlicher, da sich wirklich die Variante XiiJo? findet, namentlich bei Origenes. einen acc. hätte ohnedem die goth. füguug neben usvairpan, das den dativ begehrt, nicht ertragen, nicht unbelohnend ist auch die vergleichung des ags. neuen testaments, wo Matth. 21, 42 und Marc. 12, 10 steht se stän, |)e \yX vyrhtan avurpon, Jjes is gevorden to })a;re hyrnan heäfde, hingegen Luc. 20, 17 |3one stän im acc, hier musz die vorgelegne vulgata entweder lapis oder lapidem dargeboten haben, im ahd. Tatian oder Ammonius cap. 124, 5 heiszt es: stein, then sie widarcurun zimborönte, ther ist gitän in houbit winkiles, da kein artikel beigefügt ist, läszt sich nicht ersehen, ob stein accusativisch oder nominativisch zu fassen sei. andere alte Übersetzungen stehen nicht zu gebot, Luther setzte überall den nom., mied also die attraction: der stein, den die bauleute verworfen haben, der ist ein eckstein geworden.

Eine andere stelle findet sich 1. Cor. 10, 16: xh iroxT^piov TT,; £uXo7ia?, 0 zb\o'(oo\iev ooyl xoivtuvia saxlv xoü aijAaxo? xou Xpt- axou; xiv apxov, ov xXäjxsv, oü)(1 xoivtovia iaxiv xou atujxaxo? xoö XpiaxoS; die attraction in xov apxov ist augenscheinlich, sie musz aber auch für xo Troxv^piov behauptet werden, wo sie aus der form nicht erhellen kann, wiederum haben einzelne hss. für xov apxov 6 apxo?, also unangezogen, wozu die vulg. stimmt; calix bene- dictionis, cui benedicimus, nonne participatio corporis domini est? wenn einzelne hss. lesen calicem, cui benedicimus, so ist dieser acc. sinnlos, statt panis darf es allerdings heiszen panem quem frangimus, Lachmann hat, scheint es, diese Variante über- sehen, die vulgata folgte meistentheils dem gr. text auf dem fusz; die gr. spräche des N. T. hat aber, wie nicht blosz aus diesen stellen erhellt, oft eine volksmäszige färbung. Ulfilas sagt nun: stikls ])iuj)iqissais, |)anei gaveiham, niu gamaindu|3S bl6|:)is fraujins ist? hlaifs, }janei brikam, niu gamaindups leikis fraujins ist? beidemal unanziehend, wir haben also überhaupt keinen einzigen beleg für die attraction im gothischen. bei Luther wird man sie in dieser stelle noch weniger erwarten.

432 ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION.

Hier stehe dafür ein beispiel aus der alten griechischen 413 spräche: xas 3s axr^Xa*, xa? TsTct 6 paofiXsu; ^LsawSTpi?. al \ikv TiXsuvs? ouxsti «patvovToii irsptsouaai. Herodot 2, 106. Bei Otfried lesen wir I. 27, 25: ther gomo, then ir zaltut, joh namahafito nantut, ni bin ih ther, nicht then gomon ; weder er noch andere ahd. denkmäler lassen der spräche freien lauf genug, um sich solche wagnis zu ge- statten, desto willkommener sind aus mhd. dichtem augen- scheinliche beispiele, deren ich, damit man glauben schenke, eine ziemliche anzahl vorlege. ^

den minnisten helbelinc, den ieraer iemen dar gelegit, der ne wirt ime niemer versagit. Hartm. vom gelouben 2613; den boten, den wir hie gesehen, daz is selbe Alexander. Lampr. AI. 2999; den eit, den du blutest, mac der hie geschehen. Nib. 802, 2 ; den schätz, den sin vater lie, der wart mit ir geteilet hie. Greg. 463; den besten zobel, den man vant, daz was der maget gewant. a. Heinr. 1025; den Ion, den si nämen,

des helfe uns got. amen, zusatz am schlusz des gedichts; den schilt, den er für bot, der wart schiere zeslagen. Iw. 6722; den ersten, den ich ie gewan,

der muoz mir ouch der jüngste sin. Er. 6298, wenn nach man (6297) punct oder semicolon gesetzt wird, hat jedoch Haupts interpunction gröszern schein, so hängt der acc. den ersten noch von gebe ab;

lieben wän, den ich hän gein der lieben wolgetän,

der ist iemer unverlän. Neidhart bei Benecke 403; [Hpt.

XI, 16.] den groesten valsch, den ieman hat,

den decket ein vil liehtiu wat. Freidank 45, 6, wo jedoch frei steht, den ersten acc. mit dem letzten, ohne attraction, zu verbinden ;

den halsberc, den er fuorte an,

der was maniger marke wert. Herb. 7397;

den abit, den er truoc an,

was ein mantel wiz und rein, einleitung zu Herb. s. XXIX;

einen mantel, den er an truoc,

der was gezieret genuoc. Karl 2739 ;

einen munt, den er hat,

der ist witer denne ein heim. Daniel 39*;

' die meisten aus Hartmann und Stricker; von Gotfried, Conrad, Rudolf sind mir überhaupt keine zur band, oder müsten mir entgangen sein.

ÜBER. EINEN FALL DER ATTRACTION. 433

den schaden, den ich des haben mac, 414

der diuhte mich allez ein wint. 40";

daz sin herze verjach,

den besten, den er ie gesach

in den landen anders wa,

so waere der boeste tiurer da. Amis 1625;

den pesten schätz ich da verschreib,

zbar daz was mist. Wolkenstein s. 36;

den pesten vogl, den ich waiz

daz vi^as ain gans, vor zeiten ward gesungen, daselbst s. 76, was auf ein altes Volkslied zurückgeht, dessen bestätigung wir gleich nachher finden werden, hier auch eine prosastelle: den minsten sternen, den der mensch mag gesehin, der ist grozir danne daz ertriche alle sament. Meinauer naturlehre. Stutt. 1851 s. 1.

Neutralflexionen lassen keinen casus erkennen, z. b.

daz wirste lit, daz ieman treit,

deist diu zunge, so man seit. Freidank 164, 3;

daz beste, daz ie man gesprach

oder iemer me getuot,

daz hat mich gemachet rehte lös. MS. 1, 65";

diu jär, diu ich noch ze lebenne han,

swie vil der wa^re. daselbst;

diu wort, diu er von gote sprach,

der nam si mit dem herzen war. Karl 10438;

ein wip, diech e genennet hän,

hie kom ein ir kapelan. Parz. 76, 1, wo doch wip vom fol- genden acc. die leicht angezogen werden konnte, für den acc. f. mit artikel oder adj. ist mir kaum ein beleg zur band, doch liesze sich unbedenklich sagen:

die gebe, die er sande,

diu was riebe unde her;

die ere, die man im enböt,

der was vil unde genuoc. Daniel 36";

die groesten freude, die wir hjin,

deist guot gedinge und lieber wan. Freidank 134, 22, wo gelesen wird: diu gr'oeste freude.

Es steht zu erwarten, dasz eine so gesicherte ausdrucks- weise auch noch in der späteren zeit werde fortgedauert haben, doch sind die beweise dafür hauptsächlich in dem freien ton der Volkslieder aufzusuchen, nicht mehr in der prosa, deren regel seit den letzten Jahrhunderten immer stärker verengt wurde.

Verbreitete lieder des 16. jh., meistens aber viel früher ■entsprungen, beginnen:

den liebsten bülen, den ich hab, 415

der leit beim wirt im keller. Fischarts Garg. 85''.

Uhland s. 584. 585 ;

J. GISI.MM, KL. SCHHIFTEX. VIL 2S

434 ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION.

den liebsten bülen, den ich han,

der ist mit reifen banden. Uhland no. 214;^

den besten vogel, den ich weisz,

das ist ein gans. weltl. lieder. Heimst. 1588. Hoflfm. ge- sellsch. lieder no. 132. Mittler no. 1385;

diesen vogel, wer ilin hat,

der rupf und zupf ihn, wie er mag. daselbst;

den Wandel, den es an im trägt,

der ist gar mancherlei, bergreien herausg. von Schade s. 1 22, wo die s. 164 vorgeschlagne änderung unnöthig war;

den hundstall, den du hast veracht,

der hat dich in grosz schand gebracht, lied auf Frankfurt v. 1552 bei Lersner s. 389;

den groszen Ion, den er mir gibt,

der wirt mir vil zu saure. Uhland s. 232;

den meigen, den ich meine,

das ist der süsze gott. s. 878. no. 341;

den ersten schrei und den sie thät,

war hilf Jesu Marie söhne. Wunderhorn 4, 104. ^ einzelne handschriften oder drucke stellen aber, mit aufhebung der attraction, statt des acc. den nom., wie er der neueren Sprachregel zusagt, her. noch ein auf den tod der königin Luise von Preuszen gedichtetes Volkslied gewährt ein beispiel der anziehung:

meinen tod, den sie beklagn,

ist für sie gerechter schmerz. Hildebrand s. 451, und in der spräche des gemeinen volks wird man öfter hören: den besten freund, den ich habe, das bist du; unsern grösten feind, den wir haben, das ist er; den mann, den du suchst, das bin ich; ich gieng aus und den ersten, den ich zu gesiebt bekomme, das war er. selbst unter gebildeten läuft noch 416 manches der art unter und wer würde ein 'den grund, den du sagst, das ist nicht der rechte' geradezu ablehnen? dem weib- lichen oder pluralcasus kann man, wie gesagt, nicht ansehen, ob sie acc. oder nom. sein sollen, z. b. wenn es in einem liede heiszt :

die hasen, die man schieszen soll,

die laufen in den wald. Ernst Meier schwäb. volksl. s. 83,

^ und danach ein geistliches lied:

den liebsten herren, den ich han, der ist mit lieb gebunden.

Hoffmanns gesch. des kirchenliedes s. 197. ^ man halte hierzu aus bekannten liedern:

den ersten tropfen, den sie trank, ihr herz in tausend stücke sprang. Simrock 15; den ersten schrei und den sie that, da rief sie gott im himmel an. das. 17, wo nur der erste acc. keinen nom. vertritt, vielmehr einen instrumental be- grif: mit, bei dem ersten tropfen, schrei.

ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION. 435

oder \yenn ein lebender dichter singt:

die Elsbeth, die ihr nicht habt gekannt,

die hat sich gar schön die nase verbrannt.

die kastanien wenden sich von selbst.

Wie wir heute keinen acc. von dem nom. weiblicher und neutraler Wörter unterscheiden, fallen diese casus in den roma- nischen sprachen überall zusammen und insofern lassen sie die besprochene attraction nicht fühlbar werden, auszer etwa da, wo der acc. von einer präposition abhängt, also kein nominativ sein kann, ein beispiel solcher attraction kann ich aus dem spanischen entnehmen, Hurtado de Mendoza sagt im Lazarillo zu eingang des sechsten capitels: en el quinto por mi Ventura dl, que fue un buldero, was sich auf hochdeutsch ohne präpo- sition aber auch mit attraction ausdrücken läszt: den fünften, den ich traf, war ein ablaszkrämer , denn mit der präposition dürften wir hier nicht wie der Spanier schalten.

Bisher war blosz von nom. und acc. die rede, welche casus sich am leichtesten vertreten und in den geschwächten formen unserer spräche meistens nicht mehr gesondert werden, so dasz für den gebrauch der attraction das gefühl beinahe erloschen ist. nun aber entspringt die frage, ob auch andere casus des relativen Zwischensatzes auf den hauptsatz einwirken können? wiederum sollen classische beispiele vorausgeschickt werden. 'Av5poiJia;(7], öuYatTip [xeYa^TOpo? 'HsTituvo?, 'Hsxiwv, 8? Ivaiev utto llXaxti) uXrjsaaTo. U. 6, 396, wo dem schon stehenden gen. nachdrücklich noch ein attrahierter nom. hinzugefügt ist.

In folgender stelle der Aulularia des Plautus sehen wir den nom. des Zwischensatzes sich einen obliquen casus des haupt- satzes assimilieren:

pici divitiis, qui aureos montes colunt,

ego solus supero. 4. 8, 1, statt picos, das man durchaus nicht, wie einige thun, in den text emendieren darf, der nom. qui hat auch pici herbeigeführt, die lat. sage versetzt spechte, die griechische greife zu den gold- bergen, bei uns ebenfalls klopft der specht an bäume und felsen. mit gleicher attraction heiszt es in der Asinaria 3. 3, 31 :

patronus, qui vobis fuit futurus, perdidistis, statt patronum, und bei Tibull 3. 2, 17:

pars, quae sola mei superabat corporis, ossa

incinctjß nigra Candida veste legent, statt partem. diesen nominativen kann ich wenig gleiches aus 417 unserer älteren spräche zur seite stellen, denn wie gern sie auch" nominative voraussandte und ihnen einen neuen satz mit neuem pronomen folgen liesz, so liegt darin doch keine attraction, sondern eher das gegentheil davon, man erwäge nachstehende beispiele:

28*

436 ÜBER EINEN FALL DER ATTRACTION.

ther man, theih noh ni sageta, ther thaz wib mahalta,

was imo iz harto ungimah. O. 1. 8, 1;

Noe der guote, got imo offenöte. Diemer 14, 13;

Judas der trugenare, sin stuol stuont lare. 274, 13;

zwene bruoder von Babilön,

Pompeius und Ipomidon,

den nam der bäruc Ninive. Parz. 14, 3;

diu milch in ir tüttelin,

die dructe drüz diu künegin. 111, 5;

din reideleht lanc prünez h;\r,

des ist din houbet bloz getan. 252,- 10;

der valscheitswant,

sin triwe in lerte. 296, 1. unleugbaren beleg liefert jedoch Stricker:

diu not, diu an sin herze kam,

der geloubet unsanfte ein man. Karl 7534, statt der not, auch aus einem späteren meistersang bei Görres s. 237 vermag ich einen angezogenen nominativ beizubringen:

der beste, der unter euch allen ist,

dem gib ich diese wal. fast aber wäre noch heute in prosa gestattet zu sagen: der glück- lichste mensch, der je lebte, ihn will ich nicht nennen, wie auch ohne Zwischensatz könnte gesagt werden: dieser mann, den will ich nicht nennen, was in der lehre vom vorausgeschickten nomi- nativ umständlicher zu erörtern ist.

Fälle endlich, wo im hauptsatz ein gen. oder dat. aus dem nebensatz entspränge, habe ich mir bei lateinischen Schriftstellern nicht angemerkt, doch zweifle ich kaum, dasz zu sagen erlaubt wäre: feminae, de cujus nuptiis diu cogitaverat, eam postea ab- horruit; viro, cui nupsit illa, omnium fortissimus est, gerade wie es in der oben angeführten stelle auf gothisch hätte heiszen dürfen: staina, |)ammei usvaurpun ]3ai timrjans, statt des unattra- hierten stains. mhd, belege mögen alle zweifei heben:

dem gote, dem ich da dienen sol,

den enhelfent si mir niht so loben

als ichs bedorfte und ez min saslde waere. MS. 1, 72* [MF. 181, 25]; desgleichen im Volkslied: 418 dem Schlemmer, dem sie worden ist,

der kan sie wol erneren. Uhland s. 232. warum sollte, wer aufmerken will, nicht noch zu hören be- kommen: dem guten kerl, dem ichs gönnte, der ist nicht mehr da, oder genitivisch: des mannes, von dessen rühm alle weit voll ist, der war unser freund.

Ich schliesze mit der allgemeinen bemerkung: die attraction in allen vorgetragenen fällen braucht nicht stattzufinden, sie kann nicht nur unterbleiben, sondern wird als ausnähme hinter anwendung der regel weit zurückstehen; allein da, wo sie vor-

KÖNIG HEINRICHS LIEDER. 437

dringt, erhöht und steigert sie den lebendigen sinn der rede, in fast jedem angeführten deutschen beispiel mildert auch ihren eindruck das hinterher folgende, den vom verbum geforderten casus festigende pronomen, und läszt dem nebensatz sein freies spiel.

KÖNIG HEINRICHS LIEDER.

Germania, jahrg. 2, 1857. s. 477—480.

An der kostbaren kaum zu missenden Überlieferung, die 477 den reigen unseres minnesangs mit einem könige beginnen läszt, wie ihn die bilder zweier handschriften in kröne und purpur- mantel darstellen, will die neueste kritik rütteln, niemand weder Docen, Wackernagel noch Hagen, Simrock zweifelte bisher daran dasz das allbekannte lied

ich grüeze mit gesange die süezen, die ich vermiden niht wil noch enmac königlichen Urheber habe, es galt nur den blick auf Heinrich den sechsten, Friedrichs söhn, zu festigen. Haupt aber, erst in einem programm, gleich hernach in des Minnesangs frühling verwirft diese annähme: nihilo autem minus quod et illi et multi alii satis certum esse existimaverunt nobis semper visum est esse dubium vel, ut rectius dicamus, incredibile. ihm zufolge haben die nicht sonderlich verständigen liedersammler, fahrende männer, denen erlauchte Vorgänger in der kunst willkommen waren, aus der redensart von verzieht auf die kröne in dem liede sich eingebildet, dasz es von kaiser Heinrich herrühre. Lachmann, den vielleicht gleiche zweifelsucht ansteckte, hatte zu Walther s. 198 sich so ausgedrückt: kaiser Heinrich dem sechsten schrieb man liebeslieder zu, nicht etwa spät, nach dem sich die erinnerung verdunkelt hatte, sondern im 13. Jahrhun- dert: cautissime sane Lachmannus locutus est, sed ut tarnen opinionem suam aliquatenus significaret. nun das 'zuschreiben' kann entweder heiszen 'mit recht' oder 'mit unrecht', ich sehe nicht ein, wozu hier vorsieht half seine meinung zurückzuhalten; da jedermann weisz, dasz die Weingartner und Pariser hand- schrift eine ältere voraussetzen, so war in jener ganzen stelle eigentlich nichts gesagt.

Haupt sendet im frühling das zweite und, wie er meint, auch ein drittes lied dem berühmten ersten voraus, im programm hatte dieses noch seinen rechten platz; weil es aber die auf Heinrich gehenden stellen zu deutlich verräth, so wird, was ihm in beiden handschriften nachfolgt, jetzt vorgeschoben, um

438 KÖNIG HEINRICHS LIEDER.

darin das namenlose lied eines ganz andern Verfassers erscheinen zu lassen. 478 Am eingang des nunmehr ersten lieds:

wol hoher danne riche

bin ich al die zit,

so so güetliche

diu guote bi mir lit geschieht die änderung 'wol hoeher dannez riche': addita una litterula sententiam et orationem reciperavimus rectam atque elegantem, diese 'certa emendatio' scheint mir unnöthig, ja eine grille, allerdings steht riche sehr oft für den könig, wie im- perium für imperator, Haupt aber ändert, um den bezug auf Heinrich desto leichter ausschlieszen zu können, denn mit recht bemerkt er, dasz es unverständig von dem königssohn geviresen wäre, sich bei lebzeiten des kaisers so auszudrücken, diesen gleichsam in sein minnelied zu ziehen. Heinrich denkt gar nicht an den vater, sondern verstärkt der alten spräche gemäsz das wort hoch durch das synonyme riche, diese beiden adjec- tiva meinen eins wies andere mächtig, edel, vornehm* und hoher danne riche ist nichts als der hehrste, mächtigste, wie z. b. hübscher danne gemeit der allerhübscheste, blinder danne blint der blindeste, es ist vollkommen passend, dasz der vor- nehme liebhaber mit den ausdrücken hoch augustus und riche potens um sich wirft, die damals vorzugsweise von gott, könig und fürsten gebraucht werden, ein geringer hätte sie schwer- lich verwendet, in dem unantastbaren 'höher danne riche' liegt also gerade gewähr für könig Heinrich, recht und zierlich klingen diese worte nicht minder als die dafür vorgeschlagnen, dem sinne nach sind sie die allein zulässigen.

Das lied enthält vier Strophen, deren erste vom dichter, die drei folgenden von der geliebten gesprochen werden, natür- lich hat auch diese jener gesungen, er legt sie ihr nur in den mund, wie Reinmar unzähliche mal in seine lieder die wechsel- rede der frau fügt, warum die beiden letzten Strophen ein besonderes lied ohne Wechsel bilden und lediglich der frau ge- hören sollen, sieht man nicht ein, die klingrenden reime weite: vergelten, meme: gesteine nöthigen zu keinem neuen Hede, da auch in 'ich grüeze mit gesange' die dritte und vierte strophe klingenden reim statt des stumpfen der ersten und zweiten haben, in dieser dem 12. Jahrhundert noch zusagenden unregel- mäszigkeit erscheint also wiederum bestätigung eines und des- selben dichters für beide lieder. auch die gedanken der dritten und vierten strophe schlieszen sich der zweiten an.

In der achten zeile der ersten wäre vor jugende leicht ein adjectivum wie klären, wünneclichen oder ein ähnliches zu er-

* hoch, her, riche. den edeln hohen wol geborn. Wh. 276, 14.

KÖNIG HEINRICHS LIEDER. 439

ganzen, die achte der zweiten bedurfte einer erklärung, wie der Herausgeber die worte:

und sprechent mir ze leide, daz si in wellen schouwen versteht, hätte er nicht vorenthalten sollen, mag hier schouwen bedeuten mit günstigen gnädigen äugen ansehen (O. I. 4, 13) und dadurch an sich ziehen? oder wäre es gar unser scheuen 479 perhorrescere? wofür sonst mhd. geschrieben wird schiuhen, schuhen, was in schiuhen schüwen schouwen übergehen könnte, im alten meistergesangbuch 32* steht rüwet : schüwet = reut: scheut gereimt, da nun für riuwen rouwen vorkommt, wird auch vrouwen : schouwen statthaft sein, obschon ich es sonst nicht angemerkt habe, schouwen meinte dann wie perhorrescere nichts mehr mit einem zu thun haben wollen.

Es darf hervorgehoben werden, dasz in der folgenden Strophe der geliebte wegreitet, was auf den kühnen, keine rücksicht nehmenden besuch eines königssohns gehen könnte, noch bedeutsamer heiszt es am Schlüsse des lieds: du zierest mine sinne und bist mir dar zuo holt, als.edele gesteine, swä man daz leit in daz golt, deine liebe erhebt mich wie edelstein das gold, ein königlicher glänz bestrahlt die Schönheit des mädchens. überhaupt herscht im ganzen lied kecke spräche, wie sie der stolze Heinrich selbst führen, also auch seiner geliebten, wenn sie von ihm redet, eingeben mochte:

so so güetliche diu guote bi mir lit: und sie sagt:

ih hän den lip gewendet an einen ritter guot, daz ist also verendet daz ich bin wol gemuot, ich habe meinen leib einem ritter ergeben und bin froh, dasz es so ergangen ist, kein andrer in der weit gefiel mir besser, neidige, gehässige frauen mögen ihm aus dem wege gehen, nie gewann ich (indem sie den weg reitenden anredet) bessern freund und bin verloren, wo du nicht bald wiederkehrst, wol dir geselle, dasz ich je bei dir gelag. es war sitte der minnen- den, die namen zu verhelen, sie nennt ihn ritter und geselle, aber andere worte, deren sie sich bedient, lassen auf seinen hohen stand schlieszen. dasz ein solches lied in den hand- schriften unmittelbar hinter einem die königliche würde noch offenbarer kundgebenden folgt, läszt über seinen Inhalt keinen zweifei zu.

440 KÖNIG HEINRICHS LIEDER.

Was ist nun von dem eigentlich ersten liede zu sagen nöthig? Haupt sammelt Beispiele dafür, dasz viele dichter ihre geliebte einer königin verglichen oder vorgezogen haben, wie noch bis auf heute geschieht, warum sollte aber nicht auch ein wirklicher könig, wenn er als minnesänger auftritt, der frau seines herzens die erklärung thun, dasz er ihre liebe über die kröne setze und eher auf diese als auf sie verzichten wolle? 480 nichts liegt ihm näher als solche äuszerungen. nun sagt hier Heinrich in einem und demselben liede dreimal hintereinander:

mir sint diu riebe und diu laut undertan,

swenne ich bi der minneclichen bin,

unde swenne ich gescheide von dan,

sost mir al min gewalt und min richtuom da hin.

e ich mich ir verzige, ich verzige mich e der kröne.

obe joch niemer kröne kreme üf min houbet. diese Wiederholung ists was völlig entscheidet, ein dichter der kein könig ist, mag immerhin einmal das bild von der königin oder der kröne anwenden, er wird es aber nicht mehrmals wiederholen, das wäre aberwitz. wer das alte minnelied un- befangen liest, fühlt, dasz nur ein wahrer könig oder königs- sohn diese spräche führen konnte, wir haben also keine namen- lose lieder vor uns, sondern die vom könig selbst gesungnen in einer zeit, wo die weise des minnesangs allgemein geläufig war, lieder, die ihm die treue Überlieferung der mitlebenden wie nachlebenden dichter beilegte, das gegentheil davon wäre unglaublich.

Mir scheint auch vermiden in der zweiten zeile ein vor- nehmer ausdruck, wie ihn der könig im sinne von vorbeigehen, aufgeben verwenden konnte; gleicher art ist vielleicht:

des ich mich äne si niht vermezzen enmac, vgl. 139, 32 bei Morungen:

si an dem morgen mines tödes sich vermaz, wo doch da für herzustellen sein wird, die zeit ist ausge- drückt durch an dem morgen, der ort, wo er sie verborgen fand durch da.

Meine bemerkungen sollen der freude nichts benehmen, die ich über die reizende Sammlung des alten minnesangs empfinde, noch dem dank, den wir beiden herausgebern dafür schulden, 'des minnesangs frühling' klingt unerwartet spanisch, an die abkürzung MF. haben wir uns zu gewöhnen, welche fülle von treffenden textherstellungen , z. b. 7, 1 vil lieber friunde vären, auf derselben seite 7, 17 freute mich die einstimmung mit mei- nem Vorschlag in Haupts zeitschr. 8, 544 [oben s. 327]. was aber gar nicht in den minnesang gehört, sind Spervogels lieder, doch auf sie gerade hatte Lachmann soviel accente eingetra- gen, welche klingenden reim in stumpfen wandeln sollen, dasz

ÜBER HOCHDEUTSCH, MITTELHOCHD., MITTELD. 441

es dem herausgeber unmöglich gewesen sein würde sie auszu- scheiden, diese accente, wie die sonst auch verschiedentlich im buche ausbrechenden, stören, weil ihr zureichender grund oft noch gar nicht einleuchtet, man hätte die lieder und den dadurch entstellten sauberen druck lieber rein genossen.

ÜBER HOCHDEUTSCH, MITTELHOCHDEUTSCH,

MITTELDEUTSCH.

JACOB GRIMM AN FRANZ PFEIFFER.

Geschrieben 1857.*

Lassen sie, lieber freund, mich das worüber wir uneins sind noch einmal besprechen, vor drei jähren, als ihr Jeroschin erschien, hatte ich keine lust das mir freundlich gewidmete buch gleich anzufechten und andere arbeiten traten dazwischen, neu- lich beim wiederlesen ihrer vorrede fand ich doch, dasz ich immer noch von den darin aufgestellten behauptungen abweiche und dasz es nützen könne meine ansieht näher auszuführen, vielleicht stimmen wir am ende in der sache ziemlich zusammen und es handelt sich nur um einige namen, die freilich in die Sache eingreifen.

Rührt es nicht mit aus dem leidigen Zwiespalt der Detitschen her, dasz sie sich auch über ihre namen nicht recht verstehen können? man schlage welche allgemeine benennung man wolle vor, deren es doch für geschichte oder grammatik bedarf, so wird alsbald etwas daran ausgesetzt oder anders bestimmt, das allgemeine, ja jede einigung verletzt ein paar einzelheiten, die in ihr enthalten sind. Scandinaven scheint unerträglich Deutsche mitzuheiszen, obschon das ihrer wie unsrer mundart früher zu- ständige wort |)iod, diot, diet den in deutsch liegenden begrif popularis, gentilis, vulgaris am aller eigensten rechtfertigt, noch eher dulden würden sie germanisch, welches doch von einigen westdeutschen stammen ausgegangen allmälich erst auf die übrigen erstreckt wurde, in der Sprachgeschichte war es bereits geläufig von indogermanischer zunge zu reden, welche benennung aber mit unrecht Griechen, Lateiner, Slaven, Litauer, Kelten ausscheidet, darum sind neuerdings indoeuropäisch, worunter man noch viel mehr begreifen kann, vorgezogen, gothisch zur allgemeinen bezeichnung unseres sprachstamms zu erheben ver-

* [dieses seiidschrciben sollte die erfüllung eines Versprechens sein, wel- ches Jacob Grimm am 30. april 1857 Pfeifforn gegeben: 'sobald sich freie stunden finden, will ich meine ansichten von hochdeutsch und mitteldeutsch niederschreiben und Ihnen senden.' (Germ. XI, 128.) abgeschickt aber ist es nicht worden: weder in Grimms briefen noch in denen Pfeiffers, die mir im original vorliegen, findet sich eine andeutung davon.]

442 ÜBER HOCHDEUTSCH,

bietet sowol die besonderheit einer schwedischen, friesischen, sächsischen, als auch namentlich der hochdeutschen muiidart, wenn schon letztere unter allen andern der gothischen spräche zunächst steht, dasz deutsch mit D, nicht mit T anlaute scheint nach langem, unerbaulichem streit endlich durchgedrungen und nur von solchen wird noch T geschrieben, denen der alte irrthum wie ins fleisch gewachsen ist. den namen hochdeutsch aber haben sie in jener vorrede für einen eigentlich unrechten, unbefugten erklärt, hochdeutsch in althochdeutsch, mittelhoch- deutsch sei im gründe oberdeutsch und unser heutiges hoch- deutsch entsprungen aus dem mitteldeutschen, ich glaube weder das eine noch das andere.

Traun, ein Hochdeutscher, wenn er seine spräche nennt, wird sich keines andern als des einfachen Wortes deutsch be- dienen, wie es seit frühster zeit geschah, und wozu ich gramm. 1, 12 16 belege in menge gesammelt habe, die noch zahlreich vermehrt werden können, übel gewählt von Adelung auf dem titel seines Wörterbuchs war die beifügung hochdeutscher mund- art. nicht an sich selbst, erst im gegensatz zu andern dialecteu wird unsere spräche zur hochdeutschen, unsre Wörterbücher können allerdings nur hochdeutsche Wörter aufnehmen.

Fast kein treffenderer ausdruck wäre zu denken als der name hochdeutsch ist. denn solchen benennungen musz der preis zuerkannt werden, deren sinn sich von mehr als einer Seite her empfiehlt, die meinung von hochdeutsch ist doppelt und dreifach.

Das hochdeutsche, sagen sie, sei eigentlich oberdeutsch, folgUch mittelhochdeutsch eigentlich mitteloberdeutsch.

Nun Schweizer, Schwaben, Baiern werden mir nicht schuld geben, dasz ich ihre mundart gering anschlage, ich fand darin älteste grundlage oder quelle hochdeutscher spräche und dicht- kunst, hätte jedoch als drittes einwirkendes glied die fränkische mehr sollen hervorheben, das machte, ich sah sonst im Otfrid einen Alamannen, der, wie Kelle zeigt, ein Franke, dessen spräche fränkisch war.

Wie aber, was wir selbst seit lange hochdeutsch nennen, was Niederländern hoogduitsch, Schweden högtysk, Dänen höitydsk, Engländern highgerman, Franzosen hautallemand heiszt, das soll oberdeutsch sein und heiszen? darum dasz die hochdeutsche spräche auf bairischem, schwäbischem, alemanni- schem boden sich empor arbeitete ist sie nicht oberdeutsch, und weil sie auch unter Franken erstand, endlich alle deutschen Stämme umschlingt ist sie es noch weniger, den ausdruck alt- hochdeutsch, mittelhochdeutsch begehrten grammatik und ge- schichte. mitteloberdeutsch wäre etwas völlig unpassendes.

Ich will einiges über die bedeutung von hoch und ober vorausschicken, dem hohen steht das tiefe und niedere, dem

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oberen das untere und wiederum das niedere entgegen, aus dieser doppelten Verwendung des Wortes nieder begreift sich dessen schwankender bezug auf die Vorstellungen hoch und ober, So wie der Wechsel zwischen nieder und unter, der Sprachge- brauch hat für die meisten falle, doch nicht für alle entschie- den, hoch ist fühlbar mehr als ober und drückt auch noch das gehobene, erhabene aus, gerade wie tief mehr ist als unter und nieder, wir sagen der hohe himmel, der hohe berg, ohne gegen- satz, doch beim oberen himmel, oberen berg wird gedacht an eine region, die über dem niederen himmel, dem unteren berg steht, bei zwei aufeinander liegenden platten unterscheidet sich die obere und untere oder die obere und niedere, nicht die höhere und niedere, weil die obere hier gar nicht hoch liegt, an zwölfsprossiger leiter sind die sechs ersten die oberen, die sechs letzten die unteren, gegen die zwölfte ist aber schon die eilfte eine höhere, oberrock wird über den andern rock ge- zogen, Unterrock ist der unter liegende, niederkleid, mhd. nider- wät bezeichnet ein beinkleid. Oberfläche so wenig als das ein- fache flcäche ist nicht hoch zu denken, hochebene nothwendig in der höhe und hochland, hochalpe dienen zur bezeichnung des gel)irges, diesem hochland steht das niederland in flacher ebene gegenüber, niederland kann aber auch einen gegensatz zu Ober- land ausdrücken nach den richtungen, die man von irgend einem punct nimmt, z. b. ein ganz flach gelegener acker hat sein oben und unten, jede furche ihr oben und unten, je nachdem wagen und pflugschar zu ihnen gelangen, so scheiden sich Oberhessen Niederhessen, Obersachsen Niedersachsen \ Oberbaiern Nieder- baiern (auch oberland niederland genannt) und zahllose örter wie Obervilmar Niedervilmar. in solchen namen wird man kaum ein hoch statt oben, selten ein unter für nieder nehmen. es musz aber im einzelnen fall ermittelt werden, ob das ober von der höheren läge oder einer andern Ursache entnommen werde, z. b. Oberhessen nach dem Lahngebirge, Niederhessen nach den Fuldaebenen genannt oder ob ein alter sitz der re- gierung zu Marburg dabei wirkte. Frauenlob MS. 2, 214^ und Muscatblut 14, 5. 17, 62 setzen oberlant und niderlant für himmel und erde, wir in anderm sinn oberweit und unterweit für erde und hölle.

Die Römer sonderten eine Germania prima und secunda, woraus sich später superior und inferior ergab, womit auch der Rhenus superior und inferior zusammenhängt, möglicherweise die benennung von Ober und Niederdeutschland, denn den Franzosen ist haut Rhin und bas Rhin unser Ober und Nieder-

' seit sächsische fürsten in Meiszen und Thüringen angesessen wai*en, denn vorher gab es nur Sachsen (an Elbe und Weser), sonderbar dasz Maer- lant 2, 7 und nach ihm Mel. Stoke 1, 9 13 schon früher Nedersassen von Friesen gebraucht.

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rhein, ganz wie sie haute und hasse Allemagne und sonst haute» und basses alpes, hingegen auch Seine superieure und inferieure unterscheiden; hiermit sind wir wieder auf hochdeutsch und niederdeutsch, nicht auf oberdeutsch und niederdeutsch ge- wiesen. Niederland gewann alhnälich ausschlieszenden bezug auf Belgien (pays bas) und hörte auf Sachsen zu bezeichnen, das man fortfuhr zu Niederdeutschland zu rechnen, so dasz niederländisch und niederdeutsch verschiednes ausdrücken, zwar nennen die Niederländer ihre spräche vorzugsweise nederlandsch, lassen sich aber auch gefallen sie unter dem allgemeinen namen nederduitsch mit zu begreifen, ja Ten Kate (1723) behielt diesen und noch später Weiland für sein Wörterbuch.

Ich habe nichts dawider dasz man hochdeutsch und nieder- deutsch zuerst örtlich auffasse und nach dem unterschied zwischen gebirg und flachem land verstehe, denn dies leitet unmittelbar auf ein wesentliches kennzeichen beider mundarten, auf die rein- heit der hochdeutschen vocale und der niederdeutschen conso- nanten. aus den drei kurzen vocalen entspringen alle diphthonge und aus diesen in weiterer stufe die verengten blöden vocale. die bergluft erhält den hellen und zweilautigen vocal besser, schärft und schiebt aber die consonanten. auf der ebene haften letztere und bleiben auf der alten ersten Verschiebung stehen, der vocalismus aber schwächt und trübt sich, die hochdeutschen consonanten erscheinen gestört, verwildert, verworren, die zweite Verschiebung hat zischer und aspiraten an ungelegner stelle ge- häuft und breit gezerrt, allein die vocale erklingen laut; ins niederdeutsche ist durch die blödheit seiner vocale, die leichte hervorbringung seiner consonanten eine zu gelinde und leise ausspräche geraten, da man nun sagt laut, hochlaut reden, franz. parier haut, und leise, für sich reden, parier bas, so ist auch in diesem betracht die benennung hochdeutsch und nieder- deutsch genau zutreffend, die leise, mummelnde, nüsselnde stimme ist eine niedrige, voix basse, in Platters leben s. 26 wird tiefe rede gesagt für unverständliche. auch den Franzosen heiszt niedere mundart bas langage und parier bas breton un- verständlich, im keltischen dialect reden.

Schon hieraus folgt, dasz das blosz örtliche ober in ober- deutsch etwas anderes sei als hoch in hochdeutsch und es nicht vertreten, keinen ersatz dafür leisten könne, vollkommen rich- tig läszt sich sagen, er redet hoch oder nieder (platt), il parle haut ou bas, hochdeutsch oder niederdeutsch, nicht aber er redet ober oder unter; um verständlich zu werden müste man sich ausdrücken: er redet oberländisch, unterländisch.

In einer bekannten stelle des 'siraplicianischteutschen Mi- chels' findet sich eine bei aller Übertreibung triftige characte- ristik deutscher volksmundarten : an den Schweizern scheinet, als ob sie ihre Wörter wie die welsche hauen hinten im rächen

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oder oben im gaumen formierten; die Schwaben, möcht einen bedunken, brauchen die uase auch zu ihrer aussprach; die Franken nehmen das maul gar zu voll wann sie reden; die Baiern und Österreicher ziehen etliche Wörter länger als der Schuster das leder, etliche stutzen sie kurz ab, wie die Franzosen die schwänz an ihren pferdn; die Niederländer und was gut altsächsisch teutsch oder westphälisch redet, verfertigen ihre Wörter gleichsamb vornen im mund zwischen den lefzen und vordem zahnen; die Meiszner und ihre nachbarn brauchen zu viel überflüssige Wörter und buchstaben. dem Verfasser war es mehr darum zu thun auffallende mängel hervorzuziehen als die wahre, von ihm gar nicht einmal erkannte eigenheit der Volks- sprache zu schildern; jene abwesenheit voller brusttöne im nieder- deutschen und das reden mit halbem mund ist gut dargestellt, das näseln der Schwaben, das ziehen und stutzen der Baiern wahrgenommen, minder bezeichnend wird die fränkische und meisznische mundart aufgefaszt.

Ein paar Jahrhunderte vorher wollte ebenso Hugo von Trimberg die mundarten verspotten und schelten, weder günstig beurtheilen noch loben (Renner 22218—32): die Swäbe ir Wörter spaltent, Franken ein teil sie valtent, die Beier sie zezerrent, Düringe sie üf sperrent, die Sahsen sie bezückent, Rinliute sie verdrückent, Wetereibe sie würgent, Mi^naere sie vol schttrgent, Egerlant sie swenket, Osterriche sie schrenket, Stirlant sie ba:^ lenket, Kernten ein teil sie senket. Beheim , Ungern und Laraparten houwent niht mit tiutscher harten. es ist schwer herauszubringen, was in dieser merkwürdigen darstellung jeder eigenheit durch ein bloszes verbum wahres enthalten sein kann, im vollen scliürgeu der Meiszner erblickt Adelung^ ein lob; da jedoch alle Völker (etwa Steirer und Kärntner ausgenommen) übel wegzukommen scheinen, so wird auch das volle hervorstoszen oder fortschieben und schürgen denselben fehler ausdrücken sollen, welchen beim Simplicissimus die überflüssigen Wörter und buchstaben meinen, noch heute klingt die meisznische Volkssprache im erzgebirg und Vogtland breit und überladen, aber das zücken oder zucken (corripere) schildert die schnelle, leise ausspräche des plattdeutschen un-

' magazin für deutsche spräche II. 1, 8.

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verkennbar, auf schrenken und schwenken werde ich zurück- kommen.

Vielleicht gibt es noch mehr versuche die besonderheit un- serer mundarten auf solche weise nebeneinander zu vergleichen, nicht übersehn werden soll, dasz in keiner der beiden ausge- hobnen stellen der ausdruck nieder, platt noch ein ähnlicher verwendet ist, lo leicht wir heute 'ein niedriges, plattes, ge- meines wort' tadelnd im munde führen, im griinde stöszt diese benennung an die oben berührte von gentilis, vulgaris, barba- rus, rusticus, mit welchen ehmals die eingeborne landessprache belegt wurde zum unterschied von einer gelehrten, gebildeten und namentlich der lateinischen als einer höheren, lange zeiten hindurch wurde zum gröszten verderb der dichtkunst und aller natürlichen rede gewähnt, nur das latein sei eine edle, für die literatur allein berechtigte spräche und die muttersprache auf den bedarf des gemeinen lebens einzuschränken, hören wir wie noch Pasquier, der schon vom gegentheil durchdrungen war, an herrn von Tournebu, d. i. den berühmten Pariser professor Turnebus schreibt (oeuvres, Amsterd. 1723 tome 2, 3): et bien, vous estes doncques d'opinion que c'est perte de temps et de papier de rediger nos conceptions en nostre vulgaire, pour en faire part au public, estant d'advis que nostre langage est trop bas pour recevoir de nobles inventions, ains seulement destine pour le commerce de nos affaires domestiques, mais que si nous couvons rien de beau dedans nos poictrines, il le faut exprimer en latin. quant a moy je seray tousjours pour le party de ceux qui favoriserent leur vulgaire, et estimeray que nous ferons renaistre le siecle d'or, lorsque laissans ces opinions bastardes, d affectionner choses estranges, nous userons de ce qui nous est naturel et croist entre nous sans mainmettre, ich schreibe die schöne stelle, die nachgelesen zu werden verdient, nicht weiter aus, bei uns in Deutschland war das vorurtheil noch tiefer eingewurzelt und haftete noch länger.

Wie nun aber aufstrebenden, bildsamen männern das latein als eine höhere spräche erschien, nicht anders muste auch die empor ringende ausbildung der einheimischen spräche allen Deutschen, bewust oder unbewust, bindende gemeinschaft und erhöhung sein oder werden, die landschaftliche eigenheiten auf- gebend und beseitigend dasjenige für wahres und eigentliches deusch gelten liesz, das von den gefeiertesten und einfluszreich- sten dichtem gepflegt und verbreitet worden war und dessen gegensatz das gemeine, ungebildete blieb, mit der erhebung eines volks zur poesie geht band in band eine erhebung seiner spräche, ein streben gemeine gedanken und niedrige, zuchtlose Wörter zu verbannen, auch das latein stellt eine oratio subli- mis, florida der inculta, vulgaris, dem sermo humilis, familiaris gegenüber.

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Dies ist, glaube ich, der griind hochdeutscher spräche und die Ursache ihrer benennung, es war die spräche, welche sich unter den Deutschen erhob, von dem vorhersehenden stamm aus- gieng und die hohen laute in sich enthielt; sie hat sich allmälich immer weiter und längst auch über Nioderdeutschland ver- breitet, in ihr sind freilich einzelne Vorzüge und tugenden untergegangen, wie sie der zeit und ausbildung nach in jeder spräche erlöschen, aber durch einen geistigeren einklang des ganzen vergolten werden, die besonderheit der mundart dauert für den traulichen verkehr fort, eignet sich zu lied und mär- chen, allein sie ist unfähig den stil des höheren Vortrags zu erreichen. versuche man Nathan, Wallenstein, Faust platt- deutch oder schweizerisch wiederzugeben, es wäre unmöglich, schon ein zeitun^sblatt, eine gewöhnliche bekanntmachung würde sich, ohne vielfache misgriffe, nicht in die mundart umschrei- ben lassen, die gewonnene hochdeutsche Sprachbildung mit allen ihren vortheilen und mangeln ist uns in fleisch und blut gegangen und auszerhalb ihres bereichs bewegen wir uns nicht mehr frei.

Das Volk weisz genau sein vertrauliches schwatzen, plau- dern, kören oder küren und ein vornehmes sprechen und reden zu unterscheiden, die vom hochdeutch gelten, ja das einfache 'reden' meint hochdeutsch sprechen. man sehe Frommanns Zeitschrift 2, 462. 3, 297 nach. dem niederdeutschen volke heiszt platt reden faszlich und verständlich für den gemeinen mann sprechen, hoch reden dessen fassungskraft übersteigen, während umgekehrt, wie wir vorhin sahen, im oberdeutschen Walliserland tief reden unverständlichkeit ausdrückte.

Man nimmt an, dasz der name hochdeutch erst im sech- zehnten Jahrhundert aufgekommen sei, in welches freilich die bedeutsame und tiefeingreifende erhöhung unserer spräche durch Luthers bibel und übrige Schriften fällt, alle früheren wie spä- teren Verdeutschungen stehen zurück hinter der geistigen kraft und gewalt, der tactvollen gewandtheit seines werks; wie war es möglich , ihm den schlichten aber matten , unerhobnen stil von Bertholds von Chiemsee deutscher theologie irgend zu ver- gleichen?

Luther bezeichnet seine Übersetzungen richtig nur als deutsch (erst seit 1526 nimmt er die fehlerhafte Schreibung deudsch an), nicht als hochdeutsch, denn hier kam es auf keinen gegensatz an, und ein halbes Jahrhundert früher hatte der Esz- linger stadtschreiber ^ Nicolaus von Wile tütschungen geliefert, Steinhöwel immer nur von 'tütscher zunge' ohne beisatz ge- sprochen, in der stelle aus den tischreden (Eisleben 1566, 578» Frankf. 1576, 636), die nicht von Luther selbst niedergeschrieben,

' und mahler, wie aus einem briefe des Aeneas Sylvius von 1454 erhellt, 8. arehiv für österr. gesch. 16, 410.

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sondern von andern aufgenommen wurde, sagt er, dasz ihn Ober und Niederländer verstehen mögen, des ausdrucks hoch- deutsch, meines wissens, bedient er sich nirgends. Adam Petri im baseischen nachdrucke des neuen testaments von 1523 sagt (die stelle hat zuerst Voss in seiner recension des Adelung auf- gewiesen) 'die Wörter die nit iederman verston mag hab ich laszen auf unser hochteutsch auszlogen*, ganz wie Rihel im Straszburger nachdruck; 'ich hab mich beflissen seine besondere Wörter und Orthographie, so mehr auf meiszenisch denn unser hochdeutsch gebraucht, eigentlich bleiben zu lassen', der ton liegt- auf unser, nicht auf hochdeutsch, die beiden wollen nur angeben, dasz das meisznische hochdeutsch ihrem schweizerischen oder elsässischen einigermaszen absteht, den namen hochdeutsch wird ein buchdrucker nicht erfunden haben, er musz schon lange vor 1523 gehört worden sein. Seb. Franks weltbuch 1534, 42" redet von ober, hoch Teutschland, Niderteutschland, Hoch- teutschland. Ickelsamer im j, 1531 nannte seine grammatik eine teutsche, Olinger fand es 1573 nöthig einen Unterricht der hochteutschen spräche erscheinen zu lassen und der Freiburger notar Seb. Helber in seinem syllabierbüchleiu von 1593 trägt eine eintheilung ober oder hochteutscher spräche vor, auf die ich hernach zu sprechen komme, bei Dasypodius, Pictorius, Frisius wird man vergeblich nach den Wörtern hochteutsch oder ober- teutsch suchend im 17. Jahrhundert dagegen stand hochdeutsch vollends fest, von Opitz erschien Breslau 1631 Hugo Grotius von der Wahrheit der christl. religion, aus holländischer spräche hochdeutsch gegeben und 1633 (zuerst 1621?) Heinsii lobgesang Jesu Christi hochdeutsch, solche Übertragungen aus dem nieder- deutschen zwangen von selbst zur bezeichnung hochdeutsch. Fleming in einem gedieht an Olearius von 1636 singt (1685 8.95):

das edle Latien wird hochdeutsch itzt gelesen; und Lauremberg (scherzg. 1652 s. 83. 84):

in schulen, im gericht wird nur hochteutsch gehöret, ik spreke als mins grotvaders aldermöme sprak, wat kan man her vor argument und gründe, darrnit imand van juw richtig bewisen künde de mening, dat van hochdüdschen sprake mer als van unser nedderdüdschen to holen wer? Riemer im reim dich. Nordhausen 1673. 63'': macht etwas auf latein,

und gebet einen vers hernach auf hochdeutsch ein. Joh. Rist im erzschrein s. 408 im j. 1648: unsere hochdeutsche landsprache; Zesens hochdeutscher helicon erschien Jena 1656. doch Stieler betitelt sein werk den teutschen Sprachschatz und im 18. jh. kehrt man meistens wieder zum einfachen ausdruck,

^ woher nimmt Weigand im wb. s. 510 das adj. hochdeutsch aus dem 16. Jh.?

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t!S sei denn dasz der gegensatz die beifügung fordert, wie wenn es in Leibnitzens unvorgreiflichen gedanken (einer der edelsten Schriften die je über unsre spräche erschienen sind) § 32 heiszt: nicht nur auf die (worte) so man hochteutsch nennet und die im schreiben anietzo allein herschen, sondern auch auf platteutsoh, märkisch u. s. w. das hochdeutsch auf dem titel des adelungischen Wörterbuchs wurde vorhin gerügt. endlich kam die durch Oottsched und Adelung gehegte meinung von besonderer gute und Schönheit des meisznischen dialects, aus dem das eigenste hochdeutsch hergeleitet wurde, zum Vorschein und die spur da- von zeigt sich oft in büchern aus der ersten hälfte des 18. jh., z, b. Felsenburg 1, 98 findet man unumwunden ausgesprochen: sie redeten so feines hochteutsch, als ob sie geborne Sachsen wären.

Allen diesen ausführungen lege ich geringen werth bei, mehr reizen müste es den namen hochdeutscher oder hoher spräche weit über 1523 hinaus, nicht nur im 15. jh. sondern bis in den mhd. Zeitraum zu verfolgen, wenn es mir schon noch nicht gelungen ist einen wirklichen beweis dafür aufzuspüren, so will ich doch einiges mittheilen, was der Wahrscheinlichkeit einer solchen annähme zu statten kommt und zu der hofnung berechtigt, dasz künftig einmal bestimmte Zeugnisse dafür ent- deckt werden mögen.

Man könnte daran zweifeln , weil lebendige dichter wie Wolfram, Walther, Neidhart, Wernher der gartener, Seifrid Helbling, Hugo von Trimberg, der Wolkensteiner, und so weit ich ihn kenne noch Jeroschin, die verschiedentlich den abstand niederdeutscher zunge von der hochdeutschen berühren und sicher recht gut kannten, niemals zu dessen bezeichnung sich der Wörter hoch und nieder bedienen, das gewicht dieses ein- wurfs mindert sich aber bei der erwägung, dasz auch später im 16. Jh., nachdem Vorstellung und benenhung ganz im gang waren, bedeutende Schriftsteller sich der letzteren enthalten, die ab- wesenheit des Wortes hochdeutsch in Luthers Schriften wurde vorhin erwähnt; auch bei Fischart, der sehr wol den sinn dieser namen hätte zum vortheil seiner rede verwenden können, bei Waldis, Hans Sachs, geschweige bei Keisersberg, Murner, Seb. Brant u. a. m. erinnere ich mich nicht sie gelesen zu haben, sie können also ebenfalls den mhd. dichtem oder den gedichten die uns von ihnen verblieben sind abgehn, ohne dasz wir des- halb auf ihren völligen mangel schlieszen dürften.

O. HI. 20, 182 hat hoha lera, IV. 4, 41 hoha^ sang, N. ps. 72, 9 üf hoho huoben sie iro munt, höhsang war psalmus, höhchösi oratio sublimis, hohchösa hohe rede in üblem sinn, u'V^- krArj-^ia, prahlerei, da jedoch chösa, gichösi eloquium, confabulatio, sermo und chösön loqui war, kann hohchösa auch hohe, edle, stolze rede in gutem verstand ausgedrückt haben, dies ahd. chösön

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loqui, mhd. kosen Renn. 18992, scheint nicht aus lat. causari, vielmehr aus chiosan, wie das heutige küren und kören für reden zeigt, abzustammen, höh ist sublimis, magnificus, u-^r^Xo^, nidaro humilis, exilis, rarstvo;, xaTrsivr] X£;i^ dictio exilis. die Verbindung von hoch und nieder mit sang und rede unterliegt keinem bedenken, ir sanc was hoch und nidere. Iw. 617.

Walther sagt 84, 22:

ich drabe da her vil rehte drier slahte sanc, den hohen und den nidern und den mittelswanc, da^ mir die rederiche iegesliche sagen danc. wie könd ich der drier eime ze dank gesingen? der hohe der ist mir ze starc, der nider gar ze kraue, der mittel gar ze spnehe an disen twerhen dingen, was er hier unter hohem niederm mittelm sang eigentlich meint, läszt sich schwer raten, die bekannte analogie und Verbindung von singen und sagen musz aber wahrscheinlich machen, dasz schon damals auch dieselben adjective auf sagen oder sprechen, in verwandtem sinn bezogen wurden. oflPenbar zeigen sie eine innere beschaflfenheit des sangs wie der spräche an, hier läge uns demnach eine hohe und niedere spräche, und nicht in ört- licher bedeutung vor.

Zumal merkwürdig ist das verbum draben und nichts un- glücklicher als Lachmanns Vermutung s. 198 ich traf statt ich drabe, denn noch heute verknüpfen wir hoch mit traben und hochtrabend meint uns meist in übelm sinn stolz und hoch- fahrend, Steinhöwel im decam. 208'' hat: Venedigerin, die alle hochtrabend sind für ed essi son tutti bergoli des textes, Luther braucht gerade wie Walther 'daher traben' Jerem. 47, 3. an sich aber ist hochtrab nur erhöhter trab und jene unterschiede des hohen, mittein, niederen sangs scheinen mir unmittelbar dem gang des pferdes abgesehen, in der reitkunst ist trab der na- türliche gang und aus ihm entstehen schritt und galop. das pferd trabt, wenn es allemal zwei einander entgegengesetzte füsze nemlich den rechten vorderfusz und linken hinterfusz (oder umgekehrt) zugleich aufhebt und niedersetzt, beim schritt hingegen setzt es zuerst den einen vorderfusz vor, welchem so- gleich der entsprechende hinterfusz folgt, dann hebt es den andern vorderfusz und der entsprechende hinterfusz folgt, galop hat wiederum die sich kreuzende bewegung des trabs. ob nun der hohe, niedere und mittelschwang auf eine den galop, trab und schritt nachahmende reimverschränkung gehn könne oder etwas davon verschiednes ausdrücke müssen fernere Unter- suchungen lehren, für die anwendung auf die spräche könnte das schwenken und schrenken, das lenken und senken in der Rennerstelle dadurch sinn empfangen, das auffallendste scheint mir folgendes.

MITTELHOCHDEUTSCH, MITTELDEUTSCH. 451

Von Ten Kate wird 1, 334 501 für das niederländische dem subst. zAitretende adjectiv und pronomen ein dreifacher stil 'de hoogdravende, deftige und gemeenzame' angenommen und durchgeführt, d. i. der hohe, stattliche und gemeine, ich weisz nicht ob er dabei einem bereits überlieferten Sprachgebrauch folgt oder die Unterscheidung selbst zuerst aufstellt, sollte er sie aus den schulen der rhetoriker herhaben, die schon zu Maer- lants zeit auftauchten, so dürfen wieder die rederichen gerade auch bei Walther in betracht kommen, die hochtrabende, er- habene, feierliche redeform stimmt genau zu dem eben erörter- ten hochtrabenden gesang, deftig, ein uns abgehendes wort, gehört zum goth. gadaban convenire, decere, ags. däfan, gedä- fan, dem auch noch ein seltnes mhd. beteben und vielleicht betaben anschlieszt. das goth. gadöf meint irpsTitov, das ags. gedefe opportunus, gedefenlic, gedeftlic desgleichen, und zwei sehr alte kunstwörter für eine form der spräche oder rede lägen vor. mag die von Ten Kate gemachte anwendung auf volle oder gekürzte flexion des adj. oder pron. keinen stich halten, der bezug der trilogie hoogdravend deftig und gemeen auf jenen hohen mittein und niederen schwang überrascht wirklich und kann erläutern was mit hoher spräche und rede gemeint sei. unsere spräche sitzt nicht auf hohem pferde in üblem sinn, son- dern in dem guten, dasz sie stolz auf ihre edle art und deren sich bewust ist; das hoch braucht gar nicht auf diesem wage entsprungen zu sein, liesz aber leicht die nebenbedeutung zu. Ten Kate nennt sein ganzes werk aenleiding tot de kennisse van het verhevene deel der nederduitsche sprake, es soll die erhabene, hohe spräche darstellen, und die niemals unter hoch- deutsches joch gebeugten Niederländer dürfen in ihrer spräche unbedenklich einen hohen und niederen stil unterscheiden, jede spräche musz, wenn sie vom sinnlichen boden zu abstracten gedanken übergeht und sich vergeistigt, in der reinsten bedeu- tung dieser worte, sich erheben, und so verlangt auch Leibnitz § 10 von unserer deutschen spräche, sie solle durchgehends erhoben werden.

Ich habe gezeigt, dasz der hochdeutsche name ein guter, gegründeter, vielseitiger und ja nicht mit dem eingeschränkten oberdeutschen zu vertauschen ist. nunmehr wende ich mich zu einer andern benennung.

Sie werfen, werthester freund, in unsere Untersuchungen das störende, wie mich dünkt, vollkommen entbehrliche wort mitteldeutsch, war es nöthig ein altes, mittleres, neues hoch- deutsch abzusondern, um unendlichen Umschreibungen und Un- bestimmtheiten in der grammatik auszuweichen, so nimmt sich neben dem zeitlichen mittelhochdeutsch ein räumliches mittel- deutsch seltsam aus. kein altmitteldeutsch wird sich erweisen lassen, mittelmitteldeutsch wäre, wie sie selbst einsehen, lächer-

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lieh, neumitteldeutsch, da unser gegenwärtiges hochdeutsch zu- nächst aus ihm entflossen sein soll, überflüssig.

Der ausdruck mitteldeutsch ist heute allgemein geläufig und gilt von den landstrichen, die zwischen süddeutschen und nord- deutschen in der mitte liegen, in ihnen allen spricht das volk hochdeutsch, wie sich versteht unter einflüssen die auf der scheide zweier gebiete stattfinden müssen, auch mag der spräche dieser gegenden manche eigenheit von jeher zugestanden haben und noch unverwischt fortdauern, bei sprachuntersuchungeu könnte man des ausdrucks fast entraten und hätte mit gleichem fucr ein ostdeutsch westdeutsch süddeutsch norddeutsch, nach den winden selbst noch alle möglichen Verbindungen dieser namen zwischen oberdeutsch niederdeutsch oder gar unterdeutsch zu mengen, eine daraus zusanmiengetragne sprachkarte würde sich verwirren, wie das unanschauliche, von Schmeller seinem guten buch über die bairischen mundarten hinzugefügte kärt- chen. ich ziehe in der grammatik die ländernamen selbst vor und greife nur für besondere fälle zu allgemeineren bezeichnungen.

Allein jenes auf das 12 14. jh. angewandte mitteldeutsch drückt noch etwas anderes als das heutige aus. ungefähr von Lothringen ausschreitend soll es durch die Pfalz, Wetterau, durch Franken, Hessen, Thüringen, Meiszen, durch die Lausitz und Schlesien sich nach Deutschpolen und Üstpreuszen er- strecken, heute wird niemand Ostpreuszen, kaum Schlesien oder Franken zu den mitteldeutschen ländern zählen, noch weniger das niederrheinische, ursprünglich fränkische gebiet, das dem mitteldeutsch des 12. jh. nah verwandt läge. ^

Das bleibende verdienst einer sorgfältigen prüfung der laut- verhältnisse aller auf die lange strecke des mittleren gebiets fallenden gedichte haben sie sich erworben und ihren arbeiten wird das ergebnis noch manche frucht tragen, in meiner gram- matik blieb, vor siebzehn jähren, das alles noch übersehn, hauptsache ist, dasz die hochdeutsche lautverschiebung waltet, die meisten diphthonge aber nach niederdeutscher weise verengt erscheinen, ich sage erscheinen, weil ich in den reimen einen nachklang der mhd. diphthonge zu gewahren glaube.

^ zuerst wird Helber in seinem oben angeführten syllabierbüchlein den namen mitterdeutsch verwenden, er theilt die ober oder hochteutsche spräche in mitterteutsche , donawische und höchstrheinische und zwar die mitterteut- sche gelte in Mainz Speier Frankfurt Würzburg Heidelberg Nürnberg Strasz- burg Leipzig Erfurt u. s. w. dies mitterdeutsch träfe ziemlich zum mittel- deutschen, nur dasz es auch Elsasz einbegriffe, das donauische meint schwä- bisch und bairisch, das höchstrheinische musz auf die Schweiz gehn, Nürnberg (mens noricus) würde sich so wenig der bairischen, als Straszburg der schwä- bischen mundart entziehen lassen , das übrige mitterdeutsch aber ganz Hooh- deutschland mit ausnähme der Schweiz, Schwabens, Baierns und Österreichs umfassen, hochdeutsch oder oberdeutsch heiszen sie ihm alle im gegensatz zu Niederdeutschland, im 16. jh. , wo man der älteren spräche uneingedenk war, liesz sich allerdings das Verhältnis der mundarten so erfassen.

MITTELHOCHDEUTSCH, MITTELDEUTSCH. 455

Es will mir vorkommen, als ob die sogenannten mittel- deutschen dichter stets nach dem mhd. gesetz zu reimen trach- teten, ihrer mundart aber in verengter ausspräche und Schrei- bung der diphthonge folgten, in älterer zeit finden wir bei Otfrid, bei dem fränkischen Übersetzer Isidors und Tatians auch die ahd. diphthonge, Lambert von Hersfeld, der entschieden in Mitteldeutschland lebte und den Holzmanns fügsame combina- tion jüngst mit den liedern von Anno und Alexander zusam- menstellte, schrieb gleichfalls diphthonge.

Zweifeln sie daran , dasz in Thüringen unter landgraf Her- mann anders als rein mhd. gesungen und gedichtet wurde? dort lebten eine Zeitlang Wolfram und Walther, dort lieszen Heinrich von Veldeck, Albrecht von Halberstadt ihre angeborne mundart fahren und suchten sich der mhd. weise zu bequemen, ich erkenne auch im Wartburgerkrieg keine verengten diph- thonge. mit dem dichter des langen passionals, mit Jeroschin und mehrern, die dem lebendigen einflusz mhd. poesie fern leb- ten, könnte es sich etwas anders verhalten; mein früherer auf- satz in Haupts Zeitschrift [oben s. 328 ff.] hat aber nachgewie- sen, dasz die reime des passionals sich auf reine mhd. zurück lassen führen, was nicht hinreichend widerlegt worden ist. selbst bei dem begabten und* der dichtregel kundigen Jeroschin, dessen werk ich nur zum theil einsehn kann, finde ich reime gemie- den, die der mhd. regel widerstreben würden, ungeachtet sie nach der hier befolgten Schreibung zulässig schienen, es stehen also i : i gereimt = mhd. ie : ie und i : i = mhd. i : i, nicht aber beide untereinander, man wird dit : schit : schrit, hi^ : li^ : sti^, vil : gil gebunden sehen, nit:zit, wiz;:bi^, bil:kil, keineswegs beide arten zusammen, nicht anders suchen sich ü : ü = mhd. uo : uo und ü : ü = mhd. ü : ü oder iu : iu, demnach gilt vrüt : müt : glut : lüt (onus) sowie lüt (populus) : hüt (cutis), züne : nüne, beide arten untereinander stoszen sich ab. der dichter wüste oder fühlte, dasz die ungleichen, wenn auch gleichge- schriebnen laute falsch gereimt wären, zumal gewahrt sich das, wo vier mit gleichem vocal geschriebne Wörter unmittelbar hintereinander folgen, wie s. 78 gebit : dit, sit : zit, warum kommt kein gebit : sit, kein dit : zit vor? es kann sein, dasz ausnahms- weise das auch gesagt wird, doch die regel aufheben kann es nicht, dem mhd. gesetz geschieht demnach auch in solchen gedichten kein oder wenig abbruch, in der volksaussprache mag aber die Verengung der diphthonge gelegen haben und darum in die Schreibung übergehn dürfen.

Aus allen diesen gründen enthalte ich mich billig des na- mens mitteldeutsch, wie ich in der grammatik auch oberdeutsch vermeide, niederdeutsch freilich kann nicht entbehrt werden. wo es aber noth thut, rede ich von schwäbischer, bairischer, thüringischer u. s. w. mundart, die sämtlich ihr eignes behalten,

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RECHT VON HIESFELD.

damit jedoch das mhd. gesetz nicht umstoszen; so kann eben- falls eine mittle, mittlere angenommen werden, der thüringi- schen mundart hängt die apocope des n vom inf. an, was schwerlich ein allgemeines kennzeichen für alle mittleren ge- dichte abgäbe, nach dem Niederrhein hin ziehen sich einige besondere vocalabweichungen.

RECHT VON HIESFELD.

Jahrbuch des gemeinen deutschen rechts herausg. von E. J. Bekker und Th. Muther. bd. 1. I8ö7. s. 257 265.

257 Dit syn die rechte to hysvelt vnde toe wesel van vrede- loifs woe men die halden sal.

Item. Ten irl'ten Ib kumt A off b vnd begert eens voer- fprecks vnde feegt. Her richter, ick begeer een voerfpreeck. So antwordt die richter ick guns v, wen begeertdy? So leegt A: Her richter ick begeer vnde bid defen A. b. So leegt die voer- fpreek: Her richter ilt v lieff, dat ick a lyn woordt doe vnd ym help tot fynen rechten vnd gunt my voerlpreecks recht, vnd beraidt. off ick mit allen ordelen vnde rechten dat ver- deedinfft hed vnde ffewunnen were? So antwort die richter ia. Soe feegt die voerfpreeck: Her richter ift v lieff, dat ick vnde a. b. ons vmbkieren vnde beraden fo vern he hier toe doen hefft? Antwort die richter ja. So kumt die voerfpreeck weder vnde feegt: hier is a. b. vnde wolde hier luydt eylfchen. moet he wael een fwerdt trecken? So antwort die richter ja. So feegt die voerfpreeck: A. treckt vth en fwerdt vnde doet die handt van den fwerdt vnde haldt all still vnde roept drywerff wapen! So vraigt die voerfpreeck: Her richter, moet een dat fwerdt wael opftecken? So antwort die richter ja. So feegt die voerfpreeck: Her richter, wildy weten, wair vmb dat a hier kummen is voer die banck vnde gericht myns gnedigen lieuen heren van cleue vnd greeff van der merck, des gericht vnde heerlickheyt fyn is, mit een wapengerucht vnde mit en ge- tagenen fwerdt vnde klagt v auer ongerichte luyde die ym aen kummen fyn vnde onthalden ym aen fynre vaderlicker haeff vnde guet, dat alfo guet is als hondert riniche golde gülden

258 vnde duet dat mit kracht vnde gewalt, vnde begeert van v ge- richts vnde vragt dairvmb eens richten ordel, woe men ym dat richten fal dat ym recht geschie vnd den anderen geen onrecht. So feegt die richter: Gy fcheepen dat wyft. So wyfen die fcheepen. Gy fult fe numen, want gy fe kindt, vnde die richter die fal fe v yn eyffchen. So feegt die richter: So doe ick als

KECHT VON HIESFELD. 455

my die fcheepeu gewylt hebben, vnd ick eyllch hier yn a. b. o. d., Ib woe hy kerftelick genannt is, irstwerff' aen die banck myns gnedigen lieuen heren van cleeflp vnde van der merck, des bancks recht vnde heerlickheyt l'yn is, fyn lyflf, fyn guet vnde allen die goen die syn guet deylen vnde benuwen vnde dair he recht vnde deel aen heefl't, by i'yn halskoer. is hier oock wie, die ym verantw^orden vril? ick, en iyhe hier niemants. So vraigt die voerfpreeck en rechten ordel. vt^ant dat irl'twerft is woe he dair mit vort vaeren Tai, dat ym recht gel'chie vnde den anderen geen onrecht. So leegt die richter: Gy fcheepen dat wyft. So feggen die Icheepen, dat he auer XIIII daegen weder kummen fal off des neften gericht daeges vnde laten sich vort richten vnde hy fal den richter aen fyn handt taften by een peen van hondert alte Ichilt fynre klaege toe volgen. Item i'o vraigt die vorl'preeck: Her richter off a binnen del'e viertien daegen der aengerichtinge meer vunde, off he die yn die felff klaeg dat mede numen mucht? So leegt die richter: Gy fcheepen dat wyft. So wyfen die fcheepen Ja, want dat mit den ordel vnde recht bewaert is.

Dat ander gericht.

Item des anderen gerichtdaegs kumt A mit fynen voer- fpreeck vnde deedingt lieh aent gericht als voerf. fteet vnde feegt: Her richter, A heefft hier enen irftwerff yn doen eyffchen na der landt rechten vnde bid v her richter, dat gy ym ander- werff wilt eyflchen. So eyfch ick hier voer die gemeyn luyden ander werff aen myns gnedigen lieuen heren banck, des gericht vnde heerlickheyt fyn is. So vraigt die voerfpreeck, woe men dair mit vort vaeren fal, want dat anderwerff is dat ym recht gefchie vnde den anderen geen vnrecht? Soe feegt die richter: Gy fcheepen dat wyft. So wyfen die fcheepen: Gy fult l'e ver- brieuen vnde verbaden aen den gericht, dair fe onder gefeeten fyn, binnen defen XIIII daegen hier toe kummen, vnde fe füllen dan wael XIIII daegen hebben vnde verantworten fich vnde neemen dan oer gerichts waer. So deedingt fich die voer- fpreeck van den gericht vnde bedanct fich guets gerichts.

Dat derde gericht.

Item als men dan ten derden mail richten fal. So kumt 259 a mit fynen voerfpreeck vnde deedingt fich aent gericht als vurf. fteet vnd feegt: Her richter, wildy hoeren wair vmb dat a hier kummen is. he heffit hier luyden laten eylfchen eenwerff, anderwerff vnde hefft die verbait vnde verbriefft bis 80 lang dattet nu op den Icften dach is, vnde bid w dair ge- richts auer vnde vraig v en ordel. fo woe men ym dat richten fal dat ym recht gefchie vnde den anderen geen onrecht. So feegt die richter: Gy fcheepen dat wyft. So wyfen die scheepen: Gy fult die den richter numen vnde die richter fal fe eylfchen een werff, anderwerff, derde werff. So feegt die richter: Ick

456 RECHT VON HIESFELD.

doe als my die icheepen gewyft hebben vnde eyllche die vurf. luyde hier als vuri'. liteet. So leegt die voerl'preeck: Wy be- geeren vort gericht. So feegt die richter: Gy Ichepen dat wylt. So wyfen die icheepen: Men fal l'e verrücken vnde verplucken vnde verl'chieten. So duet die richter: Ick verrück vnde ver- pluck vnde auerlchiet le. So vraigt die voerl'preeck: wy be- geerent gericht. So feegt die richter: Dat wylt ghy Icheepen. So wyfen die fcheppen: Ghy fult fe leeggen achtelois, rechte- lois, eerlois, vredelois vnde neemen oen een gnet gerucht vnde geeuen en quait gerucht. So feegt die richter: fo doe ick als my die Icheepen gewyll hebben als vurf. Iteet. So vraigt die vurfpreeck, off he die luyden vordere toe perdt off toe vuet, yn veldt, yn wildt, yn heyde yn brueck, yn wegen yn ftraten, woe men oen dair vervolgt? Dan feegt dye richter: Gy fcheepen dat wylt. So wyfen die fcheepen: mit klockenflach vnde mit wapen gerucht vnd mit en getagenen l'werdt. So vraigt die voerl'preeck, Off dair mit ongeval dootflach gefchege, woe men dan dair mit doen folde vnde richten folde? Seegt die richter: Gy fcheepen dat wyft. So wyfen die fcheepen, Men fal richten auer die doden als auer die leeuendighen, vnde men fal den dootflach verhuden, woe men yt beft kan. So vraigt die voer- fpreeck, woe vern dat men oen vervolg doen lal? So wyfen die fcheepen: Op die waer, op des heren kost. So vraigt die voerl'preeck, wat den beer dairvan geboert? So wyfen die fcheepen, Den derden penninck. Wat geboert dan den gericht dairvan ? So wyfen die fcheepen Den richter geboert XII penninck. Wat geboert den fcheepen? Den fcheepen geboert vier penninck. Vnde den baid geboert oock vier penninck van dat gelt voerf. So vraigt die voerfpreeck off dat gericht vth gegeeuen fy, alfo als lieh dat mit recht geboert? So wyfen die fcheepen, dat fy anders niet en weten want dat mit ordel vnde mit recht verwaert is etc.

Die gewoenten der vurf. rechten.

Item so hebben die fcheepen van hyflvelt voer een gude

260 aide gewoenten vnde niet voer recht. So wanneer dat der

lateldach is, dat men dair derdewerff richten (und) ymande

vredelois leggen fal. So bidden die fcheepen den richter den

dag äff.

Item een vry dienstman des beeren van den landt die voer dat vurf. recht gheeyffcht wort, mach mit fynre voerhandt alleen voer fyn onfcholt ftain. dat wyfen die fcheepen voir recht.

Item welck man die alfo niet gelaeden en wort vnde hier geropen vvort, die mach alleen voer fyn onfcholt niet ftain.

Item dair op wyfen die fcheepen voir recht, dat fy dair op den man laten kommen vnde fal hebben aen en ytlicker

RECHT VON IIIESFELD. 457

handt dry onbel'prakender mans vnde füllen van enen weefenen l'yn. die moegen dan al toe famen voer die vnfcholt itain.

Aldus i'al men een verbrieuen.

Wetet her richter toe berck, oflF wair dat nu velt, dat ick richter to hyivelt v lait weten, dat gy verbait oflF te kennen geefft Johann etc. dat he fy ten irlte toe kommende gudes- dach auer viertien daegen oft' des neelten gerichtdaegs dairna toe hyfvelt oJÖf toe welel etc. onder den gericht vnde halden dair l'ynen lateldach als van weegen A, off hy wort anders vredelois gelacht, l'yn lyff, ("yn guet vnde al lyn guet vnde alle die goen die dat fyn hebben vnde dair he recht off deel aen hefft, vnde aen den goenen die fich l'yns guet onderwinden by ons haliies koer. In oorkund myns Tegels op i'paciers dis brieffs gedruckt. Delen brief sal en gofwaren baidt by fich draegen vnde men Tai dair by leggen i'o voel gelts, als die man die men verbait woent von den richter vnde dat Tai die vron des richters hebben vnde doen ym kondt.

Defe nagheichreuen en lullen geen richters weefen. paepen. moennicken. ioeden. vnde echtelol'e kinderen noch moegen geen vonnys geeuen auer ymants. ut in autent. de iudicib. primo coli. VII.

Vort all die rechteloiff fyn, dat fyn die yn onechtfchap gebaren, die en füllen yn den rechten niet litten, noch auer ymants ordel geeuen. ut in c. de poftul. 1. iudice.

Dies kleine, aber anziehende rechtsdenkmal theilte mir neulich herr Wolters, evangelischer pfarrer zu Wesel mit aus einer handschrift, scheint es, des vierzehnten Jahrhunderts, in 261 welcher zunächst die Privilegien dieser alten niederrheinischen Stadt, die sie seit 1277 von den grafen von Cleve erhalten hat, kauf und verzichtbriefe der Weseler klöster und Stiftungen stehen, dann folgen die rechte von Hiesfeld , die eidesformeln des fürsten von Cleve, wenn er Wesels freiheiten bei der huldi- gung bestätigt, des drosts, der bürger, der schöffen, eine lehre für die schöffen der stadt in versen, hierauf etwa 80 urteile gewiesen zu Dortmund, dem oberhof von Wesel, den schlusz des buchs bilden plebiscite Wesels von 1350 an, gewohn- heiten u. s. w.

Hiesfeld ist ein kleines dorf an der Lippe, zwei stunden von Wesel, nahe bei Dinslaken gelegen; von diesem örtlein soll Wesel sein altes recht, wie das hier bekannt gemachte " bruchstück zu bestätigen scheint, empftingen haben, der cle- vische landstrich von Hiesfeld und Wesel gehörte ehemals zu Ripuarien und es weht in dieser geringen aufzeichnung noch mehr altripuarisches recht, als in der lateinischen, obgleich

458 RECHT VON HIESFELD.

werthvollen fassung der freiheit, die Theoderich, erstgeborner von Cleve, mit be willigung des königs, im jähr 1241 der stadt Wesel ertheilte. sie findet sich gedruckt in Lacomblets nieder- rheinischem urkundenbuch, band 2 no. 258 s. 132. 133 und wurde im jähr 1277 erneuert.

Das Hiesfelder recht gewährt ein schönes gegenstück zu dem Bacharacher blutrecht, in den weisthümern band 2 s. 211 214, wo der wafenruf gegen den todschläger, wie hier der zur Verfolgung des gewaltthäters beschrieben wird. Bacharach lag zwar nicht in Ripuarien, doch in einem benachbarten theile des rheinischen Frankens und die einstimmung beider rechte blickt hervor, hätten sich viele solcher ausführungen erhalten, wir würden das altfränkische recht in einem lebensvollen bilde vor äugen haben und in unverkennbarem Zusammenhang mit dem ripuarischen, chamavischen und salischen volksrecht finden. 262 wie ganz anders aufgerollt läge dann unser rechtsalterthum, in das die weisthümer nur noch verstolne blicke thun lassen.

Hiesfeld, auf allen fall, ist eine uralte örtlichkeit, ich kaim dem namen in andern Urkunden bei Lacomblet nicht begregnon, er klingt an die silva Heisi und Hese, folglich an die silva Caosia der römischen nachrichten, wobei ich sonst auf Heisingeu zwischen Essen und Verden geraten hatte (gesch. d. deutschen spräche s. 620); immer aber dürfte Germanicus von Xanten aus, wenn er bis zur Ruhr vordrang, schon an der Lippe die wahr- scheinlich damals weiterstreckte silva Caesia erreicht haben und Hiesfeld (campus Caesiae silvae) kann ein Standort der Germanen gewesen sein, spätere Urkunden bei Lacomblet 3 no. 419. 494 nennen einen Gobel und Godart von der Hesen, wo war der angesessen? Hesapa, Hesepe ein flüszchen kommt in Urkunden der abtei Werden vor (Lacombl. 1 no. 44. 55). Heisingens anspruch bleibt unausgeschlossen, es hat aber immer einiges gewicht, dasz ein alter rechtssitz mit einem alten, heiligen wald zusammenzuhängen scheint, das alles reicht noch weit hinter die ripuarische zeit zurück.

Das geschilderte verfahren beim wafenruf oder wapen- geruchte gegen leute, die 'mit kraft und gewalt' den kläger überzogen und ihm groszen schaden an hab und gut gethan haben, geht nun darauf hin, dasz der verletzte theil vor das gericht tritt und fragen läszt, ob er das schwert ziehen dürfe? auf erhaltene Vergünstigung zieht er das schwert, thut die band von dem schwert, hält still und ruft dreimal wapen. dann wird gefragt, ob er das schwert opsteken, d. h. wieder in die scheide stecken möge? und sobald dies geschehen ist, erfolgt nun die darstellung der gewaltthat mit der bitte, die thäter vorzuladen und über sie zu richten, noch sind diese nicht mit namen ge- nannt, die Schöffen weisen, dasz man sie nenne und der richter ladet sie dann mit ihren christlichen namen, d. h. taufnamen

RECHT VON HIESFELD. 459

zum erstenmal vor die gerichtsbank. ist niemand zugegen, der 263 sie verantworte, so wird nun ein zweiter gerichtstag über vier- zehn tage anberaumt, der kläger musz dem richter angeloben sich nach verlauf der frist zu stellen und die klage zu ver- folgen.

Am zweiten gericht geschieht die wiederholte ladung und unsetzung weiterer frist auf gleiche weise und endlich am dritten gericht hat die Verurteilung statt.

Der freie Franke thut nichts feierlich ohne dabei sein Schwert zu ziehen, wenn er schwört, hält er es in der rechten band, cum dextera armata jurare. lex liip. 33, 1. Q6; wenn die rachinburgen in sein haus treten, geht er ihnen mit dem Schwert entgegen (cum spata tracta accedere. 32, 3) und legt es auf den thürpfosten, er ist überall zur wehr bereit, cum gladio, cum armis defensare. 57. 67. die dreimalige ladung 'super quatuordecim noctes' entspricht dem allgemein beo- bachteten rechtsgang, auch im Bacharacher recht werden drei geschreie unterschieden, 'man sol in dri stunt füre laden' heiszt es Reinh. fuhs 1449.

Merkwürdig lautet die verurteilende formel. wie man sonst die ausdrücke fartuoman (fardömjan), farwäzan, farscaltan, far- zellan, bei den Gothen gavargjan findet (RA. 881) heiszt es hier verrücken, verplucken, verschieten. alle diese begriflfe sind sinnlich zu fassen, verrücken meint von ort und stelle rücken, der verurteilte wird genöthigt aus seiner heimat zu weichen, in die fremde zu gehen, verpflücken, zerpflücken ist vom habicht entnommen, der ein huhn pflückt, ihm die federn aus- rauft, ebenso soll dem verurteilten habe und gut gleichsam aus- gezogen werden, pflücken ist mehr niederdeutsch als hoch- deutsch, die Angelsachsen haben pluccian vellere, carpere, engl, pluck, nl. plukken. verschieten oder averschieten (überschieszen) war zumal im geistlichen recht üblich, wenn die kerzen gelöscht und geworfen wurden, 'die got mit urteile verschoz' steht Ser- vatius 1204.

Weiter wird gefragt, wie man nach erfolgtem urteil den verurteilten verfolgen solle, zu pferd oder zu fusz, in feld und 264 wildnis, in beide und brach, auf wegen und straszen? und ge- wiesen: mit glockenschlag, wafenruf und gezognem seh wert, trage sich dabei zu, dasz ein todschlag geschehe, so solle man richten über die todten wie über die lebendigen, doch so gut man könne todschlag verhüten, es wird gefragt, wie weit man verfolgen solle? und gewiesen 'op die waer, op des heren kost', diese worte haben einige Schwierigkeit, ich verstehe entweder nach dem ags. ver oder vaer captura, bis zur gefangennehmung, auf kosten des landherrn (gerichtsherrn), oder ich nehme waer für den aufenthaltsort des friedlosen, man soll ihn verfolgen bis an den ort, wo er sich aufhält, wo er zu treffen ist.

460 RECHT VON HIESFELD.

Nach darstellung dieses Verfahrens werden einige gewohn- heiten des gerichts hinzugefügt.

Die Hiesf eider schoflen sind von altersher gewohnt, ob- gleich sie es nicht für strenges recht erkepnen, den dritten gerichtstag .dem richter abzubitten, das soll doch wol nur heiszen, noch einen kleinen aufschub für das urteil zu verlangen, die Franken richteten sich vielleicht hierin nach dem beispiel ihrer sächsischen nachbarn, bei welchen es hergebracht war die fristen zu häufen (RA. 868); doch wäre erwünscht diesen sinn des abbittens anderweit bestätigt zu finden.

Der dritte, entscheidende gerichtstag wird hier genannt lateldach, d. i. der letzte tag, de letste dach, wie es im voraus- gehenden recht selbst heiszt. lateldag für latedag ist gebildet wie kindelbette, fastelabend, dingelstet für kindbette, fastabend, dingstätte und viel dergleichen.

Willkommen ist noch die Weisung, dasz der vor gericht geladete freie mann an jeder hand drei unbesprochene, ihm ebenbürtige (van enen wesenne) männer bringen müsse, die zu- sammen für seine Unschuld stehen , wie lex Rip. 2. 3. fordert: cum sex juret. die eideshelfer fassen seine bände von beiden Seiten. 265 Im recht selbst steht die strafe von hundert alten Schilden

ausgesprochen, woraus sich vielleicht auf die zeit des weisthums, doch nichts gegen einen weit altern Ursprung desselben schlieszen läszt. frühere schoflen können eine andere münze genannt haben, die Schilde oder scuta, franz. ecus hieszen nach dem auf einer seite ausgeprägten schild oder wapen des franz. königs. Ducange 4, 273 275 fuhrt scuta von 1336 1338 an. bei Lacomblet 3 no. 634 in einer urk. von 1363 kommt vor: einen alten güldenen swaren schilt vur drie mark; no. 637 von gleichem jähr: vierhundert aide gülden Schilde, gut von golde und klar von gewichte, es gibt ihrer sicher schon früherhin.

Die spräche hat sonst wenig dunkelheit, auszer den bereits hervorgehobenen Wörtern sei noch angeführt bi sin halskoer, auf gefahr seines halses, bi ons halses koer, auf unseres halses gefahr, koer ist eigentlich wähl, nl. keur. die goen die sin goet deilen unde benuwen, diejenige die sein gut teilen und be- drängen, d. h. ihm zusetzen, es verzehren, syntactisch auf- fallend ist die dreimal vorkommende überflüssige anwendung des possessivums im relativsatz: des gericht unde heerlickheit sin is, dessen das gericht und die herHchkeit ist, beinahe noch wie heute in der Volkssprache gesagt wird: des mannes (oder dem mann) sein hut, statt des mannes hut.

ALLS, ALLES. 461

ALLS, ALLES.

Die deutschen mundarten. eine monatsschrift für dichtung, forschung und kritik. herausg. von dr. G. Karl Frommann. jahrg. 4. 1857. s. 226.

Zu z. IV, 104, 21. die hier von der zeile 'Ey dasz dich 226 bosz chrysam älls koaba schind!' gegebene auslegung ist un- riclitig: älls ist nicht 'wie', sondern das im deutschen Wörter- buch I, 229 (vgl. 220. 227) besprochene alles, wofür in glei- chen fluchformeln aller im plural steht, parallel dem älls koba findet sich im wbch. I, 220: 'aller keiben'.

HLID. SCELB. DREP.

Germania, jahrg. 3. 1858. s. 1 6.

Die in Haupts Zeitschrift 5, 194 198 eingerückten glossen i standen aus derselben Leidener handschrift schon vollständiger in den symbolis ad lit. teut. ant. p. 362 382, woher sich ein- zelne hätten berichtigen lassen, z. b. 196^' heiszt es falsch 'rogus beel vel accd' statt 'beel vel aad' symb. 374.

Sehr merkwürdig ist die glosse 'fornice scelb vel drep' 196% symb. 373 zu einer stelle des Eusebius, sie ist auch in die Schietstädter Sammlung 15, 7 (5, 342*) eingetragen, blosz dasz hier für drep 'dreb' steht.* fornice scelp 'francice' und scelf camaram pastorum hat noch GraflF 6, 479. 480 aus andern glossen, und 'in clida biscilbit' aus glossen zum ripuarischen gesetz, Diut. 1, 342*^, die textstelle müssen wir vor allem auf- schlagen.

Sie findet sich im titel de homine furbattudo (al. furbannito), es ist der 72 oder nach andrer Zählung 77ste und handelt von unvorsätzlicher tödtung eines auf brennender that (in flagranti) betretnen menschen: si quis hominem super rebus suis com- prehenderit et eum ligare voluerit aut super uxorem seu super filiam vel his similibus, et non praevaluerit ligare, sed colpus ei excesserit, et eum interfecerit, coram testibus in quadruvio in clida eum levare debet, et sie quadraginta seu quatuordecira noctes custodire et tunc ante judicem in haraho conjuret, quod eum de vita forfactum interfecisset.

Das selbe legen oder heben auf die clida begegnet ander- wärts im pactus Alamannorum 2, 34 (Merkel seite 36): si quis

* auch bei Hattemer 1, 262 die glossen zu Eusebius fornice scelp f. (francice) dreb s. (saxonice).

462 HLID. SCELB. DREP.

alterius ingenuam de criraina seu Stria aut herbaria sisit (al. sistit) et ipsam in clida miserit et ipsam cum duodeciin medicus electus (al. medios electos) aut cum spata tracta quilibet de parentes adunaverit, DCCC solidos componat. si ancilla fuerit, quindecim solidos componatur. si in clida misa non fuerit, et prisa et temptata fuerit, quadraginta solidos componat. et si in clida [misa] non fuerit, sex solidos solvat. et si ipsam vir contra steterit culpabilem, et ille propter quem ei reputator mortuos fuerit, illi qui feminam contra steterit, wiregildum ejus desolvat. hier aber wird keine leiche auf die clida gelegt, sondern eine der Zauberei beschuldigte lebende freie, in gegenwart der ver- 2 wandten, die das schwert ziehen und vor zwölf zeugen aus dem mittelstand, medii electi. die absieht kann nur sein, entweder sie zum bekenntnis des Verbrechens zu bringen oder zeichen, dasz sie eine hexe sei, an ihrem leib zu finden, denkbar wäre, dasz deshalb ärzte, wenn die Icsart medici gelten kann, zuge- zogen wurden, obgleich die zwölfzahl bedenken macht. ^ wahr- scheinlich kam im heidenthum diese an einer freien frau verübte schmachvolle gewaltthat vor, das gesetz untersagt sie bei hoher busze, das alamannische wergeld betrug 160 sol. und erschiene hier verfünffacht, für eine unfreie wurden nur 15 sol. entrichtet, war aber die freie nicht auf die clida gelegt, blosz gefangen genommen und untersucht, so trat busze von 40 sol., ja von 6 sol. ein, wenn die gewaltsame temptatio unterblieb, so wenig- stens suche ich mir das in barbarischem stil abgefaszte gesetz deutlich zu machen.

Die dritte gesetzstelle redet, gleich der ersten, von einem erschlagnen, wenn auch nicht in flagranti. es ist auffallend, dasz die älteren angelsächsischen gesetze eines brauchs ge- schweigen, den uns die leges Henrici I. cap. 92, 8 bewahren: si mordrum inveniatur alicubi, conveniat ibi hundredum cum praeposito et vicinis, et sive cognoscatur sive non, custodiatur Septem diebus super cletam unam elevatus, lignis nocte circum accensis.2

Diese gewohnheiten gehen in hohes alterthum zurück, wie wir hernach sehen werden, noch weit über Clodovechs capitulare und das ripuarische recht hinauf, um vollends in ihren gehalt einzudringen, ist eine Untersuchung des ausdrucks clida un- erläszlich.

1 für medii entscheidet minoflidis im cap. Clodovechi (Pertz 2, 4 zeile .38).

2 hierzu halte man die noch in den anfang des sechsten jahrh. zurück- gehende Verordnung des capit. Clodovechi (Pertz leges 2, 4) de homine inter duas villas occiso: tunc vicini illi in quorum campo corpus inventum est, debent facere bargum quinos pedes in altum et in praesentia judicis ibi levare corpus, dieser bargus, pargus ist wiederum septum ex cratibus quo grex includitur, unser pferch. Ducange s. v. baregum und pargus, ags. pearroc.

HLID. SCELB. DREP. 463

Seine eigentliche bedeutung lebt im französischen claie, cleie fort, geflecht von weiden oder dörnern, prov. cleda, nilat. cleda, clida, zu thüren, bänken, stuhlen und brücken dienend: perdesotz la tor fetz de cledas un gran pon. Ferabras 3318. Italienern und Spaniern ist das wort unbekannt, wol aber den Kelten geläufig, ir. gal. cliath corbis, clathrum, a hurdle of wattles, gal. cliath- bharraich crates e betulae viminibus texta, cliathuinneig, ir. cliathfuinneig, podium, balcon; welsch clwyd, armor. kloued. aus unsern sprachen gehört hierher das altn. hlid ostium, porta, schwed. dän. led, ohne dasz die ursprüng- liche beziehung auf reisig wach geblieben ist, doch drückt das norwegische lid nach Aasen noch grind = clathri, cancelli aus. ags. hlid ostium, ceasterhlid ostium castri, exon. 20, 7; ofer heafona gehlidu, over heavens vaults. 32, 25. ahd. hlit, lit oper- culum, tegmen, übrig in unserm augenlid, deckel des auges, die bedeutung von thür, gitter und reisig haben wir verloren. ^ unmittelbar verwandt allen diesen formen mit kurzem vocal müssen aber die mit langem sein, ags. hlid clivus, altn. hlid latus montis, ahd. hlita, mhd. lite, goth. hleij)ra axT^vV], hütte, [hleiduma sinister GDS. 988] und zusammen flieszen sie aus dem starken verbum ags. hlidan hlad gehliden tegere, alts. hli- dan hled gehlidan, die auch entsprechende altn. ahd. und goth. erwarten lassen, decken ist zugleich beschatten und die eine Seite des bergs, der abhang, die neige, wie die hütte liegen im schatten.

Dasz auch Wörter der classischen sprachen zutreffen leuchtet ein. xX^ilpov, xXsTOpov gleichen dem hleij^ra, bedeuten aber gleich dem lat. pl. clathri, clathra oder clatra riegel, gitter und thür, vielleicht ist xXVji^pa alnus beizufügen, wenn aus erlenzweigen gitter geflochten wird, xXstV, clavis wiederum sind riegel, Schlüssel und ruderbank, xXt-6?, clivus, goth. hlaiv, ahd. hleo, abhang, hügel wie hlid, hlita, führen jedoch zunächst auf xXivstv, neigen, biegen, lat. clinare, ahd. hlinen, nhd. lehnen, wohin auch goth. hlains collis gehört, xXtatot ist hütte, xXiaiot? thür, thorweg: es würde zu weit führen , hier in die Verwandtschaft von hlidan und claudere, xXsisiv näher einzugehn.

Mehr liegt uns an darauf zu achten, dasz im alterthum gitter, thüren, bänke, gerüste, brücken aus zweigen geflochten, nachher erst aus bretern, tafeln, balken gefügt und aufgeschlagen wurden, den pferch unserer hirten flechten noch heute ruthen, den Wildpark hegen Stangen und breter. das lat. crates, crati- cula, wie ich anderemal gewiesen habe, entspricht buchstäblich dem goth. haurds (^upa, wobei man bald nicht mehr ans geflecht dachte, so wenig als beim ags. hlid ostium an den eigentlichen sinn von clida; das mhd. hurt rogus und engl, hurdle behaupte- ten ihn besser, bei Verbrennung der leichen musten dörner und reiser nothwendig angewandt werden, die clida, der bargus,

464 HLID. SCELB. DREP.

worauf der gemordete oder die angeschuldigte zauberin erhohen wurden, war ein solches geflecht, wenn man auch später breter und balken dazu gebrauchte. Gregor von Tours 7, 37 führt an plaustra cum arietibus, clitellis et axibus texta, sub quibus exercitus properaret ad destruendos muros. unter fornix wird eine structura curvata et convexa, arcus oder tabulatum, ein gewölbter böge verstanden. Merkel git im alamannischen gesetz statt clida oder clita auch die lesart clinata, die sich aus xXt'vTj, lectisternium erklären liesze.

Bedeutsam aber mahnt an die clida der gallische scheiter- haufe, wie ihn Caesar 6, 16 schildert und es ist anzunehmen, dasz damals schon dafür das keltische wort clith oder clitha im gebrauch war. alii immani magnitudine simulacra habent, quo- rum contexta viminibus membra vivis hominibus complent, qui- bus succensis circumventi flamma exanimantur homines. sup- plicia eorum, qui in furto aut in latrocinio aut aliqua noxia sint comprehensi, gratiora dis immortalibus esse arbitrantur; sed, 4 cum ejus generis copia defecit, etiam ad innocentium supplicia descendunt. Ungeheuern götterbildern wurden hier die darge- brachten opfer auf die mit zweigen durchflochtnen glieder gelegt und entzündet; als dieser götterdienst aufgehört hatte, behielt das Volk noch die geflochtnen gerüste für den rechtsgebnuich bei, es ist glaublich, dasz im heidnischen Ripuarien den über die clida gelegten ermordeten, nachdem er eine Zeitlang gehütet worden war, auf ihr die flamme verzehrte und vielleicht sollte auch unter den Alamannen die vermeinte zauberin ursprünglich verbrannt werden, noch lange im mittelalter pflegte man misse- thäter und Selbstmörder auf einer clida zum grab zu schleifen. Der aber, ungefähr im neunten Jahrhundert, das ripuarische gesetz glossierte, schrieb zu dem damals schon unverständlichen 'in clida levat' die erklärung biscilbit, die auf ein ahd. starkes verbum scelpan scalp sculpum scolpan leitet, aus welchem nicht nur das bereits angeführte scelp fornix, sondern auch sculpa gleba und der ortsname Biuginscelp, wie ich für Bughenscelp im cod. Lauresh. 2597 lese, stammen. piscelpan heiszt ganz richtig auf den fornix, auf die clida legen, wie aber ist das einfache scelpan oder ein unerhörtes goth. skilban zu fassen?

Altn. gibt es skialfa skalf, norweg. skjelva skalv, schwed. skälfva skalf, dän. skjälve skjalv, durchgehends mit der bedeu- tung tremere, beben, ein ags. scylfan vacillare wird von Lye ohne beleg angeführt, dafür jedoch bedeutet scylfe pl. scylfan scaranum, abacus, tabulatum, wie noch engl, shelf, bei Csd- mon 79, 4 liest man gescype scylfan on scipes bösme, exstrue scamma in navis gremio, ruderbänke, claves, jenes ahd. sculpa könnte so viel als cespes, rasenbank ausdrücken, ferner sind altn. Skelfir und Skilfingr alte mythische heldennamen, Skilfingr selbst ein name Odins, aus dem Beovulf bekannt die Scilfingas,

HLID. SCELB. DREP. 465

die auf einfaches Scilfe zurückgehen; Scilpunc ist ahd. manns- uame ( Förstern ann 1080), in den Nibelungen erscheinen Schil- bunc und Nibelunc nebeneinander, wie folgen alle diese be- nennungen aus der Vorstellung des bebens?*

Was nun am meisten überrascht, Odins sitz im himmel, von wo er wie aus einem fenster (jenem cliathfuinneoch) zur erde niederschaut, heiszt in der edda Hlidskialf, denn hier haben wir beide bisher besprochne gleichbedeutende Wörter hlid und scelp verbunden zusammen, offenbar im sinn eines sitzes, einer bank, eines gerüstes in den wölken,** Biörn gibt zu Hlidskialf die erklärung porta coeli tremens, unterschieden davon ist in einem liede der edda Snßm. 246'' lidskialf, und 41 steht der name Valaskialf; der gewöhnliche ausdruck für erdbeben lautet iardskialfti oder landskialfti. bei Hlidskialf denkt man auch an die oddische benennung des regenbogens Bifröst, gleichsam die bebende rast, die bebende brücke, über welche die götter stei- gen, wie eine hängende, geflochtne brücke unter den tritten bebt; diese Vorstellung ist uns nicht fremd, ein ort unweit Osnabrück, d. i. der Asenbrücke, wo eine brücke über die Hase geschlagen ist, heiszt Quakenbrück, bebende brücke, von quaken, s ags. cvacian tremere, und vorhin im Ferabras hatten wir un gran pon fetz de cledas. in dieser altsächsischen gegend, wie die beiden namen Osnabrück und Quakenbrück darthun, mögen Überlieferungen gehaftet haben, die denen von der nordischen Bifröst nahe kommen.

Gleich der schwebenden, schwankenden brücke kann aber auch eine geflochtne bank die bebende heiszen,i oder eine rasen bank, wenn die von sculpa versuchte deutung annehmbar ist; dem altn. f. skialf*** würde ein ahd. scelpa entsprechen, wo- für auch ein m. oder n. scelp zulässig war. Biuginscelp, von biugo sinus, convexitas gebildet scheint eine überaus passende örtliche benennung. schwerer zu deuten fällt %s die männlichen namen Scilfe und Scilfing, Scilpi und Scilpunc, Scelfir und Scil- fingr, weil uns die mythen entgehen, doch w'ürde Odin als Hlidskialfar gramr (könig der Hlidskialf), wie er ausdrücklich heiszt, füglich den namen Skilfingr führen. Skelfir, wenn es den vocal e, nicht e hat und zum transitiven skelfa terrere ge- hört, wäre ein erschreckender, erschütterer; wie gesagt, die fabel dazu, welche alles bestätigen oder anders auslegen würde, maugelt, doch gezeigt zu haben glaube ich, dasz scelp sehr wol fornix übertragen und dabei bebend bedeuten kann.

* Scheibe m. in Martina (AA, 30). ** up to Hnäfes scylfe. Kemble 3, 130 no. 595. ' eben gewahre ich, dasz Lye leider ohne zu sagen woher anführt sceal- fingstol, cathedra in qua rixosae mulieres sedentos aquis demergebantur, was •deÄi setzen der zauberin auf die clida nahe käme. *** Skialf, tochter des Agni. Yngl. c. 22.

.T. GRIMM, KL. SCHKIFTEN. VII. 30

466 HLID. SCELB. DREP.

Übrig ist noch drep, das dritte synonyme wort, zunächst läge der form nach ahn. drep ictus, unser nhd. tref, nur will die bedeutung eines Schlags sich kaum einigen mit der von fornix, clida und scelp, es müste eine ältere, sinnliche und säch- liche ausgestorben sein, nach Graff 5 , 525 besagt tref'au für sich schon was unser nhd. übertreffen, prominere, excellere, tref also könnte etwas hervorragendes, eine Wölbung oder ein gerüst bezeichnen, ich war aber verwundert bei Villemarque auf ein armorisches draf, pl. drefen mit der bedeutung von claie, barriere, guichet zu stoszen, im welschen zeigt sich dref biuidle, bündel, folglich anklang an das ags. j^reaf, engl, thrave mani- pulus, man sagt a thrave of com, ein gebund kornähreu. die galische, irische spräche bieten nichts ähnliches dar. sowol bündle weist auf hurdle, als claie, guichet (engl, wicket) auf clida; ich lasse, auszer acht, dasz ein litauisches drebeti beben, zittern dem skialfa begegnen könnte, es liegt allzuweit ab. näher träte zu drep das lat. trabs, franz. tref, balke und Zeltstange. Ducange s. v. treffa.

In der erwartung, dasz sich vielleicht noch einmal ein ahd. mhd. tref im sinne des altn. dreb oder drep finden werde, dürfte ich schlieszen ; wenn ich ein bisher verworfnes wort herstellen kann, hat es sich bereits gefunden, mir scheint, dasz Walth. 6 106, 21 sehr mit unrecht reife an die stelle des urkundlichen treffe gesetzt worden ist. dasz man nun sagt 'die reife treiben" leugne ich gar nicht und will hier noch einige stellen mehr da- für beibringen:

der sal man die reiphe triebe mit knutein auf dem übe.

Stephans sto f liefer ungen s. 141: wir wend dir nu die houptreif triben. Mones schausp. 2, 277; tribent im die houptreif basz. das. 2, 301. nirgends lese ich die reife 'vertreiben', die faszbinder führen ihren triebel zu 'mancherlei dingen , zu den reifen und zu den dauben. ich vermag aus den büchern, die ich über das bötticher- handwerk aufschlug, das wort tref, treffe zwar nicht aufzuweisen*, es wird verloren gegangen sein, ist aber in jener stelle eines mhd. dichters wirklich vorhanden, 'die treffe vertriben' will sagen die faszdauben fügen oder treiben, tref bedeutet tabula, bret, gerade wie hht oder clida erst geflecht, allmälich nur bret und tafel ausdrückte, doch wie der sinn von fornix und hlit schwankt, dürfte sich auch mit tref irgend ein anderer, uns jetzt unbekannter verbinden.

Lachmann hat die lieder seite 10(5 108 dem Singenberg genommen, welcher sie nach der [Heidelberger] handschrift dichtete, wie bei der schluszstrophe augenscheinlich ist**, die

* aber trif, pl. triffe. Maaler 4081». trefan tangere, percutere. Hpt. 6, 7. der tref nicht recht kam (dem bogner). Garg. 181*. ** Pfeiffer, dichter d. Nibelungenl. 41.

zu DEN ALTDEUTSCHEN GESPRACHEN. 467

lieder sind in Walthers art und weise, nach der sich der truch- sesz von S. Gallen ausbildete, sie stellt Lachmann in sein drittes buch als unzweifelhaft waltherische, während ihm alle lieder seines vierten buchs zweifelhaft erscheinen, unter welchen doch das schöne letzte s. 124 die deutlichsten zeichen von Walthers poesie an sich trägt.

Beim wiederlesen der singenbergischen lieder habe ich einiges wahrgenommen, was mich glauben macht, dasz auch die 8. 106 108 Singenberg und nicht Walther gehören. 106, 35 steht 'sin selbes man' wie MS. 1, 156'' 'min selber frouwe'. Sin- genberg liebt die adverbia daher, dahin, hinnen hin, so: hinnen hin 149''; al da her 149''; hinnan hin als ouch daher; hinnan dar 152''; von hinnen 156"; das 'da hin da her' Walth. 107, wahr- scheinlich auf ein damals übliches gesellschaftsspiel bezüglich, scheint also singenbergisch. 'als do' 106, 26 steht sonst nicht bei Walther. der politische blick in diesen liedern geht weiter als in dem was wir sonst von Singenberg kennen, entscheidend wäre, wenn sich die 'treflfe' in der Schweiz aufspüren lieszen.

ZU DEN ALTDEUTSCHEN GESPRÄCHEN.

Germania. Jahrg. 3. 1858. s. 48 51.

Dies dem inhalt und der spräche nach sehr rohe, dem 48 naiven colloquium Älfrici weit nachstehende denkmal enthält doch einige sonst unbekannte, lebendige Wörter und reicht gleich- falls in das zehnte Jahrhundert zurück, ein glücklicher zufall hat die beiden blätter aus Rom und Paris wieder zusammen geführt und man wird gereizt ihren sinn völlig herauszubringen, vieles ist schon von meinem bruder gut erklärt, einiges aber, wie mir scheint, nicht getroflen worden.

15. guare uengelinaz selida gueselle, ubi abuisti mansionem ac nocte compagn. das versuchte wärun gelina az selido ist unstatthaft, leicht sieht man, dasz nazselida zusammen gehört und nachtherberge bedeutet, dem mansionem hac nocte ent- sprechend, wie z überhaupt hervorgieng aus th (gesch. der d. spr. 395), so ist hier naz geschrieben für nath und dies für naht, zur vollen bestätigung dient inaz 24 = hinaht, ja man könnte in unsrer stelle dasselbe inaz vermuten, liesze sich dann uengil deuten, nahtselida verbindet sich wie hüsselida in der folgenden zeile oder sonst burgselida, fähan aber ist das verbum dazu, Parz. 638, 6 vom stern:

wand er der naht herberge vienc. das u in uenge ist v oder f, wie in gauathere 101 und das e ist e, wie in guez, enbez = weiz, enbeiz. wie zu verstehn ist

30*

468 ZU DEN ALTDEUTSCHEN GESPRÄCHEN.

aber das angehängte li? ich suche darin eine enclitische partikel und vergleiche zunächst das ahd. le , lio bei Grafi* 2, 31. 33, auch die Schlettstädter glossen bei Haupt 5, 343 geben: inter- jectio deprecantis, quod in nostra lingua dicitur le vel leo, sicut est lio dua daz, und bei Notker Boeth. 46 heiszt es: waz muost tu mih lio tageliches mit tinen chlagon, quid tu o homo ream me cotidianis agis querelis? noch heute ist dem kärntnerischen dialect geläufig lei einzuwerfen, wovon Lexer in Frommans Zeitschrift 3, 309. 310 beispiele gibt, er vergleicht es dem be- kannten halt. Schmeller 2, 405 hat vom obern Inn und aus dem Zillerthal her ein ähnliches la: schau la! gula! was ans ags. lä, westfäl. la, lo, Schweiz, lo (gramm. 4, 290) mahnt, der ruf kann leicht in frage übergehen, in unsrer stelle ist li deut- lich fragend und dem li gleich, das die Slaven bei der frage ans verbum hängen, es genügt auf Jungmann und Linde zu verweisen, unsere alten fragpartikeln sind meistens erloschen, nach dem Wechsel zwischen 1 und n dürfte man li, la selbst dem ahd. na (gramm. 3, 755) vergleichen, reinahd. ausgedrückt lautet der satz: hwär fiengili nahtselida gisello?

16. ist sicher ze, nicht te zu lesen, t für z widerstrebt dem ganzen, offenbar fränkischen denkmal und der zug am fusze des buchstabs drückt das z aus. die Schreibung geraben garaben ist wie terue, semauda, canet und gibt keinen aufschlusz über grävo.

18. e cunt simino dodon' II, de domo domini mei. vorerst 49 will ich dodon' erklären, das zu lesen ist dodones, wie [hier]

lat. tep' man' für tempus manus steht, dodones aber ist gen. von dodan = goth. |)iudans, ags. Jjeoden, alts. thiodan theodan rex, dominus, Totonis villa heiszt in Urkunden Thionville [Diedenhofen]. das o oder besser 6 in der ersten silbe zeigt verengtes iu, io wie in 6r vester für iuwar, iur, im Essener bruchstück findet sich hödigo für hiutu, hiutagü. cunt für cumu oder cume venio, wie nochmals in der nächsten zeile, fällt auf, gleicht aber dem habent für habem oder haben 48, wo die flexion en das t herbeigerufen haben könnte, wie das m in cume zu cunt wurde, m hätte freilich ein cump veranlassen können, wie in kompt für kommt, man musz bei kunt für kumu den unterdrückten vocalauslaut anschlagen, der hier consonantisch vergröbert nachwirkt (vgl. nnl. boompje und boomtje, bäumchen), das folgende si scheint Verkürzung der praep. üzsi, üz, bedarf aber noch mehr belege, mino dodones hüs zieht das possessivum von dodones zu hüs, wie auch wol sonst geschieht, vgl. 43.

19. e cunt mer min erre us, (venio) de domo senioris mei. hier ist dem cunt = cume noch der dat. des persönlichen pro- nomens beigefügt, ganz wie guas mer 21 für was mir steht, und enbez mer 23 für enbeiz (gramm. 4, 34. 36). noch später heiszt es in einem liede (bergreien s. 121):

ich kam mir zu einem tanze.

zu DEN ALTDEUTSCHEN GESPRACHEN. 469

hinter dem mer scheint aber die zu min erre us erforderliche praep. ausgefallen, wie auch erre für herren oder herron steht, wäre das vermutete si für uzsi richtig, so sollte es heiszen: si mines herren hüs. der herro senior unterscheidet sich vom diotan dominus, und auch 28. 31. 33. 43. 49. 63. 64. 71. 72. 80. 81 drückt herro immer senior, in der formel fromin 14 fro gleichfalls dominus aus.

24. guaren ger inaz ze mettina, ohne latein, welches lauten müste :

fuisti hac nocte ad matutinas? guaren ist wären für wäret, inaz ist hinaht, heint. in hinaht zi mettina liegt nichts unrechtes, da wir ganz gewöhnlich sagen heute zu tag, heint nacht, mhd. hinaht bi dirre naht, hinaht dise naht, so ist hinaht zi mettina vollkommen zulässig.

43. minerro guillo tinesprachen , senior mens vult loqui tecum. ist richtig gegeben: min herro wille (wili) dina sprächün, er verlangt deine spräche für verlangt dich zu sprechen, so sagen wir heute noch: ich wünsche mir deinen umgang, deine Unterhaltung statt ich wünsche mit dir umzugehn, mit dir mich zu unterhalten, gerade so in der edda Saem. 172"* her er madr üti ökudr kominn, vill, fylkir, fund J)inn hafa.

48. 74. ne tropfon für nihil bestätigt meine gramm. 3, 730 gegebenen erklärungen, die Grafi' 5 , 527. 529 übel in zweifei zog, so deutlich schon das französische ne goutte (gramm. 3, 749), das churwälsche nagutta = nihil zustimmt, heiszt es doch im mnl. Brandanus 380 enen dropel niet.

63. guez or erre az pede semauda geren sclephen pedez so uip sesterai rebulga, si sciuerit hoc senior tuus iratus erit tibi per meum caput. pi dia smähida aus pede semauda wird falsch geraten sein, semauda ist smauda und der diphthong au be- gegnet in auren aures 3, in frau 106 so wie dem bedenklichen fraume 85. da nun Schmeller 3, 465 schmaueln, schmaudeln, 3, 466 schmudeln, 3, 462 schmauzeln für liebkosen, schmeicheln, •tändeln, verliebt scherzen und schmudel für ein verliebtes weib anführt; so mag pi dia smauda entweder kosend, tändelnd, im liebesschmerz ausdrücken oder smauda selbst synonym mit dem folgenden pi daz wip stehn und ein zuchtloses weib meinen, niederdeutsch ist smudden, smuddel, smullen gleichviel mit su- deln und schmausen, die auf erre folgende partikel az ist deut- lich die conjunction dasz und der heutige alemannische dialect kennt noch asz für dasz. in sesterai, das eine betheuerung aus- drücken musz, wie sie in per meum caput liegt, ist zwar terai = triwe im sinn von traun enthalten, das vorangehende ses aber beinahe unverständlich, denn sehr gewagt wäre an ses, senio im Würfelspiel zu denken und das heutige 'meiner sechs' (Schm. 3, 194) zu vergleichen, wobei sachsn, tausend sachsn

470 ZU DEN ALTDEUTSCHEN GESPRÄCHEN.

(Schin. 3, 193) in betracht käme, doch das nachfolgende triwe sich nicht recht fügte, wir sind in die alten betheuerungen un- vollständig eingeweiht, ses in so es aufzulösen hilft auch nichts, rebulga meint irasceretur, der indicativ guez zu eingang kann füglich si sciverit bedeuten.

65. in den Worten aba de tinen rose nehme ich de nicht für die lateinische präposition, sondern für den artikel de oder diu. aba de dinen rosse = von dem deinen rosse.

78. büzze mine sco, erea meä cabatctam, hier sind die deutschen worte klar, die lateinischen verderbt, ich lese: re- menda meam cavatam, remendare lebt noch im it. rimendare, sp. remendar, und cavata vetus calceus findet sich bei Ducange, it. ciabatta, franz. savate, sp. zapato.

80. fehlt im deutschen gistra ne casai das wort hiuda, wie es im lat. nee heri nee hodie vorliegt, in der frage ist iuda, 87 eutho, 96 euto, heuto für hiuta geschrieben, nach 18 könnte auch höda öda stehen,

83. guanna, quot viees könnte sich mit dem alts. huand Hei. 87, 6 und dem lat. quantum berühren, das goth. hvelauds quantus gemahnt ans ags. huald (|uotu8 (Haupt 5, 196), lauter noch dunkle pronomina, man erwäge den eben s. 48 [= 468] angeregten Wechsel zwischen n und 1.

85. abtotgot (mit übergeschriebnem hu) fraume, nach andrer lesart mtergote ist schwer zu entwirren, das latein dazu lautet deus vos saldom, wofür wol salvet zu lesen ist. im deutschen ist got sicher, fraume, wenn es fruma sein kann, seltsam, viel- leicht soll es frauwe laetificet sein.

100. scheint klar und nur für inbiz zu lesen inbez, d. i. inbez, inbeiz, welches wie zeile 23 mer = mir bei sieh hat. inbeiz mer dige heiszt edi suffraginem oder partem suffraginis, 51 dige ist das ahd. deoh, mhd. diech, nnl. dij, dije Schenkel, vgl. ohsendiech Helbl. 1, 430, süeze hirn und die MS. 2, 192'', nnl. dijstuk schenkelstück, wie ribstuk rippenstück.

102. inmethi thi scheint richtig und die Vermutung unmez ih dih verwerflich, inmethi wäre imperativ von inmethan, wenn es solch ein verbum gab, das goth. inmaidjan ist mutare, in- maidei j^uk, muta te, permuta vices, was dem Zusammenhang nach hier einen obscoenen sinn haben könnte, läse man mit geringer änderung inmith thi, so käme ein züchtiges schäme dich heraus, denn ahd. sih midan ist erubescere, Graff 2, 675.

106. 107. heiszt es in der erklärung, dasz mine für minna auf ein ags. myne weise, dies aber ist männlich wie das altn. munr, welche freilich alle miteinander zu man und munan ge- hören, das NN hat sich unorganisch entfaltet (gesch. d. d. spr. 904). die schluszworte des denkmals sind in voller unordnungr.

DIE AHD. PRAETERITA. 471

DIE AHD. PRAETERITA.

Germania. Jahrg. 3. 1858. s. 147 151.

Meine aufstellung der althochdeutschen praeterita lautete 147 bisher:

nain nämi nam, nämumes namut nämun scolta scoltos scolta, scoltumes scoltut scoltun nerita neritos nerita, neritumes neritut neritun pranta prantös pranta, prantumes prantut prantun salpota salpötös salpöta, salpotumes salpötut salpotun hapeta hapetos hapeta, hapetumes hapetut hapetun, die erste reihe gehört der starken form, die fünf übrigen sind der schwachen.

Dies paradigma ist aber nur den fränkischen und bairischen denkmälern gemäsz, namentlich den hrabanischen, casselischen, monseeischen glossen, der exhortatio, dem bruchstück aus Matthaeus, dem Hildebrands und Ludwigslied, Tatian und Otfried.

Anders jedoch verhält es sich mit dem hier noch uner- kannten alamannischen dialect, der zwischen starker und schwa- cher conjugation unterscheidend, zwar jener das characteristische u lässt, in der schwachen hingegen überall 6 dafür verwendet, die beispiele ändern sich demnach folgendergestalt : nam nämi nam, nämumes nämut nämun scolta scoltos scolta, scoltomes scoltöt scoltön nerita neritos nerita, neritomes neritot neritön pranta prantös pranta, prantömes prantöt prantön salpöta salpötös salpöta, salpötömes salpötöt salpötön hapeta hapetös hapeta, hapetömes hapetöt hapetön, der unterschied rührt also nicht den sg. , blosz den pl. an, er wird aber befolgt in Kero, in den hymnen, der Samarit. , in den Diut. 1,491 525 gedruckten bibelglossen , in den glossen zu Prudentius, im Georgslied, endlich durchgehends bei Notker, nur dasz diesem das u sich zu e verdünnt hat, ö aber haftet, er conjugiert:

nam näme nam, nämen näment nämen solta soltös solta, soltön soltönt soltön nereta neretös nereta, neretön neretönt neretön branda brandös branda, brandön brandönt brandön salbota salbotös salbota, salbotön salbotönt salbotön habeta habetös habeta, habetön habetönt habetön. In allen paradigmen mag die länge des dem t vorangehen- den ö und e unsicher sein, da sie in den handschriften oft gar nicht oder schwankend bezeichnet wird, älteren denkmälern darf man mehr das ursprüngliche ö und e lassen, späteren o

472 DIE AHD. PRAETERITA.

und e ertheilen, wie ich zumal bei Notker annehme, auf diese vocale kommt uns aber hier nichts an, blosz auf Unterscheidung des starken um ut un von dem schwachen tom tot ton, womit kein tom tot ton gemeint sein kann, weil Notker, der jedes u der flexionen zu e schwächt, an tön festhält, wenn es auch die 148 handschriften bald tön bald ton schreiben, für die länge ent- scheidet das alte 'platoon winti indi erloso tatun' K. ed. II at- temer 33 flaverunt venti et impegerunt, was der Übersetzer als impie egerunt auffaszte und erloso tätun verdeutschte, doch diese albernheit stellt uns den unterschied der formen piatön und tätun lebhaft vor äugen, andere belege aus K. sind ke- hörtömes audivimus 34; lirnetön didicerunt 34; farhoctön spre- verunt 37; kisaztömes 66. 123; ferdoletön 110; lirnetömes 114; neben dem u starker form: entfiangut accepistis 36; pirumes sumus 38. 102; qhuätumes diximus 64. 106; sculuu debent. 99. zum überflusz mögen hier noch mehr beispiele des tön folgen: cavestinötön Diut. 1, 49P; furicimbartön 492"; winetön carpe- bant, slaffetön torpebant 293"; soffötön condiverunt 493''; ana- gasaztön 495''; kiurdriozötön, warabötön 498''; kiantfragötön 507*; hebitön 510"; hisaztön 519"; arekisötön 519"; piweritön abigerunt 519"; anailtön inhiabant 520''; prantön 523"; trah- tötön 529"; wuaftön luxerunt 529''. gegenüber starkformigen praet. in derselben glosse: kifluhtun 491''; woahsun 493''; ar- prahastun = arprästun erumpebant 497''; wurtun 497''; luafun lambebant 499''. auch hymn. 19, 5 warun neben wizinötön.

Die sogenannt keronisehen glossen Diut. 1, 128 ff. bieten fast keine praeterita, doch steht erwalztom 1. arwalztön divelle- bant 195, wo die Reichenauer, mehr fränkische hs. arwalztun, Hattemer 1, 164'' aber richtig irwalztön u. irprächun gewährt; kilägötun obsidiaverunt 204'' ist wieder aus der Reichenauer hs.

Die Übersetzung des isidorischen tractats hat, nach Hol/>- manns ausgäbe, chihördön 7", 13; chifrumidön 9'', 4; sendidön 9^ 12; dhecchidön 10", 7; aughidöm 11", 18; folglich wird auch 14", 4 mahton d. h. mahtön, und nicht mahtun zu lesen sein, in dies denkmal, das man doch sonst eher für fränkisch als für alamannisch halten wird, könnte ein alamannischer abschreiber die o = ö an die stelle fränkischer u eingetragen haben , wie das fragment bei Maszmann zu bestätigen scheint, welches s. 19 deonötun liest, nicht deonötön.

Eine menge schwacher tön liefert Notker allenthalben, am überzeugendsten wenn ihnen starke en zur seite stehen, z. b. Boeth. 126 triumviri hiezen die über fravali dingotön; tie föne anderen bürgen dara chomene wären, tie habetön dia selbün ea; Capeila 126 raspotön daz üzer iro munde fuor sumeliche diernun, die liste unde lirnunga hiezen. er wird stets wären, fuoren, würfen, gruoben und stets soltön, woltön, mahtön, lege- tön, saztön, iltön, gesameuotön, zeigotön schreiben, wenn gleich

DIE AHD. PRAETERITA. 473

die abschreiber den circumflex über dem o sparen, wäron gruo- bon setzt kein einziger so wenig als solten, wolten, raspoten.

Was uns die alamannischen quellen vom achten bis zum eilften jh. schauen lassen, das kennzeichen un für starke, ton für schwache pra^terita, kann nicht so leicht aus der spräche gewichen sein, musz unter dem volk auch noch später gehaftet haben, von Notker bis auf Hartmann von Aue oder Rudolph von Ems ist schon ein beträchtlicher Zwischenraum, diese dich- ter mögen aber auch von ihrer schwäbischen oder alemanni- schen mundart übergetreten sein zur hochdeutschen dichter- U9 spräche, ich wüste aus ihren werken keine spur oder nach- wirkung des alten tön aufzuweisen, allein Urkunden und andere prosadenkmäler des 13. 14. jh. könnten sie eher zu erkennen geben, wer die von Grieshaber bekanntgemachten, aus dem Schwarzwald stammenden und noch dem 13. jh. angehörigen predigten liest, entdeckt in ihnen vielfach neben sahen, giengen, zugen, waren auch noch wincton, volgeton, opferoton, antwur- ton responderunt, verschiedentlich scheinen die Schreiber den unterschied zu vernachlässigen, am sorgfaltigsten wacht über ihre auffallend eigenthümliche mundart die hsind, nach Gries- haber eine frauenhand, von der die blätter 73 77 (theil 1, 83 91) herrühren, und die unser altes tön durch tun aus- drückt, wie sie auch sonst u für ö setzt, es heiszt hier hueben, giengen aber randun (rannten) setun (sagten) fuortun (führten) neben wauren (wären) bauten (bäten), das ist völlig die alte, notkersche Unterscheidung, in heutigen schwäbischen oder schwei- zerischen eigenheiten der gemeinen Volkssprache, die sich be- kanntlich des einfachen proet. enthält, wird schwer danach zu suchen sein.

Wie nun ist dieser alte und lange zeit fortdauernde ab- stand der prseterita nämun und neritön, prantön zu verstehen? welchen grund mag er haben?

Ich bin geneigt ihn in die frühste zeit unserer Sprach- geschichte zu verlegen und hier eine einleuchtende berührung zwischen alamannischem und gothischem dialect zu gewahren, die in keinem der übrigen so offen vortritt.

Es springt in die äugen, wie genau die starken prreterita nam nämi nam nämumes nämut nämun den gothischen

nam namt nam nemum nemuj) nemun, wiederum die schwachen

scolta scoltös scolta scoltöm scoltöt scoltön nerita neritös nerita neritöm neritöt neritön den gothischen zur seite stehn:

skulda skuldes skulda skuldedum skuldeduj) skuldedun nasida nasides nasida nasidedum nasidedup nasidedun und so durch die bank.

•474 DIE AHD. PRAETERITA.

In der starken flexion entsprechen sich goth. um u]) un und alam. um ut un, in der schwachen aber goth. dedum dedu}) dedun und alam. tom tot ton; wie könnte es anders sein, als dasz nicht ein solches tom tot ton aus einem früheren tätum tätut tätun gekürzt hervorgegangen wäre? längst ist gezeigt und bewiesen, dasz unserer schwachen verbalflexion ein auxi- liares thun unterliegt, das bereits im goth. sg. da des da kür- zung erlitt (GDS. 882), den fortschritt ähnlicher kürzung er- blicken wir im alam. tom tot ton wie im tum tut tun der übri- gen deutschen sprachen, nur dasz in dem 6 das gewicht der vollen form nachwirkt, die flexion der starken pneterita blieb unverändert und ihr u erfuhr keinen eindruck. ähnliche wort- 150 Verengungen trugen sich genug in der spräche zu: hiutu, hiuru aus hiutagu, hiujäru, Notkers chit, sist aus chidet, sihest, und noch häufiger mhd. git lit schät hau Albreht aus gibet liget schadet haben Adelbreht, man beachte zumal bon für boum (Haupt 4, 547) trön für troum (üiut. 3, 6) wegen production des letzten u, wie in tom, ton für tätum, tätun. am wichtig- sten ist es aber nicht sowol einzelne fälle als ganze verbalreihen zu erwägen, namentlich die Verengung der gothischen redupli- cationen lailaik maimait haihait haihald saizlep lailot und aller solcher in ahd. liah miaz hiaz hialt sliaf liaz, mhd. [liech] miez hiez hielt slief liez; ja auf einer noch viel älteren stufe unserer spräche mögen sogar die scheinbar einfachen ablaute nam las u. 8. w. aus der reduplication ninam lilas oder ninama lilusa entspringen, folglich läge allen formen des starken wie schwa- chen Präteritums wo nicht gleiche doch ähnliche kürzung zum gründe, der schlieszende vocal mag dabei verlängert werden oder nicht, wir wissen nicht, ob dem hialt hielt hier oder da ein heialt hialt hialt hialt vorausgieng. alle übrigen dialecte, der fränkische, thüringische, bairische, sächsische behielten kur- zes tun, dun und schon mhd. ten steht dem en der starken praet. gleich; der alamannische hatte ein feineres nachgeftihl der eingetretnen Verdichtung und stellte dem starken un schwa- ches ton gegenüber.

Da nun aber das zweisilbige goth. dedum in alle flexionen des prägt, conj. übergieng, mithin diese

skuldedjau skuldedeis skuldedi, skuldedeima skuldedei}) skul-

dedeina,

nasidedjau nasidedeis nasidedi, nasidedeima nasidedeij) nasi-

dedeina lauteten und von den starken

nemjau nemeis nemi, nemeima nemeijo nemeina abstanden; so fragt es sich, ob auch im conjunctiv der alaman- nische dialect von den übrigen abgewichen sei?

Sicher gebührt hier dem pl. aller dialecte langes i, weil es schon im goth. ei begründet ist:

DIE AHD. PRAETERITA. 475

scoltimes scoltit scoltin

neritimes neritit neritin, ganz wie njimimes namit namin,

obschon die handschriften diese theoretische auf'stellung nicht rein erkennen lassen, meist nur i statt i gewähren, welches allmälich auch jenem gewichen sein musz. nicht anders darf die theorie der zweiten person des sg. durchgängig is einräu- men, sowol in nfimis als in scoltis, neritis. Schwierigkeit greift blosz für I und III sg. platz, hat man aus dem goth. jau ein ahd. i, aus goth. i der starken flexion ein ahd. i, aus goth. dedi der schwachen ein ahd. i zu folgern? in der dritten person starker form, glaube ich, darf insgemein nur kurzes i eintre- ten, weil zu langem nirgends ein grund obwaltet, für die schwache form wird aber wiederum zwischen fränkischbairi- schem dialect und dem alamannischen zu unterscheiden sein, dieser wird das goth. dedi durch ti ausdrücken, wie dedun durch tön, jener hingegen kurzes ti behalten, wie er tun be- löi hielt, hiernach ist also starke und schwache flexion der III sg. prait. conj. alamannisch verschieden, sie lautet nämi aber scolti, neriti, während fränkisch nämi und scolti, neriti galt. * ent- scheidend für den alamannischen brauch ist Notker, welcher . wäre esset, chäde diceret, täte faceret, wurte fieret, stieze tun- deret schreibt, allein solti deberet, mahti posset, lusti cuperet, scunti incitaret, gleichviel ob die handschriften oft auch solti mahti lusti setzen, keine wird solte mähte luste, noch weniger wäri chädi täti schreiben, wie vorhin im ind. bürgen und habetön nebeneinander standen, findet sich hier im conj. truoge und solti Bth. 56 ; zegienge unde begondi Bth. prol. 3 ; uber- wunde und fröniscoti Cap. 164; fareti und bräche Cap. 164. diese e oder i der starken III sg. pmet. conj. stehen auf glei- chem fusz mit der starken II sg. pnet. ind. was endlich die I sg. conj. angeht, so ist diese gerade wie die III zu behan- deln, weil Notker wäre essem, täte facerem, dagegen solti de- berem, mahti possem, scunti incitarem schreibt.

Ich glaube mit dieser auseinandersetzung, und sie muste umständlich geschehen, eine vorher übersehene eigenheit des alamannischen dialects gebührend hervorgehoben zu haben, dieser dialect zeichnet sich noch durch vieles andere aus, was einmal genau zusammengefaszt werden sollte; bis auf heute er- scheint unter den volksmundarten die schwäbische und schwei- zerische vorzüglich lebendig und sinnig, es wäre ein glück gewesen, wenn unser hochdeutsch sich mehr aus der alaman- nischen spräche, als aus der fränkischen und bairischen gebil- det hätte, wie weit steht die klarheit und frische in Hebels poesie über der blöden, die verbalflexion oft abbeiszenden mund- art des dietmarsischen quikborns.

* zu Dünkelspil: wjere, n.nerae, uuege : aber dienti, leiti, erkanti. (Hpt. 7, 97. 102.)

476 I>ER DEUTSCHE INSTRUMENTALIS.

DER DEUTSCHE INSTRUMENTALIS.

Germania, jahrg. 3. 1858. s. 151 154. \

151 Was wir, nach weise der Slaven und Litauer, dativ und instrumental nennen, heiszt auf lateinisch dativ und ablativ. die griechische spräche kennt keinen ablativ, nur den dativ. das latein wirft beide casus häufig zusammen, im pl. überall und im sg. zweiter declination, nicht selten dritter; blosz die erste, vierte, fünfte unterscheiden den dat. ae, ui, ei vom abl. a, u, e, die dritte gewöhnlich den dat. i vom abl. e. es leuch- tet ein, dasz i in allen declinationen (denn ae ist = ai und o steht für oi) den dat. wirkt, im abl. aber wegfiillt. zu merken sind die pronominaldative ei, illi, isti, ipsi, cui, huic gegenüber den dreigeschlechtigen abl. eo ea eo, illo illa illo, isto ista isto, ipso ipsa ipso, quo qua quo, hoc hac hoc.

Auch in den deutschen sprachen hat der pl. nur dative, keine instrumentale, und der sg. scheint sparsam damit ver- sehen, wo eine instrumentalform haftet, verdrängt sie meisten- theils den dat., das ist ein zeichen aussterbender formen, wie z. b. auch duale, wenn sie haften, den pl. mitvertreten.

152 Der Gothe besitzt blosz in den partikeln ei, \>e oder Jjei, bil)e, duj)e, hve, sve desgleichen in den pronominalbildungen hveleiks, hvelauds Überreste des instr. neutr., unterschieden von dem dat. imma, jjamma, JDvamma, kein svamma bietet sich dar. das eigentliche nomen subst. und adj. kennen keinen instr. m. oder n., lauter dative.

Ahd. entspricht nichts den goth. partikeln ei und sve, wol aber diu und pidiu, zidiu dem Jie, bij)e, du|)e; huiu, später wiu dem hve; die dative lauten imu, demu, huemu. auszerdem ist hin ein den Substantiven tagü und järu, also einem m. und n. zugestellter instrumental, ganz im sinne des lat. hoc, und die kürzung hiutü gleicht vollkommen dem lat. hodie für hoc die, hiujärü kürzt sich in hiurü, das lat. horno geht auf hoc anno zurück, hornus gebildet wie diurnus von diu, die. dem Gothen gilt ein dativisches himmadaga, kein himmajera begegnet, un- erhört wäre ein instrumentales hedage, hejere. aus dem ahd. hiutü, hiurü folgt, wie gesagt, ein substantivischer instr. m. und n. tagü, järü und die grammatik hat ihn in viscü ange- setzt neben dem dat. visca, wie den instr. adj. plintü neben dem dat. plintemu. für das m. ist beweisend mit gerü im Hildebrandslied, fürs neutr. dinü sperü und billiu ebenda, goth. hveleiks wird zu ahd. huiolih, wiolih statt huiülih, wiülih.

Alts, ist der oft erscheinende instr. thiu auf das n. einzu- schränken und dem m. abzusprechen, nicht zu übersehn der gleiche casus in thius, hoc. doch unterscheidet sich auch im

DER DEUTSCHE INSTRUMENTALIS. 477

n. der dat. theinu vom instr. thiu. subst. und adj. gewähren denselben instr. folkii, barnü, godü, minü neben dem dat. folka, barna, godemu, minemu. masculina gestatten blosz den dat. fiska, godemu, minemu.

Ags. lautet die dem goth. jje, ahd. diu entsprechende par- tikel |)e oder |)y, dem alts. tliius gleicht ags. jDeos. die nomi- nalinstrumentale endigen auf e, sind aber für adj. und subst. sowol dem m. als n. zuständig, neben beiden gilt zugleich ein dativ. belege sind gegeben GDS. 936.

Altn. erscheint ])vi und hvi für goth. pe, hve, offenbar ist J)vi unorganisch an die stelle von |)i getreten, das noch hin und wieder auftaucht, auch durch schwed. ty, dän. ti, neben hvi bestätigt wird, nicht nur diese beiden instrumentale, son- dern auch die adjectivischen auf u endigenden stehn blosz dem n., nicht dem m. zu, erstrecken sich beim n. aber zugleich auf den dativ, anders ausgedrückt, alle neutralen adjectiva haben nur den instr., alle männlichen nur den dat., alle sub- stantiya welches geschlechts sie seien, lediglich den dativ.

Überschauen wir die bisher verhandelten instrumentale, so sehen wir sie bald dem nomen überhaupt, bald dem subst. ent- zogen, bald aufs neutrum beschränkt, bald dem masc. und neutr. überwiesen, iht hauptsitz scheint allerdings das prono- minale und adjectivische neutrum, in welchem sie wiederum den dativ sowol vertreten, als neben sich dulden, mhd. und nhd. hat der dativ ganz die herschaft an sich gerissen und mit ausnähme einiger Überbleibsel in partikeln den instr. verdrängt.

Noch aber ist ungefragt nach einem weiblichen instrumen- 153 talis, und darauf zu antworten bildet der Untersuchung schwie- rigsten theil. da sich der lat. abl. f. sg. meistens von dem dat. scheidet, der sl. und lit. instr. f. vom dat. absteht, warum sollte unserer spräche diese Unterscheidung fremd geblieben sein?

Ich habe ein Verhältnis wenigstens zu berühren, dessen erörterung nicht hierher gehört, die lateinische spräche erwei- tert in erster, zweiter und fünfter declination sämtliche nomina jedes geschlechts durch ein dem gen. pl. eingeschaltetes, aus S entsprungenes E,. wir schalten gleichfalls allen starken adjecti- ven der aform R, goth. Z ein, nicht den Substantiven; aber wir gewähren dasselbe R auszerdem allen starken gen. und dat. sg. f. unser nhd. blinder ist niederschlag des ahd. plin- tero cajcorum, c:ecarum, des gen. sg. f. plinterä caecae und dat. sg. f plinteru crecae. die goth. gen. pl. blindaize blindaizo blindaize kamen dem lat. caecorum caecarum noch näher, der gen sg. lautete blindaizös; doch der dat. sg. f. nicht blindaizai, vielmehr blindai, dem subst. gibai analog, alle übrigen deut- schon sprachen lassen das R auch dem dat. sg. , der ags. dat. flectiert gleich dem gen. blindre, der altn. gen. blindrar, dat. blindri.

478 DER DEUTSCHE INSTRUMENTALIS.

Dasz die Gothen ihrem dat. blindai das z entzogen, ist bedeutsame abweichung von dem typiis der übrigen, doch er- scheint eine wichtige ausnähme, dem dat. izai und J3izai des pronomens steht z dennoch zu, wie dem gen. izos, })iz6s, was läszt sich daraus entnehmen?

Ich bin auf den gedanken verfallen, dasz izai und l)izai wahre dative seien, blindai instrumentalform zeige, die im go- thischen den dat. blindaizai verdrängte, wie umgekehrt der männliche und neutrale dat. imma, jiamma, blindamma den instr. verdrängt hat, den wiederum dieselben pronomina in den Partikeln ei und pe hegten, der eigentliche instr. [m. n.] konnte demnach blinde oder blindei lauten.

Ahd. erhielt sich die dativflexion vorwaltend sowol in imu, demu, plintemu als in iru , deru , plinteru ; nur ausnahmsweise bricht der instr. diu, plintü hervor.

Ags. herscht der dat. in him hire him, \>km J)aBre J)äm, blindum blindre blindum, woneben doch die männlichen und neutralen instrumentale })e und blinde vorkommen.

Altn. gilt der dat. m. in ):)eim, blindum, der dat. f. in J)eirri, blindri, hingegen der instr. n. in {)vi, blindu, folglich ist im m. f. der instr., im n. der dat. gewichen, blindu tilgt blin- dum wie blindai blindaizai.

Sollte sich aber jener gemutmaszte goth. instr. f. blindai nicht auch in den andern dialecten spuren lassen?

Bei Otfried 1. 25, 6 ist eine merkwürdige stelle: druhtin, quad er, wio mag sin, ja bin ih smäh^r scalc thin, thaz thih henti mine zi doufenne birine? hier kann man henti nicht als nom. pl. deuten und das verbum im sg. statt des pl. (keine hs. liest birinen) hinzu nehmen, denn es müste mino daneben stehn; wäre aber mine die zur 154 dativform des subst. gefügte weibliche instrumentalflexion, so ergäbe sich der passende sinn, dasz ich dich mit meiner hand berühre, und dies henti mine birein gliche aufs haar dem goth. gamehda meinai handau, scripsi mea manu Philem. 19, oder dem ufmelida handau meinai, subscripsi manu mea in der Urkunde, dem ahd. männlichen instr. minft stände der weib- liche mine zur seite, wie vielleicht dem ags. männlichen mine der weibliche minä, da Lye unter dem wort read aus ps. 135, 15 die phrase anführt 'on J^ä sas reudre' in mari rubro, wo pk nicht der acc. sein kann wegen des folgenden reädre, dies müste denn für reäde verschrieben sein, doch soll auch ps. 105, 21 stehn on sae reädre, ohne artikel, was den dativ bestätigt, ferner hat Beda 2, 13 mid J)ä faemnan cum virgine; 474, 24 j^ä fordgon- genre tide, procedente tempore, in welchem J)ä unmöglich ein acc. gesehen werden kann.

Längst war von Holzmanns Scharfsinn eingesehn worden, dasz auch im ahd. Isidor 1% 4 die stelle dhanne ir mit ercna ewä abgrundiu wazar umbi hringida, quando certa lege gyro

ZEICHEN FÜR CH, SCH, SZ. 479

vallabat abyssos, ein instr. f. stecken müsse; ich suchte ver- gebens den acc. festzuhalten, der auch sonst unleugbar der pra^p. mit folgt, hier ist der instr. eben so wenig zu leugnen, und wir haben nur anzunehmen, dasz neben solchem a, das dem ags. a begegnet, bei Otfried e eingetreten sei, welches e auch im ahd. pl. m. und in der conjugation dem goth. ai entspricht.

Neugefundene stellen mögen alles besser aufklären und was diesmal zu vermuten gewagt wurde vollends sichern oder ab- weisen, über den dativ der goth. Substantive gibai, anstai werde ich bei andrer gelegenheit sprechen.*

ÜBER DIE FÜR CH, SCH, SZ VORGESCHLAGNEN

ZEICHEN.

G. Michaelis, Über die anordnung des alphabets, besonders in wissenschaft- lichen Wörterbüchern. Berhn 1858. s. 41 46.

Unsere schrift beruht auf der edlen lateinischen, von allen, 41 die es gibt, der schönsten und gefälligsten, abgeänderte oder eingeschaltete buchstaben , wo sie nöthig scheinen, haben den character der lateinischen schriftzüge festzuhalten, sonst werden sie einen Übeln, den Schönheitssinn verletzenden eindruck machen, wenn die schreibende band einer andern als der gewohnten richtung zu folgen gezwungen ist, was sich rechts wendet, links 42 drehen soll, so sind die buchstaben in ihrem laufe gehindert und gewähren widrigen anblick; umgekehrte, gestürzte zeichen stellen sich gesundem äuge wie fehler dar. Sclimeller hatte den unglücklichen einfall unbetonte vocale umzustürzen, wie häsz- lich nehmen sich solche blätter im druck aus und gelehrt wird auf ihnen wenig oder nichts, da uns das gefühl in der betonung von selbst leitet, ein paar ausnahmen leicht auf andere weise bemerkbar zu machen wären, höchst unästhetisch ist das dä- nische 0 für ö, man meint es sei ein getilgtes o, die Letten haben noch mehr solcher verwünschten buchstaben.

Für ch und seh spricht nun stark, dasz sie dem latei- nischen aiphabet völlig angemessen sind, die Römer schrieben chorda chorus Chryses Christus Achilles Schema schola, analog dem ph und th, freilich in lauter griechischen Wörtern, da ihrer spräche diese aspirationen fremd waren, sie lösten griechisches )( auf in ch, folglich a5( in seh, aus ayoivnq ''X^^ °Z^/H'°' muste ihnen schoenus schola schema werden.

Man wird sagen, der lateinischen ch und seh ist eine kleine zahl, der deutschen ein groszer häufe, welcher eben ihre ver-

* steckt in ibai, nibai instr. von iba? blindai mengt sich mit nom. pl. in.; ebenso ahd. mine.

480 ZEICHEN FÜR CH, SCH, SZ.

einfachung wünschenswerth macht, ich weisz nicht warum man die Vereinfachungen nicht lieber bei andern buchstaben beginne, namentlich beim doppelten w, dessen sich die nordischen sprachen bereits entledigt haben : schreibe man nur immer f statt unsers schwankenden f und v, so kann dem v seine eigent- liche bedeutung zurückgegeben werden und wir sind des breiten w, eines unserer häufigsten buchstaben überhoben.

Was nun die vorgeschlagnen o für ch und S für seh an- geht, so sind sie eine gewaltsame neuerung, deren erfolg von einer despotischen willkür wie Peters des groszen, der den Russen ein verkehrtes R für den laut ja vorschrieb, abhienge. dem 0 wird schon hinderlich, dasz handschriften des mittel- alters lateinisches con oder cum mit diesem zeichen abkürzen, soll aber ch gekürzt werden, so lägen zwei andere mittel viel näher. 43 Entweder schreibe man x, womit ja Griechen und Spanier

(bevor sie neuerdings das j unverdient bevorzugten) den laut ch ausdrücken, dasz die Römer, x mit E mengend, ihrem x den laut c verliehen und wir von ihnen x für einzelne chs annah- men, verschlüge nichts, die abgewöhnung wäre leicht, sexs und hexse = sechs und hexe würden sich auf jeden fall besser aus- nehmen als seos und heose, denn x ist ein angenehmer, flieszen- der buchstab, bei dem man sich nicht nach der linken seite zu wenden hätte wie bei dem o. es mag sein, dasz die menge von lateinischen und französischen x in aufgenommenen fremd- wörtern die beibehaltung der lateinischen geltung rathsam er- scheinen läszt.

Oder, was noch einfacher wäre, man lege dem c bedeutung von ch bei; wo/.ii erst das verkehren? sprechen doch alle ro- manischen Völker ihr c vor e und i anders aus als vor a o u, warum sollen wir den k-laut festhalten? die einzige Schwierig- keit, welche ck machen würde, ist leicht durch kk, wofür noch anderes spricht, gehoben, dies c = ch leitet unmittelbar auch zu sc = seh. beide, c und sc, gewähren dem Schreiber volle leichtigkeit, und ursprünglich war das hochdeutsche seh nichts als lautverschobenes gothisches sk, angelsächsisches sc, die als engverbundne laute dem lateinischen sc gleichstehen (scheiden skaidan scindere). alle unbefangnen würden sceinen dem selt- samen Seinen vorziehen.

Ich gestehe dasz mir dieser neue fund schon in seinen Zügen nicht gefällt, 6 hat das aussehen gleichsam eines umge- stürzten cursiven G {g) oder auch eines cursiven A, ja nähert sich dem s. es soll s und o = ch vereinen, seinem s liegt aber ein f zum gründe, das wie wir hernach sehen werden aus un- serer Schrift verbannt ist, und doch nur der obertheil von f, das sonst immer auf den boden herabreicht, viel deutlicher liesze jenes sc den dem kehllaut vortretenden zischer gewahren.

ZEICHEN FÜR CH, SCH, SZ. 481

der Sprachforschung liegt daran, dasz dieser vortritt fühlbar sei, z. b. in den Wörtern schmal oder schmelzen, ganz wie in stier, stern, u. a. m., wo das s klar stehen bleibt, während es in ämal, Smelzen dunkel wird, und wozu für seh gekürztes zeichen neben ungekürzten sp, st, die ungeschriebenes ch doch in der ausspräche vernehmen lassen? die sogenannte deutsche Schrift hat verbundenes |l ;= st, und die cursiv fp = sp, ein paar kleine vortheilchen.

Nach dem heutigen stand unserer deutschen Orthographie lasse ich ch und seh unangefochten und mache von jenem x oder c für ch, von sc für seh keinen gebrauch; zu o und 6 würde ich mich gar nicht entschlieszen können.

Einigermaszen anders verhalte ich mich mit sz zu dem herschenden Sprachgebrauch. dies sz ist keine unhistorische erfindung, sondern längst vorhanden, nur dasz man mit dem eingeführten langen 1" nun auch 3 = z verknüpfte und in f^, ß wie eine locke herabhängen liesz. wer dies ß schön findet, mag es thun, ich habe mich seiner sonst in meinen büchern bedient, um nicht von der gewohnheit abzuweichen, werde es aber nicht weiter anwenden, weil es den character des s und z verleugnet und weil nachdem man dem f mit recht entsagt hat, auch kein aus dem ton der schrift fallendes ß, ft, ip, ebensowenig fz ft fp, sondern nur sz st sp stattfinden dürfen, s leidet, ohne seine Schönheit zu verlieren, keine anknüpfung an den folgenden laut, da aber niemand etwas einwendet gegen st sp, ist auch sz un- angreifbar, s, in minuskel wie majuskel, ist eins der glück- lichsten zeichen, das in anmutiger Schlangenwindung den scharf und spitz ausgehenden zisch darstellt; das griechische, wenn auch graphisch ältere oder gleichalte 2 ist minder schön, aus ihm mag das langgestreckte f, gleichsam eine blindschleiche statt der gewundenen schlänge entsprungen sein, es mischt sich schädlich mit 1, und seit man' ihm links einen haken keimen liesz ist f oft mit f verwechselt worden, die griechische Unter- scheidung des an und inlautenden 3 vom auslautenden ? wird im lateinischen f und s wie im deutschen f und Ö unnütz und lästig, man hat jetzt allgemein gleichförmiges s dafür ange- nommen, wie in majuskel immer nur einerlei }l und S galt.

Vom einfachen, dünnen, scharfen zischlaut des s steht der breitere, dickere und zusammengesetzte, aus aspiration oder 45 assibilation hervorgegangne unseres deutschen z und sz ab und ich habe stets auf reine Scheidung beider in schrift und aus- spräche gedrungen ; die schrift kann hier auf bessere pflege und reinigung der lässigen luid verderbten ausspräche einwirken, die niederdeutsche, namentlich niederländische Verweichlichung des 8 hat allmählich auch im hochdeutsch um sich gegriffen und möglich gemacht, dasz man die auslaute ros oder kus mit denen von schlosz und nusz mengte, so wie umgekehrt einzelne

J.GRIMM, KL. SCHKIFTEN. VII. 31

482 ZEICHEN FÜR CH, SCH, SZ.

SA in s geschärft wurden, ganze reihen inlautender sz in ss übergiengen. Griechen und Römer kennen kein auslautendes SS, Ulfilas bietet einige beispiele dar (viss, qiss), von den neueren sprachen hat ihrer die englische genug; als sich Schreiber luid Setzer beim Übertrag deutscher in lateinische schrift nicht zu helfen wüsten, griffen sie schädlich zu l's, endlich ss für sz in Wörtern wie dass nass hass niss guss schluss oder nach langem vocal in weiss gross bloss und ein Niederdeutscher, wenn er seine mundart in die hochdeutsche umsetzen will, findet sich schwer darein, wenn er sein dat nat in dass nass, sein flit wit in fleiss weiss, sein wis kennis wiederum in gewiss kenntniss wandeln soll, zum wahren scandal tritt aber diese rohe Un- sicherheit hervor im Zwiespalt zwischen deutscher und latei- nischer schrift, da jene noch das alte ß beibehält, diese mit ss vertauscht, man hatte sich eine zeit lang mit l"s, das dem ß gleichen sollte, beholfen, aber fs enthält zwei deutliche sy. kein sz.

Ejnige scheuen sz als einen ungrischen, polnischen buch- stab, dann müste auch das von einigen wieder angewandte <; und i} als polnisch gemieden werden, sz und zs haben schon althochdeutsche gewähr, sehr untriftig scheint mir der von Michaelis seite 6 gegen sz vorgebrachte grund, dasz sich äuszeren mit äuszeren (auszehren tabescere) mische, davon abgesehn, dasz jenes von diesem durch umlaut bestimmt gesondert ist, taucht hier wieder der hundertmal gemachte und entfernte ein- wand auf, man habe gleiche Schreibung verschiedner Wörter und laute zu verhüten, da doch alle sprachen eine menge gleich-

46 lautiger Wörter verschiedner bedeutungen darbieten, die beste,, untadelhafteste Schreibung wird immer noch hinter manchen färbungen des lauts zurückbleiben, die sie entweder nicht erreicht oder nicht erreichen kann, wer nun äu-szern von aus-zeren unterschieden wissen will, die kein dem Zusammenhang der rede folgender leser misverstehen wird, der müste auch ver- langen, dasz man lau-schen und Lies-chen, au-ster und aus- teilen auf eigne weise schriebe oder mindestens, was ich eben

. that, durch widrige striche kennbar machte. Michaelis würde zwar lauSen und Liesoen sondern, auster und austeilen ganz wie sie sind, belassen, ich will beispiele geben, wie wir bei ganz gleicher Schreibung, die niemand zu tadeln beifällt, und auch Michaelis bestehen läszt, dieselben buchstaben höchst ver- schieden aussprechen, wie grundanders sind und klingen die g in angel und angeben, in hunger und ungern, dennoch wer- den sie gleich geschrieben, ihre silben gleich getheilt: an-gel, an-geben, hun-ger, un-gern. offenbar steckt in angel und hunger ein verbundnes ng, das in angeben, ungern nicht ein- tritt, Ulfilas würde es durch gg ausdrücken (vgl. huhrus und huggrjan) schreibt aber ungalaubeins, Unglaube, also darf auch

SCHÖNWERTH, AUS DER OBERPFALZ. 483

im Wörterbuch auszerren unmittelbar stebn hinter auszerordont- lich , angehingen unmittelbar hinter angel. die leser urtheilen von selbst, dasz jenes aus-zerren sei, in diesem Zusammensetzung mit auszer walte, dasz augelangen zu gelangen, angel zu ange falle, wo einmal wirklicher zweifei entspringt, mag leicht rath geschaft werden.

Die Stenographie wird wissen oder erfahren wie weit sie gehen könne, ich urtheile weder über ihre gesetze noch bedürf- nisse. die grammatik darf alle rücksicht nehmen auf die auch hier vortretenden Zerlegungen und gliederungen der laute, sie hat aber ungestört ihren eignen weg fortzuschreiten.

Berlin, 29. dec. 1857. Jacob Grimm.

Aus der Oberpfalz, sitten und sagen, von Fr. Schön- werth, k. b. ministerialrath u. generalsekretär. 1. u. 2. theil. Augsburg 1857. 58. Rieger. X, 448; 2 bll., 460 s. 8.

Literai'isches Centralblatt für Deutschland herausg. von Fr. Zarncke. 1858. s. 336. 337.

Schon der erste theil lieferte eine bedeutende, planmäszig k.sg vorgenommene und ausgeführte Sammlung von sitten und ge- brauchen des oberpfälzischen Volkes, wird aber durch den zweiten noch weit übertroflPen. nirgendwo in ganz Deutschland ist umsichtiger, voller und mit so leisem gehör gesammelt worden; der Verfasser hat gewust, alle vortheile zu ziehen, die sich aus der ruhigen beschränkung auf einen Sagenreichen land- strich ergeben, die berge, hügel und wälder seiner theilweise rauhen, unbegünstigten und doch schönen heimat hegen eine fülle schlichter und treu bewahrter Überlieferung, wie sie anderen glänzenderen gegenden nicht zu geböte stehen, zumal hat die ecke von Waldthurn, Bleistein und Vohenstrausz , hart an der böhmischen grenze, grosze ausbeute gewährt; nicht weit davon, ein wenig nördlicher, liegt Tirschenreut, der geburtsort des un- vergeszlichen Schmellers, der die poesie und kraft der Volks- sprache und alles dessen, was daran haftet, wie keiner erkannte; die begabung des landes scheint auch auf männer, die ihm entstammen, überzugehen, ausdrucksweise, gebrauche, sagen und märchen sind hier noch in recht lebendigem flusse und durchdringen einander wechselsweise, wie lieblich und bedeut- sam sind zum beispiel im zehnten buche die erzählungen von dem wasserfräulein , die aus der sage sogar in das heimlichere märchen fallen und mit den anmutigsten, wirksamsten zügen

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abwechseln, was aber Überraschung und staunen erregt, es begegnen unverkennbare anklänge an die heidnische götterweit und an mythen der Edda, von denen bisher in Deutschland noch keine spur gefunden war; wir zielen besonders auf die sage von Woud und Freid, in deren namen Wodan und Freya deutHch vortreten. Woud ist ein gewaltiger herscher, der einen groszen mantel trägt, dessen httftenkleid durch einen endlosen gürtel gehalten wurde; an diesen gürtel war seine gewalt ge- bunden, seine gemahlin war das schönste frauenbild, sie trank nur wasser aus der quelle; wenn sie sich bückte, um es mit der hohlen band zu schöpfen, erglänzte ihr haar wie sonne, ihr arm wie schnee. sie liesz sich von zwergen einen herz- gewinnenden gürtel schmieden, muste sich aber den zwergen zum lohne ergeben; als Woud erfuhr, um welchen preis sie den schmuck erworben hatte, wich er von ihrer seite und nahm das halsgeschmeide mit; sie eilte dem flüchtigen nach in viele 337 länder, und alle thränen, die sie weinte, wurden zu perlen, wer kann hier die eddische sage von Odin und Freyja, wiederum von Odr und Freyja, von Odins mantel, Thors megingiardar, Gerdis leuchtendem arme einen augenblick verkennen? doch zeigt sich das meiste anders verknüpft, und höchst alterthümlich ist die angäbe, dasz Woud und Freid nackt, nur in hüftkleidern, in mantel und langes haar gehüllt, einher schreiten, der Ver- fasser (baierischer ministerialrath und generalsecretär) ist in der Edda und in Grimms mythologie belesen; wer dürfte ihm zutrauen, den gehalt verworrener volkssage eigenmächtig erhöht und erweitert zu haben? ihm, der eine solche menge der ältesten Überlieferung vorlegt, die nicht erfunden werden mag. wir können annehmen, dasz er alle diese umstände mit den namen gibt, wie sie ihm in dem oft genannten dorfe Neuenhammer oder einem benachbarten berichtet wurden, und fortan werden sie als ein wichtiger zeuge für das heidnische alterthum auf- treten, aufifallenderweise findet sich keine spur von Berhta in diesen sagen, Holda ist einmal (s. 198) als wasserfrau genannt, der Verfasser hält die Oberpfälzer nicht für Baiern, sondern für abkömmlinge der Gothen und Sueven, auch musz hierüber noch mancher zweifei obwalten; durch seine hin und wieder versuchten etymologien leider einspruch. unsere literatur ist ihm aber für eine so reiche und willkommene gäbe den grösten dank schuldig, wahrscheinlich folgt noch ein dritter theil.

ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL. 485

ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL.'

Gelesen in der akademie der Wissenschaften am 6. märz 1862.*

Weder Linne und Cuvier, noch andere ausgezeichnete naturforscher und ornithologen handeln vom schlafe der vögel. es ist als ob die Seltenheit einzelner Wahrnehmungen den be- trachtenden blick gehemmt oder als bedeutungslos habe er- scheinen lassen das, dem doch leicht eine tiefe bedeutung zu- gestanden werden musz. in der natur ist der schlusz vom kleinen auf das grosze, vom engen auf das weite gerecht, so wie um- gekehrt, ich bin im fache der naturgeschichte unbewandert und habe viele hauptwerke gar nicht eingesehn, die sich auf diesen gegenständ beziehen könnten, von neueren schritten nicht einmal Brehms ornis, noch dessen sohnes reiseskizzen aus Nord- afrika, worin sich feine beobachtungen über die vögel finden sollen, eben aus der abwesenheit einiger ergebnisse, nach denen ich mich umsah, darf ich beinahe entnehmen, dasz sie noch nicht aufgefallen sind, weil sie sich sicher sonst allgemein ver- breitet hätten, der zug, welchem hier meine aufmerksamkeit folgt, ist nun der, dasz eine menge von vögeln, wenn sie schlafen, den köpf unter einen ihrer flügel stecken, während viele andere es unterlassen. Audubon, ein Amerikaner, der das leben der vögel in sechs dicken bänden sorgföltig, ja leidenschaftlich be- schrieben hat und auf die geringsten umstände ihrer Wanderungen, ihres nistens und paarens, sowie der nahrung, die sie suchen, eingeht, berührt nur ganz beiläufig in stellen, die ich nachher anführen werde, jene wunderbare gewohnheit, ohne dasz es ihn veranlaszt darüber vergleichende beobachtungen anzustellen oder mutmaszungen zu wagen, denen seine phantasie sonst allen frei nachhängt, es ist wahr, der vögel schlaf in den wäldern auf dichtbelaubten bäumen birgt sich meistentheils vor unsern äugen, dennoch geben uns die hausvögel sowie die in käfichen aufbe- wahrten oder sonst gezähmten wilden vögel ihn anzuschauen hinreichende gelegenheit.

Schon Aristoteles erwägt die gestalt und beschaffenheit der vögel, ihre triebe und thätigkeit aufs fleiszigste und sinnigste,

* [am 11. april 1862 schreibt Grimm an Pfeiffer (Germ. XI, 251): 'in der akademie las ich neulich über stehn, sitzen und liegen, hoffentlich mit einigen neuen aufschlüssen über diese Wörter und Vorstellungen, nebenbei ausführ- licher über- den schlaf der vögel.' ein seltsamer zufall hat es gefügt, dasz die hauptarbeit, wenigstens allem anschein nach, verloren gegangen ist, während sich der zweite Vortrag, dessen die monatsberichte mit keinem worte erwäh- nen, erhalten hat. dasz Jacob Grimm diesen übrigens nicht als bloszen anhang, sondern als selbstständigen aufsatz angesehen wissen wollte, geht daraus hervor, dasz er ihm eigene paginierung gegeben und ihn in besonderem Umschlag aufbewahrt hat.]

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wird aber nirgends zur eingehenden darstellung ihres schlafos angeregt, obgleich er den der fische und insecten näher bespricht, in einer einzigen stelle (hist. anim. 9, 10) berührt er jene weise des Schlafes beim kranich, fügt aber gar keine bemerkung hinzu. es heiszt im Zusammenhang: cppovitxa 8^ roXXa xat r.zpl xa^ Yspavou? Soxsi cfuixßatvsiv £xtot:iCou3i ts ^dp aaxpav, xal sU u'jio? ■Tteioviai upo; zb xa&opav ta xcoppo), xal iav lÖtusi vscprj xai j^sijxspia, xaxaTtTasai YjSuj^aCouaiv. i'u o^ xh zytiv 7i^b\i6v<x ts xal toü; iratJuptTtovTa? iv -oi? idyazon, &'3xz xaraxotSstJÖai rrjv cptuvi^v. oxav 8s xaöi^tovTat, at [xev akkoLi Otto ttjj rTspuYt Trjv xs'^a^Tjv sj^ousai xa^suoouatv IttI svö? ttoSo? IvaXXrf;, 6 6' yjysjjlwv y^M-vtjv £/o>v tyjv xs^aXTjV irpoopa, xal oxav arai^yj-ai xi, arjfiatvst ßoaiv. diese worte hatte vor sich und schrieb aus Antigonus Carystius, ein Alexan- driner, der unter Ptoleraaeus Lagi und Ptolemaeus Philadelphus lebte, hist. memorab. cap. 46: xa? ok Yspavou; i? 3'|>o? rsxscjt^ai, Tva xa&op&at jAaxpa'v. xo?v Toaxii vscpyj xal ausxpocpyjv, r^suyd'^ziv. iyziv ok xal -fjYäixova. xa? jxev ouv aXXa? xai>£ijO£tv, uttö xt)v TT-Ipu^a xa; xscpaXa; {>£t3a%, xov f,Y£}i6va yujxvTjv ej(£iv 7cpoopto|xsvov. xav ar3i>rjxat, arj}iaiv£i.v xat? d'XXai? ßoaivxa. Plinius 10, 30 musz aber zugleich noch eine andere quelle genutzt haben : iramensus est tractus, quo veniunt (grues), si quis reputet a mari eoo. quando proficiscantur consentiunt, volant ad prospiciendum alte, ducem quem sequantur eligunt, in extremo agmine per vices, qui acclament, dispositos habent, et qui gregem voce contineant. excubias habent nocturnis temporibus, lapillum pede sustinentes, qui laxatus somno et decidens indiligentiam coarguat. ceterae dormiunt capite subter alam condito, alternis pedibus insistentes. dux erecto providet collo ac praedicit. von der nachtzeit steht nichts bei Aristoteles, auch könnte man die von ihrem hohen fluge sich niedersenkenden, ausruhenden kraniche nur am hellen tag ersehen und dasz der Wächter im aufgehobnen fusze einen stein fasse, dessen niederfall ihn des schlafes zeihe, ist offenbare fabel, da ja der wachende vogel auf beiden beinen steht und nur die schlummernden einbeinig werden, dieser mythische bericht des Plinius ist aber in alle späteren meidungen über- gegangen; ich enthalte mich hier zu wiederholen, was Solinus und Isidor schreiben, es genügt mir anzuführen, wie unser erster deutscher Verfasser einer naturgeschichte aus der mitte des vier- zehnten jh. Konrad von Megenberg s. 190, 31 der pfeiferschen ausg. sich ausdrückt : die kranch tailent ir schiltwacht des nahtes under sich, also daz ie der zehend kranch wachent beleibt und ir iecleicher der wacht der zeuht ainen fuoz auf von der erden und nimt ain stainl dar ein und stet auf dem andern fuoz, wenne daz stainel vellt, so erwacht er und schreit, also behüett er sich daz er iht släf. die andern släfent also daz si diu haupt ver- pergent under ir flügel und wechseint ir füez. aber ir haupt- man der hüett ir aller mit aufgerecktem kragen und siht sich

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umb mit fleiz. wenn die kränch wölken sehent, so schreient si und manent iren vorvlieger, daz er paz eil, e si daz weter begreif usw. Cicero, der gleichfalls den kühnen und vorsichtigen flug der kraniche schildert (de nat. deor. 2, 49), fügt nichts über ihren schlaf hinzu.

Es scheint, als werde das naturgesetz vom schlafe der vögei, das wir hier behandeln, der menschlichen betrachtung von jeher am beispiel der kraniche zunächst sichtbar, der kranich ist ein so kluger, wachsamer, mutiger vogel, dasz er sich nicht leicht im festen schlafe wird überraschen lassen, ein alter vielerfahrener unter der schar wird sicher bald erwachen oder wie man sagt 'den Wächter spielen'. Audubon, der, wie ich vorhin bemerkte, des vogelschlafs sonst überall geschweigt, kommt wiederum bei dem kranich 3 , 207 auf die gebärde des <jinfüszigen stehens und der haupteinhüllung zu sprechen: this species roosts either on the ground or on high trees. in the latter case they leave their feeding ground about an hour be- fore sunset, and going off in silence proceed towards the interior of high land forests, where they alight on the langest branches of lofty trees, six or seven settling on the same branch. for half an hour or so they usually dress their plumage, standing erect: but afterwards they crouch in the manner of wild turkeys (ducken sich gleich welschen hähnen). in this Situation they are sometimes shot by moonlight. those which resort to plan- tations, situated in the vicinity of large raarshes covered with tall grasses, cats tails and other plants, spend the night on soine hillock, standing on one leg, the other being drawn under the body, whilst the head is thrust beneath the broad feathers of the Shoulder, s. 209 heiszt es von einem verwundet gefangnen und gezähmten kranich: four hours at a time it would stand resting on one foot in a very graceful posture; but what appeared to me very curious was, that it had a favourite leg for this purpose, and in fact none of my family ever found it standing on the other, although it is probable that this happened in consequence of the mutilation of the wing, the leg employed being that of the injured side.

Boccaccio hat im decamerone 6, 4 eine zierliche erzählung von den einbeinigen kranichen, die ich hier einschalte. Currado Gianfigliazzi, ein edler bürger zu Florenz fand groszes vergnügen an der jagd mit hunden und falken. als er eines tags einen jungen, feisten kranich erlegt hatte, händigte er ihn alsbald seinem koch mit dem befehl ein, den vogel für das abendmal zu braten, der koch richtete zu, setzte ihn über das feuer und begann ihn sorgfältig zu braten, bald aber drang der duft davon durch das haus und lockte Brunetta, des kochs geliebte, aus der nachbarschaft in die küche. sie sah den kranich, empfand lust dazu und bat ihren liebhaber inständig ihr ein diech, d. i.

488 ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL.

einen schenke! davon zu geben. Chichibio, das war des kochs name, antwortete singend 'den sollst du nicht haben, ßrunetta, den sollst du nicht haben', worauf sie zornig erwiderte 'bei gott, gibst du ihn nicht, so thue ich nimmer was dich erfreut', noch wechselten sie mehr reden untereinander bis zuletzt der koch, um seine geliebte zu besänftigen, den Schenkel vom kranich abrisz und ihr übergab, gleich darauf wurde nun der gebratne kranich, zu welchem sich der herr gaste eingeladen hatte, auf- getragen und als Currado den kranich mit nur einem schenke! erblickte, wunderte es ihn, er liesz den koch rufen und fragte was aus dem andern schenke! des vogels geworden sei? 'wisset ihr nicht, herr, versetzte Chichibio, dasz kraniche nur ein bein und einen schenke! haben?' 'beim teufe! , sagte Currado, sie hätten nur ein bein und einen schenke!? habe ich nicht mehr kraniche als diesen gesehn?' 'es ist, wie ich sage, antwortete Chichibio, und gefällt es euch, so will ichs an den lebendigen vögeln erweisen'. Currado, in seiner gaste gegenwart, begnügte sich mit den Worten: 'weil du denn behauptest, du wollest mir an den lebendigen zeigen, was ich noch nie gesehen noch sagen gehört habe, so soll das gleich morgen früh geschehen, ich schwöre dir aber zu, wenn es sich anders befindet als du sagst, wirst du zeitlebens an die kraniche und an mich gedenken.' den folgenden morgen bei tages anbruch erhob sich Currado, dem sein zorn noch nicht verrochen war, liesz die pferde vor- führen, den Chichibio mit aufsteigen und so ritten sie einem flusse zu, an dessen ufer sich kraniche zu zeigen pflegten, 'nun werden wir gleich sehen, wer gestern abend gelogen hat, du oder ich?' Chichibio hätte sich gern aus dem staulje gemacht, muste aber stich halten, rechts und links zur seite schauend, däuchte es ihn wirklich, als ob in der ferne kraniche auf zwei beinen ständen, doch da sie näher zum flusz geritten kamen, fielen ihnen deutlich zwölf kraniche in die äugen, die sämtlich auf einem bein standen, wie sie, wenn sie schlafen, zu thun pflegen (dodici gru, le quaü tutte in un pie dimoravano, si come quando dormono soglion fare). schnell zeigte sie der koch seinem herrn 'nun könnt ihr selbst sehen dasz ich gestern die Wahrheit sprach, dasz kraniche nur ein bein und nur einen schenke! haben', 'warte, sagte Currado, ich zeige dir dasz sie zwei haben' und sich den kranichen nähernd schrie er laut ho ho! auf welchen schrei die vöge! alsobald das andere bein hervor zogen, ein paar schritte thaten und sich in die luft schwangen, 'was dünkt dich nun, schurke, haben sie ein bein oder zwei?' Chichibio, ganz verwirrt, wüste erst nicht was er sagen sollte, faszte sich aber schnell und versetzte: 'ja, herr, sie haben zwei, warum aber schriet ihr nicht gestern abend euer ho ho! so hätte der kranich auch das andere bein hervor- gezogen, wie diese thaten'. Currado hatte solches gefallen an

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dieser antwort, dasz sich all sein zorn in lachen verkehrte und er antwortete: 'du hast recht, Chichibio, ich hätte es thun sollen' und damit stand der koch bei seinem herrn wieder in gnaden.

In dieser, glaublich schon früher unter dem volk verbrei- teten sage, ist das schmiegen des kopfs unter dem flügel zwar unerwähnt, versteht sich aber bei dem stehen des kranichs auf einem bein von selbst, ich kann nicht umhin anzumerken, dasz auch in der dichtung vom reiher, der mit einem habn statt des falken gefangen wird, das leckere vorwegessen der stücke des bratens und schon in uralter mythe das essen des herzens aus dem braten begegnet, wobei ganz auf ähnliche weise vorgeschützt wird, dasz das gebratne thier kein herz ge- habt habe.

Der kranich gehört in die reihe der hochhalsigen, lang- beinigen vögel , die grallae , Stelzbeine heiszen ; wir dürfen mit Sicherheit schlieszen, dasz auch reiher, storch und schnepfe zum schlaf das eine bein aufheben und den schnabel unter den flügel einstecken. ob man es beim flamingo, der einen sehr langen schnabel trägt, beobachtete, weisz ich nicht, den storch aber, der mit dem kranich vieles gemein hat, sieht man oft genug in nestern und auf wiesen einbeinig stehen.

Soviel mir bekannt ist, stecken alle Schwimmvögel zum schlaf den köpf unter den flügel, gans, ente, schwan, von der möwe ist es wahrscheinlich auch wahrgenommen worden, ob sie dabei den einen platten fusz in die höhe ziehen, ist schwer zu merken, sie scheinen auf den ganzen bauch niederzuducken, gänse und enten sehen wir vielmal bei tage und in der sonne schlafen, wenn der ganze trupp gänse schläft und eingesteckt hat, ist gerade wie bei den kranichen wahrzunehmen, dasz eine oder mehrere aufrecht stehn bleiben und nach allen Seiten wacht halten; so mag schon im capitol ein Wächter den schrei erho- ben haben, in welchen dann alle anderen gänse erwachend ein- stimmten. Audubon 3, 1 1 sagt ausdrücklich , dasz die gans- herde ruhe und ein oder mehrere ganser wachen ; des schnabel- einsteckens geschweigt er wiederum, wenn es eines Zeugnisses für die muntern enten bedarf, so versichert Masius (naturstu- dien s. 68), dasz sie auf die erde platschen, den köpf unter die flügel bergen und schlafen, was die talentvolleren unter ihnen auf einem beine stehend ausführen. Naumann (naturg. der vögel Deutschlands 1,67) merkt von den Schwimmvögeln als etwas besonderes an: 'wenn enten, taucher und dergleichen auf dem wasser schwimmend schlafen, so stecken sie den köpf unter die rückenfedern und wissen sich wahrscheinlich durch ein gleichförmiges rudern so auf einer stelle zu erhalten, dasz sie trotz den wellen und dem winde weder dem ufer zu noch abgetrieben werden, ob sie gleich oft sehr fest schlafen, wenn ich sonst ehe ich dies wüste schlafende enten auf einem groszen

490 ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL.

Wasser sah, so postierte ich mich unbemerkt so, dasz sie mir die wellen sehr bald zum schusse antreiben konnten, aber im- mer sah ich mich getäuscht, sie schliefen ungestört fort, blie- ben dabei aber auch stets an derselben stelle, ohne dasz sie sich nur im mindesten hätten forttreiben lassen.' wie gewandt und majestätisch der schwan sich über die flut bewegt, weisz jedermann und er vermag sowol auf dem wasser als auf dem lande mit eingestecktem haupt zu ruhen.

Am längsten können zweifei haften in bezug auf die raub- vögel, die auf unnahbaren felsen oder im wipfel hohef bäume horstend ihre gebärde nicht beobachten lassen, doch da sie nicht selten gefangen, in thiergarten gehalten und theilweise gezähmt werden, müssen sich schon einzelne Wahrnehmungen auch an ihnen ergeben, herlich dichtet Pindar gleich im ein- gang des ersten pythischen gesangs, wenn er der goldnen leier macht schildert:

suosi 8' avä oxotTrcq) Ali? a^etoc, (üxsiav TTTspuY' dfxcpotipwöev )^aXa;ai?

er läszt den könig der vögel auf des gottes sper schlafend nur die flügel senken, nicht das haupt bergen und nie hat ihn ein griechischer künstler, die schon vor Phidias den adler auf den seulen des olympischen Zeus darstellten, mit versenktem haupt gebildet; dieser schlafende adler ist unser spervogel , ortfocal, wie ich zum salischen gesetz s. XXIV angeführt habe, die falken stehn in häufigem verkehr mit den menschen, da sie gezähmt und zur jagd abgerichtet werden, weder in dem buche kaiser Friedrichs von der falkenjagd noch in den bei Nemnich gedruckten spanischen und französischen terminologien finde ich die geringste spur davon, dasz sie im schlafe den köpf unter den flügel bergen, es ist bekannt, dasz durch gewaltsame Verhinderung ihres schlafs, wie auch bei elefanten geschieht, und wie man gefangene menschen durch schlafentziehung bis zum tode quälen soll, die wilde falkennatur zahm gemacht wird, möglicherweise könnte dadurch auch ihre angeborne gebärde verändert oder vertilgt worden sein, ein naturforscher versi- chert mir am sperber und an dem kleinen, mutigen thurm- falken, falco tinnunculus, der auch wannenweb^r heiszt, bergen des kopfs und unterstecken des einen fuszes wahrgenommen zu haben, nicht weniger steckt der grosze, träge geier, vultur, im schlaf seinen kahlen hals unter, von diesen raubvögeln gilt wol ein schlusz auf adler, habicht und die edeln falken, wenig- stens ist man erst zu genaueren beobachtungen aufgefordert.

Doch nirgends tritt die wunderbare eigenheit der vogel- natur deutlicher und entschiedner vor als an den Singvögeln, an lerchen, nachtigallen, grasmücken, allen finken und drosseln, an schwalben, ammern, und Sperlingen, wer hat nicht abends

ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL. 491

oder nachts mit rührung und behagen blutfinken und kanarien- vögel in ihrem käfich belauscht, wie sie gleichsam enthauptet in gestalt eines federballes oder Spinnrockens auf der stange sitzen, in diesem zustande völliger wehr und hülfslosigkeit sehen die armen vöglcin mitleid erregend aus. nur wenn sie erkran- ken oder erst spät in der nacht gegen morgen lassen sie sich von den stangen und kauern am boden nieder, es kostet mühe zu ersehen, ob sie in jener Verhüllung auf einem beine oder auf beiden stehn. bei den kurzbeinigen schwalben darf man schwerlich annehmen, dasz sie sich aufrichten, sie werden im- mer auf dem bauche liegen, ohne dasz das kopfeinstecken darum unterbleibt und so mag es sich noch mit andern vögeln ver- halten.

Alle raben, darum auch dohlen und krähen stecken unter, an papageien kann man es vielfach im käfich beobachten und ebenso leicht ist die Wahrnehmung bei den geschlechtern der hüner und tauben, von dem hahn erkennt es schon unsere thiersage an, zwar nicht von dem schlafenden, aber dem blin- zend singenden, und das blinzen mit den äugen, wobei die blinzhaut oder nickhaut (membrana nictitans) niederfällt, ist auch das kennzeichen schläfriger oder einschlafender: nam tuus ille parens uno pede functus, et unum

praecludens oöulum, Carmen herile dabat, ruft Reinardus 3, 943 dem hahn Sprotinus zu, als er ihn zu unvorsichtigem gesang bewegen will, und dann: orbi quadrifido resonum fundebat in uno

stans pede, pupillam clausus utramque, melos. 3, 955. im altfranzösischen gedieht heiszt es von Chantecler:

riens ne douta, si fist que fox

l'un oil overs et l'autre clox.

Tun pie cranpi et Tautre droit,

s'est apoiez delez un toit. Renart 1371, wo wiederum das einziehen des einen und das strecken des andern fuszes die Stellung des schlummernden hahns ausdrückt. Es gibt also Vögel, die, wenn sie sich der ruhe, sei es zu leisem oder festem schlaf überlassen, beides thun, sowol den köpf unter den flügel legen , als mit einem aufgehobnen fusz blosz auf dem andern stehen und dies zusammen scheint mir regel zu sein, ausnahmsweise verstecken sie aber auch nur den Schnabel, ohne jene beinstellung, auf beiden füszen oder auf dem bauch liegend, endlich musz es noch eine zahl von sol- chen geben, die keins von beiden thuend, ihren köpf aufrecht oder gebogen haltend, auf den füszen im schlafe sitzen oder liegen, dahin gehören namentlich die eule mit dem kurzen minder drehbaren hals und dem dicken, gar nicht unter den flügel gehenden köpf, auch merkwürdigerweise der staar, wel- chen man häufig in kästen hält, aber nie den köpf einstecken

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sieht, wie sich einige andere gröszere vögel verhalten, nament- lich der trappe kann ich nicht sagen.

Auch dünkt mich, und verdient genauere prüfung, dasz nur dann der vogel seinen köpf birgt und sich blosz des einen beines bedient, wenn er auf baumast, auf stange oder auf dem boden steht, nicht aber, sobald er im neste sitzt, zumal nicht wenn er auf eiern brütet, denn das brüten erhält ihn wach und er kann erst zum schlafen gelangen, wenn ihn sein gatte von den eiern ablöst.

Ich habe diese erscheinungen des schlafes der vögel, frei- lich sehr unvollständig und mangelhaft angegeben und es kön- nen noch andere von mir übersehene bestimmungen hinzu tre- ten, die für die nahe liegende frage, was doch nun die Ursache solcher zustände sei und wie sie sich erklären lassen, mit in anschlag kommen müssen.

Was ist der schlaf überhaupt? ein mit der nacht, wann das allerwärmende Sonnenlicht scheidet und nur ausnahms- weise bei tag eintretendes nachlassen und aufhören der in un- sere macht und willkür gegebnen, freien bewegung, während die unwillkürliche anhält und fortdauert, athmen, blutumlauf, Verdauung haben auch in dem ruhenden ihren unaufhaltsamen gang, und so wenig wir auf die länge den athem einhalten können , widerstehen wir auch dem über uns kommenden schlafe nicht, demnach erfolgt auch jene bergung des kopfs im gefieder, jenes emporziehen des einen beins, so dasz die last des leibs einzig von dem andern getragen wird, gleichsam von selbst und unausbleiblich, es sind tellurische einflüsse, die sich über die gesamte natur hin äuszern und dadurch verur- sacht werden, dasz unsrer erde die sonne entzogen ist.

Im vorausgegangnen abschnitt dieser Untersuchungen wurde gezeigt, dasz dem stehenden, sitzenden, liegenden noch das ver- mögen beiwohne die unterbrochne bewegung von neuem wieder anzufachen, ein schlafender aber, bevor er aufwacht, dieser fähigkeit entbehre, wenn nun der stehende völlig aufrecht bleibt, der sitzende nur zur hälfte, indem er die beine biegt, so hat sich der liegende gänzlich zu boden gesenkt und sowol den leib als die glieder niedergelassen, aus dem liegen folgt ein legen und sich legen, wie wir auch abgezogen redend die Vorstellung geistiger ruhe in einem sammeln und zusammenlegen finden, jedes sich zu liegen begebende gestihöpf zieht seine äuszersten glieder ein und biegt sie auf irgend eine weise, dasz sie ein- ander näher rücken, rinder, schafe, hunde und so weiter sehen wir im schlafe niederliegen und ihre vorderfüsze dem köpf nähern, schlafenden hunden kommt die schnauze fast auf die pfoten. der quadrupeden vorderfüsze entsprechen aber den flügeln der vögel und das einsetzen des Schnabels unter dem flügel gleicht unverkennbar dem ruck, der die schnauze oder den köpf des

ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL. 493

vierfüszers seinem gekrümmten fusze näher bringt, im roman de Renart heiszt es ausdrücklich v. 28068. 28075 vom fuchs:

si met son groing entre ses piez,

tost fu li gorpil endormiz

car moult estoit soef ses Hz. Martius in der lehrreichen abhandlung von den thiernamen der Tupisprache, dem verbreitetsten idiom Südamerikas, führt s. 477. 498 an, cuati oder cuatim, die benennung der nasua, rühre eben daher, dasz das thier schlafend seinen rüssel (tim) in der weiche (cua) verstecke, nomen derivatur e cua, cinctura, et tim nasus, quia hoc animal dormit naso in hypochondria reclinato. utto- )(ovopia sind bei Celsus praecordia und bezeichnen die weichen theile unter dem brustknorpel und den rippen. allgemein be- kannt ist, dasz der winterschlafende bär seine tatzen zum munde hält und daran zu saugen scheint, ohne zweifei liesze sich von den gebärden anderer schlafenden vierfüszer noch manches ein- stimmende beibringen.

Der mensch schläft gewöhnlich sein haupt über die schulter geschlagen oder auf den ellenbogen und das eine ohr gesenkt, weshalb wir auch für schlafen sagen auf einem ohr liegen, für Schlafengehen sich auf ein ohr legen, die aufliegende stelle des hauptes heiszt davon der schlaf oder die schlafe, nichts aber thut dem schlafenden so wol, als mit den schultern und ellenbogen zu tauschen und bald auf der einen bald auf der andern sich zu ruhen wechselweise: das ist jenes griechische ivalXd^ oder iTiaXXaS, gerade wie auch die schlafenden vögel mit dem zurückgezognen und stehenden bein umwechseln, es geschieht aber auch oft, dasz der schläfer den arm über den köpf hinauf streckt, was der läge des vogels noch näher kommt, ausnahmsweise kann der mensch, zumal der erkrankte, auch auf dem rücken liegend schlafen, kein thier schläft so und nur das todte thier fällt auf den rücken nieder, niemals ruht in ge- sundem zustand ein mensch auf dem bauch, was einige vier- füszer und vögel thun.

Wie rückenlage siechthum oder tod ausdrückt, ist freiHch der schlaf überhaupt auch dem tode ähnlich, doch darin wesent- lich von ihm unterschieden, dasz der tod dann eben eintritt, wenn die im schlafe ununterbrochen dauernden unwillkürlichen bewegungen aufhören, mit dem tod hören alle und jede bewe- gungen auf, daher auch nach dem tod der leib verweset und ver- geht, nach dem schlaf aber gestärkt erwacht, untreffend erscheinen musz auch, dasz man der insecten wunderbare Verwandlung mit dem auferständnis von dem tode verglichen hat, da doch allen Wandlungen der raupe in die puppe, der puppe in den Schmetter- ling wesentlich die fortdauer des verwandelten leiblichen Stoffes zum gründe liegt, mit dem schwinden des lebens aber der ganze leib spurlos aufgelöst wird, allerdings gleicht dem schlafe die

494 ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL.

verpuppung, aus welcher ein Schmetterling erwacht, wie aus der knospe die blume. knospe und puppe sind wiederum eng gefaltet und zusammengelegt, wie der schlafende.

Ich will es versuchen auf die Ursache der erscheinungen des vogelschlafs einzugehen.

Man könnte annehmen, der vogel solle durch verbergung seines kopfs einen schütz im schlafe finden und in veränderter gestalt seinen feinden und Verfolgern unerkennbar werdefi. dieser grund würde jedoch nur für die kleinen vögel gelten, nicht für die groszen , die ihr haupt ebenfalls einstecken und aller furcht ledig sind, ohnedem gewährt ja das dunkel der nacht allgemein eine schützende hülle und jene erklärung würde höchstens auf die minderzahl der fälle gerecht sein, in welchem auch bei tageslicht die vögel sich dem schlafe oder halbschlafe überlassen, wir sehen die henne, deren mütterliche liebe wacht, sobald sich ein geier hoch in der luft zeigt, ängstlich ihre küchlein unter den flügel nehmen; wäre das einhüllen ein Schutzmittel, so würde die jungen ihr instinct antreiben, sich dessen in der ge- fahr zu bedienen, wie sie doch nie thun.

Eine andere ansieht gienge dahin, dasz langhalsigen vögeln, wie kranichen, schwanen, gänsen anlehnung des hauptes noth thue, das sie im schlafe nicht aufrecht halten können; doch auch diese deutung befriedigt nicht in bezug auf die singvögel mit kurzem hals, glaublicher wäre, dasz die bergung dazu diene eine behagliche wärme des athems zu hegen und zu unter- halten, die bei ausgestrecktem köpf geschwächt oder verloren würde, dieser zweck liesze sich aber auch bei bloszer Senkung des kopfs auf die brüst gewahrt denken, ohne dasz es einer Seitenlenkung unter den flügel bedürfte.

Sollte nicht eine deutung vorzuziehen sein, die weniger darauf bedacht wäre, der gebärde einen sichtlichen zweck unter- zufechieben, als sie aus einem inneren eingefleischten trieb der vogelnatur abzuleiten, der für viele und alle anwendungen hin- reicht? wie, wenn schon im ei des vogels der gebrütete em- bryon unter jenen waltenden einflüssen der nacht die läge seiner gliedmaszen annimmt, die er nach dem auskriechen oder aus- picken, nach der ixxoXat^t? beibehält und das ganze leben hin- durch fortsetzt? die ersten eindrücke sind die untilgbarsten, man übersehe nicht, dasz gleich die eben ausgeschloffenen, nur mit gelbem flaum bedeckten gänslein und entlein unter den plumpen federlosen flügel ihr köpfchen legen, wenn sie einschlafen, was ihnen weder schütz noch wärme gewähren kann, sie thun das ihnen eingeprägte, di^s habe ich selbst in meiner eitern hof beobachtet, in bezug auf die küchlein der hüner ist mein ge- dächtnis nicht ganz sicher. Aristoteles sagt uns 6, 3, dasz nach dem zwanzigsten brütetag der emhryon im hünerei seine be- stimmte gestalt gewonnen hat, dasz ihm der köpf über dem

ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL. 495

rechten schenke! auf den weichen, der flügel über dem köpf liegt, i'/ß.i hh T7)v XiCpaXyjv -jTr^p xou oscioü oxsXou? sttI f^ Xa^ovt, TY)v oe TrT£pu7a uTtep ttjs xscpaXr^g. hat mau doch auch in eröfiie- ten alten gräbern die leichen der menschen weder gestreckt noch sitzend, sondern mit armen, haupt und beinen zusammengebogen gefunden, es geschah gleichsam um den leib wieder in dieselbe richtung zu versetzen, die er vor seiner geburt im schosz der mutter eingenommen habe. Hugo von Trimberg wird im Renner 19016 durch die Verwandtschaft der lateinischen Wörter genu und gena zu der betrachtung geleitet:

swer wolte bedenken wa;^ er wiere

e denne sin muoter in gebaere

und wie enge er hege gevangen,

do im diu knie wilent an diu wangen

ruorten, als noch gesippe sin

knie und hiuflin in latin, der sollte knie und wange demütig vor seinem schöpfer neigen, diese vergleichungen dürfte man vorläufig gelten lassen und den anatomen läge ob bei Zergliederung von embryonen auf die läge aller glieder der thiere und vögel genau zu achten, weil sich dann aus wahrgenommenen analogien und Verschiedenheiten einzelner arten vielleicht Schlüsse auf die gebärden lebendiger thiere ziehen lieszen. ich kann nicht sagen, ob schon physio- logen bei erwägung des vögelschlafs auf den gedanken eines Zusammenhanges mit embryonischen zuständen gefallen sind, bin aber in dem freilich dilettantischen, doch sinnreichen und gefühlvollen buche Michelets, das l'oiseau überschrieben ist, s. 130 der ausgäbe Paris 1866 folgender stelle begegnet: in- quiet pour les siens, il Test bien moins pour lui, aux temps il est seul, la nature lui epargne les tounuents de la pre- voyance. triste et morne plutöt qu'alarme, il s'aflfaisse, il cache sa petite tete sous son aile et son cou meme disparait dans les plumes. cette position d'abandon complet, de confiance, quil avait eue dans loeuf, dans l'heureuse prison maternelle sa securite fut si entiere, il la reprend chaque soir au milieu des dangers et sans protection.

Noch aber bleibt davon zu sprechen, wie eigentlich zu der hauptbergung unter dem flügel sich das ausstrecken des einen und das einziehen des andern beins verhalte und es leuchtet ein, dasz nicht die bergung durch die fuszstellung, sondern umgedreht diese durch jene bedingt werde, so lange der vogel seinen köpf aufrecht hält, steht er fest auf beiden füszen zu- gleich, und erst wenn er zu schlummern beginnt und den köpf unter einen seiner flügel steckt, wodurch das gleichgewicht des ganzen leibs gestört werden musz, zieht er zu dessen herstellung auf der dem belasteten oder gehemmten flügel entgegengesetzten Seite den fusz in die höhe, jene alte fabel vom stein, welchen

496 ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL.

kraniche in den aufgehobnen fusz nehmen, und die auch bei ihrer reise über das meer wiederholt wird, sollte sie nicht ge- rade die erforderliche beschwerung des fuszes ausdrücken? Naumann in der naturgeschichte der vögel Deutschlands 1, 67 drückt sich so aus: 'die Waldvögel mit wenigen ausnahmen schlafen des nachts von der abenddämmerung bis zur morgen- dämmerung, die sumpf und wasservögel am tage, vorzüglich um die mittagszeit. viele schlafen auf einem beiue stehend, das andere unter die bauchfedern, und den köpf auf der dem stützenden bein entgegengesetzten seite unter die rückenfedern versteckt; manche auch indem sie sich niederkauern, die grosze sehne, welche im beine herunter sich in alle zehen vertheilend bis an die nägel geht, wird durch die biegung des sogenannten knies angezogen und sichert den schlafenden vogel vor dem herabfallen von seiner Schlafstelle, je mehr sie die obern ge- lenke im winkel biegen, desto fester umschlieszen die zehen den zweig worauf sie sitzen.'

Schon Job. Heinr. Zorn (pfarrer zu Dietfurt und Scham- bach) petinotheologie 1742. 1, 154 bemerkt: 'diese viele wirbel- beine oder gelenke des halses dienen auch dazu, dasz der vogel den hals ausstrecken, einziehen und krümmen oder auch den köpf unter die flügel stecken kann, wenn er ruhen will, wel- ches einen doppelten nutzen hat, einmal dasz 'durch solches zurücklegen und unterstecken des kopfes der vogel desto fester und gewisser stehen kann, weil der körper gegen die füsze zu mehr druck und schwere dardurch erhält, dann aber dasz er sanft und ungehindert ruhen kann und von dem winde in den obren nicht belästigt werden da«f.' Bechstein naturgeschichte Deutchlands 1805. 2, 73 schreibt: 'die kleinen vögel stecken mehrentheils im schlaf den köpf unter einen flügel und stehen auf einem beine. hierbei beobachten sie die vorsieht, dasz sie nie den köpf auf der neralichen seite unter die flügel stecken, wo sie das bein an den leib angezogen haben, denn hierdurch würde die unterstützte seite noch mehr erschwert und das gleichgewicht verloren gehen, wenn sie aber den fusz auf der seite unterstützen, wo sie den köpf unterstecken, so wird da- durch die schwere dieser seite nach auszen vermehrt und der einzelne fusz unterstützt wieder, wie wenn sie auf beiden füszen ständen, die mitte des körpers oder den mittelpunct seiner schwere.'

Ein naturforschender freund gibt mir folgenden schätzbaren nach weis: 'der vogelfusz hat die vielbewunderte einrichtung, dasz die sehne des schlanken oberschenkelmuskels (musculus gracilis) über das knie geht und sich unterhalb desselben mit dem tiefen beugemuskel der fünf zehen (musc. flexor digitorum profundus) verbindet, dessen sehnen sich an die ersten zehen- glieder anheften, beide muskeln mit ihren sehnen haben nur

ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL. 497

die länge des gestreckten fuszes und ziehen daher die zehen an oder krüminen dieselben, wenn bei der doppelten winkel- beugung des fuszes sich ihr weg verlängert, sie umfassen da- bei die unterläge und der vogel sitzt fest so lange er nieder- hockt, ob es nun vögel gibt, welche so wachsam sind, dasz sie die ganze nacht in der ruhelage mit einem angezogenen und einem ausgestreckten beine verharren können, wie es vom kranich heiszt, bleibt dahingestellt, möglich ist es, besonders wenn der vogel dabei mit der fusz und kopflage wechselt.'

Derselbe sinnige und aufmerksame freund will auch zwi- schen einem halbschlaf und dem eigentlichen schlaf der vögel unterscheiden und die beobachtete erscheinung des flügelsteckens nur für den halbschlaf oder den beginn des eigentlichen Schla- fes gelten lassen, der halbschlaf sei ein zeitweiliges ausruhen, das durch verschiedene Ursachen, wie krankheit, alterschwäche, winterkälte könne veranlaszt werden, allgemein trete wohl bei den vögeln das bedttrfnis nach ruhe ein, wenn ihr kröpf gefüllt, der magen befriedigt sei, daher bei den meisten im freien le- benden um die mittagszeit, bei stubenvögeln, wenn sie einsam sind, wol noch öfters, freilich gehe diese ruhe oft in schlaf über, daher auch das benehmen der vögel in der Vorbereitung zu beiden in vieler hinsieht gleich sei, im allgemeinen aber sei der schlaf sorgloser und mehr der natur hingegeben, die ruhe wachsamer und leichter störbar. ehe sich der vogel dem schlafe völlig hingebe, gehe er durch den zustand des halbschlafes , er ziehe die nickhaut über die äugen, schliesze die das licht ganz absperrenden lider nur hin und wider, dann ziehe er das eine von der langen anstrengung ermüdete bein an den leib, berge das köpfchen unter den gegenseitigen flügel und hocke zuletzt ganz nieder, wenn der erloschene wille nicht mehr die sehneu des beines strecken könne.

Kurze mittagsruhe halten (meridiari) kommt ja auch bei weidenden rindern wie bei menschen vor, es gilt aber ganz besonders für die vögel. in Paulis erzählungen schimpf und ernst 1555 cap. 59. 1550 cap. 228 sagt ein knecht zu seinem herrn, der zu mittagszeit reisen will: es ist jetzt am heiszesten, ir verderbet die pferd, es ist 'in der vögel ruh' und ist jetzt die zeit das die mönch schlafen, unsre spräche hat für den leichten oder halben schlaf die im Wörterbuch 2, 1461. 1462. 1759 verzeichneten Wörter druseln oder duseln, sonst auch nicken, besser nücken, einnücken, entnucken (3, 240. 576) und nafzen, entnafzen (3, 574). in duseln ist r ausgeworfen und druseln leitet sich ab von driusan fallen, wie nach dem oben ausgeführten auch fallen für liegen, fällen für legen und wir sagen in schlaf fallen für einschlafen, diese ausdrücke können sämtlich den Übergang aus dem wachen in den schlaf, als aus einem leiseren in den tiefen und festen schlaf bezeichnen.

J. GUIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 32

498 ÜBER DEN SCHLAF DER VÖGEL.

ein mensch, der aus dem beginn seines Schlafes gestört wird^ erscheint seiner nur halb bewust und wie man es nennt sclilaf- trunken. die jedesmalige stufe der Vorstellungen oder der zu- stände dadurch anzugeben scheint fast unthunlich. ob die Ver- hüllung des kopfs und der stand auf einem bein nur dem halb- schlaf einzuräumen, dem festen schlaf bis gegen morgen abzu- sprechen sei, müssen bestimmte Wahrnehmungen, die nicht so schwer werden können, ermitteln.

Es ist doch auffallend, wie wenig oder keine spuren dieser waltenden naturerscheinung in den sprachen und dichtungen der Völker angetroffen werden: eine reihe von Wörtern bilden wir um die verschiedne weise des fluges der vögel und ihrer stimme, ihr schweben und schweifen, ihr flattern, schwirren und federschlagen auszudrücken, wie das einfache schlagen den gesang einzelner vögel, der nachtigall und wachtel bezeichnet, könnte wenigstens das einfache biegen oder bergen fiir jenes characteristische verstecken des kopfes gelten, ich finde aber in der indischen poesie, die sonst von groszer naturwahrheit ist, noch in der ganzen griechischen irgend ein ergreifen des zugs noch eine dafür gebildete Zusammensetzung, kaum dasz in den alten gedichten aus unserm thierepos die vorhin ausgehobnen anspielungen begegnen, sie könnten weit häufiger und leben- diger sein, und unsere neueren dichter, trift sich bei einem von ihnen das herannahen des abends traulich und naturwarm geschildert mit dem ausdruck, dasz schon die schwalbe ihr köpfchen unterm flügel berge? die dichter wie die ornithologen schweigen darüber und nur unschuldige unscheinbare kinder- märchen wahren die formel. in dem von Dornröschen ist rich- tig gesagt, als alles lebende in plötzlichen schlaf versinkt, dasz auf dem dache die tauben saszen und hatten das köpfchen unter den flügel gesteckt, und als alles hernach wieder auf- wacht, dasz sie das köpfchen unterm flügel hervorzogen und ins feld flogen, wie sie auch auf dem beigefügten bilde kopf- los dargestellt sind, im Harzmärchenbuch von August Ey wird ein bursche dargestellt, der sich im walde verloren hat und nicht wieder finden kann, immer weisz er noch nicht, wo er ist, es wird schon finster und die vögel haben auch die köpfe unter die flügel gesteckt und fangen an zu schlafen, ein trif- tiges Zeugnis für die macht der unerforschlichen natur, die über das wissen und die poesie des menschen hinaus geht, süsze heilige natur, lasz mich gehn auf deiner spur!

ÜBER DAS ECHO. 499

ÜBER DAS ECHO.

Gelesen in der akademie der Wissenschaften am 25. juni 1863.

Das echo ist bedingt durch den rückprall eines in der ferne an feste fläche vorgedrungnen lauten schalls oder ge- hobnen rufs. die ihm widerstand leistende wand darf nicht nahe liegen, weil sich dann schall und gegenschall mischen würden, es musz eine kleine zeit, eine secunde verstreichen, bevor unser ohr den gleichsam wiederkehrenden ton aufnimmt, etwa wie nach dem plumpf des in tiefen brunnen geworfnen Steins auch eine halbe secunde vergeht, ehe das verursachte geräusch aufsteigt, die Römer nennen das echo treffend imago \ bei der innigen Verwandtschaft, die zwischen schall und licht, zwischen widerschall und Widerschein stattfindet, dürfen wir es einem lichtbild vergleichen , das sich einer sache gegenüber wiederum in gewissem abstand mit wunderbarer schnelle prägt, der schall zwar auch geschwind, geht doch viel langsamer als das licht, und schwindet bald nachdem er anlangt, während das licht weilt und sich fassen läszt. der widerschall nimmt nicht den ganzen schall, nur dessen schlusz oder auslaut auf. kein echo kann, meines wissens, angelegt oder gebaut werden, da uns weder die gesetze des zurückgeworfnen schalls, noch die eigentliche beschaffenheit des ihm widerstehenden gegenstands genauer bekannt sind, wenn sie es wären, würde eine hervor- bringung des rückschalls an anderer stelle immer so schwierig, wo nicht unstatthaft erscheinen als die feine nachahmung thierischer stimmen oder jedes naturlauts überhaupt, ist doch selbst in einem neu errichteten gewölbe und gebäude der ent- springende hall im voraus nicht sicher zu berechnen, fast so wenig als auf geistigen gebieten ein echo, das die gedanken der menschen haben können.

Ich vermag nicht und habe es nicht vor auf die physischen Ursachen und Wirkungen des echo weiter einzugehen; ich will blosz was der Volksglaube von ihm meldet und die benennungen, die er ihm beilegt, zusammenstellen, es wurde da, wo es vor- handen ist, überall zufällig wahrgenommen, erscheint verhältnis- mäszig ziemlich selten, konnte unvorbereitete hörer in staunen

' sie glaubten, es vertreibe die bienen: de loco apibus idoneo. secundum villam potissimum, ubi non resonent imagines, hie enim sonus harum fugae causa existimatur esse. Varro R. R. 3, 16.

ubi concava pulsu saxa sonant vocisque offensa resultat imago. Virg. Geo. 4, 50. quem deum? cuius resonet (al. recinet) jocosa nomen imago. Hör. od. I. 12, 4. rursus Hylan et rursus Hylan per longa reclamat avia, responsant silvae et vaga certat imago. Val. Flacc. argen. 3, 596.

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500 ÜBER DAS ECHO.

oder gar in schrecken setzen, während es solche, die damit bekannt sind, zu ihrer lust aufsuchen, auf dem runden, in sechs straszen auslaufenden königsplatz in Cassel ist ein bei nächtlicher weile stark schallendes, den ausruf sechsmal wieder- holendes, eins unweit Coblenz soll siebzehnmal absetzen, an an- dern orten dies bis zu dreiszigmal geschehen. Pausanias führt beispiele von drei und siebenmaligem Widerhall an ^ im Mans- feldischen neben Seeburg, unweit Eisleben, da wo ein kleiner see sich ausstreckt, pflegte sonst der eil wagen seinen lauf ein- zuhalten, damit das posthorn ein anmutiges auf die strasze herüber schallendes echo herausfordern konnte, eisenbahnen dulden keinen aufenthalt bei naturschönheiten. grosze wirkung bringen an stillen abenden Waldhörner hervor, deren blasen am säum des waldes oder des felses sanft zurückprallt, ein ver- gnügen protestantischer Schuljugend war ehmals der spottruf, in den ich als knabe, wenn wir den echoflecken berührten, oft eingestimmt habe:

quid est jesuitulus? echo, vitulus!

nonne nequam est jesuita? echo, ita! was aber die catholischen mit gleicher stichelrede vergalten, dem Städtchen Oberwesel am Rhein gegenüber ist ein echo, da halten die schiffer und rufen : was ist der burgermeister von Wesel? die einen buchstab zurückhallende antwort kann man sich denken, statt solcher wenig werthen lustigen witze der neuen zeit besasz die alte und zumal das hirtenvolk liebliche sagen, die es ergetzten, in heimlichen waldthälern drang der Widerhall an den menschen als stimme höherer, ihm fremder wesen.

Bei den manigfalten namen des halls ist es oft schwer die antwort oder rückkehr des ertönenden schalls von dem blosz verlautenden schall der menschenstimme, ohne dasz sie zurück- kehrt, zu sondern, der ältere heimische ausdruck für echo war galm oder Widerhall, galm von gellen, erhallen, schallen, und noch heute bei den Niederländern nagalm, d. i. nachgalm, nach- hall. Widerhall und hall gemahnen ans gothische hallus, petra, an unser steinhalle, felsenhalle, von stein und fels wird der schall zurückgeworfen, sie sprechen oder antworten gleichsam, ich werde hernach hierauf zurückkommen. Widerhall begegnet oft:

und in den beumen der Widerhall

sein antwort gab mit freudenschall.

Rollenhagen im froschm. C 5''. das enge, zweisilbige echo, gr. if/ßi-, noch besser als galm den abprall des schalls bezeichnend, aber ein fremdes wort wurde

' Toü TTj? XOovt'a? IsTiv ispoü OTOoi xaxa tt]? oe^tiv, 'Hyoü; ÜTCO twv ir.i.-

äiüpi'iuv xocXoufjL^vTj cp&£y^apiv(i) os dvopt xa ^^tyiaTa iz TpsT; ävxißo^aat Ti^cp'jxev. [. 35, 6; zWi o' di ttjv axodtv xa-jTTjV xat 'HyoOs fj^oiJÄ^o'jni ^ ßoi^savxt 81 dv5pl Inxaxt; üto x^; if/mc, ifj cpwvT] irl xaoe, xat dri rXio-i Izi droSiSoxat. V. 21, 7.

ÜBER DAS ECHO. 501

uns durch die lateinische oder romanische spräche zugeführt, den namen der griechischen nymphe lernte freilich das mittel- alter schon durch Albrechts Ovid, die folgende zeit durch Wikrams neue bearbeitung kennen, er blieb aber noch persön- lich und gieng lange nicht auf den Widerhall selbst über, im vocabular von 1420 (ed. Schröer) unter 788 steht echo, galin (1. galm) und das zwischen 1475 80 gedruckte vocab. teutoni- cum ante latinum bietet dar: widergellen, resonare, echo reboare, widerhal, echo est resonantia. unter den Wörterbüchern des 16. jh. entnehme ich aus dem cölnischen vocabular von 1511 echo echonis, wedergeluit of dank, als in den busschen; aus Dasypodius 60" echo, der widerthon im walt, so einer schreit und die stimm widerthönet; 458*^ Widerhall im wald oder tal, echo; aus Frisius 457" und dessen nachfolger Maaler (Pictorius) 496" echo widerton, Widerhall in einem wald oder tal, so einer schreiet und die stimme das letste wort allweg widerhält (resonat) oder äferet (iterat); der Avald gibt ein widerton, Widerhall, nemus consonat, assonat, echo; täler die ein Widerhall gäbend, valles argutae. in Luthers bibel ist Weisheit Salom. 17, 19 übertragen: wo der Widerhall aus den hohen bergen schallet, in der vulgata: resonans de altissimis montibus echo; in der Zürcher bibel von 1533: das widerhallend getön von den hohen bergen; in der niederdeutschen bibel Barth 1588: de wedderlud ut den halen bergen klingede. bis dahin war also das wort echo, sächlich genommen, undeutsch, im 17. jh., wo sich unserer spräche so viel fremdes einmischt, wird es auch deutsch, doch halte ich für möglich, dasz schon vorher Fischart irgendwo es gebraucht haben könnte, zwar nicht bei Henisch (1616), aber bereits zehn jähre früher in des Levinus Hulsius deutsch- italienischem dictionarium (Frankfurt 1605) gewährt der italie- nischdeutsche theil s. 98 echo, ein echo, Widerrufung, wider- schall der stimmen, von nun an brauche ich keine Wörterbücher, nur dichter anzuführen, aus Weckherlin habe ich keine stelle angemerkt. Opitz 2, 171 überschreibt ein lied 'echo oder widerschair, ruf und antwort einfügend: o echo, wirst du nur alleine

hinfort mich trösten und sonst keine? antw. eine! wie soll ich leschen meinen brand, ist sie mir doch noch unbckand? antw. bekand! schöner Fleming s. 149:

die thaue sinken nieder, beperlen laub und gras, der Philli laute lieder, die in dem pusche grast, die wecken echo auf, dasz manchen hellen schrei sie durch das thal thut drauf, hier ist doch, nach griechischer Überlieferung, echo als ein weib- liches wesen dargestellt, die aus dem schlafe erwacht, und noch bis auf heute haben die Niederländer der echo ihr geschlecht

502 ÜBER DAS ECHO.

gelassen, wir aber thun dem namen und seinem begriffe ge- walt und wandeln ihn in ein neutrum, wol nach dem eco, echo der Italiener und Franzosen, deren männliche Wörter oft unsern neutralen gleichstehn, und damit geht uns eine menge natür- licher bilder verloren. Geliert 3, 386:

dem echo zu gefallen, das in dem husche ruft, läszt er sein röhr erschallen ; Schiller 71":

er rufts mit lauter stimm 'ich will sie schauen', schauen! ruft ihm ein langes echo spottend nach, wer ist das lange echo? ein wehgeheul der luft? und das rufende echo? ein vogel oder brüllendes thier? die belebende personification hat sich verdunkelt.

Lenken wir den blick in tiefere Vergangenheit, vor allem wissen möchte man, wie if/tit auf gothisch geheiszen hätte, in der ganzen bibel wäre es einzig und allein in jenem aus der Sapientia gehobnen satze zu ersehen, es ist nicht glaublich, dasz Ulfilas seine deutschung auch auf die apocryphen erstreckte, doch Luc. 4, 37 hat er das nahverwandte Tj/o? übertragen meri|)a, welches sonst auch für cpVjixTj steht und ahd. märida lautet, echo und fama sind sich ähnliche wesen, nur ist echo aus der natur gegriffen, fama mehr abstract gefaszt. analog dem goth. gumei gumeins, dem qinei qineins liesze sich nun ein merei mereins für r^yiu rf//}0^ vermuten und wirklich wird ahd. ein fem. märi von dem neutr. märi unterschieden, noch besser zu statten kommt aber eine angelsächsische glosse, vudumaer (1. vudum.-ere gen. vudum;eran) übersetzt die latei- nischen Worte silvestris nympha, echo. die echo, die vudumaen wohnte am liebsten in waldgründen, und danach heiszt sie.

Die ags. vudumaere ergibt buchstäblich eine ahd. witumari oder waltmäri, wofür jedoch wituminnä, waltrainnä (mythol. 405) erscheinen, ähnlich der meriminnä, meerfrau, Wassernymphe die waldfrau, waldnymphe, zuweilen auch wilde frau, lamia genannt, auszer jenen schon aus Wörterbüchern des 16. jh. beigebrachten Zeugnissen, bewähren viele ältere den bezug des galmes und halles auf den wald; man beachte das geben und wider geben des Schalls, das sprechen und entsprechen, reden und antworten :

ir ruof gap alsolhen schal,

da^ ir der walt widerhal. Erec 5746;

der walt gap hin widere

vorhteclich swa:^ si geschre. 6080;

die stimme gap hin widere

mit gelichem galme der walt,

wie da sanc sänge galt! Iwein 619;

si schrei, da^ ir der walt entsprach. Boner 49, 71;

swa^ den (bösen) von mir wirt geseit,

da^ ruofte ich gerner in einen walt;

ÜBER DAS ECHO. 503

(lä t'unde ich doch die tagalt,

da^ mir min ore wurde erschalt. Wigal. 8, 2;

der so lange riief't in einen touben walt,

67^ antwurt ime dar li^ eteswenne. MSF. 127, 12; uralt ist der spruch, dasz, wie man in den wald schreie, es wieder heraus rufe, auf spott und höhn folgt ein gleiches, die Griechen sagen blosz vom schrei in den wald, als von etwas vergeblichen), ohne der Tjyto dabei zu erwähnen : uXav xpau^aCstv, im Twv {xczT/^v ßoa)V-a>v y; 7rapoi.[xia sipr^xai ^ bedeutsam aber setzt Megenbergs Wahrnehmung des deutschen Volksglaubens a,n stelle der waldfrau einen waldmann: also siht man diu kindleu schreien^ vor den wälden, wan die wjcnent ain holz- man antwürt in au;^ dem wald. 16, 20. Kreuzwalds ausgäbe von Böclers abergläubischen gebrauchen der Esten, Petersburg 1854 überliefert s. 146, dasz das echo metsa kostmine, waldes antwort, dann auch metshalija poea hüüdmine, des elbensohnes (lieber waldsohnes) rufen und köwersilm, Schielauge genannt werde, lauter lebendige dichterische namen. metsa kostmine völlig zur deutschen Vorstellung stimmend, der rufende waldsohn zu Megenbergs holzmann oder zu den zwergen, wovon gleich nachher, er ist wie alle waldgeister neckisch, dem echo wohnt überhaupt etwas spöttisches bei, es heiszt ausdrücklich, dasz sein ruf die wandrer im wald irre leite, der natürliche schall hat die Wirkung des natürlichen Scheins, des irrlichts. aber wie das schielende äuge zu nehmen? ich denke, was einem lichtbild zumeist abgeht, ist die unvollkommene nachahmung des mensch- lichen blicks und auges; das ange eines vom lichtreflex wieder- gegebnen bildes schielt, so darf auch dem echo dumpfes schielen beigelegt werden, obliqua lux und obliquus sonus. ich finde noch andere estnische ausdrücke für das echo verzeichnet: mets vastab, der wald hallt wider, mets pliksab ja plaksub, es knistert und knastert im wald, blinkert und blankert, wiederum worte des lichts angewandt auf den schall, uikma heiszt in den wald schreien, die livische terminologie (nach Sjögrens Wörterbuch von Wiedemann, Petersb. 1861, s. 207'^) ist: öl taggis killini, widerschall, mötsa kilub vast, der w^ald schallt wider, gibt echo. sicher bildet das finnische metsä (wald) ähnliche, bei Kenvall nur nicht verzeichnete redensarten. den Ungern heiszt das echo szozatnak az erdöbol es völgybol, stimmen aus wald und thal. den Littauern ist aidas echo, aiditi widerschallen, aide szillas nu zäislü es erscholl der wald von spiel und scherz, szillas, lett. schils ist tannenwald (mhd. tan) oder heide, ich glaube, dasz tanuenwälder stärker als eichwälder widerhallen, bei keinem slavischen volke habe ich bezug des widerschalls auf den wald angetroffen, er könnte dennoch vorhanden sein.

' proverbia gi"aeca 1, 167. 311.

'■^ reden, schreien nach sehen. Haupt 6, 2 [oben 194].

504 ÜBER DAS ECHO.

gern erkunde ich die gebiete der östlichen Völker, deren spräche treu und kindlich an der natur haftet, fast mehr als der west- lichen.

Wald und gebirg sind hier untrennbar, und was sich dem schall entgegenstemmt, ihn wirft oder bricht, nicht sowol die bäume selbst als die felsen dahinter, vorhin wagte ich den hall unmittelbar mit hallus, fels und stein zu einigen, es ist der hallende stein, das echo scheint also vom fels ausgehend, in einer tirolischen Urkunde von 1241 kommt ein castrum quod dicitur 'sprechende stein' vor \ wahrscheinlich noch in andern gegenden. das deutsche Wörterbuch sucht auszuführen (3, 1474. 1500), dasz die Wörter fels, feld, tiall zusammengehören, es wird in hole berge gerufen und aus ihnen geantwortet, ganz wie in den wald und aus dem wald. /

Parz. 180 ist gesagt von dem held, der durch das wilde hohe gebirge zog, als sich tag gegen abend neigte: kom er an ein wa^^er snel, da;^ was von sime du^^e hell: ej; gäbn die velse einander, da^ reit er nider. welchen sinn hat der vorletzte vers? Simrock bezieht das e^ aufs vorausgegangne wa^^er,

die felsen schickten es einander zu, was schön umschriebe: es flosz über felsen hinab, erwäge ich jedoch, dasz, wie wir vorhin sahen, schall geben und wider- geben gerade vom echo gilt, möchte ich 'ej; geben' fassen, wie Wörterbuch 3, 1501 angenommen ist, reddere sonum, und aus- legen: während er den rauschenden bach hinab ritt, hallte es in den felsen wider, scholl daraus echo. huop der wenige man von jamer also grölen schal, da^ im der berc engegen hal. Erec 7424 ; sie hörten allenthalben Indem unde döz, von liuten und von hunden der schal was so grö^, daz in da von antwurte der berc und ouch der tan. Nib.

883, 3; dem fehten alle^ nach erhal beide berg und ouch diu tal. Ecke 161. bei dem glänze der abendröthe gieng ich still den wald entlang, Dämon sasz und blies die flöte, dasz es von den felsen klang, so la la ! Göthe.

am gründlichsten haben sich diese Vorstellungen im norden ent- faltet und unmittelbar an riesen und zwerge geknüpft, die in bergen oder felsen hausen, und ihre stimme daraus den menschen

' Uhland in Pfeifers Germania 6, 334.

ÜBER DAS ECHO. 505

erschallen lassen, das also heiszt bergmal oder dvergmäl, spräche der felsen und zwerge, bis auf heute hat sich auf den Färöern und in Norwegen die benennung dvergmaal, dvermaal erhalten, dvergmäl qvad i hvörjum harari, echo scholl in jedem felsen, oder wie die färöischen lieder sagen dvörgamaal sang uj quörjun hamri, sang uj fiödlun, sang in den felsen. altn. \rdt tök undir fiöllunum, es hallte wider in den bergen, es gab ein echo, die Dänen sagen biergene gave gienlyd, und der allgemeine aus- druck gienlyd, scliw. genljud, genskall, äterskall, wie bei uns widerschall hat den lebendigeren verdrängt. auf die riesen bezüglich scheint ein andrer altn. name für das echo, nemlich omr oder ömun, oman, iraus sonus vocis, undeutlicher, fernher vernommener laut, womit der riesenname Ymir, und selbst Ümi, ein name des gottes Odinn, das ags. vöma sonus, sonitus und eine reihe anderer ausdrücke zusammenhängen, wie ich in meiner abhandlung von den naraen des donners ausführlich erörtert habe, da nun auch in deutscher sage beides, zwerge und riesen auf bergen wohnen, scheint die Voraussetzung ge- rechtfertigt, dasz auch ihnen und dem verkehr mit ihnen mehr- fach das echo beigelegt worden sei; eine überrraschende spur davon dauert bis auf den heutigen tag fort, wie am Schlüsse dieses aufsatzes näher, dargelegt werden soll.

Es ist zeit den griechischen mythus zu berühren, aus welchem uns ja der name echo entsprang, dem unsere eignen, heimischen gewichen sind, auch er athmet bergluft und waldes- einsamkeit. eine geschwätzige opsta? oder bergnymphe, ver- gleichbar unsern Zwerginnen imd eibinnen, war von Here in einen stein gewandelt worden, in dem noch der Widerhall haftete, treflend ist dies dadurch ausgedrückt, dasz sie weder zuerst reden, noch wenn eine stimme laut wurde, schweigen konnte, nach Ovid, der ihre liebe zu Narcissus anmutig schildert (met. 3, 357):

vocalis nymphe, quae nee reticere loquenti nee prior ipsa loqui didicit, resonabilis Echo, ihre antwort wiederholt den schlusz der aufgefangnen frage:

dixerat 'ecquis adest?' et 'adest' responderat Echo, unsere des reims gewohnte poesie ist für solche anklänge noch mehr gemacht, und Albrecht hat auch die reden und wider- schalle mehr ausgesponnen, wie sich an der von Bartsch ver- suchten herstelluug des alten textes s. 72. 73 erkennen läszt: nicht uneben heiszt es doch in der Überschrift bei Wikram ; gab ir Juno den fluch, dasz Echo nicht mehr gereden mag, dann was sie von einem andren zuvor höret, dasselbig wort sie 'ganz kunterfetisch' nachhielt (Mainz 1551. i 4'). unter conterfeit, contrefait dachte man sich nachbildung, iniago, eine dem urbild nie völlig gleiche, einer andern griechischen sage zufolge war Echo auch die geliebte des waldgottes Pan.

506 ÜBER DAS ECHO.

Der name H/tu, dor. A/u), deutet sich, wie i^yr^ und Tj/o? schall, aus rij^siv, cxysiv schallen, das wol mit dem goth. 6g metuo, tremo und mit agjan terrere vergleich leidet, insofern die Vorstellungen des schallens, schauerns und erschtttterns in einander übergehn. auch läszt sich ta/stv schreien, wehklagen und dröhnen, widerhallen hinzuhalten. merkwürdig ist die ähnlichkeit des böhm. jek strepitus und echo, das poln. jek drückt ächzen, seufzen aus, wir sagen anken und janken. war jek aus älterem iek entsprungen, statt des vocallauts, wie in vielen fällen, jotierung eingetreten, so läge selbst die tenuis des ungr. keho echo, neben jajgatas ejulatio, das finnische kaiku, kajahus echo, clangor, lappische gajanas, kajanes innerhalb bereichs. griechische Wörter begegnen denen der östlichen Volksstämme oft genug.

So ansprechend der Zusammenhang des natürlichen Wider- halls mit der sage von berggeistern ist, musz bei Griechen und Römern doch auch noch eine andere Vorstellung stattgefunden haben, die ihn aus thierschrei deutet, ich will hier den heher und gukuk nicht in anschlag bringen, die beide für kluge vögel und für spottv():^el gelten, deren ruf im walde laut vernommen wird. Römern galt echo auch für eine waldstimme des Picus und Faunus, unter den Mongolen lebt ähnliche Überlieferung ^ aber aus den Wörtern ßoäv, dvtißoav, reboare, remugire, die von griechischen und lateinischen dichtem ganz wie resonare verwandt zu werden pflegen, wo von echo oder bewegung in wald, an felsen die rede ist, gilt doch ein schlusz auf das in weite ferne hallende gebrüll der rinder als uralte benennung des echo. ßoäv und boare gehören zweifellos zu ßoü; und bos, einerlei ob das thier von dem schrei oder der schrei von dem thier ent- nommen werde.

et vox adsensu nemorum ingeminata remugit. Virg. Geo. 3, 45;

reboant silvaeque et longus Olympus. 3, 223;

talibus ex adyto dictis Cymaea Sibylla

horrendas canit ambages antroque remugit. Aen. 6, 99;

audis quo strepitu janua, quo nemus

inter pulchra satum tecta remugiat

ventis. Hör. od. 3, 10, 5;

sed qualiscumque es, resonent mihi 'Cynthia' silvae,

nee deserta tuo nomine saxa vacent. Propert. 1, 18, 31.

sie fatus, clipeo, quantum vix ipse deorum

arbiter, infesto quum percutit aethera nirabo,

intonuit. responsat Athos, Haemusque remugit. Claudian

in Eutrop. 2, 162;

conscia ter sonuit rupes, et inhorruit atrum

majestate nemus. in Prob, et Olybr. 125.

1 buUetin der Petersburger akademie 1858 sp. 70.

ÜBER DAS ECHO. 507

mö<j^en auch die dichter längst nicht mehr des brüllens und muhens der rinder eingedenk gebHeben sein, diese ausdrücke wurden doch anfänglich dadurch der spräche zugeführt, es lag nahe, den naturlaut auf solche weise zu verdeutlichen. lornandes cap. 4 vom vordringen der Gothen in scythische länder redend meldet, als in einem überaus fruchtbaren gefilde die hälfte des heers bereits über einen flusz vorgedrungen war, dasz die brücke eingestürzt sei und nicht habe wiederhergestellt werden können, niemand aber weder vor noch zurück zu kommen vermocht; nam is locus, ut fertur, tremulis paludibus voragine circumjecta concluditur, quem utraque confusione natura reddidit impervium. veruntamen hodieque illic et voces armentorum audiri et indicia hominum deprehendi commeantium attestatione, quamvis a longe audientium, credere licet.

Für die Vorstellung des echo durch thiergeschrei lassen sich sonsther noch beweise beibringen. in keltischen Über- lieferungen, deren hier noch gar nicht gedacht wurde, ist über- haupt manches eigenthümliche in bezug auf diese naturerscheinung enthalten, den Iren heiszt das echo muc alla, porcellus rupis, worunter ursprünglich ein zum opfer dargebrachtes ferkel, ein frischling gemeint sein konnte, dessen geschrei oder quiken weit in die ferne scholl. eher und frischlinge waren im alterthum geweiht und wurden auch bei uns in Deutschland geopfert, über muc alla verdient eine ausführliche anmerkung in den transactions of the ossianic society, jahrg. 1857 band 5 s. 62 67 gelesen zu werden, mit leichtem vocalwechsel kommt aber auch mac alla zur bezeichnung des opfers vor, was filius rupis ausdrückt, alla bair geborner des felses. dies macalla oder mactalla ist der im schottischen hochland geltende name, schon bei Ossian in den Selmaliedern, die so schön sind, dasz sie Göthe seinem Werther einverleibte:

sie gieng mit ihm, sie rief nach Armor.

nur der felsensohn gab antwort (Ahlwardt 3, 327), von Göthe 16, 174 geschwächt in: nichts antwortete als die stinune des felsens, obgleich Macpherson selbst hat: nought answered, but the son of rock, wie merkwürdig stimmt mac- talla zu Megenbergs bairischem holzmann und zum estnischen waldsohn. den Kelten sind Wortzusammensetzungen mit mac, söhn sehr geläufig, andere nicht weniger bedeutsame analogien bietet die spräche von Wales, sie nennt das echo careg le fain, stein des lauten schreis oder careg ateh, stein der antwort, ganz wie bei uns der fels antwortet, der stein spricht und die griechi- sche Echo noch als stein widerhallt, es heiszt auch einfach adlef und adsain Widerhall, dadsain zurückprall. im armorischen begegnet enepkleo gegenschall, hegleö lauter schall, seltsam und ich weisz nicht warum, dasz auch das sedum, unser hauslauch, fr. joubarbe d. i. Jovis barba, denselben namen hegleö führt.

508 ÜBER DAS ECHO.

Von solchen fremden mythen wende ich mich wieder zu unsern heimischen und stehe im begrif mit einer sage zu schlieszen, die so mangelhaft sie sich erhalten hat, leicht mehr anziehen dürfte als alles bisher vorgetragne.

Eine menge menschen reist alljährlich den prächtigen Rhein hinab und hinauf, gelangt auf dieser fahrt zwischen Oberwesel und Goar das schif in die nähe eines am rechten ufer stehen- den steilen felsenrifs, so löst der Schiffer dawider seihe pistole, deren knall laut zurückgeworfen wird, der fels heiszt Lurlei, Lorlei und ist schon im Niederland, d. h. Niederdeutschland, doch nicht fern von der grenze des Oberlands, d. h. des fränki- schen bodens (vgl. Bingen im Lohengrin 4173) gelegen, von dem fels geht eine fast aussterbende volkssage, deren sich neuere dichter bemächtigt und die sie mit ersonnener zuthat ausge- schmückt haben, eine zauberin zeige sich von zeit zu zeit am gipfel des bergs, locke durch ihre Schönheit die wanderer hin- auf und stürze sie in den ström hinab, oder gehe auch selbst in der flut unter, vielleicht ist es ein alter zug, wenn oft hinzu- gefügt wird, dasz sie oben auf dem stein erscheine und die vorüber schiffenden necke, deren stimmen ja das echo nachäft oder alt ausgedrückt äfert, avarot.

AUmälich sind einzelne Zeugnisse aufgetaucht, die nicht zweifeln lassen, dasz der fels schon in grauer vorzeit seine mythische bedeutung hatte. es ist schade, der ort bleibt in ahd. Urkunden ungenannt, aus denen wir, auch ohne meidung einer sage, wenigstens die richtige gestalt des namens gewinnen könnten.

Ältester zeuge ist der dichter Marner, aus der mitte des dreizehnten Jahrhunderts, von ihm ist ein frisches spottlied auf die Rheinländer überliefert:

Wie höfsche liute habe der Rin,

da^ ist mir wol mit schaden kunt:

ir hübe, ir här, ir keppelin

erzeigent niuwer vünde vunt.

Krist in helfe, so sie niesen!

E^ mac wol curteis povel sin,

pittit mangier ist in gesunt,

stad üf, stad abe in wehset win,

in dienet ouch des Rines grünt,

ich wil üf si gar verkiesen.

Der Nibelunge hört Iit in dem Lurlenberge in bi.

in weiz ir niender einen, der so milte si,

der den gernden teilte mite

von siner gebe.

die wile ich lebe,

sin vri von mir!

ÜBER DAS ECHO. 509

. ir muot der stut üf solhen site: 'nu gip du mir, so gibe ich dir,'

si enwellen niht Verliesen. MS. 2, 169'' = MSH. 2, 241". der dichter hat eine Zeitlang am Rhein gelebt, doch die leute gefallen ihm nicht, sie sind wol gekleidet und höflich, essen fein und an ihrem gestade wächst guter wein, der grund des Rheins dient ihnen, der Nibelunge hört liegt bei ihnen in dem Lurlenberg, aber sie sind nicht freigebig, was näher ausgeführt wird, der weinwachs gestade auf gestade ab weist auf die strecke von Mainz bis Coblenz, unter dem Lurlenberg ist kaum etwas andres zu verstehn als die Lurlei, nach dem Nibelunge- lied 1077 soll zwar Hagen den hört im Rhein versenkt haben, aus dessen boden er nicht wieder in einen berg geraten sein könnte, sicher bestanden jedoch abweichende sagen darüber, kaum gehörte die gegend des Lurlenbergs zu burgundischem gebiet, statt Lurlenberg liesz Bodmer Burlenberg drucken, was falsche deutungen nach sich zog, die Pariser handschrift bewährt aber Lurlenberg.

Eine andere stelle findet sich in einem ungedruckten ge- dieht, das in nächster zeit nach Rudolfs von Habsburg tod noch vor dem ausgang des Jahrhunderts abgefaszt sein musz. es be- singt den preis von zwölf rittern, welchen aus der band einer frau, wahrscheinlich der personification einer hohen tugend ehrenschwerter ausgetheilt werden und enthält viel merkwürdiges, wie sich schon aus dem erhaltnen über 500 versen betragenden fragment ergibt, dessen abschrift ich besitze und das ich längst bekannt gemacht hätte, wäre nicht hofnung gewesen die fehlen- den stücke aufzufinden. der preis des neunten ritters lautet folgendermaszen :

des nünden hant einen kus

gaf si unde sprach zu ime alsus:

ich gruben der zwirin ist gedouft

und einen anderin namen hait gekoufl,

danne sin lif da inder drüch,

in einem burnen he sich twüch,

de wäpin wärin sin westerkleit,

sine eventüre was bereit

van alze ritterlicher kost.

gein manger riehen harten iost

den Rin he hin zu berge für,

da siner westerhüfin snür

van vil herin wart gerürt,

ü^ Lurlinberge wart gefiCirt

sin stolze eventüre

mit hoher minnen sture

durch Elsäi^en dat laut.

uberlende was he e genant

510 ÜBER DAS ECHO.

der rechte namenwende,

'her Werner Gütende

des namen wurdit ir da wert,

van miner hant nemt hin dit swert,

dat ich he dran den vreisen;

Urin herzin kan wal eisen,

man vrouwin sprichit arch,

ür munt sich ie wal des verbarch.'

dieses ritters geschieht ausdrückliche meidung in dem nieder- ländischen gedieht des Johan von Heelu von der Woringer Schlacht, die 1288 geliefert wurde und der Heelu selbst bei- gewohnt hatte, seine dichtung scheint 1291 oder 1292 ent- sprungen, und ist 1836 von Willems herausgegeben worden, im ersten buch v. 1218 if. wird erzählt, dasz ein tumier, zu dem sich viele ritter eingefunden hatten, nicht zu stände kam, der herzog von Brabant aber die fremden ritter schadlos hielt, V. 1252;

beeren Coenen Werneren

van Overlant, enen vromen

riddere, die daer was comen,

quite die hertoghe sine pande. damals führte also Cuno Werner blosz den zunamen von Ober- land, d. i. vom Oberrhein, welchen er später, man weisz nicht warum, mit Gutende, etwa dem lat. Bonfinius entsprechend, vertauschte, weshalb er hier der zweimal getaufte heiszt. Bon- finius soll wol ausdrücken, dasz einer aus gutem ende, von gutem stamme komme, uns aber läge das meiste daran, warum dieser namenwende sein abenteuer Rheinaufwärts (den Rin ze berge) durch das Elsasz aus dem Lurleuberge erhub? der Lurlenberg war nie bewohnt und als wüster fels in keines eigenthum, es muste also damals unter dem volk hergebracht und irgend einem aberglauben gemäsz sein, dasz ein feierlicher auszug gerade von dem orte her, wo die sage den nibelungi- schen schätz verborgen hielt, unternommen wurde? war der Lurlenberg ein zwergberg, gleich dem wo ehmals Siegfried den Zwergen den hört abgewann? oder vermischte ihn die sage mit jenem, den wir uns in weitem abstand denken müssen? war das Elsasz die eigentliche heimat des oberländischen Wernhers? Hören wir den dritten bedeutsameren und unmittelbaren zeugen, der erst neulich aus der früher zu Kolmar, jetzt zu München aufbewahrten Sammlung von meisterliedern an das tageslicht gekommen ist. ein lied von unbekanntem Verfasser, sicher noch des frühen vierzehnten Jahrhunderts lautet bei Holzmann (Germ. 5, 445) und bei Bartsch s. 519: Ich kam ze tal in Niderlant gevarn bi kurzer zit für da^ gebirge da der Lorleberc näh inne lit,

ÜBER DAS ECHO. 511

ich kam da für und rief dar in,

ich fragte, wan min armuot hiete ein ende?

Mir antwurt einj; her wider üj;, ich wei^ niht vid'i^ e^ was,

ej; sprach ze mir 'min friunt, ich kan dich niht getra38ten ba^,

wan du und die gesellen din

ir möhtent roemesch riche wol verswende.

Ich sage iu wai^ iu wider vert:

die wil der küuic lebet iif der erden,

so ist iu hordes niht beschert.

nach gro:^em guote sent iuch niht, wan e^ mac iu niht werden.

ir sült unfuore und starker werc ze allen ziten pflegen".

den tröst gab mir da?; edel getwerc:

'der küuc mac doch niht immer me geleben.' hier naht ein bedrängter, armer mann dem echo und ruft, nicht um es zu hören, sondern um sein Schicksal zu erforschen, gerade wie die Griechen vor ein orakel traten, doch wüste ich nicht, dasz je die stimme der Echo weissagte, wer darf nun zweifeln, dasz im Lurlenberg zwerge hausten, hier antwortet einer unsichtbar, der dichter legt dem fragenden die worte in den mund: 'mir antwurt ein^, ich wei^ niht wa^ e^ was, mit diesem e^ bezeichnet unsere spräche geisterhafte wesen (wb. 3, 1107). welcher könig wol gemeint ist, auf dessen möglichen tod das gezwerg den Verschwender und gewaltthäter vertröstet? Ludwig der Baier etwa?

Es hat kein bedenken, dasz an den aufenthalt der zwerge im rheinischen felsen fortwährend noch im 15. 16. jh. vom volk geglaubt wurde. Freher, der vor andern unsern alterthümern nachspürte, zog noch entschieden das echo Lurlei auf den Lur- lenberg: panos, silvanos, oreades ibi habitare olim putarunt. orig. palat. 2, 84, in einer alten handschrift heisze das ganze gebirg mons Lurlaberg. erst spät im 18. jh. mag die ver- lockende Zauberin eingetreten sein, wiewol ich nicht verabrede, dasz auch schon die schwankende volkssage von einer zwergin oder wilden frau gewust haben mag.

Die namen Lurlenberg und Lorlei zu deuten fallt schwer, man hat fast gar keinen anhält, zunächst der Lorlei auf rech- ter Seite des Rheingebiets liegt das jetzt nassauische Städtchen Lorch, früher Loriche, bei Caesarius von Heisterbach Lureke geheiszen. weiter im land zum amt Diez gehört ein dorf Lau- renburg, Lurenburg. aber auch fern davon giebt es mehrere Lorch und Lorisheim (Förstemann 2, 908. 909). aus der Vil- kinasaga ist ein Luruwald bekannt, Birlingers wörterbüchlein 60 hat lörle, wäldchen. das lei in Lorlei wird auch aus leie schie- fer erklärt und bei Bacherach ist genug schiefer gelagert, nicht an der Lorlei selbst, alts. steht leia ftir petra, was auch hleo, lai, hügel sein kann. Lorlei gemahnt an das gleichdunkle firle- fei (wb. 3, 1673). lauer bezeichnet einen hinterlistigen, schlauen

512 ÜBER DAS ECHO.

mensch, lauern auf etwas warten, nnl. loeren, das Schweiz, lori umgekehrt einen blödsinnigen, Stalder 2, 180, der daneben lö- ren, heulen (Hosea 7, 14 bei Luther) und lörlen locken an- führt, lorren soll auch foppen, narren ausdrücken, in einem meisterliede Frauenlobs bei Ettmüller s. 175 findet sich zu den Worten :

gouch, kafs si din,

sus drischet sich din sät, die dunkle Variante: nu drisch lorei sein sät. Holzmann theilt in Pfeifers Germ. 3, 314 aus einer Heidelberger hs. ein gedieht des Albrecht Lesch, der im 15. jh. zu Nürnberg lebte, mit, darin kommt die schelte vor

du rechter lorlesman! und bemerkt später ebendaselbst 5, 446, dasz im Kolmarer co- dex dafür stehe lorlinsman*, was noch bestimmter un den be- kannten zwerg Laurin erinnert, der in Tirol seinen garten mit einem seidenfaden umzogen hatte. Laurin, lorlin und lorl müs- sen nothwendig dem Lurlenberg, worin ein zwerg sein wesen trieb oder dem Lorleifels verwandt sein und vielleicht erlangen wir auch noch einmal über den jetzt verdeckten sinn dieser Wör- ter nähere auskunft. wie wenn die ahd, , ebenfalls dunkeln namen Lul, Lullo, Lullus, Lollä ein aus rl assimiliertes 11 ent- hielten? vgl. das altn. Kall für Karl, und fillorinu für firlorinu bei Otfrid I. 20, 6.

Wir mühen uns ab mit den Wörtern und suchen auch in die dunkeln oder getrübten einzudringen, die doch ursprünglich durchsichtig gewesen sein müssen, auch dem menschen nie- mals ganz erfaszbaren naturwunder hat das volk allenthalben seine sinnlichen Vorstellungen untergeschoben, gleichsam eine Stufenleiter daran gesetzt, auf der es ihm traulich und anmutig wurde, dieser weit einstimmenden und doch immer abweichen- den lebendigen einbildungen und gedankengänge inne zu werden hat so groszen reiz als ihn die Sprachgeschichte haben kann.

* teufelsnetz 11237: der selbs lorlisman.

ANHANG.

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 33

Nachtrag.

Vejledning til det islandske eller gamle nordiske sprog, af Rasmus Kristian Rask. (Anleitung zu der is- ländischen oder altnordischen spräche, von R. Chr. Rask.) Kopenhagen, bei Schubothe. 1811. 282 s. 8.

Allgemeine literaturzeitung. 1812. no. 31 34. 8.243 254.257 261.*

Aus diesem gründe verdient sie eine umständliche beur- 243 theilung und anzeige; vv^as wir zu loben finden, wollen wir am kürzesten ausdrücken, um für bemerkungen räum zu gewinnen, worin wir die ansieht des vfs. tadeln oder erweitern möchten, müssen dabei emige mal die gränzen der nordischen und alt- deutschen spräche überschritten werden: so haben einzelne noten (s. 66. 135, 267) nicht nur selbst dazu gereizt, sondern es ist auch überhaupt bei einer spräche, deren alter so hoch hinauf- steigt, ein erweiternder blick auf andere grosze stamme statthaft und fast nothwendig.

In der vorrede wird die Wichtigkeit, trefi'lichkeit und das alter der isländischen spräche aus einander gesetzt, und von den runensteinen und den bisherigen Sprachlehren und Wörter- büchern gehandelt; das, was von dem Verhältnis zum deutschen mitunter vorkommt, werden wir noch beim schlusz dieser an- zeige berühren. auch bei dem folgenden vorbereitenden ab- schnitt verweilen wir nicht, weil solche materien, wie recht- schreibung und ausspräche, selbst im kleinlichen eine trockene Umständlichkeit nach sich ziehn. auf die eigenthümliche islän- dische buchstabierung (s. 12), die gar nicht zu verachten ist, machen wir aufmerksam, durch die mitunter vom buchstaben abweichende ausspräche treten manchmal erst Verwandtschaften mit dem deutschen hervor, die man sonst übersehen hätte, die ganze Untersuchung vom buchstabenübergang aus dem islän- dischen in das dänische, wofür man dieser Sprachlehre beson-

* [dem im vorwort zum sechsten bände ausgesprochenen princip der Voll- ständigkeit vorliegender Sammlung gemäsz wird diese aus rücksicht auf iliren bedeutenden umfang kl. sehr. IV, 65 ff. nur zum theil abgedruckte recension (vgl. die anm. s. 65) hier vervollständigt, das hier gegebene füllt demnach genau die dort s. 67 bezeichnete lücke aus.]

33*

516 EASK, GAMLE NORDISKE SPROG.

deren dank wissen wird, könnte zu ihrem und unserem vortheil auf das deutsche angewendet werden, einiges hat der vf. schon so mitgenommen, aber besonders das altdeutsche müste reiche 244 ausbeute geben, z. b. die endung ul (s. 15) ist auch in alten Wörtern, wie sätul für sättel, ziemlich lange da gewesen u. d. v. Der zweite, überhaupt der weitläuftigste abschnitt (s. 27 bis 145) betrifft die formlehre, wo sogleich mit dem nennwort angefangen wird, wir hätten einige punkte, die so oft wieder- kehren, im voraus erörtert gewünscht, und versuchen hier un- sere gedanken vom umlaut und der negation, von denen nir- gends im Zusammenhang, sondern nur vorübergehend geredet wird, als ein beispiel mitzutheilen.

Umlaut nehmen wir hier allgemein für jede änderung, die, so zu sagen , im herzen des worts selbst und nicht an seinen gliedern vorgeht, zum unterschied von der flexion durch deh- nung (endung oder vorsatz), obgleich er mit dieser häufig ver- bunden wird, da sich nun überhaupt die wurzel auf doppelte art von ihrem Ursprung entfernen kann, durch modification der consonanten oder des vocals, so gibt es einen doppelten umlaut.

1) Umlaut durch änderung des anhebenden wurzelconso- nanten ist am auffallendsten in einigen celtischen sprachen ge- bräuchlich, wo er jedoch groszentheils vom wollaut auszugehen und abzuhängen scheint, die ältesten, allgemeinsten spuren aber mögen im persönlichen pronomen zu finden sein, wie z. b. das latein. me und te im pl. in nos und vos geht, viel häufiger ist die modification des die wurzel schlieszenden mitlauters, z. b. ganz entschieden in der latein. und griech. conjugation (die ver- mutliche erklärung gehört nicht hierher). von dieser ganzen flexion, auszer etwa auch jenem pronom. (mir und wir), ist in den germanischen sprachen nichts anzutreffen, und nur beim Übergang in verschiedene mundarten treten dergleichen ände- rungen ein. man müste dann auch noch das auswerfen des v und n in einigen isländischen formen hierher nehmen, so wird aus ganga, binda, sveria: geck, batt, sor (lat. frango, fregi). desto gewöhnlicher ist

2) der vocalumlaut, und so mannichfaltig wird er genutzt, dasz man ihn gewissermaszen für charakteristisch im deutschen sovvol, als nordischen halten kann, unter allen flexionen hat diese den vorzug, dasz sie die leichteste und zugleich wirksamste ist; es bedarf gleichsam nur einen ruck, und alles ist in neuen ton und sinn verwandelt, schwieriger scheint es, die trefi'lich- keit dieses umlauts an seinem hohen alter zu erwähren, zwar a) in den Zeitwörtern zieht seine einfache wirkung durch so viele edle sprachen, schon die Inder ändern nach Fr. Schlegel (s. 33) den vocal im imperfect. die besseren deutschen gram- matiker (auch unser vf. s. 112) haben es bald erkannt, dasz die sogenannten unregelmäszigen verba die ältesten und gewaltigsten

liA8K, ItAMLE NUKÜ16KE Öl'KOG. 517

sind, und wie obiger consonantumlaut mittit in misit leicht än- dert, so wird einleuchtend singst durch sangst schöner, als etwa durch: singtest, flectiert. (so im latein. ago, perf. egi; facio, feci; pello, pulsus.) auszer den Zeitveränderungen körinen auch persönliche im verbum damit ausgedrückt, wie gebe, gibt (eo, it), oder der conjunctiv unterschieden, oder endlich die active 245 der neutralen bedeutung entgegengestellt werden, b) eben so häufig finden wir im germanischen stamm diesen umlaut bei Substantiven und adjectiven angewendet, auf die mannichfachste art, entweder schon zur Unterscheidung der geschlechter, wie äffe in affin, das isländ. gamall in gömul oder der casus, im isländ. häufig, aber auch im altdeutschen, wo die nominative haut, chraft, schaft, wat, die harte, im genitiv häufig hente, schefte, chrefte, wate, der herten, annehmen, im accus, aber wieder dem nominativ gleichen oder des pluralis vom singul. (im isländ. und deutschen noch jetzt häufigst), oder beim adj. der verschiedenen grade. c) endlich scheint dieser umlaut auf eine dem transitiven und intransitiven verbum analoge um- stimmung selbst der partikeln einflusz zu haben, wie neulich zu zeigen versucht hat: Radlof in seiner, no. 257 d. A. L. Z. jahrg. 1811 (aber von einem andern rec.) angezeigten schriffc 'von den trefl'lichk. der süddeutschen mundarten.' spuren im isländ. hier- von würden sich nicht viele finden.

Hauptfrage wäre nun: ob die umlautflexionen der Substan- tive u. s. w. auf ein gleiches alter anspruch haben, wie die der verba? dagegen scheint zu sprechen: 1) dasz auszer den germanischen sprachen nur die letzteren organisch und häufig vorkommen, ausnahmen jedoch sind im lat. tu, te, is, eum, eos, iis, ibi, ubi u. a. m. 2) dasz im altdeutschen die substan- tivumlaute seltener werden (im Ulfilas fast gar keine), und öfters da fehlen, wo wir sie jetzt haben, so: vögele, hande, mannen, hohster, für: vögel, bände, männer, höchster. in- dessen im isländ. sind sie doch unleugbar sehr alt; und sind nicht auch die guten verbal umlaute im altdeutschen häufiger durch die endungsflexion ersetzt? wie oft genug gahete lieber als gie oder gienc steht, und fehlt nicht andern, z. b. slavischen, sprachen der umlaut gänzlich, selbst bei verbis, wo ihn doch noch die Franzosen gebrauchen? allein es scheint 3) zwischen dem umlaut, welcher die verba, und dem, welcher andere for- men flectiert, ein unterschied zu sein, folgender nämlich : ersterer löst mehr den einfachen vocal in einen andern einfachen auf, letzterer aber erzeugt mehr diphthongen, wie im deutschen a in ä, o in ö, u in ü, im isländ. a in ö, o in ä, u in y, ä in au etc. umgelautet wird, und allerdings auch das imperf. con- junct. zu diesem, und nicht dem ersten fall gehören möchte, als schon ein im indicativ aus der wurzel modificiertes imperf. vor- aussetzend. — vielleicht klärt uns hier das isländ. am ersten

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auf, indem auch im zweiten fall a in e, und selbst ein doppel- laut in einen einfachen verwandelt wird.

Wenn (s. 135) der grund des verbalumlauts unrichtig aus Vermischung von ursprünglich verschiedenen Wörtern erklärt wird : so ist das eigentlich schon in der note auf derselben seite zurückgenommen worden, mehr scharfsinnig, als wahr, mag auch die auslegung sein, welche der vf. bei gelegenheit der declination (s. 44. 45) von dem grund des casusumlauts gibt. 246 er sucht ihn in einer gewissen , nöthigen Übereinstimmung des vocals der wurzel mit dem der endung, so dasz dann der ton der Wurzel sich nach dem der endung richte, welches wir viel lieber herumdrehen möchten, auf den umlaut der Zeitwörter würde jenes nun gar nicht passen; allein es erklärt nicht ein- mal alle erscheinungen der isländ. declination. warum hat bro- dir im genit. sing, brodur (nicht brödur), warum im genit. pl. brädra (und nicht brodra), oder fadir fedra, nicht fadra? da sonst im genit. pl. (nach hn. R. wegen seiner endung auf a) der untergegangene klare vocal gern wieder hervortaucht, zu bemerken ist noch, dasz sich bei einigen Wörtern der umlaut auf alle silben setzt, z. b. bei dem (fremden) wort alltari, das den plural öUtöru formiert u. s. w. vielleicht, dasz die häufi- gen umlaute der vocale in germanischen sprachen mit der (aus dem alliterationssystem sonderlich) hervorgehenden gleichgültig- keit derselben, so wie die unthunlichkeit des consonantischen mit der treuen anhänglichkeit an beilauter, gründlich zusammen- hängen.

Unsere zweite allgemeine beraerkung betrifil die negation. auf zweierlei art wird in allen sprachen verneint:

I. indem man dem positiven wort einen vocal zugibt, der, wie ein angehängtes gewicht, dessen bedeutung auf die andere Seite zieht, dieser vocal concresciert gewöhnlich, doch immer auszerhalb der wurzel, und zwar: 1) als präfix. hieher das a privativum der Griechen und Indier, das i (oder mit zwischen n, in) der Lateiner, o der Isländer und Schweden, u und un der Deutschen und Dänen; wie das deutsche un in on, ohn übergeht: so nähert es sich damit dem an (ohne und ane, sine), und man hört wol amacht statt ohnmacht. so setzen die Finnen und Lappen i, ei, e ihren verbis mit negativer kraft vor. 2) als Suffix, so suffigieren die letztgenannten ein ta ihren sub- stantivis, die Esthen ein ti oder to, wo sie verneinen wollen (ein ordentlicher casus negativus), am meisten aber interessiert uns hier die suffigierte negation der Isländer, welche, so viel wir wissen, die vorHegende Sprachlehre zuerst abhandelt (s. 246. 247), auszer dem, was in den Wörterbüchern zerstreut steht, doch weisz rec. nicht, warum sie der vf. auf zeitworte beschränkt, da sie auch unleugbar, wiewol seltener, anderswo statt findet, thär tibi, thära tibi non; ä semper, äva nunquam. auch

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möchten wir sie lieber durch a, als at bezeichnen, weil das t wol mehr euphonistisch (wie obiges n zu i und u , oder im f'rauzös. a-t-il für a il) eingeschoben wird, oft schon in der person des verbums vorhanden ist. eben so unbestimmt ist, ob, wenn ein anderer vocal bereits auf die endung fallt, das ver- neinende a eigens ausgedrückt, oder durch das jenem zugesetzte t allein die silbe schwerer gemacht werden soll, so nämlich thordu audent, thordut non audent, matti potuit, mattit non potuit, thikki videtur, thikkit oder auch thikkiat non videtur; ferner: er est, era oder erat non est, das t kann aber nicht nur der dritten, sondern auch andern personen hinzutreten, es 247 läszt sich denken, dasz man häufig zwischen dreien fällen die wähl hat, und wenn man skridi (er schreite) negativ setzen wollte, skridia, skridiat und skridit zu gebot steht. das pro- nomen der ersten person sonderlich schiebt sich zwischen die endung und negation, hefca für hef ec a, wobei dann gern das- selbe pronomen hinten nochmals wiederholt [wird], hefca ec könnte man in demselben sinn sagen. unconcresciert steht die einfache, reine vocalnegation im griechischen ou und dem nor- dischen ei, welches die Dänen oft, die Isländer mehr später gebrauchten, doch ist vielleicht auch das isländ. a in einigen beispielen als alleinstehend zu betrachten, sollte hieher das ä gehören, womit einige deutsche provinzen nein sagen, besonders auf vorausgehende frage? (hast du das gethan? ä, d. i. nein); oder ist es eine aphäresis, ä für stehend? gewöhnlich aber tritt diese negation mit einem zusatz als ein- oder zwei- silbiges eigenes wort auf, wie im ouyi der Griechen, eigi, ecki, ikke der Norden. und letzteres, der nordischen anläge nach, suffigiert sich wiederum ganz (tha heiszt da, theygi da nicht) oder mit weglassung der ersten silbe (thatki für that eki) als bloszes gi oder i. unser vf. erläutert indessen manche vernei- nende Wörter anders, und nimmt eine eigene endung igr, be- stimmt gi, an (s. s. 160. 174. 246), worein wir der kürze wegen nicht eingehn wollen.

II. erzeugt sich die negation durch einen consonant, der gleichsam eine umwendende, drehende kraft an dem satz oder wort ausübt, auf eine merkwürdige weise erblicken wir diese fast in allen sprachen den (ohnehin nah verwandten und immer zusammenstehenden) buchstaben n und m eingelegt, selten aber scheint dieser verneinende consonant mit dem eigentlich zu ver- neinenden wort zusammenzuwachsen, entweder tritt er 1) ganz allein, d. h. nur mit einem leichten vocal, also meistens dem e aussprechlich geworden, auf. ne oder en der Deutschen, ne der Isländer, verneinendes n durch alle celtische und slavische sprachen (ne und ni), griechisches vs und vtj in compositis, [i>j der Griechen, ne der Römer, no, ni und ma der Inder und Perser, mi der Armenier, (das fecistin? der Lateiner ist keine

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eigentliche concretion, da es blosz im fragfall statt hat, nicht aber für non fecisti du thatest nicht gelten kann.) 2) oder in Verbindung mit einem pronomen, adverbium u. s. w., womit es dann unaufhörlich zur eigenen partikel wird, unser nein aus ne ein, unser nicht aus ne icht (dp,s wir nicht erst aus dem Island, erkennen lernen, gegen s. XV), nirgend, nie- mals für ne irgend, ne jemals; plattdeutsch nene (ne ene) keiner, engl, none, isländ. neitt (ne eitt), lat. non (ne unum ?), nuuquam (ne unquam), nullus (ne ullus).

248 Über zwei wichtige punkte, die Verdoppelung und die positivwerdung der negation (rien, vättur), wird sich rec. ein- mal anderswo mit der nöthigen ausführlichkeit verbreiten.

249 Mit besonderm fleisz und glück hat der vf. die isländische declination dargestellt, die eintheilung nach den geschlechtern gibt natürlich (wir glauben in allen sprachen) den sichersten faden an die band, so wie die geschlechtsbildung der adjective die beste bestätigung. wie unklar stellt Adelung sein System auf! eigenes interesse müste es gewähren, historisch zu ver- folgen, wie sich nach und nach endungen und geschlechter mischen, und die masculina immer am meisten vermindern, eben weil sich die ihnen in allen sprachen charakteristisch zukom- mende härtere endung am ersten abschleift, theils die weibliche declination viel leichter vor sich geht, (art, sit, rippe, luft, rose, traube u. a. waren im altdeutschen männlich.)

Aussetzen möchten wir an dem s. 29 aufgestellten para- digma: 1) die voranstellung des neutrums. entweder hätte das femininum vorangehen, das masculinum und dann das neutrum folgen müssen, oder noch lieber masculinum, femininum, neu- trum die folge sein sollen. 2) hätten wir die vierte und fünfte, desgleichen die siebente und achte declination des vfs. unter ein Schema gebracht, so dasz im ganzen nur sechs declinationen, zwei für jedes geschlecht blieben, das hat hr. R. selbst gefühlt, § 14. man braucht blosz die abhandlung jener getheilten decli- nationen durch zu gehn (s. 46. 56. 57) um zu merken, wie die Wörter aus ihnen in einander spielen, und so oft beiderlei weise zulassen, (einzelne ausnahmen bleiben ja immer; selbst das achttheilige schema verhindert nicht alle, oder wo wollte man die feminina auf i, welche im genitiv i behalten, einstellen?) eben die gedachte harmonie mit der adjectivdeclination recht- fertigt eine blosz sechsklassige Unterscheidung; wenn aber die bestimmte und unbestimmte decl. der adject. zu der doppelten für jedes geschlecht der subst. so sichtlich stimmt (s. 67), und ferner die Substantiv gewordenen adjective ihre doppelte ab- änderung beibehalten: so dringt sich die Vermutung auf: ist hiermit nicht auch etwa bei den Substantiven bestimmt- und Unbestimmtheit ausgedrückt worden?

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Schon in der grammatik zu Ulfilas hat man* die Substantiv- ' declination in einer schematischen und adjectivischen der damit 250 übereinkommenden, der adjective in abstracte und concrete zur Seite gestellt, nur findet zwischen beiden fällen folgender unter- schied statt, dasz ein jedes adjectiv in beiderlei gestalt erscheinen kann; die analoge, doppelte gestalt der hauptwörter hingegen blosz an verschiedenen, nicht an denselben Wörtern zugleich er- scheint, die Gothen declinierten wigs (via), genit. wigis, gerade wie gods (guter), genit. godis (gutes), und ahma (spiritus), genit. ahmins, gerade wie goda (der gute), godins (des guten), allein es kommt weder wiga, wigins noch ahms, ahmis vor.

Dessen ungeachtet ist diese duplicität des nämlichen sub- stantives nicht ganz ohne, wir können schelm, schelms und der Schelme, des Schelmen sagen, und im isländischen häufen sich solche beispiele. man gebraucht am und ari, hlutr und hluti, likamr und likami, leikr und leiki, sal und sala, elfur und elfa, ey und eyia, andere sind verschwunden, um in anderen dia- lecten fortzudauern; die Isländer sagen blosz risi, aber im däni- schen erscheint wieder riser (gigas); die abstracte, als die voll- kommnere form scheint nun immer die ältere zu sein.

Wissen müste man nun: was in der bedeutung zwischen hlutr und hluti etwa für ein unterschied statt gefunden hat? und ob ein ähnlicher, als zwischen dem beiwort fromr und fromi? wollte man letzteres bejahen, so würde der beweis schwer zu führen sein, und sich namentlich daran stoszen, dasz ja diese bestimmt aussehenden substantiva (hluti) es darum nicht sein können, weil sie nicht weniger noch besonders, so gut wie andere, den, erst bestimmenden, artikel annehmen, und man augat wie bordit gebraucht, mithin nichts im wege steht, um in obigen beispielen hlutrinn und hlutinn, genit. hlutrinns und hlutans in den bestimmten fällen zu sagen, hätte jene conjcctur richtigkeit, so dürfte letzteres nicht angehn, oder zum mindesten wäre die bestimmtheit in hlutinn, hlutans doppelt ausgedrückt, hlutr blar heiszt: blaues ding, hlutrinn blai: das blaue ding, sollte man im letzten fall nicht lieber und besser hluti blai sagen können? jene eingeworfene zweifache bestimmtheit könnte daraus entschuldigt werden, dasz die sprachen jede einmal ein- geführte form leicht über das natürliche ziel hinaus versuchen; aber stellen aus bewährten quellen wären vor allem erforderlich solche mutmaszungen zu unterstützen.

Eine genügende erklärung des grundes der bestimmten und unbestimmten declination wäre hier mehr an der stelle, reo. will nur weniges andeuten, der frage: ob dieser in den ger- manischen, so wie andern neuen sprachen so wesentliche unter- -251 schied als ein vorzug zu betrachten ist? kann gerade die weitere voraus geschickt werden: ob er sich schon in den treflFliehen alten sprachen findet? sagen wir zweierlei: gold und das

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o-old, rothes gold und das rothe gold, so hat der Lateiner für beide fälle nichts als aurum und aurum rubrum, allein unser vortheil ist mehr eingebildet als wahr, und zwischen beiden fallen eigentlich gar kein rechter unterschied vorhanden; das eigentlich bestimmende, wo es nöthig ist, ruht durchaus nicht im artikel, sondern kommt dem demoustrativum /.u; wo also auf ein bestimmtes gold hingewiesen werden soll, hat der La- teiner sein id, illud, hoc aurum am rechten ort zur band. der beweis des gesagten liegt theils in dem wirklichen gleich- gültigen gebrauch, den wir von unserm artikel, oder nicht machen können ('wein erfreut des menschen herz' ist siclier eben das, was: 'der wein erfreut des menschen herz'), theils in der Wahrscheinlichkeit der überhaupt erst später in jeder spräche eingeführten artikel. bei Homer fehlt er in fallen, wo ihn spätere Griechen gesetzt haben würden: so mangelt er auch im altnordischen und altdeutschen häufig, wo er sich hernach immer unentbehrlicher gemacht hat. sobald er aber, gleichsam ein ub- stractes bild lebensvoller wortbiegung, um sich griff, war es natürlich, dasz er die letzte absorbierte und mehr oder minder, vielleicht ganz vertrat, wer kann bestimmen: ob er die biegung sorgloser gemacht, dasz sie sich vergessen, oder ob diese sich verhärtend ihn herbeigerufen habe? auch hier gieng eine spräche weiter als die andere, niemals entsagte der Grieche seiner voll- ständigen adjectivbiegung, sprach xaXov und to xaXov, während wir im ersten fall: schönes, im zweiten gleich: das schöne setzen, und unter dem schütz des vorstehenden artikels die voll- kommnere flexion schwächen zu dürfen glauben, so unterschei- det auch der Isländer fromt (frommes) und hitt froma (das fromme), wie im Superlativ, hat aber im comparativ blosz noch die weiche form, für unser: frömmerer und der frömmere nur fromari. es ist besonders wichtig, wie im altdeutschen noch sehr oft die vollständige (alte) declination des adjectivs selbst im concreten fall (wo nämlich der artikel voransteht) aufrecht geblieben ist. aus hunderten nur einige beispiele: 'an der triwenloser vart' Parcif. 6526. 'zer wilder' ebendas. 5633. 'der listiger man' Rother 2128. 'der degen guter' Nibel. 1393. 'dem traurigem' Tyturel 328. s. auch Adelung § 297, 2, der natürlich dergleichen für Unverstand hält, ein ähnlicher ge- brauch des abstracten isländischen particips s. unsre gramra. s. 200. nach allem diesem erscheint nun der artikel als ein abgestorbenes, oder nur noch leise fort athmendes demonstrativ- pronomen, die bestimmte form der adjective eine abstumpfung der alten, und der ganze unterschied zwischen bestimmter und unbestimmter declination nur dann noch wirkend, wann etwas eigentlich demonstratives soll bezeichnet werden, in den andern fällen sind die zwei verschiedenen formen, eben so wie der ar- 252tikel gleichgültig, und stehen, gleich den sich häufenden auxi-

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liaren (dem do der Engländer) leer da. einen beleg anderer art kann dazu geben, dasz sich das unbestimmte isländ. particip heppinn, heppin, heppit (s. 72) genau mit den bestimmten sub- stantivformen geislinn, botin, bordit (s. 60) vergleicht.

Nichts ist falscher, als die meinung vieler grammatiker, dasz die endungen der declination durch an- oder eingewachsene artikel entstanden wären, der artikel ist erst später aus dem pronomen entsprungen, die Substantive, sammt ihrer biegung aber eben so alt, wo nicht älter als die pronomina. der suffi- gierte artikel, im deutschen zweig der germanischen spräche fast unerhört, findet sich, wol zu merken, auch nicht im altnor- dischen, sondern erst im späteren, alsdann aber zeigt er sich regelmäszig, und der eigentliche kern des worts decliniert auch noch daneben auf seine art, s. s. 54. 59. (im dänischen end- lich gieng auch dies verloren.) wäre die biegung schon der eingegangene artikel, was bedürfte es erst des anhangs? der artikel aber, er sei prä- oder suffigiert, sollte wenigstens ur- sprünglich etwas hinzu bringen, was dem wort an sich abgieng.

S. 94 106. vom pronomen, wo wir gleich auf eine feine Untersuchung des persönlichen stoszen, doch nicht überall der meinung des vfs. sein können, er will ein viertes, vom dritten verschiedenes fürwort darthun und dem reciprocum keine ur- sprüngliche Verschiedenheit zugestehn. mehr als drei per- sonen kann es eben so wenig geben, als auszer dem singularis, diialis und pluralis noch eine vierte art, so dasz etwa unser pluralis für die dreizahl, jener supponierte aber für die vierzahl gälte und dann so weiter, wie das wort pluralis aber schon recht verständig sowol 3 als 4 und jede weitere zahl faszt, so schlieszt die dritte person in sich alle übrigen ein. wäre es möglich, hier in das vier individuell überzugehen, es so zu sagen eigens zu erwecken: so hätte man noch keinen grund, bei ihm stehn zu bleiben, und nicht weiter bis zur neunzahl vorzuschreiten, in dem beispiel: 'ich (1) sage dir (2) dasz er (3) ihn (4) geschlagen hat' sind freilich vier personen vorhanden, sobald aber hr. Rask für die dritte und vierte besondere prono- mina deduciert, so fordern wir ihm auch für die fiinfte eins ab wenn wir etwa fortfahren: 'ihm (5) zu gefallen.' denn sagen läszt sich auch das noch, ohne viel bedenken.

Dagegen ist es ein anderes, dasz die demonstrativen prono- mina die zur näherbestimmung dieser weder ersten noch zweiten person dienen, und sowol die fi'mfte, vierte als dritte anzeigen können, wol noch in allen sprachen sich mit jenem pluralpro- nomen vermischt haben.

Mit grund hat also unser vf. vorerst die unnöthigkeit des sogenannten reciprocums, als einer eigenen form, da es nichts ist, als das reflectierte, d. h. in demselben satz oblique wieder- kehrende pronomen selbst, aufgestellt, dies führt nun zu der

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weitern, wichtigern annähme, dasz die formen: sin, ser, sik, 253 welche dem dritten pronomen in den obliquen endungen zu- kommen, ursprünglich einen ihnen entsprechenden, jetzt ver- lornen, nominativ für den directen gebrauch gehabt zu haben scheinen, welcher so viel als unser: er, sie, es bedeutet, dasz überhaupt aber dieses dritte pronomen sowol reciprok als un- reciprok gegolten haben musz. hiernach würde man haben können: ich schlage sich (für eum) wie amo se für enm, wozu jedoch die germanischen sprachen schwerlich beispiele aufweisen möchten, die behauptung des vfs., dasz von jenem dritten per- sönlichen pronomen, welches er im isländischen sa und su auf- stellt, noch reste in dem deutschen sie (femin. und plural.) ge- blieben, wäre in so fern zweifelhaft, als dieses sie im accus, wieder sie, nicht aber sich formirt, wie es der ansieht gemäszer sein würde, für diese ansieht fügen wir aber nachstehende gründe hinzu: 1) die ähnlichkeit der formen se, sibi, in allen sprachen mit denen von me, mihi, te, tibi; diese drei prono- mina stehen auf einer reihe, und wie me und tc das erste und zweite, so bildet se das dritte, folglich hat auch gleich jenen dieses dritte reciprok und unreciprok gegolten, reciprok natür- lich nur in den obliquen fällen, da der nominativ (ek, thu, sa) nicht anders, als gerade vorkommen kann. 2) dasz wenn jene, jetzt auffallende, allein consequente fälle in dem deutschen und isländ., so viel uns bewust, geleugnet werden müssen, sie darum in andern alten sprachen nicht unerhört sind, wie na- mentlich im lat. sui und se für illius und illum stehet (Vigerus s. 165) oder noch häufiger das griechische c»6, e, lauxou unreci- prok und gar demonstrativ gebraucht wird. 3) der umstand, dasz im deutschen er (ille) und sie (illa und illi) auf gleiche linien gestellt werden, zeigt doch vermutlich, dasz bei uns die Verschmelzung des demonstrativum mit dem dritten personale nicht ganz durchgedrungen ist. im reciproken fall blieb die alte form überall, andere gesunkenere mundarten können über- all und immer nichts, als jenes demonstrativ brauchen (wie be- kanntlich die Engländer ihr him), ja sie haben im plural kein sie zu gebot, wofür they, de, sogar im isländischen their er- scheint.

Auf der andern seite, für die individualität des reciprocums, als einer diflFerenz vom personale wäre der sonderliche umstand zu erwägen, dasz z. b. aauxou im griechischen nicht nur sui ipsius, sondern auch mei und tui ipsius aussagen kann, in- gleichen das lat. sui für alle drei personen steht (Vigerus c. IV, 7), welche erkaltung sogar bis in einige bildungen roma- nischer sprachen hinein gespürt wird, da die Franzosen ohne anstand je suis suicide, tu es suicide statt moicide, toicide setzen, (vielleicht ist hier der Ursprung des s in selbst und ipse.) nirgends aber ist das entschiedener als in den slavischen

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sprachen, welche ihr reciprocum se etc. immerfort für alle drei fälle gelten lassen, und ihr me, mi, te, ti nicht einmal reciprok nehmen dürfen, bald hernach werden wir beim verbura dvr Isländer sogar von dieser weit einschlagenden neigung eine merkwürdige spur wahrnehmen.

Auszer zweifei ist es, dasz das demonstrierende pronomen 254 überall an dem platz des dritten persönlichen einzutreten pflegt, für beide, oder nur den unreciproken fall, ganz oder in einigen endungen, immer oder zuweilen, letzters, wenn die Griechen au-o? für sauTO?, wenn die deutscheu zungen ihn für sich setzen, der stärkere fall in mehr geschwächten dialecten, wo dann die anhangswörter selb, seif in zweifelhafter läge aushelfen müssen, dasz das altdeutsche hierin gar oft weiter zu gehen scheint, als das neuere, ist ein schein gegen unsere Vorstellung.

Nun müste die Untersuchung fortfahrend zeigen, wie das dritte pronomen auch in das relativum übergeht und welches von ihnen zum artikel genommen wird, der geist des islän- dischen und deutschen weichen hier öfters von einander, unser der, die, das (relativ, artikel und demonstrativ) ist bei den Is- ländern blosz demonstrativ, wogegen sie unser er blosz relativ kennen, und .dazu .ganz unveränderlich, ja ohne geschlechts- unterschied brauchen, unser neutrum es mangelt ihnen durch- aus, dafür nehmen wir unser relatives so ungeändert durch alle geschlechter und casus, welches auf jeden fall mit dem angelsächsischen se, isländischen sa und su (auch bei Ulfilas), zusammenhängt, das griechische 6?, das antänglich wieder mit eo; einerlei war und die dritte person angezeigt hat, hat später das relativ, nicht den artikel abgegeben, dieser aber (o, yj, to) that im alten griechischen gleich unserm deutschen der, die, das gar oft das amt des relativums. wenn in irgend einer lehre formen und analogieeji in einander rinnen, so ist es bei dem pronomen.

Auch das verbum ist anschaulich dargestellt (s. 107 bis 267 144). die isländische conjugation ist einfach, fast eben so be- schränkt, wie unsere heutige deutsche, und mit der fülle der griechischen oder auch slavischen sprachen in diesem stück nicht zu vergleichen, zu erwarten war es, dasz der vf. (und 80 schon der von ihm gelobte schwedische Sprachforscher Botin) der sogenannten unregelmäszigen coujug. gerade eine wahre, organische regelmäszigkeit beilegen würde, welche sich freilich nicht in die engern äuszern gesetze, welche die spräche sonst befolgt, fassen läszt. vielleicht hätte die erste ältere art auch zuerst abgehandelt und die einzelnen verba der Unterarten so vollständig als möglich angegeben werden sollen, (was sich bei neuen auflagen, die diesem buche nicht ausbleiben werden, voll- führen läszt.) auch fragt es sich: ob die in § 44 und 45 ab- gehandelten verba nicht schon eigentlich in (des vfs.) zweite

526 RASK, GAMLE NORDISKE SPROG.

hauptgattung hinüber greifen, da es überhaupt bei der Charak- teristik nicht ganz auf endung des imperf. und particip. paszt (s. 111); sondern zugleich auf den urnlaut anzukommen scheint, selbst das particip der verba auf ua und oa 45) deutet da- rauf, wogegen andere Wörter der zweiten gattung, z. b. skina im partic. skinit, herüberspielen, auch einzelne Wörter der zweiten art der ersten gattung lauten um (s. 120). rec. möchte auf die participialendung kein zu groszes gewicht legen, da man ja von den formen temia und vekia (§43) tamdr, vaktr und auch taminn und vakinn findet, vergl. 248. statt die Unter- suchung, in wiefern die zwei hauptgattungen gänzlich oder nur meistens mit dem unterschied der transitiven und intransitiven form übereintrefi'en? 56 und s. 178) aufzunehmen, will rec. hier blosz die frage wagen: ob nicht verschiedene formen, wie gahete und gie und alle ähnliche, in der dunkelheit ihres Ur- sprungs nicht die verschiedenen grade des präteritums, also hier ibat und ivit, iit gewesen sein könnten? scheint dies später auf jene Verschiedenheit zwischen transition und intransition hinauszulaufen (schallte und scholl), so wäre eine Vermittlung nicht so fern, als es scheinen mag. leuchtet es nicht ein, dasz 258 die ruhigen intransitiva sich mehr zum perfectum, die thätigen transitiva mehr zum imperf. neigen? eines ist auch auffallend, nämlich dasz gerade die sprachen, welche ihre activen und neutralen formen verschieden zu färben lieben (wie alle ger- manische), gerade nur ein präteritum haben, während sich vor- theil und mangel im griechischen und lateinischen gerade um- kehren.

Eine umständlichere erörterung müssen wir von dem nor- dischen passivum folgen lassen; zu unsrer Verwunderung ist unser vf. in diesen wichtigen punkt fast nirgends eingegangen. s. 108. 109 wird blosz bemerkt, dasz das passivum durch ein den activen formen zugefügtes st gebildet werde, gleich hier hätte sollen angeführt werden, was erst unten s. 248 steht, dasz in der altern zeit fast nie ein solches st, sondern ein bloszes z, zk, sk, zt gefunden wird, dadurch wird es leichter wahr- zunehmen, dasz die ganze form kein eigentliches passivum, sondern ein bloszes reciprocum scheint, welches sich ins activum und ein pronomen sik oder ser auflöst, und auch bei weitem meistentheils eine active oder neutrale bedeutung hat. diese vertritt nun in gewissen fällen das passiv, wie unser sich finden (finnaz) soviel als: gefunden werden bezeichnen kann.

Gebrauchen die Norden auch unzusammengesetzt die reci- proke verbalform? und gleichgültig mit der zusammengesetzten? man sagt: 'han atti ser kona'. konnte man hier auch attiz (von eigaz) gebrauchen ? oder komaz, riufaz, vegaz, fordaz, setzt gleichbedeutend mit koma, riufa, vega, forda, setia sik oder ser? im dänischen scheint das offenbar der fall, denn welcher

RASK, GAMLE NORBISKE SPROG. 527

unterschied wäre zwischen ihrem vänne sig und vännes, under- staae sig und understaaes?

Reinpassivisch, d. h. nicht mehr aufzulösend ins reciprocum, kommt die endung in altisländischen gedichten nur selten und kaum vor (man durchgehe das Wörterbuch der gedruckten Edda), später aber wird jenes immer häufiger, im dänischen nament- lich kann man nicht nur sagen: som ikke gives (quod non datur), sondern auch: de creditores skal udryddes (creditores extstirpari debent), wo das eigentlich im wort liegende: sich ausrotten, ganz ohne sinn wäre. dieses früh und spät ent- scheidet, und nicht als ein Vorzug stellt sich das nordische passivum dar, sondern als eine allmähliche Verhärtung und taub- werdung; hr. R. erkennt es selbst an, s. 204, dasz sich im alt- isländischen das passivum (wie im deutschen immer) durch das hülfswort werden ausdrücke, erst nach und nach drang die un- organische, nur scheinbar vollkommnere andere form ein.

überaus merkwürdig ist ferner, dasz diese reciproke form 25» auch auf fälle geht, und gilt, wo sie nicht in sich, sondern mich oder dich, oder den pluralis zersetzt werden müste und dieses scheint eine zweite gewaltthätigkeit, für deren alter sich gleich- falls nur wenige beispiele angeben lassen würden, in der alten Edda steht: muntu lamiaz (du sollst erlahmen, oder gelähmt werden), tinnomk heiszt: wir finden uns, jungimur, finnom okr, und da übrigens die erste person pluralis häufig für den singul. steht, brannomk = uror, ich brenne mich, oumk = ich fürchte mich, paveo. im neunordischen ist das alles noch gemeiner, die Dänen sagen : som du kand forbindes med (quocum jungi poteris, wörtlich: womit du kanst verbinden sich), es war, so- bald man im passivum das reciprocum einmal vergessen hatte, dies ein schritt und kein Sprung.

Hier werfen aber die slavischeu sprachen ein groszes licht, und könnten dem ganzen tadel einen stosz geben, die Russen drücken z. b. gleichfalls durch anhängung ihres reflexivpronomens sja, verkürzt aus sebja, das passivum aus, und zwar 1) für den fall, wo der sinn auch reciprok bleibt; 2) ebenfalls für alle drei personen; moetsja heiszt: er wäscht sich, moemsja: wir waschen uns; 8) als ein reines, d. i. unauflösliches passiv, z. b. podschi- wajutsja = bewirkt werden, siehe Vaters russ. gr. 120 125, auszerdem haben sie noch das gewöhnliche passivum durch das auxiliare. andere slavische sprachen, z. b. die Krainer, nehmen auch ihr sehe oder se für alle drei personen, stellen es aber in der Zusammensetzung dem verbum voran, s. Kopitar pag. 282 se veselim ich freue mich, se veselish du freuest dich, se veselmo wir freuen uns.

Endlich, sollten nicht auch einige griechische passivformen analog zu verstehn sein? da die hauptendungen }xai, aat, tai (Thiersch, fünfte tabelle) bestimmt auf die persönlichen pronomina

528 RASK, GAMLE NORDISKE SPROG.

US 3£, £ weiseu. nur wäre die Vollkommenheit, dasz hier alle drei personen persönlich auftreten, ein guter gruud gegen die Steifheit des im slavischen und nordischen allein herschenden dritten pronomens. man nehme dazu, dasz soviel griechische Zeitwörter auf txai in reciproca anderer sprachen aufgelöst werden können, z, b. -^avuixai }xvao|jLai (isländ. minnaz).

Den dritten hauptabschnitt, von der Wortbildung, hätt< unser vf. vielleicht lieber dem vorigen vorausschicken sollen, wie auch Dobrowsky in seiner trefflichen böhmischen grammatik gethan hat. zuerst § 3 14 von ableituug durch vor- und Zu- satz, dann § 15—20 von der eigentlichen Zusammensetzung, alles überaus sorgfaltig und brauchbar, besonders in ableitungen ist das isländische sehr reich, wogegen es in Zusammensetzungen natürlich vom deutschen ttbertroffen wird, in diesem waren vor alters noch manche der ableitungen fruchtbar, die wir hier erblicken, z. b. die mit all-, die mit be-, ge-, durch- hat das deutsche noch jetzt voraus, dagegen bleibt das eigenthum anderer den Isländern, wir wünschen, dasz die beispiele vermehrt und 260 vervollständigt würden, überhaupt würde jedermann das buch gern zu einer doppelten stärke anwachsen sehen. die den Isländern § 182 zugeschriebene composition findet sich auch im deutschen; noch weniger möchte man diese composita ganz leer nennen, sie scheinen immer eine neigung für gut oder bös, ohne dasz dies erst ausgedrückt wird, in sich zu haben.

S. 190 210. der vierte haupttheil, worin die Wortfügung der Isländer mit recht gerühmt wird, man musz den § 8 der siebenten abth. gleich dazu nehmen, auch hier liesze sich dem altdeutschen manches vindicieren, was wir jetzt, gleich den Dänen und Schweden, eingebüszt haben, manches ist sogar noch jetzt geblieben, nur auf seltnere fälle beschränkt, vergl. § 6. 7. 16 u. s. w. der dreiste Übergang der oratio directa in die obliqua 14) und umgekehrt, gewissermaszen ein umlaut im groszen, statt welches wir nunmehr lange hülfszusätze gleich hülfswörtern brauchen müssen, ist nicht blosz in der nordischen, sondern in aller poesie zu hause, diese frischheit geht unter mit den vollen vocalen, in beiden ist das isländische viel län- ger glücklich gewesen. die veränderlichen participia pass. § 15 sind auch altdeutsch, doch übergehen wir diesmal die beispiele.

Gar angenehm war uns der ganze fünfte abschnitt von der metrik, die auf einem groszen grund erwachsen bald die feinste ausbildung bekam. wer zweifelt nach § 2 daran, dasz die Stollen der deuschen meistersänger mit den studlar der scalden verwandt sind? Olafsen hatte den wahren gesichtspunkt ver- rückt, indem er den hofudstafr voranstellt, da doch die beiden studlar (wie hier richtig steht) vorausgehen, und jener (der ab- gesang) nachfolgt, die zwischen lied und laut (liod und hliod)

KASK, (iAxMLK XuRDISKE SPROG. 529

für die anwendung auf hliodstafir streng scheidende note (s. 211. 212) bezweifeln wir vorerst noch, warum wären beide so oft vermischt worden, warum steht in unsers vfs. vorrede p. IX selbst noch hliodfäri mit saungfäri gleichbedeutig? oder soll hier sang mehr den laut als das lied aussagen? weil wir anders- wo darauf zurückzukehren hofien, müssen wir über einen so in- teressanten abschnitt kurz sein; nur theileu wir noch aus s. 226 die treffende Charakteristik der berühmten versarten mit: 'run- hend ist aus der maszen nett und behaglich, drottquäd hoch- zeitlich, majestätisch, fornyrdalag einfach, leicht, flieszend.'

Die sechste abth., 237 282, ist von den spracharten über- schrieben, handelt aber nur von den eigenthümlichkeiten der dichterischen, neuisläudischen und faröischen spräche, mit fug wird das neunorwegische und alt- und neuschwedische ab- gelehnt, sie fordern und haben auch eigne bttcher. jenes steht jetzt zwischen dem dänischen und schwedischen, aufge- fallen ist uns § 2, was wir bestreiten, dasz erst in Island, wo- hin die alte norräna mit den edelsten landesgeschlechtern ge- flüchtet war, die poesie entsprungen sein soll, deren herlich- keit wir bewundern, das hiesze das uralte noch zu neu ma- chen, und rec. hat keinen glauben an das abfeilen und schlei- 261 fen, das den alten harten und unbestimmten formen noth ge- than habe, vmd ihnen also auf der insel widerfahren sei; auch dürfte es an äuszern gründen niclit fehlen, wie denn das grön- ländische lied von Atli gewisz in einem theil Norwegens ge- dichtet wurde. was § 4 9 von der poetensprache gesagt wird, ist eine grammatikalische ausführung, die man in Olaf- sens schätzbarer schrift grösztentheils vermiszt; das alte und poetische fallen hier sichtbar aufeinander, auszer andern ähn- lichkeiten mit dem deutschen (s. 244. 245) könnten wir auch die einschmelzung der ersten person in das zeitwort (247 ein tiefliegender punkt), oder den gebrauch des plurals für den sing., aus unserm idiom erläutern, hierbei erinnert der vf. an die lappischen endungen, uns läge das französische beispiel (j'avons für j'ai) näher, die verwickelte Vorstellung der dichter (s. 250) ist ihrem gründe nach ein einfacher reichthum, eine freiheit im herzen und einer adligen spräche durchaus würdig und natürlich; die nachherige künstelei nur eine andere erschei- nung derselben, wodurch der spätere meistergesang gegen den frühen, oder die leere turniererei zu dem alten ritterstand ab- stach. — das neuisländische ist nur in einzelnen tönen, wenig im grund verstimmt, 'noch immer kann jeder bauer die alten sagen lesen und verstehen', wirkung der abgeschlossenheit und liebe zur heiraat auf reinheit in sitten so wie spräche, jedoch möchte einiges von dem, was wir im vorhergehenden aufge- stellt haben, selbst in manchen alten quellen leise spuren von einer gewissen späterheit des dialects bedeuten, was dem eigent-

.7. GRIMM, KL. SCHRIFTKN. VII. 34

530 NOTICE D'UN POEME LATIN.

liehen hohen alter der spräche und dieser monumente nicht den geringsten abbrach thut. mit recht werden getadelt, 'die mit Verachtung ihrer nationalität ihre spräche der dänischen immer mehr anzubilden suchen.' auch hier begegnet es sich, dasz neueingeführte Wörter längst in bessern einheinnschen vor- handen waren; wir sehen aber nicht ganz ein, wenn eines darunter: bockthryckiari s. 254 verworfen, und dafür prentari (printer) gelobt wird, wenigstens sind beide formen fremd. neu und belehrend ist, was hr. Rask § 16 24 über die faröi- sche mundart zusammenstellt, er hatte sich aber auch eines handschriftlichen hülfsmittels in der Svaboischen samml. zu er- freuen, deren er in der vorrede s. XLVl als eines musters von fleisz und genauigkeit denkt, an besondern ähnlichkeiten mit dem deutschen fehlt es hier wieder nicht, die wir aber über- gehen, um noch eine viel allgemeinere vergleichung anzu- stellen.

NOTICE DUN POEME LATIN DU DOUZIEME SliCCLE

TRAITANT LA FABLE DE RENARD ET D'ISENGRIN.

Geschrieben 1817.

Ayant travaille sur les anciennes poesies existant de la ftible du loup et du renard tant en allemand qu'en fran^ais, je fus confirme de plus en plus dans mon opinion, (|u'il devait y avoir eu des ouvrages latins anterieurs h l'epoque du treizieme siecle et qui auraient servi en quelque maniere de base aux poemes composes sur le meme sujet en langue vulgaire. Aucun litera- teur cependant ne connaissait un tel ouvrage et tous les auteurs, qui ont tache d'eclaircir les origines de cette celebre fable, en ignoraient tont ä fait l'existence. Neanmoins plusieurs citations, que je rencontrai dans un petit volume de Flacius, intitule: florilegus sive flores poetarum de virtutibus et vitiis. Coloniae 1505. in 12'"° durent me persuader, que cet ecrivain avait eu entre ses mains et extrait un poeme latin, nomme par lui Isengrinius, en vers elegiaques. L'on peut consulter dessus Fabricius (bibl. lat. tom. 3. p. 326 330), qui rapporte quatre de ces citations. Mais rien ne me presageait, que cet ouvrage pouvait encore exister quelque part et notre literature se vit privee d'une source, qui selon toutes les apparences aurait du fournir des resultats importans pour Thistoire de cette fable.

Attache l'an 1814 ä la legation hessoise je vins ä Paris et je n'eus rien de plus au coeur, que d'employer tous mes loisirs a l'examen des manuscrits, dont la bibliotheque royale est in-

?sOTlCK Ü'üiN l'UEME LATIN. 531

comparäblement riche. Tout en parcourant le catalogue imprime de cette collection, mes regards toniberent sur le no. 8494, qui contient la description suivante: 'Codex mernbranaceus, olim baluzianiis. Ibi continetur dialogus Isingrinum inter et Ueniar- diini (sie!) versibus elegiacis, qui quidein dialogus satyricus Jacobo Merlando tribiiitur a Stcphano Balu/io. Is codex seculo decimo quarto videtur exaratus.'

Lisant ces mots, je ne doutai deja plus, que c'etait la risengrinus de Flacius et j'en acquis bientot la certitiide. 11 me fut facile d'obtenir la permission de co[)ier iin poeme recherche si longtems, et j'y parvins dans I'espace de deux mois, qnoique l'ecriture du mauuscrit füt mal lisible et extreme- ment mince.

Je m'abstiens, Messieurs, de vous entretenir pour ce moment de ce, que contient le dit manuscrit sur 127 feuilles, attendu, que je me propose de le faire imprimer en entier et de traiter toutes les questions, auxquelles il peut donner lieu. Je me borne ici, ä diriger votre attention sur un point, qui certaine- ment ne saurait manquer de la meriter en quelque sorte.

L'auteur, auquel Balu/e attribue notre ouvrage latin, porte le nom celebre du pere de la poesie flaraande ou hollaudaise. Je n'ai rencontre nulle part cette assertion dans les ecrits de Baluze, et nommement point dans ses vitae paparum avenio- nensium (Par. 1693), probablement il aurait eu l'occasion d'en parier. Mais eile se trouve bien dans le catalogue imprime de sa bibliotheque. (Bibl. baluz. pars tertia complectens codd. mss. pag. 128. no. 862 'rithmi Jacobi Merlandi.') Aucun des litterateurs, qui ont examine la vie de Jac. van Maerlant, ne lui attribue ce poeme latin et rien n'annonce, qu'il ait telle- ment possede cette langue, pour composer en eile des ecrits et meme des vers. Je me refere a la vie du poete, qui precede Tedition de son Spiegel historiael (Leide 1784) ainsi qu'aux recherches y relatives, que l'on lit dans les Avondstunden de Mr. van Wyn. Baluze, d'oii aurait il donc pris cette indication, qu'au moins il ne peut point avoir puise dans le poeme lui meme, qui ne decele pas le nom de son auteur?

Je crois, apres plusieurs recherches inutiles, enfin avoir trouve la source de Topinion de Baluze, c'est un passage assez curieux des annales de la flandre par Jac. Meyer et j'ai lieu d'etre surpris, que les literateurs hollandais l'aient jusquici ignore. Le voici: (commentarii sive annales rerum flandr. lib. 17. Antverp. 1561. pag. 64) ad annum 1206 'in rythmis Jacobi Merlandi Lupus Isengrin vocatur, sicut vulpes Reynaert.*

11 en suit, que Meyer ait effectivement connu un poeme (flamand) de Keynaert et d'Isengrin et quil Tattribue a Jacob van Maerlant. Ce poeme, a mon avis, est celui meme, qui vient d'etre decouvert, il y a quelques ans, ä Combourg en

34*

532 NOTICE D'UN rOKME LATIN.

Souabe et publie par Graeter. Mais alors Meyer se tromperait sur le nom de l'auteur, qui se nomine Willem et non pas M e r 1 a n d.

Quoiqu'il en soit, Baluze s'est trompe encore davantage en faisant Tapplication de ce passage sur son manuscrit latiu. A la verite, Meyer ne dit pas expressement, que les 'rhythmi* dont il veut parier, aient ete composes en flamand, mais il ne les qualifie pas non plus de latins. Au contraire il ne nomme point le loup et le renard: Isengrinus et Reinard us, comme ils sont appeles dans le poeme latin, mais Isangrin et reynaert, suivant l'expression flamande.

Du reste, on n'a qua lire ce poeme, pour se convaincre entierement qu'il est bien anterieur ä l'epoque de Maerlant. Celui ci fut ne ä Damme, l'an 1235 et mourut 1300. Notre poeme, si je ne me trompe pas, doit avoir ete ecrit vers Fan 1150, il precede donc de plus d'un siecle le temps, floris- sait Maerlant.

Cependant il ne perd pas pour cela l'interet national, qu'il aurait du inspirer aux literateurs hollandais sous la supposition, que Maerlant füt son veritable auteur. J'espere pouvoir prouver, qu'eflFeetivement il doit toujours son origine au meme sol, c'est ä dire ä la Flandre ou ä quelque autre province adjacente. II y est fait mention, par exemple, des claustra blandinia (pres de Gent), de Galterus (Walter, Wouter) abbe d'Egmont, decede en 1161 (v. annales egmundanos cap. 20 25), des inondations survenues en Flandre, Frise et Hollande lors de cette epoque (pre partie du douzieme siecle) etc. etc.

Diese notiz übersandte Jacob Grimm am 30, october 1817 dem königlichen Institut zu Amsterdam (vgl. briefe an H. W. Tydeman herausg. von AI. Reifferscheid. Heilbronn 1883. s. 64) zugleich mit folgendem geleitsbrief:

Cassel ce 30 Oct. 1817. Monsieur, J'ai Thonneur de soumettre u l'Institut la notice ci-jointe d'un poeme latin, compose dans les pays-bas vers le milieu du douzieme siecle. Permettez que je vous adresse en meme temps quelques exem- plaires de l'annonce contenant le detail de toutes les pieces retatives ä la fable d'Isangrin et de Renard, que je me propose de publier. L'etat actuel de notre librairie ne permet point, que cette publication se fasse sans ouvrir prealablement des souscriptions, j'ai pense, que mon entreprise pouvait meriter l'attention du public hollandais, attendu que Touvrage latin en question doit son origine a quelqu'une des pro- vinces composant les pays-bas et qu'il peut servir ä rillustration de plus d'un objet historique; le poeme flamand, qui fera partie du deuxieme volume de la collection n'a ete jusqu'ici imprime qu'imcom- plettement et avec bien des fautes. Les souscriptions seront re^ues jusqu'a la fin de l'annee courante.

DIE FRANZur^KiN UiM) IIUIK Sl'RACliDKNK.MAI.K. 533

La libruirie d'Hermanii a Francfort s. mein vient de rt'impriiner les ouvrages latins dus aux derni<'res decouvertes de l'abbe Majo a Milan. En voici les titres: Itinerariuni Alexandri ad Constantiiiin augustuin Constantini M. ülium edente nunc primum cum noti» An- gelo Majo. Julii Valerii res gestae Alexandri macedonis translatae ex Aesopo prodeunt nunc primum edente notisque illustr. Angelo Majo. J'ai Fhonnenr d'etre avec la plus haute cosideration Monsieur

Votre trt'S h^'" et tres ob"' serviteur J. Grimm.

AUS DER HANNOVERSCHEN ZEITUNG. 1832.

[DIE FRANZOSEN UND IHRE SPRACHDENKMALE.]

no. 24. soniuibeml, den 28. jauuiir. s. 110.

Aus Göttingen. Käme doch den arbeiten, welche sich in Deutschland für die bekanntmachunfj und Untersuchung der alt- deutschen Sprachdenkmale hervorgethan haben, auch ein tüchtiges streben der französischen gelehrten entgegen! die alten dich- tungen beider länder dienen wechselweise einander aufzuklären, der rühmliche eifer, den Frankreich im sechszehnten, siebzehnten Jahrhundert für die alterthümer seiner geschichte zeigte, scheint jetzt zu verglühen und die heutige denkungsweise des volks ist beinahe unfähig geworden, ihn zu hegen und anzufachen, während der Parcival unseres Wolfram von Eschenbach, die groszartigste und reichste dichtung des dreizehnten jahrh,, jetzt schon die zweite ausgäbe (und eine kritische im höchsten sinne des Worts) erlebt, ist der altfranzösische Perceval des Chretien de Troyes (zwar nicht die quelle, aber doch des deutschen dichters Vorgänger) noch gänzlich ungednickt. ebenso im staub liegt der Iwein des Chretien de Troyes, dessen altdeutsche Umarbeitung, oder vielmehr umdichtung, uns längst durch drei ausgaben zugänglich geworden ist. Edgar Quinet, ein junger französischer gelehrter, der in Deutschland studiert hat, und jüngst in Griechenland gewesen ist, kündigte verwichenes jähr, etwas allzu pomphaft, die vermiszten ausgaben altfranzösischer handschriften an; wir wollen erwarten was er leisten wird, die einzig bekannte provenzalische dichtung epischer art, der Ferabras, ist vor einigen jähren in Deutschland entdeckt, und von einem unserer berühmtesten philologen, Imm. Bekker, so trefflich herausgegeben worden, dasz Raynouard, der namhafteste kenner des provenzalischen in Frankreich, ganz erstaunt nur ein paar unbedeutende Sprachbemerkungen darüber im Journal des savans nachzutrajien wüste.

534 BARTH, KABIREN. ~ ULFILASIIANDSCHRIFT.

[BARTHS KABIREN IN DEUTSCHLAND.] ebenda.

Der bairische geheimerath Barth zu Erlaugen hat ein buch herausgegeben, vor dessen titel ehrliche alterthumsfbrscher er- schrecken können: die Kabiren in Deutschland, 402 selten, von deutschen Kabiren wüsten sie bisher so viel wie nichts, von den übrigen Kabiren wenig genug, nach durchblätterung des buchs wird sich aber der schrecken legen, hr. Barth hat blosz aus der stelle bei Tacitus Germ. 43 von den Nahanarvalen die Kabiren entdeckt, die stelle lautet: apud Nahanarvalos antiquae religionis lucus ostenditur, praesidet sacerdos niuliebri ornatu; sed deos, interpretatione Romana, Castorem Pollucem((ue memorant: ea vis numini, nomen Alcis: nulla simulacra, nulluni peregrinae superstitionis vestigium: ut fratres tarnen, ut juvenes venerantur. fiel hm. Barth, der mehrere vollkommen verwerf- liche deutunoren des Wortes Alcis zusammenstellt, die sehr nahe liegende nicht ein, dasz Alx (denn Alcis ist oflfenbar der genitiv) genau der goth. ausdruck Alhs sei, womit Ulfilas vao? oder to tspov überträgt? das goth. wort alhs, im hochdeutschen und Sachs, dialect alah, mag nicht allein die heilige statte, sondern heilthuui überhaupt, also auch numen bezeichnet haben.

MÖGLICHKEIT EINE HANDSCHRIFT DES ULFILAS AUFZUSPÜREN, no. 34. donnerstag, den 9. februar. s. 162.

Stanislaus Siestrzencewicz von Bohusz , erzbischof von Mohilew und metropolitan der katholischen kirchen in Ruszland, versichert in seiner histoire de la Tauride, Brunswick 1800, tom. 1 p. 237. 238 ein sehr altes exemplar der gothischen bibel- übersetzung bei dem verstorbenen staatsrath Stählin in Peters- burg gesehen zu haben, in der zweiten umgearbeiteten und zu Petersburg 1824 unter dem titel: histoire du royaume de la Chersonese Taurique erschienenen ausgäbe wird alles wiederholt und s. 152 hinzugefügt, dieses tres ancien exemplaire, worunter man sich doch nicht den druck des Junius denken kann, sei jetzt im besitze der erben des staatsraths Stählin zu Nördlingen. Jacob von Stählin (Storcksburg) war geboren zu Memmingen 1710, kam 1735 nach Kuszland, war professor bei der Petersburger academie der Wissenschaften, in der folge bibliothekar des grosz- fürsten und nachherigen kaisers Peter 111. und starb den 6. juli 1785. in dieser Stellung können ihm seltene handschriften leicht zugekommen sein, es ist freilich befremdlich, dasz er von einem solchen codex der academie, deren secretair er zuletzt gewesen, nicht einen bericht vorgelegt haben, oder, dasz in der langen zeit, von 1785 an, seitdem seine bücher nach Deutschland gebracht worden, nicht irgend eine künde davon erschollen sein

NEUBAU DER GÖTTINGER UNIVERSITÄT. 535

sollte, indessen wäre es doch der mühe werth, wenn jemand in Momminfypn (oder Nördlingen, falls dies nicht ein bloszer gedächtnisfehler des Siestrzencewicz) nachforschungen anstellen wollte, die allgemeine zeitung, welche in diesen Städten gewisz gelesen wird, könnte durch aufnähme gegenwärtiger notiz dazu beitragen.

[ZUM NEUBAU DER GÖTTINGER UNIVERSITÄT.]

no. 41. freitag, tlcii 17. Februar, s. 272.

Göttingen, den 12, februar. Hier ist jetzt viel redens über das Universitätsgebäude, welches bis zu dem in einigen jähren bevorstehenden Jubiläum errichtet werden soll. eine solche sccularfeicr hat, auszer anderm nutzen, das gute dasz sie, wie kinder auf ihren geburtstag beschenkt zu werden pflegen, den öflPentlicheu iustituten irgend eine bedeutende gäbe von selten des Staats zuwege bringt, die nothwendigkeit des neuen baues für die Georgia Augusta, welche seit den hundert jähren ihre glieder ziemlich gereckt und gestreckt hat, wird von niemand bestritten, das sogenannte coucilienhaus bietet für die gewöhn- lichen actus nur einen dürftigen räum, der nichts von ange- messener würde an sich trägt; das grosze auditorium in der alten würde, blosz oben, wo die professoren sitzen, mit einigen vergoldeten leisten verziert, geht in der mitte und unten in ein Scheunenhaftes gerüste aus, in dem die trompetenstösze bei den jährlichen preisvertheilungen nicht recht widerhallen, die haupt- frage ist nur, wohin das neue gebäude gesetzt werden soll? Göttingen hat einen überflusz an schlechten und häszlichen häusern, durch deren nachbarschaft ein in edlem stil und etwas groszartig aufgeführtes gebäude an jeder stelle gestört und be- einträchtigt werden würde, es wird kaum irgendwo, will man sich in dem bereich der jetzigen stadt halten, ein platz aufzu- weisen sein, in dem der baumeister frei walten könnte, ohne dasz erst andere Wohnungen erkauft und niedergerissen würden, was die kosten beträchtlich steigert, man sollte sich von diesen hemmungen los zu machen suchen und das verfahren zum muster nehmen, das seit den letzten dreiszig jähren in süd- deutschen Städten beobachtet worden ist. Darmstadt und Carls- ruhe geben uns ein beispiel. soll eine stadt anmutig erweitert werden, so musz den neuen bauten ein freier Spielraum auszer- halb der beengung der alten stadt gegönnt sein; sieht das äuge der baulustigen erst eine reihe von freundlichen und reinlichen Wohnungen aufgestellt, so gewöhnt er sich schnell an das neue Verhältnis, und fortan hört das niederbrechen ausgewohuter häuser in den alten straszen, an deren stelle immer nur wenig bessere gesetzt werden, auf, und jedermann freut sich der neuen bahn zu folgen, hätte man seit gründung der Universität,

536 NEUBz\U DER GÖTTINGER UNIVERSITÄT.

durch welche die verarmte Stadt unglaublich an wolhabenheit gewonnen hat, die bedeutenden geldsummen welche auf das flicken und ausputzen der alten gassen verwandt worden sind, zur zweckmäszigen anläge neuer straszen gebraucht, so würde jetzt weniger über den mangel schöner und bequemer Wohnungen geklagt werden, die schicklichste weise, Göttingen zu erweitern, ist nun ofienbar, dasz vor dem Weender thor in einer breiten, geraden strasze angebaut werde; und entschlösse sich die regie- rung, das aufzurichtende Universitätsgebäude jetzt gleich dahin zu verlegen, so würde es anständig aufsteigen können, und bei dem Jubiläum, das im zwanzigsten Jahrhundert zu begehen ist, gewisz nicht am ende der stadt liegen.

Auf der bruder Grimm betheiligung an der von Pertz vom jähre 1832 an herausgegebenen hannoverschen zeitting wurde ich zuerst durch einen ihrer briefe an Wilhelm Wackernagel aufmerksam, deren abschriften dessen söhn, hr. Staatsarchivar dr. Rudolf Wackernagel in Basel, hatte anfertigen lassen und als gegengabe für die briefe seines Vaters an die Grimms im jähre 1H82 hrn. prof Hermann Grimm freundlichst übersandte, jener (undatierte) brief ist von JacoV) und enthält folgende stelle: 'bei gelegenheit von Barths einfältigem buch über die Kabiren schrieb ich voriges jähr ein paar worte in die hannov. polit. zeitung (von Pertz), dasz alx, alcis vermutlich das goth. alhs, alts. alah sei.' fast gleichzeitig erschienen in der wissenschaft- lichen beilage der Leipziger zeitung no. 91 93 'briefe der brüder Jacob und Wilhelm Grimm an Georg Heinrich Pertz', deren unge- nannter herausgeber es leider unterlassen hat, die natürlich im besitz der Grimmschen erben befindlichen Pertzischen zu benutzen, event. mitzuveröflFentlichen. auf beitrage zu der zeitung nun sind von Jacobs briefen nur zwei bezüglich, der eine vom 14. jan. 1832: 'ich habe mir, lieber Pertz, erst Ihre blätter ansehen wollen, um zu beurthei- len, ob Sie etwas von meinen einfallen brauchen können, allein das mannigfaltige der zeitung hat noch nicht recht gelegenheit gehabt sich zu entwickeln und ich weisz daher nicht, ob das, was ich hier als probe beilege, in irgend eine Ihrer rubriken taugen wird, legen Sie einzelnes oder alles, ganz nach eigenem gutdünken, zurück und sehen blosz meinen guten willen an.' (a. a, o. s. 554.) der andre vom 14. febr. desselben Jahres (ebenda): 'das ist schön, dasz Sie aufsätze, die Ihnen bereits verdrusz gemacht haben, gar noch bezahlen, so werth mir Ihre worte zu meiner entschuldigung sind, fühle ich docii darin die gewaltige hyperbel. das beifolgende blatt wird hoffentlich für ganz unschuldig gehalten werden.' am 13. märz schreibt dann Pertz an Wilhelm: 'mit dem besten danke für die vortrefflichen bei- trage, welche Sie und Jacob mir so freundlich gegeben haben, ver- binde ich die bitte ' über das jähr 1 832 hinaus aber hat die

betheiligung der brüder an der zeitung wol nicht gedauert, in ihren späteren briefen findet sich keine andeutung, und Pertzens bitte an Jacob vom 21. sept. 1833 'geben Sie oder Wilhelm mir doch bald etwas für die zeitung' scheint nicht erfüllt worden zu sein, wenigstens war es mir nicht möglich, im Jahrgang 1833 u. ff. einen artikel zu

ÜBER OSSIAN. 537

entdecken, den ich ihnen auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit zu- schreiben könnte, überdies schreibt Pertz, nachdem er 1834 gelegent- lich angefragt 'wollen Sie die zeitung ganz verlassen?', am 17. jan. 1836: '.... aber warum wollen Sie uns nicht etwas geben, warum lassen Sie und Wilhelm mich nun schon seit jähren so ganz im Stiche? geben Sie mir artikel über bedeutende erscheinungen der lite- ratur nach Ihrer wähl, wie oft hat das Journal des debats solche über wenig bedeutende werke sogar? ich hätte so gern z. b. einen oder zwei artikel über Ihre mythologie gehabt aus dem standpuncte nämlich wie Sie darüber zu den gebildetsten geschäftsmännern, welche eigentlich gelehrte forschungen nicht machen aber sie doch würdigen und in beziehung auf den ganzen kreis unserer bildung begreifen können, etwa sprechen, wie man den ausgezeichnetsten danien, einer Bettina z. b., ein bild davon geben würde, damit ein solches werk seine Wirkung auf die nation unmittelbarer, als auf dem hergebrachten wege mittelst der gelehrten, haben könne, darf man daran denken, dasz Sie oder Wilhelm es der mühe werth finden, etwas der art zu schreiben?' es ist sehr zu beklagen, dasz Jacob sich nicht bewogen gefühlt hat, diesem wünsche nachzukommen.

Was nun die oben abgedruckten artikel (ebenso wie drei fernere, die sich im nächsten bände unter den aufsätzen zur Zeitgeschichte fin- den werden) betriift, so ist von ihnen sicher bezeugt nur der gegen Barth (derselbe übrigens der Pertz 'verdrusz bereitete"), aber auch bei den übrigen ist die Wahrscheinlichkeit, dasz sie aus Jacobs feder geflossen, derartig, dasz ich kein bedenken zu tragen brauchte, sie hier aufzunehmen; den über den neubau der Universität hat überdies Herman Grimm ausdrücklich als so gut wie sicher von seinem onkel stammend anerkannt. Wilhelms beitrage werden im 4. bände von dessen kleineren Schriften veröffentlicht werden.

ÜBER OSSIAN. Geschrieben 1863.*

Wenig fehlt und hundert jähre sind verstrichen, dasz am westlichsten ende Europas, da wo man sich ihrer nicht ver- mutete, epische gedichte empor tauchten, die mitten in einer auf das rechte Verständnis uralter volkspoesie noch unvorberei- teten, ja dafür unempfindlichen, ermatteten zeit frischen ton anschlugen und alsogleich durch den ganzen welttheil fortführten, von Macphersons weicher und flieszender prosa konnte die in- nere Schönheit und der annuitijTe reiz dieser dichtungen beinahe ungeschwächt in alle gebildeten sprachen übergehn, ihr gefühl- voller, vorhersehend melancholischer inhalt, aus dem die lau- tere stimme der natur entgegenscholl, alle herzen gewinnen, nie seit dem hohen lied hatten empfindung und klage der liebe,

* [vgl. kl. sehr. I, 186.]

538 ÜBER OSSIAN.

nie seit der Ilias männlicher heldenmut so ergreifend sich ver- nehmen lassen.

Bei uns Deutschen waren es Göthe und Herder, die Ossian mit entzücken empfiengen, in den Werther sind die Selma- lieder als wesentlicher bostandtheil eingegangen, wer möchte sie da herausnehmen? Byron hieng dem alten sänger begeistert an und versuchte sich in nachahmungen. man sagt das/ Na- poleon Cesarottis Übersetzung mit sich zu felde nahm und oi't wieder las.

In England aber hatte sich bald nach erster bekanntwer- dung dieser unsterblichen gesänge ein melthau zähes zweifeis an die zarte pflanze angesetzt und drohte sie zu ersticken. Macpherson war kühn gewesen und wollte den Ursprung der lieder bis ins vierte Jahrhundert hinauf rücken, neben münd- licher Überlieferung, als seiner eigentlichen quelle, berühmte er sich auch des ihn schützenden besitzes von handschriften. alle die sich von der macht lebendiger tradition keine Vorstellung zu machen wüsten, forderten nun beglaubigungen für die ge- wissenhaft dem volksmund abgehörte aufnähme der gedichte und drangen auf vorläge vergilbter pergamente, denen ein so hohes alter anzusehen sei. als keinen von beiden genüge ge- schah, noch, wie hernach erhellen soll, in begehrter weise ent- sprochen werden konnte, erhob sich schwerer leumund, erklärte einen fortbestand von langen, gehaltreichen liedern über tau- send jähre rückwärts unter rohen volksstämmen für widersinnig und zieh ihren herausgeber des schnödesten truges: nicht nur habe er alle diese gedichte geschmiedet, sondern auch was er von fetzen galisches textes allmälich vorbringe erst aus seinem englischen machwerk selbst übersetzt, so empörenden anschul- digungen von imposture, forgery, fabric erected setzte Macpher- son zornig^ aber hartnäckig verschlossen, wie er war, stolz auf sein bewustsein und den rühm, der ihn anfangs bestrahlt hatte, unerschütterliches stillschweigen der Verachtung entgegen, er hatte an den liedern, wie nach sorgsamem prüfen man nicht verkennen darf, gethan was er vermochte und kaum anders damit verfahren können, manche laut für sie streitende gründe blieben ihm selbst noch unbekannt und musten erst bei fort- gesetzter betrachtung der ganzen natur und eigenheit des epos vortreten; allein der ausgesprengte verdacht und die einge- nommenheit des vorurtheils hafteten immer fester ^. Samuel

^ who flew into a passion. report s. 9.

2 Hume an Blair 19. sept. 1763: I live in a place where I have the pleasure of frequently hearing justice done to your dissertation , but never heard it mentioned in a Company, -where some one person or other did not express his doubts with regard to the authenticity of the poems which are its subject, and I often hear them totally rejected, with disdain and indigna- tion, as a palpable and most impudent forgery. this opinion has indeed be- come very prevalent among the inen of letters in London, and I can foresee,

Cbeu OSSI an. 539

Johnson,' ein überniäszig angesehner, einfluszreicher gelehrter, dessen critik und philologie jetzt längst veraltet und verschol- len sind, von dem man weisz, dasz er Popes Ilias dem grie- c.hischen original vorzog und der sich oft genug an Shakespeare vergriffen hatte, konnte seine hand auch bei dem einmal an- rüchig gewordenen Üssiau nicht aus dem spiel lassen, unfähig während einer kurzen, ohne die allererste bedingung der kennt- nis galischer spräche, nach den Hebriden gethanen reise unter dem Volke selbst nach den liedern zu hören und aufschlüsse über deren fortleben zu erlangen, stimmte er, nicht faul, in die schon geltende ansieht ein und verkündete absprechend, weil im Hochland nichts vorhanden sei, Macpherson keine Urschrift vorweise, müsse unfehlbar alles ersonnen sein, auf so offen wieder vorgebrachte inzicht soll in der ersten wallung Macpher- son ihm eine ausforderung gesandt haben , Johnson entgegnete spitz und höhnisch; diese an sich selbst bedeutungslose ant- wort ist seitdem als entscheidend, gleichsam ein ständiges be- weismittel in allen angriffen abgedruckt worden ^ und hat un- leugbar dem herausgeber des epos einen streich versetzt, von dem er sich in der öffentlichen meinung nicht erholte, wer früher noch unschlüssig seine rechtfertigung wenigstens für möglich hielt oder wünschte, wurde ihm nunmehr abspenstig und liesz alle weiteren forschungen fahren ^.

Ossians sache schien fortan in England unwiderbringlich verloren und zwei erscheinungen, deren jede ihr hätte günstig werden müssen, giengen ohne sichtbaren eindruck vorüber, das eine war die höchst wichtige, von Macpherson unabhän- gige samlung Smiths, die erst wiederum in Übersetzung, bald auch vollständig im urtext bekannt gemacht wurde, und mit einem mal, wären kundige richter da gewesen, erwünschtesten aufschlusz über das Verhältnis der galischen lieder selbst zu den versuchen sie in einer neueren spräche auszudrücken, an

that in a few years the poems, if they continue to stand on their present footing, will be thrown aside and will fall into final oblivion .... the absurd pride and caprice of Macpherson hinisolf, who sooms, as he pretends, to satisfy any body that doubts Ins veracity, has tended rauch to confimi this general scepticisme. report s. 4. 5.

' in den Dubliner transactions höchst unnöthig sogar zweimal p. 9 und 1(;8.

- Hunio an Gibbon 18 merz 1776: I sce you entertain a great doubt wilh regard to the authenticity of the poems of Ossian. you are certainly right in so doing. it is indeed Strange that any man of sense could have iniagined it possilde, that above twenty thousand verscs, along with nuniber- less historical facts, could have been preserved by oral tradition during fifty generations, by the rudcst, perhaps, of all the european nations, the most necessitous, the most turbulent, and the most unsettled. whore a supposition is so contrary to common sense, any positive evidence of it ought never to be regarded. you are therefore over and above indulgent to us in speaking of tl.e matter with hesitation. Gibbons miscellaneous works vol. I. Loncl. 179G. p. 149.

540 ÜBER OSS]AN.

band geben muste. dann aber wurde endlich nach Macphersons tod, der sie absichtlich zurück gesetzt oder insgeheim verhin- dert hatte, die seit langer zeit verheiszene und erwartete aus- gäbe seiner bedeutendsten originale zu stände gebracht, nach- dem ihr noch unmittelbar ein lehrreicher und willkommne bis- her vorenthaltene nachrichten bringender report vorausgegangen war. allen die nun die echtheit der gesänge prüfen wollten, hätte jetzt eine fülle der texte zu geböte gestanden und sprach- liche Studien fruchtbar gefördert werden können, wie sich auch späterhin an den von. der Highland society of Scotland heraus- gegebnen, wesentlich auf diese quellen gestützten Wörterbuch bethätigte.

Mittlerweile, um hier eines verkehrten, ungenieszbaren buches von Laing zu geschweigen, der sich eingebildet hatte Wendungen und redensarten Macphersons als aus der gesamten literatur entwendet nachzuweisen, war eine von Walter Scott herrührende critik erschienen *, welche nicht geringes aufsehen erregte und mit beitrug die schon bestehende abneigung noch zu erhöhen und vollends zu festigen, gewandt und geistreich geschrieben, auch mit anscheinender billigkeit abgefaszt, beruhte sie doch ganz auf den hergebrachten einseitigen Vorstellungen und zeigte nicht das mindeste streben in das wesen der ossiani- schen poesie auf rechten und neuen wegen tiefer einzudringen, wie man wol von einem gebornen Schotten, der sich der Hoch- länder in seinen romanen vielfach und glücklich bediente, hätte erwarten sollen. Ossian gilt ihm im gründe für entschieden unecht, und er scheut sich nicht 8. 499 Smiths vorausgesetzte dichtergabe auf Unkosten der treue und Wahrheit aller von die- sem herausgegebnen gesänge schmeichelhaft zu rühmen, wie ihm -Laing sogar einen förmlichen eidschwur auf die authenti- cität des rührenden liedes von Gauls grab abgefordert hatte, hoflfentlich ist dem ehrwürdigen geistlichen vor seinem ende, das etwa um dieselbe zeit erfolgt sein musz, diese stelle gar nicht mehr zu gesiebt gekommen, mir bleibt unbekannt, dasz, nachdem bald darauf die angezweifelten texte Macphersons ge- druckt vorlagen, Walter Scott sich bewogen gefühlt hätte seine geäuszerte meinung einzuschränken oder irgend anders zu be- stimmen.

Es scheint auch dasz bis auf den heutigen tag diese ur- theile von Johnson, Hume und Walter Scott in England fort- bestehn und zur allgemeinen annähme durchgedrungen sind, ohne rücksicht auf alles was anderwärts über Ossian ermittelt worden ist oder bei dem unverkennbaren fortschritt keltischer Sprachforschung erneuter Untersuchung bedürfte, ich brauche für das in der jetzigen englischen literatur obenan stehende keinen andern gewährsmann als den hervorragenden schrift-

' Edinburgh review for april— july 1805. vol. 6. s. 429 462.

L13KK OSSIAN. 541

steller, der, wie sein name 5ceigt, selbst aus hochländischem blute stammend, sich neuerdings auf das stärkste ausspricht. ^

Eine eigenthümliche Stellung nimmt Irland ein, dem, seinen wahren vortheil recht verstanden, alles daran hätte liegen sollen Ossian zu erheben , und das alles aufbot ihn niederzudrücken, hierbei waltete mehr kleinliche (;ifersucht gegen einen bruder- stamm, als gebührende erwägung uralter gemeinschaft in Über- lieferung und spräche, welchen beiden durch üssian manig- facher glänz hinzutritt, aus der grundlage dürrer und dürftiger irischer Volkslieder will man blühend^, poesievolle gesänge herleiten, als wären unsere Nibelungen aus einem rohen spiel- maunslied erwachsen oder die Edda aus liedern, wie die däni- schen sind, ich werde auf den verhalt der galischen spräche und dichtung zur irischen ausführlicher zu reden kommen.

In Deutschland konnten fünf oder sechs übertragunoren ver- schiedener art der lebhaften, nachhaltigen neigung für Ossian nicht genügen; unter ihnen war blosz die letzte und sorgfäl- tigste von Ahlwardt sprachgelehrt, sie erschien unmittelbar nach herausgäbe des galischen textes und kämpfte für der gedichte echtheit; bedauern musz man dasz der Verfasser durch den tod an ausarbeitung des vierten bandes gehindert wurde, in wel- chem er seine ansieht ' zu begründen dachte, zujüngst aber ist eine gleichfalls metrische, treue Übersetzung ins schwedische von Arfvidsson veröffentlicht^ und von einer eingehenden histo- rischen Untersuchung über Ossian begleitet worden, auch hier streiten siegreiche waffen wider die behauptung von trug und lüge; wären die ergebnisse nicht allzusehr in anmerkungen zu den einzelnen liedern zersplittert, wäre gröszere rücksicht auf den inhalt derselben gepflogen worden, so müste die lehrreiche darstcllung des Verfassers noch erheblich an kraft und eindruck gewonnen haben, befremden durfte, dasz eine deutsche Schrift- stellerin, die mit Vorliebe über Volkslieder geschrieben und eine auswahl der schönsten serbischen verdeutscht hatte, gegen Os- sian in die schranken trat und es völlig bei den englischen oder irischen fehlgriffen bewenden liesz.

Wie in England wurde auch in Frankreich durch Ville- mains und anderer aburtheilende, verwerfende aussprüche, die sich doch nirgend auf einsieht in die originale gründeten, alle freude an Ossian untergraben und getilgt.

' epic poems which any skilful and dispassionate oritic woiüd at a glance have perceived to be almost entirely modern, and ■nhioh, if they had been publislicd as modern , would have instantly found their proper place in Com- pany with Blackmoi'es Alfred and Wilkies Epigoniad, were pronounced to be lifteen hnncb'ed years cid and were gravely classed with the Iliad. writers of a very different order from the impostor who fabricated these forgeries saw how striking an effect may be produced by skilful pictures of the old Highland lifo. Macaulay bist, of England vol. 3. Lond. 1855. s. 312.

2 Oisians sänger eft«r gaeliska originalet och dess versslag föi'sveus- kade af Nils Arfvidsson. Stockholm 1842. 1846. in zwei bänden.

542 ÜBER OSSIAN.

Nie vielleicht hat eine verneinende critik ärger gefrevelt. England, sonst ein wachsames äuge auf seine macht und seine guter haltend, ihrer eingedenk und warm bewust, läszt sich den Vordergrund heimischer poesie schmälern, in welchem das ossianische epos noch mit gröszerm recht walten sollte, als die im vergleich dazu schwächeren, obwol kostbaren Überreste an- gelsächsischer lieder, deren anerkennung und geltung auch erst spät in unsern tagen eintrat, diese Angelsachsen waren rein germanisch, aber mit ihnen hat sich das keltische element in Schottland, Irland, Wales allmälich verschmolzen und eng ver- webt, der aufschwung angelsächsischer und keltischer Sprach- forschung kann und darf Ossian nicht sinken lassen, sondern wird ihn höher heben, weil uralte zusammenhänge der Völker durch ihn und an ihm sich ermitteln, je mehr man in ihn ein- dringt, desto schlagender wird seine Wahrheit auf allen selten und selbst da, wo sie dem ersten herausgeber noch unerkannt bleiben muste, vorrücken. er ist echt und ungefälscht, eine menge äuszerer und innerer Zeugnisse trefi'en für ihn zusammen, nichts ist an ihm was hätte können erdichtet werden; doch seine feinde werden erst dann die waffen strecken, wann sie ihnen unter der band brechen, wie von verjährtem irthum, wenn seines endes zeit heran tritt, hintereinander alle zeichen abfallen, so pflegt auch eine verkannte Wahrheit, erst an ein- zelnen spitzen vortretend, auf einmal ihre volle macht zu ge- winnen.

Über Ossian zu schreiben und das ihm angethane leid zu rächen hält schwer für einen Deutschen, der alle hilfsmittel kaum erreichen kann, diese dichtungen sind so sehr in Ver- gessenheit und misachtung gesunken, dasz ihren ersten druck man nur einmal wiederholt hat ^, auf keinen weitern bedacht gewesen ist. eine der beiden fast verschollenen ausgaben, die hier in Berlin nirgends anzutreffen sind, in Enjjland oder Schott- land aufzutreiben ist mir trotz aller angewandten mühe nicht gelungen; ich hätte die band vom unternehmen lassen müssen, wäre mir nicht durch die Göttinger bibliothek und professor Chalybaeus in Kiel ausgeholfen worden, ein werk, dessen ehre zu retten ich vorhabe, hätte ich aber nicht entleihen, sondern gemächlicher selbst besitzen müssen.

II.

Der sage ist unter allen Völkern eine unendliche fülle, denn gleich der spräche entsprang sie im tiefen quell menschlicher phantasie und wurde durch lange Überlieferung fortgetragen.

I the poems of Ossian in the original gaelic. published under the sanction of the Highland societj of London. London 1807. 3 vols. Dana Oisein mhic Fhinn. Duneidin 1818. 344 Seiten.

ÜBER OSSIAN. 543

doch unterscheiden wir die dem boden und der geschichte sich ansetzende von der frei und losschwebenden mythischen ; solche örtliche und historische anknüi)tiing ermäszigt und schränkt sie ein, verleiht ihr aber zugleich etwas, das dem bloszen mythus abgeht, die volksage mag oft nüchtern und lückenhaft erscheinen, allein sie ist traulich, der mythus steht in unabsehbarer ferne, die sich mit anmutigem duft überzieht.

Das epos erwächst sobald aus jenem bunten glänz des mythus oder dem halbdunkel der sage lebensvolle theile sich erheben und in helles, sanftes licht treten; der Unbestimmtheit des märchens wie der Zerstreuung der sage entweichend rücken sie uns näher und werden menschlich, sage und märchen sind wunderbar, das epos braucht nur einen Schimmer von wunder und reicht damit aus. ihm wohnt sowol die Vertrautheit der volksage als der innere zusammenhanf^j des märchens bei und diese eigenschaften gelangen erst in ihm zur Vollendung.

Sage und märchen erscheinen ungebunden, epos erschallt in liedern, es fordert ein masz, nach dem es sich ergiesze, ein band, in dessen halt es hänge und dem gedächtnis sich einpräge, da nun gesang eine feierliche erhöhung der rede ist, so werden wir auch dem epos eijie höhere geistige kraft beilegen, als der sage, die sage schwindet kaum unter den Völkern, nicht ihnen allen hat die flamme des epos geleuchtet und oft sinkt sie ganz zusammen.

Das lied weisz nicht nur einer, sondern es wohnt vielen bei, doch nicht jedem in gleicher fülle, es rollt wie eine kugel hin und her, bald hier bald dort still stehend, oder es flieszt wie ein ström, der an verschiedner stelle ins land einbiegt, durch abflüsse verliert oder durch Zugänge höher schwillt.

Es gedieh aber nicht, auszer wo es sich unter einem volk in der spräche des volks warm und ungestört entfalten konnte, wie das beispiel der Griechen zeigt, den meisten übrigen euro- päischen Völkern hat das christenthum die statte ihrer poesie gestört oder vernichtet, die kirche war einer fremden spräche günstig und der heimischen entgegen, weil diese oft mit dem heidenthum zusammeuhieng; noch feinder muste sie dem hei- mischen Hede sein, das unmittelbar aus heidnischen anschauun- gen hervorgegangen war.

Da wo die kirchlichen eingriffe widerstand erfuhren, hielt sich immer die landessprache länger aufrecht, unter deren schütz auch die epische dichtung dauern konnte; der gröszoren unab- hänsrisckeit, welche die auijelsächsische und irländische kirche eine Zeitlang gegen Rom zu behaupten wüste, smd ohne Zwei- fel manche denkmäler der spräche und dichtkunst zu verdanken, die deutsche kirche war unfreier und die deutsche spräche ver- wilderte, ihre älteren lieder sind verschollen

Volkspoesie.

VOLKSLIED.

"Wünschelruthe. ein zeitblatt. no. 5. den 15. jan. 1818. s. 20.

Ich lieb, ich lieb und darfs nicht sagen,

o unerhörtes joch! ich gräme mich fast täglich, aber alles ist vergeblich, o himmel, schönster himmel, o himmel helf mir doch!

Das was ich gerne hätte,

das ist mir jetzt geraubt,

es sitzt jetzt ein anderer am blättchen,

das hätt ich nicht geglaubt,

die thür, die thür steht offen

allwo ich soll gehen ein,

o himmel, himmel, schönster himmel,

o himmel helf mir doch!

Aufgeschrieben von Jac. Grimm.

DIE AUFMAÜERUNG SCUTARIS (IN ALBANIEN).

A. Unmetrische Übersetzung

in einem briefe an fräulein L. und A. von Haxthausen vom 28. märz 1824.

Freundesbriefe von W. und J. Grimm lierausg. von AI. Reifferscheid. HeUbronn 1878. s. 92 101.

92 Drei leibliche brüder bauten eine festung,

drei brüder, drei Mrljavtschevitjen, einer war der könig Wukaschin, der andere war der herzog Ugljescha, der dritte war Gojko Mrljavtscheviti.

DIE AUFMAUERUNG SCUTARIS. 545

sie bauten die festung Sciitari auf der Bojana,

sie bauten die festung drei jähre lang,

drei jähre mit dreihundert meistern, 9S

ohne den grund legen zu können,

noch weniger die feste zu erbauen.

was die meister in einer nacht mauerten,

risz alles bei der nacht die wile * nieder,

als das vierte jähr begann,

rief die wile von dem berge:

*mühe dich nicht, könig Wukaschin,

mühe dich nicht, verschwende nicht dein geld;

0 könig, du kannst keinen grund legen, noch weniger die feste aufbauen,

bevor du nicht findest zwei gleichlautende naraen,

bevor du nicht findest die Stoja und den Stojan,

und alle beide bruder und Schwester,

um sie dem thurm in den grund einzumauern;

so wird sich der grund halten

und so wirst du die festung aufbauen!'

Als das der könig Wukaschin hörte, rief er seinen diener Desimir: 'Desimir, mein theures kind, bisher warst du mein theurer diener, und von nun an mein theures kind; spanne, söhn, die pferde in den wagen und nimm sechs lasten geld mit, geh, söhn, hin in die weisze weit und suche zwei gleichlautende namen, suche söhn die Stoja und den Stojan

und beide den bruder und die Schwester, 94

nimm sie mit gewalt oder kaufe sie um geld, bring sie nach Scutari an die Bojana, dasz wir sie in den grund des thurmes mauern, das/, sich uns der grund halte und dasz wir die festung aufbauen können.'

Als der diener Desimir das hörte, spannte er die pferde in den wagen und nahm sechs lasten geld mit; der diener ffienjj in die weisze weit, gieng zu suchen zwei gleichlautende namen, der diener suchte die Stoja und den Stojan, der diener suchte drei jähre lang, aber fand nicht zwei gleichlautende namen, aber fand nicht die Stoja und den Stojan, kehrte dann zur Bojana nach Scutari zurück,

1 wile ist eine bei'gfee.

J. GIUMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 35

546 DIE AÜFMAUERUNG SCUTARISJ

stellte dem könig wagen und pferde zurück, und gab ihm die sechs lasten gold wieder: 'da hastu könig die pt'erde und den wagen und da hastu die sechs laston geld, ich fand nicht zwei gleichlautende nameu, ich fand nicht die Stoja und den Stojan.'

Als dies könig Wukaschin hörte, schrie er auf den baunuister Kada, der Rada schrie auf die dreihundert meister. der könig baut Scutari an der Bojana, der könig baut und die wile zerstört, die wile läszt nicht den gruud legen noch weniger die feste erbauen ; 9h und die wile ruft von dem berge:

'hörst du könig Wukaschin! mühe dich nicht, verschwende nicht dein geld, du kannst, könig, den grund nicht legen, noch weniger die festung erbauen; aber ihr seid drei leibliche brüder, ein jeder hat eine treue gattin, wessen morgen an die Bojana kommt und den meistern das mittagessen bringt, diese mauert ihr in den grund des thurms, so wird sich der grund halten, so werdet ihr die festung erbauen/ Als dies der könig Wukaschin hörte, rief er seine zwei leibliche brüder: 'hört ihr, meine zwei theueru brüder, das ruft die wile von dorn berge, nichts nütze verschwenden des geldes, die wile läszt nicht den grund legen, noch weniger die feste aufbauen; weiter sagt die wile von dem berge, wir seien da drei leibliche brüder, jeder habe eine treue gattin, wessen morgen auf die Bojana kommt und den meistern das mittagessen bringt, diese sollen wir in den grund des thurmes mauern,^ so werde sich der grund erhalten, so werden wir die festung erbauen; aber brüder das ist ein göttliches festes wort, dasz es keiner der fjattin säst, 90 sondern dasz wir ihnen das loos lassen,

welche morgen an die Bojana kommt.'

Da legten sie einer dem andern den eid ab, dasz es keiner der gattin sagen wolle, indessen hat sie die nacht überfallen.

DIE AUFMAUERUNG SCUTARIS. 547

sie giengen in die weiszen höf'e

hielten ein herliciies abendmahl.

jeder begab sich mit der gattin in die Schlafstube,

aber siehe da das gros/e wunder,

der könig Wukaschin hat den eid gebrochen

und er sagte der erste seiner gattin:

'hüte dich meine treue gattin,

komm nicht morgen an die Bojana,

bring nicht den meistern das mittagsessen,

denn du wirst dein leben verlieren,

man wird dich in den grund des thurmes vermauern.'

auch der Ugljescha hat den schwur gebrochen,

auch er sagte seiner treuen gattin:

'betrüge dich nicht, meine treue gattin,

geh nicht morgen an die Bojana

und trage nicht den meistern das mittagsmahl,

du möchtest jung ums leben kommen,

sie möchten dich in den grund des thurms mauern.'

Der junge Gojko hat den eid nicht gebrochen, und er sagte nichts seiner gattin. als in der frühe der tag eingebrochen war, standen zeitig auf die drei Mrljavtschevitjen, giengen nach der Bojana auf die festung. es kam die zeit, wo man mittagsessen bringt, und es ist die reihe an der frau königin, 97

sie gieng hin zu ihrer Schwägerin, zu der Schwägerin, Ugljeschas gattin: 'höre mich meine Schwägerin, ich habe unverhofft kopfschmerzen bekommen, dir wünsche ich gesundheit, ich kanns nicht aushalten!' die gattin des Ugljescha sprach: 'o Schwägerin, frau königin, mich hat so unverhofft handweh ergriffen, ich wünsche dir gesundheit, ich kanns nicht aushalten, sondern will es sagen der jungem Schwägerin.' sie gieng zu der Jüngern Schwägerin: 'Schwägerin, junge frau des Gojko, ich habe auf einmal kopfweh bekommen, sei gesund, ich halte es nicht aus, sondern trag du den meistern das mittagsessen.' aber die junge frau des Gojko sprach: 'höre mutter, frau königin, ich wollte dir gerne gehorchen, aber mein kleines kind ist nicht gebadet und die weisze lein wand nicht begossen.'

Die frau königin sprach zu ihr: 'geh, sagte sie, meine Schwägerin,

35*

548 DIE AUFMAUERUNG SCUTARIS.

trag den meistern das mittagsmahl, ich werde dir deine leinwand begieszen. die Schwägerin wird dir das kind baden,' die junge Gojkosfrau konntes nicht absagen, sondern sie trug das essen den meistern. 98 Als sie an den Aus/- Bojana kam,

sah sie der Mrljavtscheviti Gojko, das herz des beiden wurde schmerzhaft, es ist ihm leid um die treue gattin, es ist ihm leid um das kind in der wiege, dasz es einen monat alt bleibt, und er vergosz thränen über die wangen; die schlanke, junge frau erblickte ihn, sie schreitet sanft, bis sie zu ihm kam, sie schreitet sanft und sprach leise: 'was fehlt dir, guter herr, dasz du thränen vom gesiebte vergieszest?' aber der Gojko Mrljavtscheviti sprach: 'es ist schlimm^ meine treue gattin. einen goldnen apfel habe ich gehabt, und heute fällt er mir in die Bojana, es reut mich um ihn, ich kann ihn nicht verschmerzen!' die schlanke junge frau ahnet nichts, sondern sie spricht zu ihrem herrn : 'bete für deine gesundheit,

du wirst dir auch einen bessern apfel gieszen!' das war dem beiden 'noch schmerzhafter und er wandte das gesiebt ab, wollte nicht mehr die gattin sehen, aber die zwei Mrljavtschevitjen kamen, zwei Schwäger der jungen Gojkosfrau, sie nahmen sie bei ihren weiszen bänden, führten sie, um sie einzumauern in die feste, 99 schrien an den meister Rada,

Rada schrie an die dreihundert meister,

aber die junge schlanke frau lacht,

sie denkt, es sei ein scherz.

sie stellten sie, um sie in die festung zu mauern,

dreihundert meister warfen herunter,

warfen herunter holz und steine,

sie mauerten sie ein bis an die knie.

die schlanke junge frau lacht noch,

sie glaubt noch, dasz es ein scherz sei.

dreihundert meister warfen herunter,

warfen herunter holz und steine,

mauerten sie ein bis an den gürtel.

DIE AUFMAUERUNG SCUTARIS. 549

da wurden ihr schwer holz und steine.

da sah sie arme, was man sie heimsucht,

sie zischte laut, wie eine grimmige schlänge;

'o laszt mich nicht, wenn ihr gott kennt,

jung und grün vermauern!'

das bittet sie, aber es hilft sie nichts,

denn die Schwäger achten nicht auf sie.

da achtet sie nichts auf schände und spott,

bittet ihren herrn :

'lasz mich nicht, guter herr,

dasz sie mich junge in die festung mauern,

sondern schicke zu meiner alten mutter,

meine mutter hat geld genug,

soll dir kaufen einen knecht oder eine magd,

die ihr einmauert in den grund des thurms.'

das bittet sie, aber es hilft sie nichts.

als aber nun die junge schlanke frau sah, loo

dasz ihr keine bitte mehr hilft,

dann bittet sie den meister Rada:

'bei gott, bruder, meister Rada,

lasz mir ein fenster vor die brüste,

mache mir heraus meine weiszen brüste,

bis mein kleiner Johann kommt,

bis er kommt die brüste zu saugen.'

das nahm der Rada für die brüderschaft an,

er liesz ihr ein fenster an den brüsten

und that ihr die brüste heraus,

bis der kleine Johann kam,

bis er kam die brüste zu saugen.

abermals rief die arme dem Rada zu:

'bei gott, bruder, meister Rada,

lasz mir ein fenster an den äugen,

dasz ich sehe nach dem weiszen hofe,

wann sie mir bringen den kleinen Johann,

und zum hofe wieder forttragen.'

das auch nahm der meister für die brüderschaft,

und er liesz ihr ein fenster an den äugen,

dasz sie sehen konnte nach dem weiszen hofe,

wenn sie ihr den Johann brachten

und zu hofe wieder trugen.

und so wurde sie in die feste einverniauert,

und sie brachten ihr das kind in der wiege

und sie säugte es eine woche lang.

nach einer woche hat sie die stimme verloren,

aber dem kinde flosz noch immer die nahrung

und man säugte es da ein jähr lang. lOi

550 DIE AUFMAXJERUNG ^CUTARIS.

so wie damals also blieb es, dasz noch heute da die milch flieszt, als ein wunder und als ein heilmittel dem weibe, welches keine milch hat.

B. Metrische Übersetzung.

Über kunst und alterthum. von Göthe. bd. 5. hefl 2. Stuttgard 1S25. 8.24 35.

24 Bürgten bürg drei brüder eines leibes, drei gebrüder, drei Marljavtschevitje; einer war der könig Vukaschine, andrer war vojvoda Ugliescha, dritter war der Marljavtschevitj Gojko, bürgten bürg Scutar an der Bojana, bürgten bürg drei ganze volle jähre, schon drei jähre mit dreihundert meistern, nicht vermochten sie den grund zu legen, noch viel minder zu erbaun die feste: was bei tag die meister aufgemauert, alles das risz um bei nacht die vila.

als begonnen hatte jähr das vierte, rief hernieder vila vom gebirge : mühe dich nicht, könig Vukaschine,

25 mühe dich nicht und dein geld nicht schwende! nicht vermagst du, könig, grund zu legen, noch viel minder zu erbaun die feste,

bis gefunden du zwei gleiche namen, aufgefunden hast Stojan und Stoja, beid einander bruder sich und Schwester, diese mauert in den grund des thurmes, SO wird haften, könig, dir der grundwall, so vermagst du aufzubaun die feste, das vernommen Vukaschin der könig, rief er seinen diener Desimiren: Desimire, kind mein vielgeliebtes, warst seither mein vielgetreuer diener, sollst fortan mir vielgeliebtes kind sein; spanne, söhn, die pferde in den wagen, nimm des geldes mit sechs schwere lasten, zeuch, mein söhn, aus in die weisze weit hin, aufzusuchen zwei geleiche namen, suche, söhn, die Stoja und den Stojan, beid einander bruder sich und Schwester, raube oder kaufe sie mit gelde,

DIE AUFMAUERUNG SCUTAIirS. 551

bringe sie nach Scutar zur Bojana,

dasz wir in des thurmes grund sie mauern, 2G

dasz uns steh' und hafte dann der grundwall

und wir mögen auferbaun die feste.

Desimir der dieuer das gehöret,

spannet er die pferde in den wagen, > ' '.

zu sich nahm sechs schwere lasten geldes^' "' '

zog der diener in die weisze weit aus,

gieng und suchte nach zwei gleichen namen,

suchete den Stojan und die Stoja,

suchete drei ganze volle jähre,

aber fand nicht die zwei gleichen namen,

fand nicht weder Stoja noch den Stojan,

kehrte gen Scutar an der Bojana,

führend heim die pferde sammt dem wagen,

gab dem könig die sechs lasten geldes:

hier sind, könig, pferde sammt dem wagen,

hier sind auch sechs lasten deines geldes,

nimmer fand ich die zwei gleichen namen,

fand nicht weder Stoja noch den Stojan.

dies vernommen Vukaschin der könig,

schrie er zu des baues meister Rada,

Rada schrie zu den dreihundert meistern:

baut Scutari auf an der Bojana, 27

baut der könig, reiszet um die vila,

leidet vila nicht den grund zu legen,

noch viel minder zu erbaun die feste.

und vom berge nieder rief die vila:

hörest du mich? könig Vukaschine!

mühe dich nicht, noch dein geld verschwende,

nicht vermagst du könig grund zu legen,

noch viel minder zu erbaun die feste.

doch ihr seid drei brüder eines leibes,

eine treue gattin jeder habend,

wessen morgen zur Bojana gehet,

und den meistern traget hin die mahlzeit,

diese in den grund des thurmes mauert,

so wird haften, könig, dir der grundwall,

so vermöget ihr die bürg zu bürgen.

das vernommen Vukaschin der könig,

rief er zu sich seine leibesbrüder:

höret mich, ihr vielgeliebten brüder,

dieses schreit die vila vom gebirge:

nimmer fruchtet dasz wir geld verschwenden,

leidet vila nicht den grund zu legen,

noch viel minder zu erbaun die feste, 28

doch wir seien hier drei leibesbrüder,

552 DIE AÜFMAUERUNG SCÜTARIS.

jeder habend seine treue gattin, wessen morj^en zur Bojana gehe und den meistern hin die mahlzeit trage, sie gemauert in den grund des thurmes werde haften uns des baues burgwall, werden wir die feste auferbauen; leistet, brüder, göttlich heiige treue, dasz es keiner melde seiner gattin, sondern wir das Schicksal lassen walten welche morgen zur Bojana gehe! und sie gaben drauf sich heiige treue dasz es keiner melde seiner gattin. als nunmehr die kühle nacht hereinbrach, kehrten ein sie zu den weiszen höfen, abendaszen köstlich abendessen, jeder gieng zur gattin in die kamuier, aber sieh da jetzt das grosze wunder, Vukaschin der könig brach die treue und der erste sprach er zu der gattin, wahre dich, o meine treue gattin, 29 dasz du gehest morgen zur Bojana

und die mahlzeit tragest hin den meistern, denn du mustest büszen mit dem leben, in den thurmgrund würdest du vermauert, auch Ugljescha hat den eid gebrochen, sprach desgleichen zu der treuen gattin: nicht dich selbst verderbe, liebe gattin, geh mir morgen nicht zu der Bojana, trag den meistern nicht hinaus die mahlzeit, würdest kommen um dein junges leben, eingemauert werden in den grundvvall. doch nicht Gojko hat den eid gebrochen und der lieben gattin nichts gesaget, morgens früh sobald der tag geleuchtet, standen auf die drei Marljavtschevitje, giengen nach der feste zur Bojana. als genahet zeit des mittagsmahles, war des tragens reihe an der köngin, zu der schwägrin ist sie hingegangen, zu der schwägrin Uglieschas gattin: höre mich, o meine liebe schwägrin, unverhofft hat kopfweh mich befallen, 30 bleib gesund, ich kann es nicht aushalten.

Uglieschas gattin ihr versetzte: königin, o meine liebe schwägrin, unverhofft hat handweh mich ergriffen, bleib gesund, ich kann es nicht aushalten;

DIE AUFMAUERUNG SCUTARIS. 553

aber geh du, sags der jüngsten schwägrin.

und sie gieng zur Schwägerin der jüngsten:

Schwägerin, o junge frau des Gojko,

hat auf einmal kopfweh mich befallen,

bleib gesund, ich kann es nicht aushalten,

trage du den meistern hin die mahlzeit!

Gojkos junge frau gab diese antwort:

höre mich frau köngin, liebe muttor,

nie so gerne stund ich dir zu willen,

ungebadet ist mir noch mein knäblein,

unbegossen liegt mir noch die leinwand!

nochmals drauf die köujjin zu ihr saute:

geh nur hin, o vielgeliebte schwägrin,

trag die mittagsmahlzeit hin den meistern,

will dir deine leinwand schon begieszen

und die schwägrin wird dein kind dir baden!

nichts dawider mochte Gojkos gattin,

gieng und trug den meistern hin die mahlzeit. 31

als sie näher kam an die Bojana,

schaute sie der Marljavtschevitj Gojko,

Schmerzes voll das herz dem beiden wurde, that ihm leid um" seine treue gattin, that ihm leid ums kindlein in der wiege,

das erst einen monat alt gewesen,

thränen flieszen über seine wangen.

und die schlanke junge frau ersieht ihn,

schreitet sachte, bis sie ihm geuahet,

schreitet sachte, redet zu ihm leise :

was doch fehlet meinem guten herren,

dasz du thränen vom gesiebt vergieszest?

aber Gojko Marljavtschevitj sagte:

übel geht mirs, meine treue gattin,

hatte einen schönen güldnen apfel,

fiel mir heute nab in die Bojana,

thut mir leid drum, kann ihn nicht verschmerzen.

schlanke junge frau hat nichts geahnet,

sondern spricht zu ihrem lieben herren:

bete, dasz dich gott gesund erhalte,

kannst dir einen schönern apfel gieszen.

das den härm dem beiden noch vermehrte, 32

rauste von ihr ab sein antlitz wenden,

nicht mehr schauen wollte seine gattin.

aber kamen zwei Marljavtschevitje

Gojkos junger frauen schwäger beide,

sie bei ihren weiszen bänden fassend

führten sie zur feste ins gemäuer,

schrieen zu des baues meister Rada,

554 DIE AUFMAUERUNG SCUTARIS.

Rada schrie zu den dreihundert meistern, doch die junge schlanke frau sie lachet, denkt ein bloszer scherz sei solches alles, und sie stellten sie zum einvermauern, und es warfen die dreihundert meister, warfen nieder balken, warfen steine, mauerten sie ein bis zu den knieen, immer lachet noch die schlanke, junge, glaubt dasz alles nichts als bloszer scherz sei. und es warfen die dreihundert meister, warfen nieder balken, warfen steine, mauerten sie ein bis zu dem gürtel, wurden schwer ihr balken und die steine, sah die arme, was man mit ihr wollte,

33 zischte laut, gleich einer wilden schlänge, luib zu flehen an zwei liebe schwäger: nicht mich lasset, wo ihr gott erkennet, in die erde jung und grün vermauern! also fleht sie, hilft ihr nicht im mindsten, achten nicht die schwäger was sie bittet; achtet sie den spott nicht, noch die schände, hebet ihren herren an zu flehen;

zu nicht lasz es, o mein guter herre, dasz sie mauern in den grund mich junge, sende hin zu meiner alten mutter, meine mutter hat des geldes fülle, soll dir kaufen sklaven oder sklavin, die ihr mauert in den grund des thurmes! also fleht sie, hilft ihr nicht im mindsten. da nunmehr die schlanke junge frau sah dasz ihr Dfichts verfangen alle bitten, bittet sie des baues meister Rada : o bei gott, mein brudermeister Rada, lasz mir auf ein fenster für die brüste, thu heraus mir meine weiszen brüste, dasz Johann mein kleines knäblein komme,

34 dasz es komme an der brüst zu saugen, das bewilligt Rada um die brüderschaft, liesz ihr auf ein fenster an den brüsten, that heraus ihr ihre weiszen brüste,

bis Johann das kleine knäblein komme um zu saugen seiner mutter brüste, abermals die arme ruft zu Rada: o bei gott, mein brudermeister Rada, lasz mir auf ein fenster an den äugen, dasz ich schaue nach dem weiszen hofe, wann sie mir den kleinen Johann bringen,

DIE AUFMAUERÜNG SCUTARIS. 555

wann sie ihn zum hofe wieder tragen!

das auch willigt Kada um die brüderschaft,

liesz ihr auf ein fenster an den äugen,

dasz sie schaue nach dem weiszen hofe,

wann sie bringen ihr den kleinen Johann,

wann sie wieder ihn zum hofe tragen.

eingemauert war sie in die festung,

brachten ihr das kindlein in der wiege

und sie säugt es eine ganze woche,

nach der woche gieng ihr aus die stimme,

aber immer nahrung flosz dem kinde

und man säugt es da ein volles jähr lang. 85

so wie damals, also blieb es nachmals,

dasz noch heute fort die nahrung flieszet

als ein wunder oder auch als heilung

welchem weibe ist die milch vergangen.

Vorträge

auf den germanistenversammlungen zu Frankfurt a. M. und Lübeck 1846 und 1847.

ÜBER DIE WECHSELSEITIGEN BEZIEHUNGEN UND DIE VERBINDUNG DER DREI IN DER VERSAMM- LUNG VERTRETENEN WISSENSCHAFTEN.

Verhandlungen der germanisten zu Frankfurt am Main am 24., 25. und 26. sept. 1846. Frankfurt a. M. 1847. s. 11 18.

Ludwig U bland. Mir scheint, dasz die erste wähl des Vor- standes ohne Verzögerung vor sich gehen kann; ferner ist mir ein wünsch mitgetheilt worden, dem ich selbst mit besonderer freude die stimme gebe, dasz durch die wähl ein mann berufen werden möchte, in dessen band schon seit so vielen jähren alle faden der deutschen geschichtswissenschaft zuammenlaufen, von dessen band mehrere dieser fäden zuerst ausgelaufen sind, namentlich der goldfaden der poesie, den er selbst in derjenigen Wissenschaft, die man sonst als eine trockene zu betrachten pflegt, im deutschen recht, gesponnen hat; es ist mir der wünsch mitgetheilt worden, dasz dieser mann durch zuruf zum vorStande dieser Versammlung berufen werden möchte; ich brauche kaum den namen Jakob Grimm zu nennen!

Dieser verschlag wird mit allgemeinem beifall aufgenommen.

11 Meine harren! es gebührt mir vor allen dingen meinen

tiefgefühlten dank auszusprechen für die grosze mir eben wieder- fahrene auszeichnung. einer Versammlung, in der so bedeutende männer vorragen, wäre es leicht gewesen ihre wähl auf einen würdigeren fallen zu lassen.

Ich erlaube mir einiges über die gegenstände selbst zu sagen, um derentwillen wir gegenwärtig versammelt sind, und obgleich ich meine geringen kräfte dem vaterländischen recht und der vaterländischen geschichte zuweilen zugewandt habe, so ist mir doch die Sprachforschung am geläufigsten; es dürfte auch an sich nicht unpassend erscheinen, weil sie das allge- meine uns verknüpfende band heiszen kann, dasz ich eben vom Standpunkt der spräche aus mein äuge auf die anderen Wissen- schaften richte, welche hier vertreten werden sollen.

BEZIEHUNGEN DER DREI WISSENSCHAFTEN. 557

Lassen Sie mich mit der einfachen frage anheben: was ist ein Volk? und ebenso einfach antworten: ein volk ist der inbe- grift' von menschen, welche dieselbe spräche reden, das ist für uns Deutsche die unschuldigste und zugleich stolzeste erklärung, weil sie mit einmal über das gitter hinwegspringen und jetzt schon den blick auf eine näher oder ferner liegende, aber ich darf wol sagen einmal unausbleiblich heranrückende zukunft lenken darf, wo alle schranken fallen und das natürliche gesetz anerkannt werden wird, dasz nicht flüsse, nicht berge völker- scheide bilden, sondern dasz einem volk, das über berge und ströme gedrungen ist, seine eigne spräche allein die grenze setzen kann, dies mächtige Sprachgefühl hat den menschen von jeher ihre erste weihe gegeben und sie zu jeder eigenthümlich- keit ausgerüstet, wer nach jahrelangem auswandern wieder den boden seiner heimat betritt, die mütterliche erde küszt, in wessen ohr die altgewohnten laute dringen, der fühlt was er entbehrt hatte und wie ganz er wieder geworden ist. allen edeln Völkern 12 ist darum ihre spräche höchster stolz und hört gewesen, welchen groszen gewaltigen bäum hat die unsere getrieben, dessen wachs- thum wir nun schon fast zweitausend jähre in der geschichte verfolgen können! zwar seine kröne ist ihm abgehauen worden, die gothische spräche, aber das untergehende volk der Gothen hat uns ein theures Vermächtnis hinterlassen, ein denkmal das noch hinreicht, um über den gehalt einer spräche zu urtheilen, ohne die wir gar nicht im stände wär^n, weder die feste regel aller nachherigen entfaltungen deutscher zunge, noch volle ein- sieht in ihren Zusammenhang mit den übrigen alten sprachen zu gewinnen, auch ein anderer zweig unserer spräche ist aus- gestorben, joner siegreichen Franken spräche, die dem ttber- wuudnen gallischen volk ihren namen mittheilten, ihre spräche nicht verleihen konnten, die Franken wichen dem geistiffon eindruck des romanischen idioms, aber eine masse Wörter, deren zahl gröszer ist, als man sich einbildet, war aus der deutschen spräche in die französische übergetreten und der ganze in sitte und gesinnung noch viel stärker waltende einflusz des germa- nischen Clements hat dem gallischen volke überhaupt neues leben und frische kraft eingehaucht, aber noch ein hauptast unserer si)rache, den der sächsische volksstanmi über das meer nach Britannien verpflanzte, nachdem er Jahrhunderte lang dort in kräftiger ausbildung sich behauptet hatte, konnte zwar nicht gleich dem fränkischen völlig erliegen, doch eine ganz eigen- thümliche rückwirkung romanischer zunge erfahren, daraus ist jene wundersame mischung deutscher und römischer, dem ersten anschein nach unvereinbarer stoft'e hervorgegangen , welche den grundcharakter einer weltherschend gewordnen spräche, wie man die englische gewisz nennen kann, festsetzte, bekannt- lich hat dieser zusammenflusz in der weise stattgefunden, dasz

558 ÜBER DIE WECHSELSEITIGEN BEZIEHUNGEN

ihr sinnlicher und leiblicher bestandtheil aus der deutschen, ihr geistiger und abstracter hingegen aus der französischen ent- nommen ward, und da sprachformen und denkungsart der Völker unsichtbar in einander greifen, so heiszt es nicht /-uviel be- hauptet, dasz die natur der deutschen und französischen sprach»^ in vollen anschlag kommen müsse, wenn man ein volk verstehen will wie das englische, das seit Elisabeth die geschichte, seit Shakspeare die literatur mitzulenken gewohnt ist. wir sehen also imsere spräche und ihre geschichte auf einer seite an die des classischen alterthums reichen, auf der andern mit denen der mächtigsten Völker unserer gegenwart unzerreiszbar zu- sammenhängen. 13 Welches loos ist aber uns, die wir im herzen Europas

wohnen geblieben sünd, selbst gefallen? wir, aus deren schosz seit der Völkerwanderung zahllose heldenstämme nach dem ganzen Westen entsandt wurden, auf deren boden immer die schlachten der entscheidung geschlagen, die kühnsten aufschwünge des geistes vorbereitet zu werden pflegen, ja wir hegen noch keime in uns künftiger ungeahnter entwickelungeu. aus der vielheit unserer mundarten haben wir ullmälich eine spräche gewonnen, die ohne pracht und eitelkeit ihren grundzug, das ist schlichte treue festhält, die schon im mittelalter liebliche frucht getragen und auch nach langer Versäumnis regeste Verjüngungskraft bewahrt hat. seit Luther ist die herschaft des hochdeutschen dialects unabänderlich festgestellt und willig entsagen alle theile Deutsch- lands einzelnen vortheilen, die jede vertrauliche mundart mit- fuhrt, wenn dadurch kraft und stärke der aus ihnen allen auf- steigenden gemeinschaftlichen und edelsten Schriftsprache ge- hoben wird, jeder verlust ist für ein glück zu achten, der höhere gewinne zu wege bringt.

Nur in den Niederlanden hat sich bis heute eine eigen- thümliche, unseren nordwesten sichtbar schwächende gestaltung der spräche aufrecht erhalten, und nun schon seit Jahrhunderten ihren weg für sich eingeschlagen, der nicht selten zu anmutiger aussieht einladet, scheint es kaum möglich ihn ganz wieder zu uns zurückzuführen, so bleibt es desto wünschenswerther alle Verbindungen zwischen ihm und unsrer bahn zu verviel- fältigen, es gereicht uns zur groszen freude, dasz auch in dieser Versammlung mehrere Niederländer zugegen sind, welche ihren eifer an den tag gelegt haben die niederländische spräche in der weise, wie wir es in der hochdeutschen versuchen, ge- schichtlich zu erforschen, wie gerne hätte ich an dieser statte meinen edlen freund Willems aus Gent erblickt, den im laufe des sommers ein allzufrüher tod unerbittHch dahin raffte! ihm lag es vor allen an, das alte band zwischen hochdeutscher und niederdeutscher spräche wieder zu festigen, anfangs fürchtete man, dasz durch die trennung von Belgien und Holland der

DER DREI VERTRETENEN WISSENSCHAFTEN. 551)

deutschen spräche eintrag geschehen würde; aber gerade das gegentheil hat sich ergeben, nicht blos in Belgien , auch in Holland ist seitdem tiefere neigung für reinheit und erhaltung der heimischen spräche ofl'enbar geworden und man darf über- haupt aufstellen, dasz durch drohende «rschütterung im innern eines landes die liebe zu seiner angestammten spräche und sitte oft auf das lebhafteste angefacht werde.

Für alle zweige deutscher spräche, dies wort in einer völlig 14 zulässigen weitesten bedeutung genommen, eröffnet sich, je weiter die forschung vorrückt, immer lohnendere aussieht, und allen bänden, die sich zum anbau dieses fehles anschicken, ist vollauf arbeit zugedacht.

Vielfach angeregt worden ist die frage, in wie weit unsere spräche reingehalten und gereinigt werden müsse? eben hierüber läszt sich rathschlageu und durch gemeinsame besprechung er- mitteln, was der einzelne für sich allein kaum zu beschlieszen wagt; orthographischer fortschritt, dessen nothwendigkeit jeder- mann absieht, wird allein auf diesem wege vor dem Vorwurf unüberlegter und störender neuerung zu schützen sein, mir scheint, dasz keine reiniguug gewaltsam geschehen dürfe, dasz man den aus alten und benachbarten neuen sprachen zu uns dringenden Wörtern gar nicht ihren eingang wehren könne, wol aber sich besinnen müsse, alsogleich einem jeden derselben sitz und stimme in unserer wohnung einzuräumen, an eines solchen fremden Wortes stelle würde mancher schönere unserer spräche zusagendere ausdruck aus ihrem eignen vorrath geschöpft oder geschaffen werden können und der glücklichen eingebung des dichters ist es verliehen seiner im rechten augenblick des be- darfs habhaft zu werden; er läszt sich nicht kalt ausprägen, nüchterne Wortbildungen haben unserer spräche gröszeren scha- den gebracht als nutzen, sünde ist es fremde Wörter anzuwenden da wo deutsche gleich gute und sogar bessere vorhanden sind, aus unverantwortlicher Unkenntnis des gültigsten einheimischen Sprachgebrauchs. soll ich mich kurz aussprechen : unsere spräche musz vielmehr rein gehalten und erkannt, als willkühr- lich gereinigt und unbefugt erweitert werden, aber die meisten erkennen sie nicht in ihrer ganzen tugend.

Von Sprachforschung auf geschichtsforschung den Über- gang zu linden wird mir leicht, wie die spräche überall historisch betrachtet werden musz, kann auch die ältere geschichte, die doch grundlage aller neueren ist, gar nicht der bekanntschaft mit alter spräche entrathen und bleibt ohne solche gefahrlichen irrthümern und nachtheiligem schwanken ausgesetzt.

An sich aber scheint es, steht unsere deutsche geschichts- forschung gegenwärtig im günstigsten aufschwung. noch zu keiner zeit wurden ([uellen und denkmäler, zurückgeführt auf die lauterkeit ihres Ursprungs, so emsig und erfolgreich heraus-

560 ÜBER DIE WECHSELSEITIGEN BEZIEHUNGEN

gegeben; au dem licht, das diese quellen ausströmen, hat sich auch neue geschichtsschroibuug eut/ündet, die schon, ohne ihren gipfel erreicht zu haben, /,u den gröszten hotfnungen be-

15 rechtigt. in aÜPii theilen unseres Vaterlandes ist eifer für ge- schichte erwacht, wie es sich in einer ansehnlichen zahl von belehrenden vereinen, deren bloszes dasein nach einer höheren gemeinschatt deutscher historiker hinstrebt, auf das verschieden- artigste kund gethan hat. es wird gewünscht werden und ge- deihen bringen, wenn die Verschiedenheit dieser vereine unter- einander ausgeglichen, wenn das nöthige von dem zufälligen, das grosze von dem kleinen gesondert werden und ein desto tüchtigerer erfolfj erwachsen kann, wahrscheinlich bleiben in unserer versanunlung hierauf bezügliche vorschlage nicht aus. Unsere historie hat es freilich auch mit der alljyemeinen geschichte zu thun und kann nicht in die grenze des jetzigen Deutschlands zurückgewiesen werden, aber dieses liegt uns doch zuvorderst an und niemand wird ableugnen, dasz ihr das vorher hintenan gesetzte Studium deutscher spräche bereits forderlich geworden sei. es musz doch in jener burbarei unserer Vorzeit etwas anziehendes gelegen haben; denn wie schon ein unsterblicher Römer, der gleichsam morgendämmerung dem aufgang unserer geschichte vorangehen liesz, zu seinem unver- gleichlichen werk angetrieben wurde durch die rohe, aber ein- fache und rechtschaffene natur deutscher sitten und gebrauche gegenüber den erschlaffenden und abgenutzten seines landes, so würde auch noch später Montesquieu von seinem esprit des loix die band gelassen haben, wenn ihm nicht eben der vergleich unserer barbarischen gesetze mit den römischen eignen reiz da- zu verliehen hätte.

Das deutsche recht befindet sich in eigenthümlicher läge. €S ist, will man auf seine geltung sehen, keine allgemeine Wissenschaft in dem sinn wie die der spräche, sondern ein- geschränkt und zurückgewiesen auf einzelne lehren, welche neben dem die Oberfläche unseres rechtsbodens überfluthenden römischen recht sich noch behauptet haben, dieses fremden rechtes ein- führung gründet sich auf den wahn, dasz unsere kaiser fortsetzer der römischen seien, dasz dem aufhörenden römis(;hen reich das deutsche nachfolge, so wenig sich Carl der grosze an Komulus Augustulus reiht, man müste denn deutschen Herulern, Gothen und Longobarden das vermögen beilegen, die in Italien er- löschende römische herschaft zu übernehmen und bis auf die Franken fortzuleiten, römisches recht erschien zu ausgang des mittelalters in ganz Deutschland als etwas nothwendiges. gewisz wird niemand, wie abgeneigt er ihm vielleicht sei, leugnen, dasz es gröszte feinheit der gedanken mit gröszter schärfe der begriffe

16 verbindet, aber fühlen mag er zugleich, dasz im römischen recht auch schon spuren byzantinischer versunkenheit, in welcher

DER DREI VERTRETENEN WISSENSCHAFTEN. 561

das mächtigste reich der weit schmachvoll endete, vor äugen liegen.

Das römische recht, nachdem es lange zeit hindurch bei uns eingewohnt und unsere gesammte rechtsanschauung eng mit ihm verwoben ist, gewaltsam von uns auszuscheiden, scheint mir ein ungeheurer und fast so unerträglicher purismus, als wollte ein Engländer den gedanken durchführen, dasz es noch möglich sei, die romanischen Wörter aus dem englischen zu drängen und blos die Wörter deutschen Ursprungs zu behalten.

Aber auf andere wege leitet allerdings den germanisten das geschichtlich belebte Studium seiner alterthümer bis herab zu den spuren, die noch im heutigen leben von dem echt- deutschen rechtsbrauch oder bei nachbarvölkern haften, welche dem eindrang der römischen gesetze unterworfen blieben, jene Überbleibsel verknüpfen sich dem forschenden geist unvermerkt zu einem ganzen und der gedanke tritt näher, dasz manche verloren gegangene treffliche und unserer deutschen art zu- sagende einrichtung der vorzeit wenigstens theilweise zurück- gerufen und angewandt werden könne, lücken, die selbst das römische recht liesz, zu erfüllen, oder da, wo dieses den forde- rungen der gegenwart nicht mehr zuzusagen scheint, an dessen stelle zu rücken, die rechtsgeschichte, welche selbst bei den practikern übel angesehen ist, würde diesmal einer neuen gesetz- gebung in hand arbeiten und wirksam beitragen, ansehnliche stücke des fremden rechts zu verbannen, eine einheimische, aus alt und neu zusammengesetzte kräftige lehre könnte sich dann erzeugen, diese, wie mich dünkt, unter heutigen germa- nisten waltende richtung ist sowol eine historisch gelehrte als politisch practische, sie schlieszen sich an diejenigen unter den neuern historikern, welche aus der geschichte die politik aufzu- erbauen für höchste noth halten, den gegensatz bilden die ruhigeren geschichtsschreiber, die ein unübersehbares, ihnen eignes gebiet mit demselben ackergeräthe bestellen, das ihnen schon lange erfolge sicherte, und ihr verfahren stimmt zu dem der römischen rechtsgelehrten oder sogenannten civilisten, die von jeher glänzende proben von gelehrsamkeit und Scharfsinn abgelegt haben, diese wohnen in einem prächtigen, wenn auch im Stil des auslands aufgemauerten gebäude, das aber hin und wieder zu zerbröckeln anfängt und wetterschäden hat wer verdenkt es den deutschen rechtslehrern, dasz sie von Vater- landsliebe erfüllt, das verschlagene heimische fahrzeug anzu- 17 halten, neu zu bemannen und rüstig in den hafen zu steuern suchen?

Soviel geht hieraus hervor, dasz das deutsche recht, was auch seine künftigen im schoosz der zukunft liegenden erfolge seien, innig mit dem betrieb der vaterländischen geschichte und philologie zusammenhängt und die Verbindung dieser drei wissen-

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 36

562 BEZIEHUNGEN DER DREI WISSENSCHAFTEN.

Schäften in unserer Versammlung eine höchst natürliche und angemessene erscheint.

Warum sind wir aber versammelt? gewisz nicht um mit- einander zu arbeiten; jede tüchtige arbeit wird immer auf den schultern der einzelnen liegen müssen: wir wollen uns berathen, gedanken austauschen und erweitern.

Fern von unserer Zusammenkunft sei jener unterschied zwischen Nord- und Süddeutschen, den man einen thorichten, die gemüter verletzenden nennen darf, der nur sinn erhält, insofern es zuweilen frommen mag norddeutsche fehler und tugenden mit süddeutschen zu vergleichen, oder bequem scheint in kurzem ausdruck zusammenzufassen, was die verschiedenen Stämme auszeichnet, kein solcher unterschied kann hier bei uns auftauchen, eben so wenig darf etwas in unsere Versamm- lung einflieszen von jenem unseligen glaubenshader, der in unserer zeit die menschen verwirrt und von einander abwendet, unsere vorfahren sind Deutsche gewesen, ehe sie zum christen- thum bekehrt wurden; es ist ein älterer zustand von dem wir ausgehen müssen, der uns unter einander als Deutsche in ein band vereint hat, das durch die Scheidung der katholikeu und Protestanten nicht zerrissen werden kann, jene glaubensirrungen führen oft ab von dem groszen felde der Wissenschaft in ein enges rinnsal oder in unheimliche Schluchten, ich möchte des dichters ausspruch:

warum uns gott so wolgeföllt? weil er uns nirgend etwas in den weg stellt, in seiner ernstesten bedeutung nehmen, gott läszt seine sonne über allen menschen leuchten, er will sie nicht einander gegen- über stellen, wie von denen zuweilen geschieht, die uns gottes wort verkündigen, kein glaubenszwiespalt darf ein groszes volk, das sich wieder fühlt und aufrecht erhalten will, veruneinigen.

Was die eigentliche politik betrifft, so bleibe sie unsern Zusammenkünften, die nichts darüber zu beschlieszen haben, fremd, so natürlich und unvermeidlich es sein wird, auf dem 18 boden der geschichte, des rechts und selbst der spräche auf- steigende fragen, die an das politische gebiet streifen, mit wissenschaftlicher strenge aufzunehmen und zu verhandeln, mitten auf solcher grenze auszuweichen, in lebendiger, alle herzen bewegender gegenwart, würde einzelner männer unwerth scheinen, geschweige einer Versammlung, deren glieder nach allen seiten hin aufzuschauen gewohnt sind und in freier rede nicht jedes ihrer worte vorher auf die wage zu legen brauchen.

So sei nun dieser verein zu guter stunde eröffnet, ergehe sich in der allerbesten Verständigung und wecke bei seinem Schlüsse in uns allen den wünsch der Wiederholung, nicht ohne glücklichste Vorbedeutung treten wir zusammen in einer stadt, die von alters her als das herz deutscher geschichte betrachtet

ÜBER DEN WERTH DER UNGENAUEN WISSENSCHAFTEN. 563

werden kann, hier in Frankfurt sind so viele deutsche ereig- nisse vorgegangen, schon vor mehr als tausend jähren hat Karl der grosze ihre straszen, in denen wir uns heute noch bewegen, durchwandelt; wie oft mag bange erwartung dahin, wo wir nun versammelt sind, auf das was hier über Deutschland be- schlossen werden sollte, hingeblickt haben! in solchen räumen darf nur deutsches, und nichts undeutsches geschehen!

ÜBER DEN WERTH DER UNGENAUEN WISSEN- SCHAFTEN.

8. 58 62.

Lichtenberg bringt die Wissenschaften unter vier klassen. 58 in die erste stellt er die ehre verleihen, in die zweite die brot verleihen, in die dritte die ehre und brot verleihen, endlich in die vierte die weder ehre noch brot verleihen, sein witz spielt aber in den ausführungen. die brotwissenschafk ist auch nicht einmal seine eigene erflndung, sondern ein lange vor ihm gang- barer ausdruck, davon hergenommen, dasz die, welche statt die heerde zu weiden oder zu pflügen ihren gedanken nachhängen wollen, wol einsehen, dasz um ihr brot zu essen, sie ein amt auf sich zu nehmen haben, das ihnen brot verleiht, nach des amtes glücklicher erlangung begegnet es aber vielen, dasz sie ihre wissenschaftlichen gedanken wieder fahren lassen, und die 59 Vorzeit war gewisz besser, wo noch niemand nach solchen ämtern trachtete.

Man weisz auch, wie die Studenten auf der Universität unterscheiden: sie haben zweierlei Wissenschaft, solche die sie testiert erhalten müssen, und andere wo das nicht nothwendig ist; darnach richtet sich dann ihre neigung zur annähme und zum besuch der einzelnen Vorlesungen, es ist aber viel freier und schöner diesen unterschied zu verkennen, sich gehn zu lassen und blind in den tag hinein zu studieren, dessen licht genug augeneröfihende kraft hat; rechte Wissenschaft gleicht dem tag.

Aber auch auf diese falsche Unterscheidung wollte ich nicht eingehen, mich vielmehr hier an die von Franzosen aufgebrachte zwischen exacten und inexacten Wissenschaften halten, warum soll ich nicht lieber deutsch sagen? zwischen den genauen und ungenauen Wissenschaften, zu den genauen werden bekannt- lich die gerechnet, welche alle sätze haarscharf beweisen : mathe- matik, chemie, physik, alle deren versuche ohne solche schärfe gar nicht fruchten, zu den ungenauen Wissenschaften hingegen

36*

564 ÜBER DEN WERTH DER UNGENAUEN WISSENSCHAFTEN.

gehören gerade die, denen wir uns hingegeben haben und die sich in ihrer praxis so versteigen dürfen, dasz ihre fehler und schwächen möglicherweise lange zeit gelitten werden bis sie in stetem fortschritt aus fehlem und mangeln immer reiner hervor- gehen: geschichte, Sprachforschung, selbst poesie ist eine aller- dings ungenaue Wissenschaft, ebenso wenig anspruch auf volle genauigkeit hat das der geschichte anheim gefallene recht und ein urtheil der jury ist kein rechenexempel, sondern nur schlichter menschenverstand, dem auch irrthum mit unterläuft, im krieg hat den exacten grundsatz die artillerie zu vertreten, wogegen von der cavallerie nicht verlangt wird, es mit dem einhauen, wenn sie dazu kommt, genau zu nehmen.

Den genauen Wissenschaften schlügt noch etwas anderes zum vortheil aus: sie lösen die einfachsten urstofi'e auf und setzen sie neu zusammen, alle hebel und erfindungen, die das menschengeschlecht erstaunen und erschrecken, sind von ihnen allein ausgegangen, und weil ihre anwendungen schnell gemein- gut werden, so haben sie für den groszen häufen den gröszten reiz.

Viel sanfter und zugleich viel träger ziehen die ungenauen wissenschften nach sich, es gehört schon eine seltnere Vor- richtung einzelner naturen dazu, um sie an deutsche geschichte oder an die Untersuchung deutscher spräche innig zu fesseln, 60 während wir die hörsäle der chemiker und physiker wimmeln sehen von einer dem Zeitgeist auch unbewust huldigenden Jugend, und doch stehn die philologen und historiker an fülle der combination den gewandtesten naturforschern nicht eben nach; ich finde sogar, dasz sie den schwierigsten wagstücken mutvoll entgegengehen, dasz umgekehrt die exacte Wissenschaft einer reihe von räthseln ausweicht, deren lösung noch gar nicht herangekommen ist. oder kann sie uns zum beispiel erklären, wie sich aus der pflanze allmälich eine andere mit verschiedner färbe und verschiedenem duft entwickelt? aber die schüler, wenn die spitzen historischer ergebnisse nicht selten unbemerkt an ihnen vorübergehen, bemächtigen sich viel leichter aller physikalischen lehre.

Doch genug der nachtheile sind hervorgehoben, denen wir unterworfen sind, ich will auch laut werden lassen, worin sich unsere Wissenschaft erhebt und allem Zeitgeist zum trotz einer tieferen wirkung zu erfreuen hat. wir stehn viel fester auf dem boden des Vaterlandes und schlieszen uns inniger an alle heimischen gefühle. alle erfindungen, die das menschengeschlecht entzücken und beseligen, sind von der schöpferischen kraft dar- stellender rede ausgegangen.

Der chemische tiegel siedet unter jedem feuer und die neu entdeckte mit kaltem lateinischen namen getaufte pflanze wird auf gleicher klimatischer höhe überall erwartet; wir aber freuen

ÜBER DEN WERTH DER UNGENAUEN WISSENSCHAFTEN. 565

uns eines verschollenen ausgegrabenen deutschen worts mehr als des fremden, weil wir es unserem land wieder aneignen können, wir meinen, dasz jede entdeckung in der vaterländischen geschichte dem Vaterland unmittelbar zu statten kommen werde, die genauen Wissenschaften reichen über die ganze erde und kommen auch den auswärtigen gelehrten zu gute, sie ergreifen aber nicht die herzen, die poesie nun gar, die entweder keine Wissenschaft genannt werden darf oder aller Wissenschaften Wissenschaft heiszen musz, weil sie gleich der leuchtenden sonne in alle Verhältnisse des menschen dringt, die poesie fährt nicht auf brausender eisenbahn, sondern strömt in weichen wellen durch die länder, oder ertönt im liede, wie ein dem wiesenthal entlang klingender bach; immer aber geht sie aus der heimat- lichen spräche und will eigentlich nur in ihr verstanden sein, ich darf auch fragen, ob einer unserer naturforscher Deutsch- land jemals so aufgebaut hat, wie es Göthe und Schiller thaten? einer unter uns, der gestern etwas kleines hervorheben mochte, dasz ich einmal über die poesie im recht geschrieben habe, dessen lieder längst im munde des volks gehen, hat sich eben der altgesungnen Volkslieder mit so gewissenhaftem bedacht 61 und fleisz angenommen, dasz nun diese Sammlung wie ein vollendeter saal in unserer vorzeit steht und kommenden ge- schlechtern überliefert werden wird, ist es nicht schön dieses saals bauherr zu sein? zwei berühmte geschichtsforscher, welche in unserm kreise niedersitzen, wie mannichfach haben sie durch ihre Schriften das deutsche gemüt erhoben ; wie ist von einem anderen freunde mit tieferen blicken als sie bisher gethan waren in das innerste der geschichte unserer literatur eingedrungen worden, so dasz ihre vorher auf wenige leute eingeschränkte kenntnis jetzt um sich zu greifen und tausende zu erfreuen be- ginnt, auch die Sprachforschung darf sich einen geringen theil dieses ruhmes aneignen, weil sie es versuchte aus den deutschen Wörtern, denen man wenig grammatisches feuer zutraute, funken zu schlagen, und die einfachsten beobachtungen im eignen hause zu halten an die, welche man längst gewohnt war fast nur fremden stoflfen abzugewinnen, gelingt ihr einmal ihre arbeit vollständiger, so wird sich auch da ein hintergrund erheben, auf den das Vaterland mit stolz zurückschauen darf, weil alle denkmäler unserer vorzeit nicht blosz die gegenwart nähren, sondern auch in die zukunft reichen sollen, den groszen werth dieses in spräche und dichtung der heimat ruhenden besitz- thums müssen lebhaft fühlen die, welche sich seiner zu ent- äuszern bewogen sind, ich denke an deutsche auswanderer, die schon zehn jähre lang in ununterbrochenen zügen nach Amerika überfahren; wäre nicht ausführbar und heilsam, dasz maas- regeln berathen und berathene getroffen würden, um auch unter ihnen an der neuen statte, die sie sich erwählen, althergebrachte

566 BEMERKUNGEN GEGEN CHRISTS VORTRAG

spräche und dadurch warmen Zusammenhang mit dem mutter- lande zu bewahren? so blühte in den griechischen colonien griechische spräche und literatur und so ist auch dem Nord- amerikaner die ganze fülle englischer dichtung und geschichte jederzeit offen geblieben, gleichsam als die des eignen alter- thums. fortwährend, auch nach beider politischer trennung, ruht die stärke Amerikas in dem mütterlichen England, colo- nien heiszen uns pflanzungen, ja diese kräftige tief in Europa wurzelnde pflanze hat ihren samen über das weite raeer in die neue weit fruchtbar entsandt, unsere naturforscher zählen die blätter und Staubfaden zahlloser kräuter, ordnen unendliche reihen aller geschöpfe: was ist aber erhebender und betrach- tungswerther als das wunder der Schöpfung, das über die ganze erde sich ausbreitende menschengeschlecht, das eine überreiche geschichte seiner entfaltung und seiner thaten aufzuweisen hat? 62 darf die gliederung seiner gleichfalls in unendlichen zungen und mundarten gespaltenen rede nicht noch mit stärkerer gewalt an uns treten und unsere Wissenschaft auffordern als die glän- zendste entdeckung neuer arten von polythalamien und bacil- larien? das menschliche in spräche, dichtung, recht und ge- schichte steht uns näher zu herzen als thiere, pflanzen und demente; mit denselben waffen siegt das nationale über das fremde, hierin liegt zugleich der einfache Schlüssel, warum, ohne den erfolgen der tonangebenden Versammlungen deutscher naturforscher und classischer philologen im geringsten nahe zu treten, unsern Zusammenkünften, freilich fast blosz in gegen- wart eines deutschen publicums, vorbehalten und verliehen sein dürfte, anhaltendere theilnahme und befriedigung hervorzurufen.

BEMERKUNGEN GEGEN CHRISTS VORTRAG ÜBER RÖMISCHES UND DEUTSCHES RECHT.

s. 72. 81.

Christ Eine bemerkung unseres verehrten Präsidenten sollte

mich veranlassen, nicht weiter mehr das wort zu ergreifen, gestern nämlich hat er die äuszerung gebraucht, dasz das streben, das römi- sche recht aus dem deutschen leben und aus der deutschen Wissen- schaft zu entfernen, eine eben so vergebliche muhe sei, als das an- kämpfen, die lateinischen werte aus den romanischen sprachen zu entfernen.

72 Das habe ich nicht sagen können, ich habe blosz bemerkt,

dasz der purismus eben so unerträglich sei, wie er sein würde, wenn man in England die romanischen bestandtheile aus der

ÜBER RÖMISCHES UND DEUTSCHES RECHT. 567

spräche entfernen wollte, ich halte gar nicht für unmöglich, dasz das römische recht einmal aufhöre, aber ich glaube nur, dasz es nicht auf die weise geschehen könne und dürfe, wie manche die spräche reinigen wollen; dasz es allmälich ge- schehen müsse.

Christ Es verhält sich das römische recht zum deut- schen recht im allgemeinen nicht, wie die lateinische spräche zu den romanischen sprachen.

Jedes gleichnis hinkt, und ich sprach vom romanischen im englischen.

Ich wiederhole, was ich selbst habe drucken lassen, dasz 81 ich glaube, im geiste schon die zeit herannahen zu sehen, wo das römische recht aufhören müsse, ich bin nur darin ab- weichender meinung, dasz ich diese zeit nicht für so nahe halte wie andere, mit manchen äuszerungen des zuletzt aufgetretenen verehrten redners bin ich insofern nur einverstanden, als die stunde mir noch nicht geschlagen zu haben scheint, wo jener fall eintreten kann, ich masze mir über diesen gewissermaszen practischen gegenständ um so weniger zu entscheiden an, als ich mein urtheil nur von meinem geschichtlichen Standpunkte bilde, ich bin dem herrn redner vielleicht nur in dem über- legen, was er ganz zuletzt bemerkt hat. mit der spräche der alten gesetze habe ich mich sehr viel befaszt und meine Wahr- nehmungen berechtigen mich zu vermuten, dasz es noch langen Studiums bedarf, um diese spräche genau zu verstehen, wollen die gesetzgeber jetzt schon aus alten Urkunden für rechtsbegriffe ausdrücke greifen, so möchte es zu groszen misverständnissen kommen, darin bin ich ferner mit dem letzten redner einver- standen, dasz man den satz der nothwendigkeit neuer deutscher gesetzgebung nicht übertreiben dürfe ; es gienge auf beeinträchti- gung der Stammeseigenheit hinaus, die Friesen z. b. haben ein von dem der Allemannen so bedeutend abweichendes recht gehabt, als es unser deutsches recht von dem römischen recht ist, und ich zweifle, ob alle volksstämme zufrieden sein wür- den, dasz ihr früher angestammtes, im heutigen gerichtsbrauch noch in zahllosen kleinen eigenheiten bewahrtes recht ausdrück- lich aufgehoben und an dessen stelle ein gemeinsames deutsches recht gesetzt würde, in ein allgemeines deutsches recht sollten grundsätze aufgenommen werden, welche uns Deutschen mit den Römern in allerfrühester zeit schon gemeinsam gewesen sein können.

568 ÜBER DEN NAMEN DER GERMANISTEN.

ÜBER DEN NAMEN DER GERMANISTEN. 8. 103—105.

Auch diesmal gedachte der versitzende mit einem kurzen vertrag zu beginnen, den er, da wichtigere angekündigt waren und die ge- schäfte zum schlusz drängten, bei sich behielt, hier mag einiges von dem folgen, was er ungefähr zu sagen gehabt hätte.

103 Ich glaube nicht, dasz mein verstorbener freund Hugo in Göttingen, an den ich noch oft wehmütig denke, scharf ausge- prägt wie er war, von den ihm abhegenden zwecken und er- folgen unserer Versammlung eine grosze meinung gehabt haben würde; das aber weisz ich sicher, dasz ihm etwas ein unüber- windlicher anstosz gewesen wäre, der name, welcher im begrift* steht uns allen zu gebühren, der germanisten, im allgemeinen auch historiker und philologen miteinschlieszendon sinn, nach deni von den neugebornen kindern an gültigen brauch werden auch die rechten namen immer von andern dem, der sie trägt beigelegt, nicht von ihm sich selbst, und es scheint unange- messen, dasz wir gleich bei unserm ersten auftreten darauf be- dacht nehmen, uns die geeignete benennimg zu sichern, in der that blieb aber gar kein anderer ausweg und es stellte sich sofort gleich beim druck der einladung instinctmäszig die noth- wendigkeit dar, die unbeholfene Umschreibung einer Zusammen- kunft deutscher geschichtsforscher, rechtsforscher und Sprach- forscher in einen bündigen ausdruck zu verwandeln, ein schon vorhandenes, nur in beschränkterem sinn angewandtes wort war wie von selbst geschaffen, um das neue band zwischen drei Wissenschaften, das, wenn keine täuschung waltet, länger dauern

104 soll, passend zu bezeichnen ; zwischen drei Wissenschaften, denen so vieles und zumal der begriff ihrer deutschheit, worauf der name hinweist, wesentlich gemeinsam ist. dringt seine umfas- sendere bedeutung durch, so müssen die rechtsforscher, auf die es ungebührlich bisher beschränkt wurde, dabei verlieren, was sie auf der andern seite an der gröszern ehre, die dem namen zuwächst, wieder gewinnen, warum sollten auch sie ausschliesz- lich germanisten heiszen? da man zum beispiel slavisten die- jenigen benennen hört, die sich mit slavischer spräche befassen und mein französisches Wörterbuch ohne alles bedenken latiniste erklärt: qui entend et parle latin. dabei ist nicht der leiseste nebengedanke an bekanntschaft mit lateinischem oder slavischem recht, auch sollten, meine ich, unsere historiker eben so wenig zaudern, einen der ihrigen, der sich mit besonderem eifer der slavischen geschichte zugewandt hätte, wiederum als slavisten anzuerkennen, es wird also nur einige gewöhnung kosten und, füge ich hinzu, von der lebensdauer unserer künftigen Versamm- lungen abhängen, um die ausdehnung des namens germanisten

ÜBER DEN NAMEN DER GERMANISTEN. 569

auf forscher des rechts, der geschichte und spräche über allen zweifei zu erheben, er drückt dann gar nichts aus als einen, der sich deutscher Wissenschaft ergibt, und das ist wol eine schöne benennung. ja ein echter deutscher dichter könnte sich gefallen lassen germanist zu heiszen, es müste ihn denn die endung ista zu ausländisch dünken, solange ihm entgeht, dasz selbst dichter unmittelbar aus dem lateinischen dictator ab- stammt.

Dieser ausgang ista war aber längst unter uns so einge- bürgert, dasz er grammatisch unangreifbar scheint und in fünfzig andern anwendungen sich volles recht erwarb, gleich legist, canonist, civilist, Jurist und damit nicht die rechtslehrer wäh- nen, das wort allein geworben zu haben, gleich donatist, spi- nozist, botanist (wenigstens die Franzosen gebrauchen botaniste, falls bei uns botaniker vorherseht), chronist, fragmentist wird auch der uns von Römern oder Kelten beigelegte name der Germanen sich den anhang ista gefallen lassen, woraus eine neue bestätigung der fremdheit dieses volksnamens flieszt, da nur fremde, keine deutschen wurzeln des beisatzes ista fähig sind, am allerwenigsten dürfen aber die classischen philologen deutschen den namen germanisten misgönnen, weil ihnen selbst sogar der allgemeinste name humanisten überwiesen zu sein pflegt, ohne allen wahn, dasz ihnen allein die pflege des mensch- lichen, das humanum oder gar die humaniora obliege.

Schauen wir diesem deutschen -ist und lateinischen -ista 105 noch näher auf den grund, so sind sie deutlich griechisches Ursprungs und aus verbis auf -i'C«) abgeleitet, denen zugleich adverbia auf -isti und substantiva auf -lajxo? und -isttj? ent- sprieszen. dcxiixiCeiv, Xaxtovi'Csiv ist attisch, lakonisch reden, dxxi- xiSjAO?, XaxojviafjLO? attische, lakonische redeweise, wer sie übt, redet axiixiaxi, Xocxcuviaxi und heiszt darum dxxtxiaxr^?, Xaxwvicjxi^?. mit -d^«> und -aaxV;? verhält es sich ebenso, ja von ayi'Cto wird a)(i'3jjLa und ayiaxoq, von xpi'<u xpta[xa, yj>ia-6q gebildet, was sich den deutschen bildungen blöian, blösma und blöstr vergleicht, unserm germanist steht darum germanismus, wie dem rigorist rigorismus, dem chiliast chiliasmus, dem enthusiast enthusias- mus zur seite. eigensinn und gewohnheit der spräche schlieszen aber oft die eine oder die andere form aus. von civilist bilden sie keinen civilismus, umgekehrt von pedantismus keinen pedan- tist, da es schon pedant gibt und pedanten allzuviel, germa- nismus, was den Franzosen ein fehler erscheinen kann, sollte uns immer eine rechte tugend sein, und es wäre zu wünschen, dasz alle germanisten auch yspixaviaxi redeten und handelten.

Dies ist es, was ich über den namen der germanisten mittheilen wollte, streben wir, dasz er noch zu höheren ehren aufsteige !

570 SCHLUSZWORT.

SCHLUSZWORT.

s. 129 131.

129 Meine herren, unsere Versammlung neigt sich zu ilirem ende, sie wird noch nicht überschauen lassen, was sich künftig aus ihr entfalten kann, allein sie kann es uns schon im keime zeigen, unser erstes zusammentreten wird nicht das erfolg- reichste, aber das bedeutungsvollste sein, auch in zukunft wer- den die wissenschaftlichen Untersuchungen mit gleicher würde und ruhe gepflogen werden und dennoch ist zu wünschen, dasz auch im verfolg die lebhafte innere bewegung nicht ausbleibe, welche wir empfunden haben.

130 Diesmal liegt uns noch ein wichtiges geschäft ob, nämlich die wähl des orts, in welchem wir uns das nächste mal ver- sammeln werden, und die bezeichnung der zeit, was die letz- tere angeht, so scheint es vielleicht nicht geeignet, für immer jährliche Versammlungen anzuordnen, wol aber die nächste Ver- sammlung schon wieder binnen Jahresfrist eintreten zu lassen, damit die kaum begonnene gesellschaft sich desto fester kräfti- gen könne; später mögen längere Zwischenräume bewilligt wer- den, wenn dagegen sich keine einspräche erhebt, was die wähl des orts betrifft, so möchte ich schon wegen ihrer ähnlichkeit mit Frankfurt die ehemalige reichsstadt Lübeck vorschlagen, und um diesem gegenwärtig vielfach bedrängten ort ein lautes Zeugnis zu geben, wie sehr wir Deutsche an ihm hängen und wie gern wir uns mit ihm beschäftigen, kein zweifei, dasz auch die orte, in denen wir uns versammeln, lebendigen nutzen aus der augenblicklichen anwesenheit vielseitig gebildeter männer ziehen, wie wir im stände sind aus der anschauung ihrer ge- bäude und Sammlungen, aus dem wenn auch kurzen Umgang mit ihren vorzüglichsten einwohnern uns mannichfaltig zu be- leben und zu erfreuen, hier nun finden wir uns mitten im lande, dort werden wir an die see gerückt sein; hier vergegen- wärtigen wir uns alterthum und geschichte einer blühenden Stadt, die seit frühster zeit den handel am Main und Rhein beherscht, dort werden wir uns des erhebenden gedankens kaum erwehren können, dasz eine zukunft aufsteigen möge, wo Deutschland wieder in die reihe der Seemächte einzutreten berufen ist. Lübeck war unter allen deutschen seefahrenden Städten im mittelalter die mächtigste, dieser verschollene rühm soll ihm zu gut kommen. Lübeck liegt zwar dem südlichen Deutschland fern, doch die entfernung wird schon im nächsten jähr durch Vollendung vieler eisenbahnen beträchtlich abgekürzt sein, wenn niemand etwas gegen diese wähl einzuwenden hat, so bitte ich die Versammlung, Lübeck als Versammlungsort zu bestimmen, (wird genehmigt.)

ERÖFFNUNGSWORTE DER VERSAMMLUNG ZU LÜBECK. 571

Zuletzt bleibt mir nur noch übrig, den zoll der dankbar- 131 keit abzutragen, vor allem gebührt es sich, der hohen freien Stadt Frankfurt diesen dank auszusprechen für die bereitwillig- keit, mit der sie uns in ihr inneres, in ihr edelstes gemach aufgenommen hat.

Wir wollen aber auch dankbar gegen den mann sein, der zuerst den gedanken an eine solche Versammlung faszte und das meiste dazu beigetragen hat, sie zu stände zu bringen, ich meine Reyscher aus Tübingen und spreche ihm im namen der ganzen Versammlung diesen dank hiermit aus.

ERÖFFNUNGSWORTE DER VERSAMMLUNG ZU LÜBECK.

Verhandlungen der germanisten zu Lübeck am 27., 28. und 30. sept. 1847. Lübeck 1848. s. 3. 4.

Meine herren. ich habe die freude, Sie hier willkommen 3 zu heiszen. was voriges jähr zu Frankfurt beschlossen war, ist heuer in erfüllung gegangen, wir finden uns zusammen in einer anderen, an erhebenden erinnerungen nicht minder reichen alten freien Stadt, wo wir mit Zustimmung ihres hohen Senats auf das freundschaftlichste aufgenommen sind, wo nichts an allem fehlt, dessen wir bedürfen, dies musz uns schon im voraus mit lebhaftem danke erfüllen. wenn es mir gestattet ist, neues mit altem und kleines mit groszem zu vergleichen, so gemahnen die wissenschaftlichen von einem orte Deutschlands an den an- dern verlegten vereine an die alten hoftage der deutschen könige. dieser Wechsel des orts ist eine gunst, es wird dadurch der zutritt zu den Versammlungen erleichtert, alles enge landschaft- liche entfernt; es werden nach und nach alle Deutschen an diesen Versammlungen theil nehmen können, auch wenn sie behindert sind, eine längere reise zu unternehmen, es ist aber noch etwas anderes, was ich hervorheben möchte, an jenen hoftagen wur- den ursprünglich blos ungebotene, freiwillige gaben dargebracht, möge auch unter uns das bestreben vorwalten, ungezwungen und frei zu reden, verschiedentlich ist mir die frage vorgelegt worden, was bei unserem vereine hauptsache sei, ob die öflPent- liche gemeinsitzung, oder die arbeit in den Sektionen, ich habe da nicht gezaudert zu bekennen, dasz mir bei weitem die ge- meinschaftlichen Sitzungen und was ihnen vorangeht, was ihnen nachfolgt, das wesentlichste zu sein scheine, ich glaube sogar weissagen zu dürfen, dasz wenn unsere erfahrungen reicher werden, wir vielleicht die erschöpfende mühewaltung der ein-

572 SCHLUSZWORT.

4 zelnen abtheilungen ganz von uns abschütteln können , worauf sich alles in desto freierer weise vermögen wird zu regen, aber ich halte ein, das mir aufgetragene amt beginnt zu erlöschen, und mir liegt ob, die wähl meines nachfolgers einzuleiten, es sind dafür folgende Vorkehrungen getroffen: jedem der herren mitglieder wird eine karte eingehändigt werden, auf welche ich ersuche den namen dessen zu schreiben, dem er seine stimme gibt, ich bitte, nur einen namen aufzuschreiben, nicht zwei oder mehrere; denn sollte noch ein zweiter oder dritter auf der karte stehen, so wird blos der erste als gültig betrachtet wer- den, ich werde nun eine Zählung der anwesenden mitglieder vornehmen und hernach die karten austheilen lassen.

Die Zählung ergab die an Wesenheit von 148 niitgliedern, deren 92 für die Wiederwahl Jacob Grimms stimmten, welcher darauf sagt:

So triftige gründe ich hätte, um zu bitten, mich des Vor- sitzes zu entbinden, unterwerfe ich mich dem willen und der entscheidung der Versammlung, die mir die ehre erweist, und übernehme das amt des Vorsitzenden.

240

SCHLUSZWORT.

8. 240.

Meine herren, in unser aller namen den lebhaftesten dank der hohen freien stadt Lübeck, die uns hier so gastlich aufge- nommen, alles gewährt hat, was zur förderung unserer Verhand- lungen dienen konnte, wir werden die hier erlebten tage nie- mals vergessen können, warmen dank sodann den Lübecker herren, die sich so eifrig und unverdrossen bemüht haben, um alle einrichtungen in stand zu setzen und durchzuführen, end- lich dank Ihnen allen für die nachsieht, die sie mit mir gehabt haben, so lang ich auf dem stuhle sasz.

Die Sitzung ist geschlossen.

Hieran schliesze ich folgenden bericht der allgemeinen zeitung, welcher laut 'verhandig. d. german. zu Frkf. a. M.' s. S von Jacob Grimm selbst verfaszt ist. über die Lübecker Versammlung druckte diese zeitung nur einen sicher nicht von ihm herrührenden bericht der Bremer zeitung ab.

BERICHT ÜBER DIE FRANKFURTER ZUSAMMENKUNFT. 573

BERICHT ÜBER DIE ZUSAMMENKUNFT DER GER- MANISTEN IN FRANKFURT AM 24., 25. UND 26. SEPT. 1846.*

Beilage zur allgemeinen zeitung. 22. oct. 1846. s. 2353 2355.

So mächtig deutsche Wissenschaft gedeiht, so groszartige 235; anstalten über ihrer pflege wachen, reichen diese doch lange nicht aus weder jede regung auf der gelehrsamkeit unermesz- Hchem felde zu lenken, noch alle knoten, deren sie für ihre festigkeit bedarf, zu schürzen, auf den schultern einzelner ruht die eigentliche arbeit; aber ihre last will zuweilen gelüftet und von den bänden aller, damit sie erstarke und der träger nicht strauchle, gehoben sein, die naturforscher waren es zuerst wel- che, ihrer allgemeineren, keinem land ausschlieszlich angehörigen Wirksamkeit sich bewust, in regelmäszig wiederholten Versamm- lungen sich gegen einander auszutauschen begannen; nicht zu miskennen stand der vortheil. jähre verstrichen, ehe das ge- gebene beispiel nachahmer fand, die philologie, welche auf gleich allgemeinen,, man könnte sagen europäischen Studien fuszt, hielt sich zunächst reif für solche vereine, und der classischen schlosz günstig auch die orientalische sich an, ohne dasz die einheimische ausdrücklich zugezogen ward, oder beizugesellen sich getraute, obschon in den Zusammenkünften hin und wieder einzelne punkte deutscher spräche und geschichte treffend be- handelt wurden, endlich sollte eben wol die deutsche philologie in dem ihr noch zusagenderen geleite des deutschen rechts und der deutschen geschichte auf den platz treten, es ergieng zu anfang des Jahres eine von namhaften gelehrten Deutschlands unterzeichnete einladung an die genossen aller drei fächer sich im laufenden herbst zu Prankfurt am Main zahlreich einzufinden, und einen versuch zu wagen ob auch die genannten Wissen- schaften gleich den ihnen vorausgegangenen sicli zu rath und that versammeln, ob sie ihre Zusammenkunft, wenn sie ersprosz und anschlug, wiederholen dürften, die wähl einer in Deutsch- lands mitte gelegenen, eine fülle deutscher erinnerungen wecken- den freien stadt hätte nicht glücklicher sein können, die Frank- furter regierung gewährte alle Vergünstigungen, die man nur erwarten konnte, für die hauptversammlung bot sie den ehr- würdigen kaisersaal auf dem Römer dar, wie ihr ein ähnlicher ort anderswo in Deutschland nirgends zu theil werden möchte, über zweihundert gelehrte trafen zur anberaumten zeit aus allen gegenden Deutschlands ein und lieszen sich als mitglieder ein-

* dieser von authentischer quelle kommende berieht ergänzt und berich- tigt theilweise die früheren im augenblick der verhandlimgen niedergeschrie- benen auszüge. r. d. allg. z.

574 BERICHT ÜBER DIE ZUSAMMENKUNFT

tragen, von den achtzehn ausschreibenden fehlte Arndt, durch leidiges unwolsein in Bonn zurückgehalten, desgleichen Runde aus Oldenburg; Falck hätte in diesem augenblick Holstein um keinen preis verlassen dürfen, und derselbe grund hielt manchen andern dorther zu kommen zurück; dasz zwei angesehene männer, deren name die einladung zierte, Lachmann und Haupt, unentschuldigt ausblieben^), befremdete schmerzlich, weil es natürlich schien, von den gründern des Vereins, dessen unge- wisse erfolge zu sichern und emporzubringen es diesmal galt, würde ohne triftige Ursache sich niemand ausschlieszen. erfreu- lich war die theilnahme des auslands. auszer Schweizern und Elsässern, die man noch unmittelbar der deutschen znnge bei- zählen darf, hatten sich Niederländer, Engländer und Schweden eingefunden, auch ein Däne, dessen landsleute sicher seien, dasz ihre wahrlich nicht kleinen Verdienste um jede der drei hier in betracht kommenden Wissenschaften unter uns allgemein und unfeindselig anerkannt sind, dem es aber bei der gegenwärtigen Stimmung in Deutschland nicht recht wol werden konnte.

Lediglich dem dasz in recht, geschichte und spräche zu- sammen von ihm gearbeitet worden war, hatte Jacob Grimm die ehre des Vorsitzes zu danken; gewandtere leiter der ge- schäfte waren in der Versammlung augenscheinlich vorhanden, glücklicherweise kam es minder auf die kunst des Vorstandes an, als auf unparteiisches gewährenlassen der sich geltend machenden verschiedenen ansichten die in sich selbst ihre hal- tung trugen.

Nachdem er die sitzung eröffnet hatte, wies der Vorsitzende in kurzer rede das innige band zwischen geschichte, recht und spräche nach, von dem natürlichen begriff des volks durch seine spräche und in seiner spräche ausgehend, welcher 'für uns Deutsche unschuldigste und zugleich stolzeste' begriff die aus- sieht auf ungetrennten fortbestand und auf die völlige Wieder- herstellung unseres ruhmes begründen musz. wie lebendig fest- halten an der spräche und ihrer reinheit auf die Vaterlandsliebe einwirke, welches Selbstgefühl die kenntnis ihrer unvergleich- lichen geschichte einflösze, haben schon die bisherigen, zum ziel lange noch nicht gediehenen arbeiten dargethan. Sprach- forschung ist zugleich geschichtforschung, und je weiter zurück ins alterthum unsere geschichte greift, bedarf sie zahlloser, nur aus der spräche gewinnbarer aufschlüsse. aber auch das deutsche recht, welches nicht mehr gleich der spräche ein ganzes bildet, sondern durch einführung des römischen groszentheils zurück- gedrängt und zerstört scheint, ist der geschichte anheim gefallen,

^ die gerechtigkeit erfordert hier einzuschalten dasz der Vorsitzende bei seiner rückkehr nach Berlin ein schreiben Haupts vom 19. sept. vorfand, wel- ches dessen durch privathindernisse verursachtes ausbleiben entschuldigte.

d. eins.

DER GERMANISTEN IN FRANKFURT. 575

und in seinem Zusammenhang erst durch sie und die spräche vollständig erkennbar, auf welche beide es seinerseits ein licht wirft, dessen sie nicht entrathen können, wie aus vielen mund- arten unserer spräche allmälich eine edle gemeinsprache sich emporgewunden habe, wie die gesammtgeschichte Deutschlands alle einzelnen geschichten anerkennend und versöhnend in sich aufnehme, werde überall, wo es einen allgemeinen zweck gelte, wenn irgendwo in dieser Versammlung, ein unterschied zwischen Norddeutschen und Süddeutschen thöricht erscheinen, und noch viel weniger dürfe glaubenshader ein groszes volk, das sich wieder fühle und aufrecht erhalten wolle, veruneinigen, was die eigentliche politik betreffe, müsse sie unsern Zusammen- künften fremd bleiben, so natürlich und unvermeidlich sein werde auf dem boden der geschichte, des rechts und selbst der spräche aufsteigende fragen, die an das politische gebiet rühren, mit wissenschaftlicher strenge aufzunehmen und zu behandeln, auf solcher gränze geflissentlich auszuweichen, in lebendiger, alle herzen bewegender gegenwart werde selbst einzelner männer unwürdig scheinen, geschweige einer Versammlung deren glieder nach allen seiten hin aufzuschauen gewohnt sind, und in freier rede nicht jedes ihr^r worte auf die wage zu legen brauchen.

Dasz nach diesem grundsatz verfahren werden solle, be- währte sich unmittelbar in den Verhandlungen welche die ganze erste sitzung erfüllten, und ohne ausnähme der holstein-schles- wigischen angelegenheit gewidmet waren, schon monate lang war diese sache in jedes Deutschen mund, die dänischen ein- griffe hatten alle gemüter erregt, und einem öffentlichen verein angesehener rechtsgelehrten und geschichtskundiger muste die frage danach stillschweigends und von selbst im namen des Vaterlands vorgelegt scheinen, auf welche sie rede zu stehen sich durchaus nicht entschlagen konnten.

Zuerst beleuchtete Beseler, ob Schleswig dem dänischen reiche für einverleibt gelten dürfe? und verneinte nach prüfung aller gründe, von Welcker wurden hierauf die Verhältnisse Lauenburgs zur dänischen kröne erörtert, und zwischen ihm und Jaup, der gegen einzelne punkte eingesprochen hatte, ver- handelt.

Dann ergriff' Dahlmann in gedrungener inhaltschwerer rede das wort ftir Schleswig-Holstein, zeigte den halbtausendjährigen verband beider länder, und dasz die lex regia den Dänen den blick verwirrt habe, der, wie ihr königstuhl gegen norden schaue, nur nach Skandinavien, nicht nach Deutschland gerichtet sein dürfe. Deutschland und Skandinavien seien von der natur be- stimmt in der noth einander wechselseitigen beistand zu leisten, nicht durch übergriff in ihre besonderheit sich zu verfeinden.

Reyscher bestieg die bühne um der Versammlung den eben eingetroffenen brief des dänischen königs vom 18. September 2354

576 BERICHT ÜBER DIE ZUSAMMENKUNFT

vorzulesen, der als in der Hauptsache nichts abändernd beiseite geschoben werden dürfe, als am schlusz seines Vortrags dieser redner sich hinreiszen liesz die Versammlung zu voller abstim- mung aufzufordern, ward er alsbald in die schranke zurückge- wiesen, die wissenschaftliche erörterung durfte sich nicht in eine art von jury umwandeln, der recht und tahigkeit zustehen könne durch Stimmenmehrheit irgendwie zu entscheiden.

Den letzten Vortrag über Schleswig hielt Michelsen, selbst ein geborner Sclileswiger, und so ausgerüstet mit lebendiger ein- sieht in den stand der dinge dasz alle zuhörer bedauerten, statt der vollständigen mittheilung des reichen dem redner zu geböte stehenden stoflfs, weil die zeit vorgeschritten war, nur einen aus- zug aus demselben zu vernehmen. hiermit aber muste der prüfung dieser wichtigen angelegenheit ein ziel gesetzt, und die erste sitzung überhaupt geschlossen werden.

In der folgenden des 25. sept. ergriff der Vorsitzende von neuem das wort, um, wie tags zuvor er die durchdringende be- rührung zwischen recht, geschichte und spräche unter einander ausgeführt hatte, heute deren äuszere Stellung gegenüber den exacten Wissenschaften zu besprechen, wenn dieser letztern be- weise haarscharf, ihre ergebnisse allgemein ergreifend und an- wendbar scheinen, jene an augenblicklicher Wirkung zurück- stehen, so haben sie dafür den groszen unschätzbaren vortheil sich inniger und dauernder an das Vaterland und die heimat anzuschmiegen, durch dichter und geschichtschreiber ist Deutsch- lands ehre ganz anders erhöht worden als durch chemiker und physiker, und selbst die Sprachforschung, indem sie verschollene wunder der heimischen laute, Wörter und rede wieder aufführt, betrachtet und zergliedert, übt stärkere gewalt auf uns aus als die scharfsichtigste entdeckung von neuen arten der polythala- mien und bacillarien. das menschliche in spräche, dichtung, recht und geschichte tritt uns doch näher zu herzen als alle erscheinungen der thierwelt, pflanzenweit und der demente, mit denselben waffen siegt das nationale über das fremde, hierin liegt zugleich der einfache Schlüssel warum, ohne den glänzen- den erfolgen der tonangebenden Versammlungen deutscher natur- forscher und classischer philologen im geringsten nahe zu treten, unsern Zusammenkünften vorbehalten und verliehen sein dürfte, freilich fast blosz in gegenwart eines deutschen publicums, an- haltendere theilnahme und befriedigung hervorzurufen, damit geschieht der exacten Wissenschaft kein eintrag, die ihren er- folg weit über die gränzen des Vaterlandes hinaus findet, und der ohnehin der Zeitgeist entschieden huldigt, während wir nur langsam neue, wenn auch wärmere anhänger gewinnen.

Demnächst sprach Mittermaier in gewandt flieszender rede über den vielfachen Widerspruch in welchem das römische recht zu dem leben, bewustsein und den sitten unseres volkes stehe.

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nicht auf feindlichen kämpf gegen dasselbe sei es abgesehen, denn niemand verkenne welche hohe Weisheit in ihm liege; allein es sei für ein anderes volk, für eine längst vergangene zeit be- rechnet, und stimme oft gar nicht zu dem deutschen natio- nalgeist.

In gleichem sinne redete Christ aus Karlsruhe einer noth- wendigen legislatorischen entfaltung des einheimischen rechts das wort; auch in der heutigen rechtssprache seien die römischen ausdrücke endlich durch deutsche zu ersetzen, wie sie sich in unsern älteren Schriften und Urkunden sattsam darbieten; wo- gegen der Vorsitzende anmerkte: sicher habe unsere spräche durch vorwalten der römischen terminologie in den gerichten manch schönes wort und manche kräftige formel eingebüszt; das richtige Verständnis abgestorbener altdeutscher rechtsaus- drücke unterliege aber gröszeren Schwierigkeiten, als dasz ihre anwendung auf heutige rechtsbegrifie sofort thunlich erscheine; auch er sehe im geiste die zeit herannahen in welcher das römische recht neuer gesetzgebung weichen werde, noch aber habe die stunde dazu nicht geschlagen.

HeflPter aus Berlin trat auf das grelle in des vorigen redners darstellung zu mildern: kein hasz gegen romanische richtung finde statt, herbeiziehung der romanisten werde versöhnlich wirken, 'sind denn, entgegnete Mitter mai er, die hier nicht er- schienenen romanisten keine deutschen Juristen?' als Warnkönig beantragte zur nächsten Versammlung gleichfalls romanisten aus- drücklich zu laden, ward mit fug behauptet, dasz die ergangene einladung sie nicht ausschliesze, sobald auf deutsches recht sich einzulassen sie bereit und gerüstet seien; dasz ein aufgebot rö- mischer rechtslehrer zu den germanisten auch das der classischen Philologen (die mit grund sich in ihren Versammlungen deutsche nennen, weil sie r3eutsche sind) zu den deutschen Sprachfor- schern nach sich ziehe, solche allgemeinheit der ladungen aber den deutlichen zweck dieser Zusammenkünfte gänzlich aufzu- heben drohe.

Der Vorsitzende erklärte die Verhandlung über diesen gegen- ständ für geschlossen, worauf Dahlmann das wort erhielt, und sich in einem längeren historisch gehaltenen Vortrag über den Ursprung des geschwornengerichts verbreitete, er leitete seine gediegene erörterung mit den schönen Worten ein dasz er sich gedrungen fühle, nachdem gestern gegen Dänemark geredet wurde, das wieder in sich auszugleichen und anzuerkennen dasz das geschwornengericht hauptsächlich in Skandinavien gegründet, wenn auch allmählich dort nicht festgehalten, sondern durch die Normannen nach England gebracht worden sei und da seine völlige ausbildung erreicht habe.

Nach dieser rede nahm Michelsen seinen an der tagesord- nung stehenden Vortrag über denselben gegenständ zurück; wenn

J. GRIMM, KL. SCHRIFTEN. VII. 37

578 BERICHT ÜBER DIE ZUSAMMENKUNFT

auch im einzelnen von Dahlmanns auffassung abweichend, stimme er in der hauptsache völlig damit zusammen, und es erfreue ihn dasz die Versammlung dahin wo römisches recht nie einheimisch geworden sei, auf den stärkenden norden hinweise.

Mittermaier stellte den antrag eine commission niederzu- setzen, welche bis zur Versammlung des künftigen jahrs über das geschwornengericht und den reichen von vielen Seiten her- beigeschafften Stoff" näher zu berathen habe; dies wurde in die rechtsabtheilung gewiesen, und nunmehr die gesammtsitzung geschlossen.

Die dritte und letzte des 26. September gedachte der ver- sitzende wiederum durch einen Vortrag einzuleiten, den er jedoch zurückhielt, da andere wichtigere angekündigt waren, es sei hier nur angemerkt dasz darin von dem namen die rede sein sollte welchen die Versammlung jetzt und in zukunft passend sich beizulegen hätte, denn der ausdruck 'rechts-, sprach- und geschichtforscher' ist kein narae, sondern schleppende Umschrei- bung, da nun schon wie aus instinct das diese dreiheit eini- gende wort 'germanisten angewandt worden sei, und voll- kommen angemessen erscheine, so könne bereits kein zweifei über den rechten namen obwalten, blosz habe man sich zu ge- wöhnen ihn ganz buchstäblich zu verstehen, und über die seit- her übliche einschränkung auf deutsches recht hinaus zu erhe- ben, so dasz er in gleichem sinn der spräche und geschicht- forschung gebühre, das wort selbst sei unangreifbar, wie ro- manist den bezeichne der das romanum treibe und lehre, sei es römisches recht oder unter katholiken der ultramontanismus, so gelte auch germanist von dem der das deutsche dement in einem einzelnen theil oder seinem ganzen umfang sich erkoren habe, die bildung ist, wenn schon in diesem gebrauch ursprüng- lich undeutsch, im mittelalter entsprungen, sei unter uns längst eingebürgert, verständlich, unentbehrlich geworden. gleich Jurist, civilist, legist, kanonist und einer menge ähnlicher zeige sich germanist geeignet einen bestimmten stand von gelehrten zu bezeichnen, und tauge gerade für den erforderlichen ausdruck des bandes zwischen lehrern des rechts, der spräche und ge- schichte. irrt sich doch niemand beim gebrauch des wortes Chronist an dem nebensinn von /povioto?, und lassen sich doch die classischen philologen den noch allgemeinen namen huma- nisten gefallen, ohne allen wahn dasz ihnen allein die pflege des menschlichen (das humanum oder gar die humaniora) ob- liege.

Jaup redete über das bedürfnis eines gemeinsamen civil- und criminalgesetzbuchs für Deutschland. Lappenberg über die Zerstreuung der Deutschen im ausländ, und die nothwendigkeit der erhaltung ihrer nationalität in spräche und sitte auch auszer- halb Deutschland und in fremden welttheilen wirksam zu hülfe

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zu kommen, die Wichtigkeit dieses gegenständes leuchtete ein, 2355 und wurde einer commission überwiesen die nächstes jähr mittel und weg vorzuschlagen habe auf welche man sich jenem zwecke nähern dürfe.

Wilhelm Grimms Vortrag galt dem im werk stehenden deutschen Wörterbuch, den anstalten, mittein, Schwierigkeiten einer solchen arbeit, den grundsätzen nach welchen sie erfolgen wird, auf vollständige quellensanimlung angelegt, setze sie sich lauterkeit und reinhaltung des ganzen vorraths unserer Schrift- sprache zum ziel, ohne nüchternen schalen purismus.

Den würdigen schlusz bildete Gaupps geschichtliche darle- gung des Verhältnisses zwischen Germanen und Romanen, aus deren Verbrüderung für den gesammten welttheil die gröszten folgen hervorgegangen seien, und künftig, wie zu erwarten sei, noch ungleich wichtigere hervorgehen werden.

Als ort der nächsten Versammlung schlug der Vorsitzende Lübeck vor, eine an thaten wie an gesinnung reiche stadt, die dem meere nahegelegen mächtig an Vergangenheit und zukunft des Vaterlandes mahne, und der es schon um ihrer in der letzten zeit unverschuldet erfahrenen bedrängnisse willen wohlthun werde ein solches zeichen öffentlicher theilnahme zu vernehmen, ohne einrede ward dieser antrag angenommen, und beschlossen in der von dänischer schnürbrust gezwängten, aber vollauf deutsch athmenden mutter der glorreichen Hansa folgendes jähr sich wieder zu sehen, die öffentliche Versammlung endigte mit dank- sagungen welche der Vorsitzende in aller namen zuerst der stadt Frankfurt für die gastliche aufnähme, dann dem mann der den gedanken dieser Zusammenkünfte gefaszt hatte (Reyscher in Tübingen), zuletzt in eigenem namen allen mitgliedern für das ihm bewiesene nachsichtige vertrauen aussprach.

Von dem geschäft der drei besondern abtheilungen in welche seinen hauptrichtungen nach der verein gleich anfangs zerfiel, kann bei dem umfang den dieser bericht gewinnt hier nur kürz- lich rechenschaft gegeben werden; in der beabsichtigten be- kanntmachung aller Verhandlungen soll dem werth und der Wichtigkeit der einzelnen arbeiten, über deren gang jedesmal auch in den gemeinsitzungen auskunft gegeben wurde, besseres genüge geschehen.

Bei den rechtsgelehrten wurde die heutige italienische an- sieht von der fortdauer des römischen rechts besprochen, dann der begriff eines gemeinen deutschen rechts erörtert, die dem römischen recht abgehende lehre von der genossenschaft, das handelschiedsgericht, das geschwornengericht mit rücksicht auf Dahlmanns Vortrag im plenum verhandelt und über letzteren gegenständ eine commission zu bericht im nächsten jähr ernannt, dann kamen ein juristisches centralblatt, eine ausgäbe der neueren deutschen gesetze, eine der älteren Statute in antrag, und auch

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580 BERICHT ÜBER DIE ZUSAMMENKUNFT

die beiden letztgedacbten wurden besondern commissionen an- heiingestellt. klagen über mängel des akademischen Unterrichts in bezug auf deutsches recht, über fehlerhafte art der Staats- prüfungen blieben unverhalten.

Unter den Sprachforschern gelangten zu berathung die noth- wendigkeit den groszen reichthuni deutscher eigeunaraen von ältester zeit an genau zu ■sammeln (schon öffentlich angeregt durch die preisaufgabe der Berliner akademie der Wissenschaften), die nahe aussieht auf ein reichliches friesisches und ein höchst genaues altnordisches glossar (unternommen von zwei anwesen- den gasten, Halbertsma und Cleasby); ferner wurde über alt- deutsche metrik und die lautverhältnisse einiger rheinischen mundarten gesprochen, zu anschaulicher vorläge kamen Schmel- lers abschrift des noch ungedruckten Alexanders von Maerlant, ein seither völlig unbekanntes strophisches gedieht Albrechts von Kemnate aus dem Dietrichskreis (in vollständiger hand- schrift), sowie ein in Mainz aufgefundener, schon in öffentlichen blättern angezeigter, mehrere mittelhochdeutsche dichtungen ent- haltender codex mit bildern. Uhland redete über das spiel- mannsepos, dabei auf die Wolfdietrichssage eingehend und deren auffallende einstimmung zum persischen schach nameh. zuletzt gerathschlagt wurde über die dringlichkeit des fortbestandes einer altdeutschen Zeitschrift, und falls Haupt die seinige ein- gehen zu lassen bewogen sein sollte, worüber vor allem bei ihm anzufragen wäre, des Unterfangens einer neuen gleichartigen.

Entscheidenderes geschah von den geschichtsforschern. auszer dem genehmigten antrag eines Verzeichnisses geographi- scher eigennamen, das sich mit der Berliner preisaufgabe be- rührt, wurde ein eigener historischer verein gestiftet der auf wissenschaftlicher grundlage feste ziele verfolgen und alsbald die herausgäbe der reichstagsverhandlungen angreifen soll, gegen die art und weise dieses Vereins erhoben sich, in der section wie im plenum, lebhafte einwände von seite derer die, ihn zwar als eine der schönsten fruchte gegenwärtiger Versammlung an- erkennend, nicht dulden wollten dasz er seinen einflusz auf die gesammte historische abtheilung der germanisten erstrecke, da wünschenswerth scheine dasz sie in voller freiheit fortbestehe, um auch andere beschlüsse fassen zu können die auszerhalb der zwecke des besondern Vereins liegen, auf die erklärung man beabsichtige durchaus nicht einen solchen einflusz, schien dieser zwist beigelegt.

Noch bevor die Versammlung aus einander gieng, hatte sie aus Belgien und Italien unmittelbare theilnahme an ihren ar- beiten bezeugt erhalten, von Neapel traf eine ihr zugeeignete Schrift des Terenzio Sacchi ein.

Dies eine rasche übersieht der ersten leistungen und frohen aussiebten eines neugestifteten, heilsames unternehmenden ge-

DER GERMANISTEN IN FRANKFURT. 581

lehrtenvereins , der nach aller anwesenden empfindung das von ihm erwartete übertroflPen, nicht blosz erfüllt hat, der von innen und auszen keinen abgang zu spüren haben wird, sondern wach- sende steigende zunähme, wenn auch alle folgenden Zusammen- künfte sich deutlicher entfalten, sichtbarere frucht gewähren müssen, kaum mag eine bewegter und hoflPnungsvoller sein als diese erste war. sie ist ein frisch wiederholter versuch von un- serer Wissenschaft den schulstaub abzuschütteln und unsern sinn auf alles wesentliche zu schärfen, damit wir Deutsche endlich des Vorwurfs ledig gehen im kleinen schwierig, bei groszen gutem leichtsinnig zu verfahren.

Schienen die rollen diesmal ungleich ausgetheilt, vmd be- hauptete die juristische section ein übergewicht gegen die historische und philologische, so rührte das aus der unerläsz- lichen vornähme einer sache die, wie der Vorsitzende zu sagen voll befugt war, einem steine gleich vom herzen abgewälzt sein sollte, in zukunft werden spräche und geschichte auch öffent- lich den ihnen gebührenden räum einnehmen.

Anfragen und erklärungen.

ANFRAGE.

Neuer literarischer anzeigen 1807. no. 23. s. 368.

368 In Wilhelm v. Oranses mönchsieben wird von Ulrich

V. Türheim eines gleichzeitigen dichters, 'Otto der bogener sitzet zu Ousburg in der stat' erwähnt; weisz jemand darüber weitere auskunft? in der singschule, einem dramatischen ge- dichte des IT.jahrh. (Gottscheds vorrath I, 186) kommt eben- falls 'Otto bogner von Augspurg frey' vor. Grimm.

ANFRAGE.

Neuer literarischer anzeiger. 1807. no. 24. s. 383. 384.

383 Ist wirklich Sebast. Frankes weltbuch, Spiegel und bildnis des ganzen erdbodens, wovon ich vermutlich die einzige ausgäbe Tübingen 1534 in fol. besitze, so selten und unbekannt, als man es an vielen orten unter dessen Schriften gar nicht bemerkt findet? vielleicht machten einige specielle werke von am Ende, Wald u. s. w. diese anfrage unnöthig, welche mir gerade- nicht zu geböte stehen, jedoch hat Jördens, ein neuer und fleisziger compilator, das buch ebenfalls nicht, und ich glaube, dasz es leicht eines der interessantesten werke dieses merkwürdigen

384 Schriftstellers sei. doch bei Jöcher finde ich eine nachricht, aber blosz von einer holländischen Übersetzung. Grimm.

ANFRAGEN UND BEMERKUNGEN.

Neuer literarischer anzeiger. 1807. no. 35. s. 559. 560.

659 Das Westfriesenlied, die alte sage über der Schweizer her-

kunft, woraus Joh. Müller (I, 420) einige zeilen anführt, ver- diente ganz gedruckt zu werden, oder ist dies schon irgendwo der fall?

ANFRAGEN UND BEMERKUNGEN. 583

Hörmayer theilt in seiner tirol. gesch. I, 138 zur probe des vicentinisch-deutschen dialects ein gedieht mit, worauf ein Göttinger rec. (anz. 1807 no. 31) alle freunde von Volksliedern aufmerksam macht. es ist aber , obgleich sehr merkwürdig, 660 wenn man einige zeilen im anfang abrechnet, ein formgerechtes «onnett, und niemals ist ein sonnett ein Volkslied gewesen.

Wann ist das durch Tieks bearbeitung bekannter gewordene Volksbuch von der heil. Genoveva entstanden und zuerst gedruckt worden? und in welcher älteren legendensammlung befindlich? dasz es nicht in den 3 oder 4 letzten jahrh. erfunden worden, verbürgt sein inhalt.

Wiedeburg (nachr. von jen. hs.) sagt p. 67 § 48 von Bite- rolf: 'wir wissen sonsten von ihm, dasz er die historie Die- terichs von Bern geschrieben hat', worauf gründet sich dies?

Wenigstens ist soviel gewisz, dasz dieser Biterolf nicht den grafen v. Henneberg besungen hat, wie Koch I, 122 no. 5 meint, die proben, welche Goldast, wahrscheinlich p. 360, daraus liefern soll, sind nämlich nichts als eine stelle aus dem Wartburgerkriege, Strophe 14, die das keineswegs sagen.

Sollte nicht unter dem latein. buch, worauf sich Veldeck in s. herzog Ernst beruft, und das zu Bamberg im dorn zu finden sei (n. lit. anz. 1806 sp. 240) das bei Martene IH, p. 308 376 abgedruckte lat. gedieht gemeint sein, welches seiner anläge nach recht gut älter als Veldeck sein kann, und wahr- scheinlich von einem deutschen mönch geschrieben worden ist? Andreas presbyter ratisb. in chronico Bavariae führt es eben- falls an. Grimm.

ANFRAGE.

Allgemeiner anzeiger der Deutschen, oder allgemeines intelligenzblatt usw. (Gotha.) Jahrg. 1809, bd. 2. s. 2171. 2172.

Wo findet man nachricht über die europäischen gesellschafts- 2172 spiele, namentlich über die in Deutschland gewöhnlichen und vorzüglich über die der älteren zeit? man meint hier nicht gerade die schach-, bret-, würfel- und kartenspiele, über welche

584 AAN KENNERS EN LIEFHEBBERS DER OUDE

schon Untersuchungen genug angestellt worden sind, man sehe z. B. Breitkopfs gelehrte arbeit vom Ursprung der Spielkarten, sondern man wünscht belehrung oder wenigstens einzelne nach- weisungen über die altern pfänder-, plumpsack-, nachspreche- spiele usw. Fischarts bekanntes Verzeichnis in seinem Gargantua dürfte leicht die hauptquelle sein, aber alles ist unerklärt, und wer könnte wol jetzt mehr als etwa ein zehntel der von ihm angegebenen spielnamen erläutern?

Die gewöhnlichen anweisungen zu gesellschaftsspielen, welche wol sämmtlich von einem, etwa vor 20 jähren in einem Becker- schen oder andern taschenbuche gestandenen aufsatze ausgegangen sind, genügen wenig, enthalten meistens schlecht erfundene neue spiele und beschreiben die wenigen altern äuszerst unvollständig.

Gibt es nicht mehrere, und besonders ältere spielan Wei- sungen? und wo stehen sie abgedruckt? Grimm,

AAN KENNERS EN LIEFHEBBERS DER OUDE NEDERLANDSCHE LETTERKUNDE EN DICHTKUNST.

Algemeene konst- en letter-bode. 1811. no. 47. s. 327 330,

327 De ondergeteekende bezig met de stof te verzamelen tot

eene uitvoerige geschiedenis der oud-duitsche poezy, ondervindt daarby smartelyk het gemis van zoo vele eerwaardige gedenk- teekenen der vaderlandsche oudheid, en het smartelykst, wann- eer dit gemis door eene dadelyke vernietiging derzelve veroor- zakt wordt. hoe veel, hetwelk voor de geschiedenis en dicht- kunst van belang zoude zyn, is niet nog slechts by name bekend, hoe veel geheel onbekend gebleven en vergaan! een schat van het geen door enkelen verzameld en, naar het scheen, gered was, een schat van overlevering, zeden en spreekwyzen by het Volk, is verloren gegaan of op het punt daarvan, ten gevolge der onrustige tyden, welke wy beleefden. het lydt geen' twyfel, dat niet voor 60 en 50, ja nog voor 30 en 20 jaren, wat het voorhanden zyn der noodige bouwstoffe betreft, eene geschiedenis der oud-duitsche poezy en taal veel grondiger en vollediger en tevens gemakkelyker had kunnen geschreven en gestaafd worden: maar even blykbaar is het, dat nog slechts tien jaren verder, wederom menig blyk en gedenkstuk zal zyn verloren gegaan, welke thans nog voor ons toegankelyk en bruikbaar kunnen zyn. de nederlandsche taal, zoo wel de vlaamsche als hol- landsche, is, van hoe hoogere oudheid, des te nader aan de overige duitsche talen verwant, en even eens is het met onze oude letterkunde en dichtkunst gelegen; alles helpt, onder-

NEDERLANDSCHE LETTEKKUNDE EN DICHTKUNST. 585

steunt en verklaart zieh wederkeerig. het gene geschied is door eenen Huydecoper, Lelyveld, van Wyn en anderen, die de redding en opheldering der oude hollandsche letterkunde tot het geliefkoosde onderwerp van hunne geleerde vlyt gemaakt hebben, verdient veel achting en lof, maar schynt yveriger navolging en voortzetting en uitbreiding te verdienen, de tyd is voorby , dat men op de boeken en maren dat is , de 328 geheele letterkunde des volks smadelyk nederzag; het is eindelyk genoegzaam gebleken, dat in derzelver vuile en ver- lepte schors eene kern vol waarheid of geest verborgen ligt, die ons reeds om hare hooge oudheid merkwaardig en eerwaardig zyn moest. vt^ant 'er is byna geen een oud volksboek, echt oud Volkslied, overlevering en manier, vv^elke niet, wat derzelver grondstof betreft, vele eeuwen hoogere oudheid heeft, boven den tyd van derzelver laatste uiterlyke vorming. maar wanneer wy in de scheepsvertelseltjes der latere Grieken nog sporen van den alouden Cabiren-eerdienst aantreffen, en dezen daaruit mede kunnen verklaren, dan mögen wy ons niet langer schämen, de zeden en poezy onzer voorvaderen uit de overgeblevene volks- maren op te helderen. hebben wy dezelve eens onder dit, tot dus ver geheel verwaarloosd, oogpunt gebragt, dan zullen zieh ons nog geheel nieuwe en ryke bronnen en ervaringen opdoen. Op deze aanmerkingen steunen de volgende verzoeken en vragen aan de kenners en liefhebbers van oude hollandsche letterkunde :

1. Om mededeeling of aanwyzing van alle nederduitsche handschriften, van de vroegste af, tot aan de invoering der boekdrukkunst, welke eenige, ofschoon ook sleehts de minste betrekking op de oude poezy hebben. van het meeste gewigt sehynen echter hier niet zoo zeer de eigenlyk historische rym- kronyken te zyn, maar veel meer gedichten, welke de reeds tot mythen ingekleede geschiedenis van Karel den grooten en de zynen, en vooral welke den grooten kring van oud-duitsche beiden -maren betreffen, die in het heerlyk heldenlied der Nibelungen als 't wäre zyn middelpunt gevonden heeft, en waarin de helden-namen van een' Diderik van Bern, Siegfried, Attila, Wittich, Hildebrand enz., van eene Grimhilde, Brunhilde schitteren. dat deze maren, of een gedeelte daarvan, nog in de dertiende eeuw in Holland in zwang waren, blykt uit de volgende plaats van een nog ongedrukt rymdicht, over Alexander den grooten, 't welk vermoedelyk van dien tyd is: gode geesten ende sagen vint men vele nv bi dagen daer vele wonders staet in bescreuen: maer bouen alle gaat Alexander de groote; tegen hem is de geschiehte van Trojen een wind, niets by hem zyn de groote avonturen, die

586 AAN KENNERS EN LIEFHEBBERS DER OUDE

men leest van Artur en Walewyn (Gauvain); Karels wyck (waarmede zyn krygstogt legen de heidenen [Saracenen], be-

329 roemd door de Roncisvaller slag en nederlaag, gemeendt woordt) is een speel daartegen; maar ook, voegt de dichter 'er by:

Ettels orloge van den Hunnen en mochte hier legen nyet gestunen waarin vry zeer duidelyk Attila en zyne Hunnen erkennen, en geleid worden tot den inhoud van het lied der Nibehingen.

Maar in het algemeen was de opgave van alle andere ver- halende gedichten te wenschen; zoo zal, naar eene plaats van Maerlant, Claes van Brechten (of Claes vrouwe lirechten zoon) de overzetter des ronians van Willem den heiligen geweest zyn; z. van Wyn's avondst. I. d. bl. 264 vergeh H. d. bl. 173.

2. Insgelyks om mededeeling van alle in handschrift of in zeldzamen druk of in den mond van oude lieden nog voorhan- dene volksliederen, welke op den alouden nationaalkring eenige betrekking hebben; en in het algemeen wäre het behoud van alle oude volksliederen de moeite waardig en zeer te wenschen : waar by alleen ;uin te merken is, dat de epische liederen (als romanzen, balladen) boven de bloot lyrische (de minneliederen) in gewigt uitmunten. van den ouderdom der hier bedoelde liederen slechts een voorbeeld: het lied de grieksche jager, 't welk in verscheiden, thans nog in zwang zynde volksliedt- boeken, b. v. de oostindische theeboom, bl. 69, gevunden wordt, en begint:

daar ging een jager uit jagen,

330 hangt blykbaar zamen met een stuk des oud-duitschen helden- boeks ^, en is welligt reeds in deze gestalte meer dan 500 jaren oud, terwyl het in zyne grondbestanddeelen nog ongelyk hooger opklimt. ook het lied, het welk als wyze daar boven ge- schreven is: ik ging in den bogaart om met enz. mögt ligt even eens tot de oude liederen behooren, wier behoud en zui- verder mededeeling uit oude uitgaven (recensien) voor de ge- schiedenis der poezy zoo belangryk is.

3. Indien het geoorloofd is, by deze algemeene wenschen en verzoeken een byzonder te voegen zoo vraagt de onder- geteekende, die thans met de uitgave van een hoogduitsch, tot dus ver geheel onbekend in de vatikaansche bibliotheek be- graven gedieht van Reineke de Vos uit de twaalfde eeuw en eene vergelyking deszelven med de oud-fransche in handschrift overgeblevene bearbeidingen, bezig is:

a. of niet ergens handschriften van een oud-hollandsch rymgedicht van Reinaert de Vos behouden zyn gebleven, welke ons misschieu nader brengen konden tot het eigenlyke werk des

' over hetzelve z. van Wyn avondst. I. d. bl. 241.

NEDERLANDSCHE LETTERKUNDE EN DICHTKUNST. 587

bekenden Henrik van Alkmaar, eens zoodanigen gewaagt van Wyn, in de gem. avondst I. 273, volgens een reeds in 1477, dus voor de eerste drukken des prosaischen werks geschreven hs. in het prosaische klinken nog duidelyk hier en daar enkele rymen door, en het is zeker, dat het plat-duitsche rymgedicht niet uit het hollandsche prosa ontstaan is.

b. of niet in mondelyke verbalen, in gangbare volkssprook- jes, brokken van de geschiedenis van de vos, de wolf enz. voorkomen? gelyk dit werkelyk het geval in Duitschland is, b. v. van een tweede huwelyk der weduwe van den dood ge- zegden vos, maar hetwelk door de tydige terug- en thuiskomst des waren gemaals nog verhinderd werd, in welk verhaal ook rymen voorkomen. al dit, en dergelyk, volledig en nauwkeurig te mögen weten, is den uitgever voor zyn doel zeer belangryk. de ondergeteekende zal voor alle gunstige raededeeling, al is het over enkele byzondere punten, zieh zeer verpligt achten.

September, 1811. Jacob Grimm \

bibliothecaris van Z. M. den Koning van Westphalen, te Cassel.

Bis zur veröffentUchung der briefe J. Grimms an Tydeman durch Reifferscheid galt vorstehender aufruf als original, aus dieser publi- cation jedoch ersehen wir, dasz er nur Übersetzung eines von Grimm deutsch verfaszten inserates ist, ja dasz selbst die anregung dazu von Tydeman ausgegangen war. am 29. aiig. 1811 schreibt Jacob (a. a. o. s. 7 f.): 'wollte ich an Te Water und einige andere schreiben . . . , so würde es eine frage sein, ob sich diese herrn ohne weitere empfehlung für mich interessierten; weshalb mir der Vorschlag, eine aufforderung in ein gelehrtes intelligenzblatt einrücken zu lassen, sehr gut gefällt; ich habe in der beilage aufgesetzt, worauf es mir ankommt, sein Sie nur so gut damit nach gutdünken zu verfahren und dem ganzen ein hollän- disches gewand zu geben, kurz, es so einzurichten, wie es dort den besten erfolg hervorbringen könnte . . . ' jene worte beziehen sich auf einen der briefe Tydemanns an Jacob, die soeben als höchst will- kommene ergänzung der Reifferscheidschen publication im anzeiger für deutsches alterthum bd. 10 s. 160 185 von Martin auszüglich herausgegeben worden sind; der brief ist vom 12. aug. 1811 und ent- hält folgende stelle (a.a.O. s. 162): '...maar om dit' (nämhch die nachforschung nach noch vorhandenen Volksbüchern) 'met meer om- vang te doen, zou't misschien noodig zyn, eene algemeene oproeping te doen in ons letterkundig weekblad, den Letterbode, uit naam van U en my dit wil ik gaarn doen, zoo gy het verkiest, maar ik wilde U eerst vragen, of gy"t de moeite waard acht, dit opzien te maken? zoo ja, of, en wat ik melden kann van een bepaald plan en oogmerk dat gy met deze recherches hebt?'

' tot meerder gemak kunnen de bydragen of berigten voor den beer Grimm ook geadresseerd worden aan de beeren Mr. Th. van Swinderen, schoolopziener enz. te Groningen, Mr. H. W. Tydeman, prof. jur. te Franeker, en W. Brave boekhandelaar op den Nieuwendyk te Amsterdam.

588 AAN KENNERS EN LTEFHEBBERS DER OUDE

Gern komme ich dem von Herrn. Fischer im literaturbl. f. germ. u. rem. philol. 1883 s. 256 ausgesprochenen wünsch nach, die Original- fassung der aufforderung (Reiffersch. s. 14 IH) hier abzudrucken.

ünmaszgebliches inserat in den letterbode.

14 [Unterzeichneter, der zu einer ausführlichen geschichte der alt- deutschen poesie sammelt, empfindet dabei lebhaft den abgang so mancher ehrwürdigen denkmäler des vaterländischen alterthums, und am schmerzlichsten, wo dieser in einem wirklichen Untergang dersel- ben seinen grund hat. viele, welche für die geschichte und dichtkunst lebendig zeugen sollten, sind nur noch namentlich bekannt, andere sind selbst namentlich verhallt.

Was fleisz und sorge einzelner Sammler vereinigt und scheinbar gerettet hatte, noch mehr, ein schätz von tradition, brauch ujid muiid- art, woran ein ruhiges volk lange zehrt, hat der Unruhe der Zeiten, welche wir erlebt, nicht zu widerstehen vermocht, und ist vielfach

15 in Zerstörung aufgegangen, oder doch in Schwächung und mischung befangen, es unterliegt keinem zweifei, dasz vor einem menschen- alter, ja noch vor 30, 20 jähren, in absieht auf das vorhandene nöthige material, eine geschichte altdeutscher poesie und spräche viel gründ- licher, vollständiger und leichter hätte geschrieben und unterstützt werden können; eben so einleuchtend ist aber auch, dasz schon nach einem zweiten decennium wiederum eine menge von zügen und mo- numenten vertilgt sein werden, zu denen uns noch jetzt der zugang oder die erinnerung freisteht.

Die niederländische spräche, worunter wir auf gleiche weise die flam- und holländische begreifen, ist, je höher wir hinaufsteigen, desto näher mit der übrigen deutschen verwandt, ebenso hat es sich in jener älteren zeit mit literatur und dichtkunst verhalten, die bear- beiter derselben lassen gerade da fühlbare mängel und lücken spü- ren, wo ihnen die bekanntschaft der einen oder der anderen dieser quellen abgieng, oder wo sie es unterlieszen, beide zusammenzunehmen und zu vergleichen, die bemüh ungen eines Huydecoper, Lelyveld, van Wijn und anderer, welche die rettung und erläuterung der alt- holländischen literatur zu einem der liebsten gegenstände ihres gelehr- ten fleiszes gemacht, verdienen höchlich geschätzt zu werden, nur scheint es, dasz diese arbeiten eifriger fortsetzung und nachahmung würdig sind und ihnen nur noch mehr ausdehnung gegeben werden müste. die zeit ist vorüber, wo man die bücher und sagen, d. h. die literatur des volks, mit verächtlichem äuge ansah, es hat sich aus den Untersuchungen einiger geistreichen Schriftsteller zur genüge er- geben, dasz in ihrer verwitterten schale ein kern voll Wahrheit steckt, der uns schon blos seines hohen alters wegen ehrwürdig erscheinen musz. es gibt fast kein einziges Volksbuch, lied, keine volkssage und Sitte, die nicht ihren dementen nach viele Jahrhunderte früher über das hinausgesetzt werden müste, wo sie die letzte äuszerliche form empfieng. wenn wir aber in den Schiffermärchen der späteren Griechen noch auf spuren uralten Kabirendienstes stoszen und ihn daraus mit erkkren können, so sollen wir uns auch nicht weiter schämen, die rehgion und poesie unserer vorfahren aus den gebliebenen traditionen des gemeinen mannes zu erläutern, haben wir sie einmal unter diesen

NEDERLANDSCHE LETTERKUNDE EN , DICHTKUNST. 589

bisher absichtlich vernachlässigten gesichtspunkt gestellt, so werden uns noch quellen tlieszen, von welchen wir nichts ahnten und resul- tate aufthun, die uns zu lang verborgen geblieben sind, an das vor- ausgeschickte schlieszen sich folgende bitten und fragen an die kenner 16 und freunde althoUündischer literatur an:]

1. Um mittheilung oder nachweisung aller niederdeutschen hand- schriften, vom anfang bis zur einführung der buchdruckerei, welche irgend einen bezug auf die alte poesie haben, sei es auch der kleinste. am wichtigsten scheinen aber hier nicht sowohl die eigentlich histo- rischen reimchroniken zu sein, sondern vielmehr gedichte, welche die schon in ein mythisches element übergegangenen geschichten der Karo- linger und vor allem den groszen altdeutschen sagencyclus umfassen, der in dem herrlichen epos der Nibelungen gleichsam den mittelpunkt gefunden hat, und worin die heldennamen eines Dietrich von Bern, Siegfried, Attüa, Wittich, Hildebrand etc., einer Grimhild, Brunhild hervorragen, dasz diese sagen, oder ein tlieil davon, noch im 13. jh. in Holland geläufig waren, erhellt aus folgender stelle eines unge- druckten reimgedichts über Alexander den gr., das vermuthlich in jene zeit fällt:

gode geesten ende sagen

vint men vele nv bi dagen

daer vele wonders staet in bescreuen

mae.r bouen alle geht Alexander der grosze, dagegen ist die geschichte von Troja ein wind, nichts dagegen sind die groszen abenteuer, die man von Artur und Walewein (Gauvain) liest, Karls wych (womit der krieg gegen die beiden, berühmt durch die Roncisvaller Schlacht, gemeint wird) ist ein spiel dagegen, und auch, fügt der dichter hinzu

Ettels orloge van den hunnen

enmochte hier iegen neit gestunen wo wir ganz deutlich Attila und seine Hunnen erkennen und den inhalt des lieds der Nibelungen ahnen.

Überhaupt aber wäre auch die angäbe aller anderen erzählenden gedichte zu wünschen; so soll nach einer stelle Maerlants Clais van Brechten der Übersetzer des romans von Wilhelm dem heiligen ge- wesen sein. s. van Wijns avondst. 1. 264 coli. 2. 173.

2. gleichermaszen um mittheilung aller handschriftlich oder in

seltenen drucken oder im munde alter leute vorhandenen Volkslieder,

welche auf den alten nationalkreis oder einen anderen bezogen werden

müssen, und da dieses oft der fall ist, wenn schon die alten namen 17

darin untergegangen und mit neuen oder ganz allgemeinen vertauscht

worden sind, so dasz jener Zusammenhang nur noch an der Sache

allein offenbar wird, so wäre insgemein die erhaltung aller alten

Volkslieder ein gewinn, das worauf es mir ankommt, kann also nicht

genauer als damit bezeichnet werden, dasz die epischen lieder (ro-

manzen, bailaden) den blos lyrischen (minneliedern) an Wichtigkeit

vorausgehen, was wirklich alt, und was den letzten Jahrhunderten

angehört, lernt man sehr bald am gefühl unterscheiden, von dem

alter der hier gemeinten lieder nur ein beispiel. das lied: de grieksche

jaager, das in verschiedenen noch jetzt verkäuflichen volkslieder-

büchern, z. b. dem ostindischen theebom s. 69 zu finden ist und

anhebt:

daer ging een jager uit jagen

590 ' ANKÜNDIGUNG.

hängt offenbar mit einem stück des altdeutschen heldenbuchs zusammen und ist leicht schon in dieser gestalt über 500 jähre alt , während es in seinen grundbestandtheilen ungleich höher hinaufsteigt, auch das lied, welches ihm als weise übergeschrieben steht (ik ging in den bogart om met etc.) dürfte ebenfalls zu den alten liedern gehören, an deren erhaltung und achteren mittheil ung aus älteren recensionen der geschichte der poesie soviel gelegen ist.

3. Wenn es erlaubt ist, zu diesen allgemeinen wünschen und bitten einen ganz besonderen hinzuzuthun, so fragt der unterzeichnete (welcher sich eben mit herausgäbe- eines hochdeutschen, bisher ganz unbekannt in der vaticana vergrabenen gedichts von Reinhart Fuchs aus dem 12. jh. und einer vergleichung desselben mit den handschrift- lichen altfranzösischen bearbeitungen beschäftigt) an:

a. ob sich nicht irgendwo mss. eines altholländ. reimgedichts von Reynaert de Vos erhalten haben sollten, welche uns möglicher- weise zu der eigentlichen arbeit des bekannten Heinrich v. Alcmar näher führen würden, einer solchen gedenkt van Wijn in den schon erwähnten avondst. 1. 273 nach einer schon anno 1475, also vor den ersten drucken des prosaischen buchs zu Gouda und Delft, geschrie- benen handschrift. in dem prosaischen buch leuchten noch deutlich hin und wieder einzelne reime hervor, und soviel ist gewisz, dasz das plattdeutsche reimgedicht gewisz nicht aus der holländischen prosa hervorgegangen ist.

b. ob nicht in mündlichen erzählungen und, um ohne scheu 18 einen in der kritik verrufenen namen zu gebrauchen , in gangbaren

ammenmärchen geschichten vom fuchs, wolf und anderen thieren vor- kommen, in Deutschland ist dies wirklich der fall und es wird besonders die geschichte von einer zweiten heirath der verwittweten frau füchsin, welche aber durch die ankunft des todgeglaubten wahren gemahls zur rechten zeit gehindert wird, mit unterlaufenden reimen erzählt, alle diese und ähnliche sagen vollständig, mit allem detail und womöglich in den worten und der mundart des erzählenden genau aufzufassen, ist dem herausgeber für seinen zweck höchst wichtig und er würde sich geneigten mittheilungen, und selbst unvollkommenen sehr ver- pflichtet wissen.

Im august 1811.

Jakob Grimm, bibliothekar zu Cassel in "Westphalen.

Wäre wohl nicht besser das eingeschlossene [ ] ganz auszulassen und gleich mit den fragen und bitten zu beginnen? quae Tuo judicio omnia relinquo.

ANKÜNDIGUNG.

Heidelbergische Jahrbücher der literatur. intelligenzblatt 1811. no. 1. s. 4. 5.

Ich kündige vorläufig den liebhabern altdeutscher und spa- nischer poesie eine critische auswahl und ausgäbe der altspani- schen romanzen an, welche binnen einem jähr erscheinen wird,

ANTWORT DES REG. DES BUCHS DER LIEBE. 591

und noch eher erscheinen könnte, wenn ich nicht vorher aus Spanien einige unbekannte, höchst seltene quellen und selbst gangbar gebliebene lieder durch aufzeichnung aus dem mund zu erhalten hoffte, die Göttinger bibliothek allein hat mich auszer dem cancionero de Amberes (1555) noch einige andere, wie den romancero von Antwerpen 1551, floresta de varios romances, Madrit 1713, und den romancero general, Madrit 1604, benutzen lassen, wie viel schlechtes und modernes in alle diese Sammlungen, sogar in die unvergleichbar wichtigste von 1555,5 eingegangen ist, versteht sich fast von selbst, für die auswerfung derselben und neue, planmäszige anordnung des echten alten musz daher vorzügliche sorge getragen werden, erfreulich ist es, wel- ches neue und diesmal doch nicht aus dem Turpin abzuleitende licht aus diesen romanzen über die fabel von Carl dem groszen und seinen beiden aufgehet, aber auch zu der von Artus finden sich einige besonders merkwürdige gedichte darunter, die so liederreiche nationalsage vom Cid dürfte schon nach dem vor- hergang spanischer editoren ein eigenes buch verlangen, viel- leicht auch die groszentheils noch spätere von den mohren- kriegen. zu den übrigen werde ich einen historischen, critischen commentar schreiben.

Eine immittelst von herrn Hitzig zu Berlin angekündigte ausgäbe (vermutlich ein bloszer abdruck der erstgenannten Ant- werper samml.) wird ohne zweifei neben der meinigen bestehen können, und im voraus auf die Schönheit und literarische Wich- tigkeit dieses liederschatzes aufmerksam machen.

Cassel, im november 1810.

Jacob Grimm.

ANTWORT DES REC. DES BUCHS DER LIEBE UND NARRENBUCHS VON V. D. HAGEN AUF EINE IM ANZEIGER VON IDUNNA UND HERMODE (JULI UND AUGUST) ABGEDRUCKTE ANTIKRITIK VON SEITEN DES HERAUSGEBERS.

Leipziger literatur-zeitung. 1813. iio. 23. intelligenz-blatt. s. 178. 179.

Mit Worten baut man keinen thurm, noch mauert man 178 damit eine lücke aus, zumal wo sie aus den lungen, nicht aus den herzen reden.

Zu ehren des Instituts dieser 1. z. bin ich zu folgender er- klärung genöthigt: im jähr 1809 wurde ich von der redaction der Heidelb. jahrb. aufgefordert, das genannte buch der liebe zu beurtheilen; später aber gieng auch eine unbestellte rec.

592 VERRUFUNG EINES RECENSENTEN.

desselben werks durch A. W. Schlegel ein. der redacteur, damals hr, prof. Böckh, wünschte diesen ersten von einom beliebten Schriftsteller eingehenden beitrag nicht gerade ub/.u- weisen und hatte die gute, mir die Schlegelsche beurtheilung im original zuzuschicken mit der bitte, sie mit meiner zu ver- arbeiten, zugleich aber auch mit dem erbieten, im fall ich mich nicht dazu verstände, jene dennoch zurück zu geben und die 179 meinige, als welche das recht für sich habe und sonstiges lob verdiene, das hier nicht wiederholt zu werden braucht, aufzu- nehmen, ich war freilich mit den grundsätzen der Schlegel- schen rec. zu wenig einverstanden, um in jenen ausweg ein- zugehen, aber bescheiden genug, aus freiem willen meine arbeit wieder zu nehmen, was ich für recht hielt, wollte ich auch recht sagen ; herr v. H. mag durch irgend eine klätscherei davon gehört haben und erfrecht sich zu der lüge: 'dasz meine rec. dort zu spät gekommen und vor der Schlegelschen habe zurückstehen müssen', ich habe die redaction dieser 1. z. durch mittheilung des Originals, woran hier gelegen, in stand gesetzt, die Wahrheit meiner obigen behauptung pflichtmäszig bezeugen zu können ^ jenes ereignis konnte mich aber natürlich nicht abhalten, eine neue recension auszuarbeiten, als ich von einer neuen seite her zu beurtheilungen im altdeutschen fach eingeladen wurde.

Übrigens auf den ton oder die sache dieser antikritiken etwas zu erwidern, scheint mir unnöthig und unwürdig, ar- beiten wie die beiden recensierten bücher sind, werden dem allgemeinen ruf, ja dem Selbstgefühl ihrer Unredlichkeit, leicht- fertigkeit und mittelmäszigkeit unaufhaltsam entgegengehen, und es wären ihrem herausgeber zum besten der etwaigen fort- setzungen mehr solche unliebreiche bemerkungen zu wünschen, weil er doch daraus lernt, wenn sie ihn gleich in die äugen beiszen. zeit bringt bescheid, und die that ist es, die den mann tödtet. Der rec.

VERRUFUNG EINES RECENSENTEN.

Heidelbergische Jahrbücher der literatur. 1814. intelligenzblatt. no. 9. s, 86. 87.

86 Eine im januar der Wiener lit. z. abgedruckte rec. der

Rühsischen brochüre über den Ursprung der isländischen poesie rührt aus bösem willen her, wie sich alsobald mit dem namen des recensenten ergeben würde, wenn diesen die redaction, was sie ihren gesetzen gemäsz ablehnt, bekannt machen dürfte.

dasz uns der rec. diesen brief , aus welchem die richtigkeit jener be- hauptung erhellt, vorgelegt hat, versichert die redaction.

CIRCULAR. 593

mehr braucht ehrlicher- und rechtlicherweise zu einer solchen recension, so wie auch zu verschiedenen anzeigen und herbei- ziehungen, die herr Büsching aus Breslau in die hiesige 1. z. einliefert ( ohne dasz er damit als Verfasser oder eiilfsender obi- 87 ger recension bestimmt wäre) nicht gesagt, geschweige etwas darauf erwidert zu werden.

Wien, am 2. october 1814.

Jakob Grimm.

Vorstehende erklärung, welche die redaction der a. 1. z., wie sich von selbst versteht, annahm, wurde von der östr. po- lizeicensur nicht zugelassen, und erscheint darum hier.

[CIRCULAR, DIE SAMMLUNG DER VOLKSPOESIE BETREFFEND.]

Einzelnes blatt. 1815.

Geehrter herr! Es hat sich eine gesellschaft gestiftet, welche durch ganz Deutschland ausgebreitet werden soll, und zum ziele nimmt, alles, was unter dem gemeinen deutschen landvolke von lied und sage vorhanden ist, zu retten und zu sammeln, noch ist unser Vaterland aller enden ausgestattet mit diesem gut, das unsere vorfahren auf uns fortgepflanzt, das allem spott und höhn, womit es beworfen worden, zum trotz, im verborgenen, seiner eigenen schöne unbewust, fortlebt, und seinen unverwüstlichen grund allein in sich selber trägt, ohne es genauer zu erforschen, ver- mögen weder unsere poesie, noch geschichte, noch spräche in ihren alten und wahrhaftigen Ursprüngen ernstlich verstanden zu werden, wir lassen es uns in dieser absieht angelegen sein, nachstehende gegenstände fleiszig aufzuspüren und treulich auf- zuschreiben :

1) Volkslieder und reime, die bei unterschiedlichem jahres- anlasz, an festen, in spinnstuben, auf tanzböden und wäh- rend der verschiedenen feldarbeit gesungen werden; zu- nächst solche, die epischen inhalts sind, d. h. worin eine begebenheit vorgeht; wo möglich mit ihren worten, weisen und tönen selbst.

2) sagen in ungebundener rede, ganz besonders sowol die vielfachen ammen- und kindermährchen von riesen, Zwergen, Ungeheuern, verwünschten und erlösten königs- kindern, teufein, schätzen und wünscheldingeu, als auch

J. GRIMM, KL. SCHKIFTEN. VII. 38

594 CIRCULAR.

localsagen, die zur erklärung gewisser örtlichkeiten (wie berge, flüsse, seen, sümpfe, zertrümmerte Schlösser, thürme, steine und alle denkmiller der vor/eit sind) erzählt und ge- wust werden, auf thierfabeln, worin zumeist fuchs und wolf, hahn, hund, katze, frosch, maus, Sperling u. s. w. auftreten, ist sonderlich zu achten.

3) lustige Schalksknechtsstreiche und schwanke; Puppenspiele von altem schrot, mit hanswurst und teufel.

4) Volksfeste, sitten, brauche und spiele; feierlichkeiten bei geburt, hochzeit und begräbnis; alte rechtsgewohnheiton, sonderbare zinseu, abgaben, landeserwerb, grenzberichti- gung u. s. w.

5) aberglaube von geistern, gespenstern, hexen, guter und böser Vorbedeutung; erscheinungen und träume.

6) Sprichwörter, auffallende redensarten, gleichnisse, Wort- zusammensetzungen. —

Es ist vor allem daran gelegen, dasz diese gegenstände getreu und wahr, ohne schminke und zuthat, aus dem munde der erzählenden, wo thunlich in und mit deren selbstoigenen Worten, auf das genaueste und umständlichste aufgefaszt werden, und was in der lebendigen örtlichen mundart zu erlangen wäre, würde darum von doppeltem werthe sein, wiewol auf der andern Seite selbst lückenhafte bruchstücke nicht zu verschmähen sind, denn es können alle abweichungen, Wiederholungen und receu- sionen einer und derselben, sage im einzelnen wichtig werden, und durch die trügerische meinung, dergleichen sei bereits ge- sammelt und aufgezeichnet, darf man sich keineswegs eine er- zählung von sich abzuweisen verleiten lassen; wie denn auch manches, was modern erscheint, oftmals nur modernisiert ist, und seinen unverletzlichen grund unter sich hat. eine ver- trautere bekanntschaft mit dem gehalte dieser volkspoesie wird über vermeintlich einfaltige, rohe und gar abgeschmackte züge derselben allmählig bescheidener urtheilen lehren, insgemein aber läszt sich noch folgendes anführen, dasz obgleich eigentlich fast kein strich von ihr gänzlich verlassen und entblöszt sein dürfte, dennoch vor groszen städten die landstädte, vor diesen die dörfer, unter den dörfern aber allermeist stille, unbefahrene, in wald und gebirg liegende damit begabt und gesegnet sind, gleichfalls bei gewissen ständen, als hirten, fischern, bergmännern, haftet sie stärker, und diese sind vorzugsweise, wie überhaupt alte leute, trauen und kinder, welche sie frisch ins gedächtnis empfangen haben, zu befragen.

In fester Zuversicht, dasz Sie, geehrtester herr, von der nützlichkeit und dringlichkeit unsers Zweckes, der sich bei dem heut ZU tage immer mehr einreiszenden untergange und ab- schleifen der Volkssitten nicht länger ohne groszen schaden auf- schieben läszt, bewegt werden, unserem unternehmen helfende

HÖCHST WICHTIGE ENTDECKUNG. 595

band zu bieten, und in der läge wohnen, um die gegend von solcher absieht gemäsz zu durchforschen, sind Sie zum mitgliede dieser gesellschaft ausersehen worden, dieselbe wünscht im stillen fleiszig zu sammeln und ihr werk zu fördern, nicht aber öft'entlich in tageblättern von sich und ihrem löbli- chen vorhaben reden zu hören, indem sie von der meinung mit ausgehet, es könne dieses nur in bescheidenheit, meidung alles eiteln aufsehens und in reiner lust am guten glücklich wurzel fassen, und recht gegründet werden, dahin gehört auch, dasz kein theilnehmer gehalten ist, binnen gewisser zeit seinen bei- trag einzusenden, sondern jeder thue, wann, wo und wie er könne; wer zu hause keine musze erübrigt, findet auf reisen vielleicht anlasz dazu.

Schlieszlich werden Sie ersucht, der ordentlichen aufbe- wahrung des eingehenden halben, jeden gegenständ auf ein einzelnes blatt zu bringen, auch darauf ort und landschaft und zeit, wo er gesammelt worden, und neben Ihrem namen nöthigen- falls den des erzählers mit zu bemerken.

Im namen und auftrag der gesellschaft

N. s. wir laden Sie noch ausdrücklich ein, in archiven und klöstern Ihrer gegend nach altdeutschen büchern und handschriften zu spüren nicht zu versäumen, und uns von deren gelegenheit durch den unterzeichneten in kundschaft zu setzen.

Die gesellschaft war von Jacob Grimm zu "Wien im jähre 1815 gestiftet worden; die freigelassenen stellen des circulars sollten erst von den verschiedenen absendern handschriftlich ausgefiillt werden, vgl. Jugendbriefe s. 402. 415. 425 und briefe an Tydeman s. 52 ff. das circular selbst, obgleich seinerzeit in ziemlicher menge versandt, scheint äuszerst selten geworden zu sein; auszer dem im handexemplar der deutschen sagen von mir gefundenen, nach dem obiges gedruckt wurde, ist jetzt wol nur noch das von Reinh. Köhler angegebene (jugendbr. s. 524) und das im briefe an Tydeman befindliche (a. a. o. s. 56 ff.) bekannt.

HÖCHST WICHTIGE ENTDECKUNG.

Sprach- und sittenanzeiger der Deutschen. 1817. no. 88. -s. 356.

Ich kann diesmal für Ihren Sprachanzeiger eine erfreuliche S56 neuigkeit mittheilen, ohne zweifei von der wichtigsten ent- deckung, die je für unsere deutsche spräche und alterthums- wissenschaft gemacht worden ist. der glückliche Angelus Mai zu Mailand hat in der Ambrosiana, nicht wie Knittel zu Wolfen-

38*

596 ERKLÄRUNG ÜBER RADLOF.

bttttel ein paar gothische blätter gefunden, sondern ganze bü- cher, die den verstümmelten Ulphilas jetzo wunderbar andert- halb tausend jähre nach seinem tode ergänzen helfen, nament- lich die vollständigen episteln Paulus, aber auch sogar höchst merkwürdige fragmente aus dem alten testament ins gothische tibersetzt, aus den büchern Esra und Nehemia, wer weisz noch, was mehr sonst, der gewinn dieses herlichen funds ist unbe- rechenbar, nach der umständlichen französisch geschriebenen notiz, die aus Italien eben ankommt und die ich Ihnen aus- ziehe, werden schon in Mailand gothische typen für diese schön und deutlich erhaltenen Urkunden gegossen. Cassel, den 21. oct. 1817.

J. Grimm.

ERKLÄRUNG ÜBER DEN PROF. EXTRAORD. RADLOF

IN BONN.

Allgemeine literatarzeituug. 1820. uo. 188. ». 647. 648.

647 In vorrede und nachschrift der 'schreibungslehre der deut- schen spräche von Joh. Gottl. Radlof, Frankf. a. M. 1820' finden sich äuszerungen in bezug auf meine deutsche grammatik, derentwillen ich hiermit erkläre:

1) dasz ich nie verkehr mit hrn. R. gewünscht und nur (auf seine veranlassung) einen unbedeutenden mit ihm gehabt habe, dieser beschränkt sich nämlich auf drei vor mir liegende briefe vom 20. mai 1811, 9. junius und 10. sept. 1816; es waren seinerseits keine mittheilungen, sondern meine (n. b.) antworten theilten ihm mit, was er gern haben wollte (auskunft über

648 hessische mundarten). auszer diesen dreien sämmtlich kurzen und mir nichts nützen schreiben habe ich zeitlebens keine brief- liche mittheilung von hrn. R. erhalten, seine persönliche be- kanntschaft zufällig und kurz im j, 1815 auf der Münchner bibliothek gemacht, auch ihn wol Viertelstunden lang zu Frank- furt besucht bei einer durchreise im frühling 1817. der ge- brauch seiner im druck erschienenen Schriften wäre mir wol unverwehrt gewesen; ich habe sie nie gemocht und gönne sie andern, die ihre zeit auf dasjenige wenden wollen, worin sehr bald nicht quellenstudium , glücklicher fleisz und frische an- sichten, sondern von allem dem das gerade gegentheil zu er- kennen sind, was er vollends in allerhand intelligenzblättern und Wochenschriften hin und wieder über deutsche spräche drucken liesz, war mir, in sofern es zu meinen äugen gelangte, zuweilen belustigend, meistens hinlänglich gleichgültig, um her- nach nicht wieder daran zu denken.

ANTIKRITIK. 597

2) erkläre ich, dasz ich über die 1807 gestellte preisauf- gabe der bairischen academie (eine deutsche Sprachlehre betr.) mit erwähntem hm. R. nie ein wort gewechselt habe und mir sein vorgeblicher einflusz darauf, sowie seine be Werbung oder nachbewerbung darum, oder was er damit zu thun gehabt ha- ben will, bis jetzt unbekannt waren, auch mich fürder nicht im mindesten interessieren, an diese verschollene preisaufgabe dachte ich zufällig, als ich die vorrede meiner grammatik schrieb, wo eine äuszerung darüber steht, welche die ehren- werthen mitglieder der baier. academie im ernste nicht einmal verdrieszen kann, denn es wird doch weder unerlaubt, noch unanständig sein, einer academie, mit der man dazu auszer Verbindung ist und die sonst berühmte Verdienste zählt, die Wahrheit zu sagen, wenn sies in einer preisstellung verfehlt, von einer historischen grammatik hat sie wirklich nichts ver- lauten lassen, weder in ihrem programm, wo der ort dazu ge- wesen wäre, noch, wie ich eben nachschlage, in ihren später bekannt gewordenen Verhandlungen (denkschriften für. 1808. p. XXXIX, LXII, LXVI; für 1809. 10. p. XXII, XXIII). hegte sie gleichwol den gedanken daran (der natürlich scheint, aber das natürlichstiß wird noch oft vergessen werden), so konnte ich das nicht wissen, brauchte es nicht zu wissen: denn ich bin weder durch eine academie, noch durch irgend jemand, der zeit nach auch erst lange seit jener preisaufgabe, dahin gebracht worden, die deutsche grammatik zu bearbeiten, wie ich es versucht habe, ob ich auf dem betretenen wege vor- rücke, werden kenner aus der nunmehr erscheinenden zweiten aufläge meines werks beurtheilen; über einzelne punkte mit sol- c;hen zu streiten, die nicht einmal waffen, deren ich mich be- dienen müste, zu führen vermögen, und erzeigte gefälligkeit durch gemeinheit zu vergelten pflegen, scheint mir theils un- nöthig, theils verächtlich.

Cassel, im junius 1820.

Dr. Jacob Grimm.

ANTIKRITIK.

Leipziger literatur-zoitung. 1822. no. 270. intelligenzblatt. s. 2153.

In no. 205 der L. 1. z. 1822 ist meine vor zehn jähren ge- 215J sammelte, bereits 1815 gedruckte silva de romances endlich und zwar an einen rec. gerathen, der vielleicht neuspanisches liest, vielleicht es, sicher nicht altspanische Volksdichtung, beurtheilen kann, sonst hätte er ungefähr sagen müssen, dasz meine arbeit die alten, echten lieder aus dem häufen moderner geschieden

598 lilTTE.

und genau gesammelt habe. das war hauptsache, Deppings buch wirft ohne critik alt und neues, gut und schlechtes unter einander, Böhls treffliche samml. umfaszt meist lyrische stücke, die meinige ist bis jetzt die einzige, welche die epischen romau- zen zugänglich macht und becjuem ordnet. über den werth derselben urtheilen Bohl im anhange s. 6 und Diez, der ein- sichtige Übersetzer (Berlin 1821) s. 194 ganz anders, altspanische romanzen in heutige Orthographie und metrik zwängen, hiesze deutsche Volkslieder nach Adelungs w. b. regeln. damals sind mir fünf oder sechs einzelne Wörter undeutlich gewesen, einige darunter beruhten auf falscher lesart der originale; dergleichen entdeckungen macht man beim wiederlesen oder blättern im lexicon von selbst; auch Diez, s. 228, berichtigte eneas und cachas, rec. ergreift diese berichtigung (recensiert aber darum Diezes Übersetzung nicht? wie er gesollt hätte) und verwun- dert sich (nicht über Depping, welcher s. 264 tachas liest, s. 257 encas nicht verstand), das dem cachas kurz vorausgehende lugues. hält es rec. für verdruckt, oder wofür? mein 'un- erfreulich anzusehendes büchlein' gibt ihm werthvoUe verglei- chungen mit calendern imd gesangbüchern ein. da meine übri- gen Schriften auffallend noch schlechter gedruckt sind, die neueste selbst die Spielerei mit kleinen buchstaben noch weiter treibt, so scheint mir rec. zu deren beurtheilung gleich befugt, und ich will ihn hiermit den redactionen unserer lit. Zeitungen empfohlen haben, er verstehts, etwa auch andern Schriftstel- lern, welche mit uneigennütziger mühe vergessene schätze zu tage förderten, während träge Sprachdilettanten wol erst ein vierteljahrhundert später band angelegt hätten, auf gute art zu danken.

Cassel, 25. sept. 1822. Dr. Grimm.

[BITTE.]

Hannoversche zeitung. 1832. no. 101. 28. april. ts. 570.

570 Ich beabsichtige die baldige herausgäbe einer ansehnlichen

Sammlung von dorfweisthümern. so werden diese für die ge- schichte des deutschen rechts wichtigen und bisher nicht genug beachteten denkmäler gewöhnlich im mittleren Deutschland, oft mit der hinzugefügten näheren bestimmung, mark-, cent- oder hubgerichtsweisthümer benannt; im südlichen heiszen sie dingrodel, ehhaften, landtädinge, im nördlichen aber höltinge, markprotocolle, vogtdinge, hege- und raeiergerichtsordnungen. aus gedruckten büchern und deductionen, hauptsächlich aber

ERKLÄRUNG ÜBER llOFFMANN VON FALLERSLEBEN. 599

durch die benutzung von archiven ist mein vorrath bedeutend herangewachsen. der wünsch, ihn vor der bekanntmachung noch möglichst zu vervollständigen, und die Überzeugung, dasz in amtsarchiven, zumal in acten des 16. und 17. Jahrhunderts manche dieser Urkunden verborgen liegen, veranlassen mich zu «iner öflPentlichen bitte um mittheilung derselben. Göttingen, im april 1832.

Jacob Grimm, professor.

[ERKLÄRUNG ÜBER HOFFMANN VON FALLERSLEBEN.]

Vossische zeitung. 1844. no. 56. d. 6. nifirz.

Berlin, den 4. märz. die auswärtigen blätter überbieten sich in falschen nachrichten über den letzten fackelzug. sie mögen in ihren Widersprüchen untergehen, nur die baare Un- wahrheit musz widerlegt werden und kann vor hundert und hundert zeugen nicht bestehen, dasz dr. Hoflfmann v. Fallers- ieben in den kreis der studierenden von Wilhelm Grimm sei hinabgeleitet worden, erst als dieser seine rede vollendet hatte, nur von einem deputierten begleitet hinuntergegangen und wieder- gekehrt, der gesang aber geschlossen war, erscholl plötzlich und auszerhalb des zuges aus einzelnen stimmen das alle anwesende überraschende lebehoch für HoflFmann. kein mensch hat diesen ein wort reden hören, er war, ohne dasz wir irgend von seiner ankunft wüsten, in die gesellschaft getreten; er erschien in keiner anderen absieht, als um zu dem ihm bekannten geburtstag glück zu wünschen, unsere sache ist es nicht, ihn zu meiden, weil er von anderen gemieden wird, wir kennen ihn seit 1818 persönlich: das sind lange jähre her, in welchen er uns will- fährig literarische dienste leistete und sich immer theilnehmend gegen uns bewies, sein unverdrossener fleisz hat dem betrieb der altdeutschen literatur manche frucht getragen und wesent- lichen Vorschub gethan. das Schicksal, von dem er betroffen worden ist, thut uns leid: diese empfindung verbindet uns aber nicht seine meinungen und handlungen zu vertreten oder gut zu heiszen. dasz er uns diesmal ein ungelegener gast kam und alle freude störte, wird er selbst fühlen, albern aber musz es erscheinen, wenn man jetzt auf solchen anlasz hin in öffentlichen blättern uns gleichsam unsere politische gesinnung abfordert, die wir zur rechten zeit nicht verholen, sondern be- währt haben, nichts hassen wir bitterer, als sie jeden augen- blick, ohne noth, zur schau zu tragen und frevelhaft preiszugeben.

600 ERKLÄRUNG.

schon längst haben wir sehnlich gewünscht, dasz man uns nicht immer in ungemessenen ausdrücken, die nicht uns, nur unseren feinden lieb sind, hervorziehe, in dem (}ualm des partheiwesens, von welcher seite er aufsteigt, können wir nicht athmeu. wollen wir in ruhe und frieden arbeiten, so werden wir doch niemand unbefugt an uns rütteln lassen, dasz eine harmlose, von reiner gesinnung der studierenden ausgegangene ehrenbezeugung mut- willig so verdorben wird, ist nicht blos von uns, sondern von allen, denen die fortdauer deutscher Universitäten am herzen liegt, lebhaft zu beklagen.

Jakob Grimm. Wilhelm Grimm.

ERKLÄRUNG.

Zeitschrift für deutsches alterthum herausgegeben von M. Haupt. IkI. 4. 1844. s. 581.

In der neuen ausgäbe meiner mythologie konnte dem an- hang, wie ihn die erste enthält, kein räum gegeben werden. es hätte eines ganzen dritten bandes bedurft um die sehr er- weiterten Untersuchungen über die alten Stammtafeln, den an- geschwollnen vorrath des aberglaubens und der segensformeln aufzunehmen, von meiner musze sowie von dem willen des pu- blicums mag es abhängen ob ich einen solchen dritten band hinterher sende, angeführt werden muste bis dahin noch nach dem ersten druck.

Vorrede XL VII, 18 ist zu lesen: und die parallele Wuo- tan, Donar, Zio = Radigast, Perun, Svetovit steht unbe- zweifelbar.

Jac. Grimm.

WILHELM MÜLLER UND DIE GÖTTINGER ANZEIGEN.

Allgemeine zeitung. 1845. no. 102. d. 12. april. beilage s. 809.

809 Hrn. Professor Müllers zu Göttingen System der altdeutschen

religion hat von mir ein zeugnis der armuth erhalten *. immerdar würde ich zu diesem eigenhändig und augenscheinlich auf den

* [Jahrbücher für wissenschaftliche kritik 1844. s. 721 731. (kl. sehr. 5, 336 ff.)]

WILHELM MÜLLER UND DIE GÖTTINGER ANZEIGEN. 601

grund meiner deutschen mythologie geschriebenen buch eines Zuhörers geschwiegen und es seinem Schicksal anheim gegeben haben, wären nicht hinter einander zwei recensionen darauf an- gelegt worden mein werk herabzusetzen und als eine starre un- wissenschaftliche masse von Stoffen zu schildern, die auf ihre Zusammenstellung im geiste so lange habe warten lassen, bis sie in jener schrift nunmehr erfolgt sei. lob aus solchem munde dazwischen gestreut widerte mich an. was hr. Müller vor acht monaten, als sein gefühl noch unverdorben war, für unziemend hielt, dazu will er jetzt verpflichtet und berufen gewesen sein

eine pflicht um die ihn niemand neiden, ein beruf, den jedermann in zweifei ziehen wird, als ich gegen meine verlags- handlung über das schnelle erscheinen seines buchs mich wun- derte, erapfieng ich zur antwort, er habe die correctur meines Werkes, wie vorher des jüngsten bandes der grammatik besorgt

eine nachricht, die meinen Unwillen steigerte; dasz sie über- eilt und falsch war, konnte leicht bewiesen werden; ich bin auszer schuld dabei, und in der sache verschlägt es nichts, da die früher ausgegebene hälfte meiner mythologie Müllern in stand setzte sie, wie er that, auszuschreiben, auszerdem hat ihn meine forderung .vermocht die schlau weggelassene anfährung von Seite 170 nachzuholen, wo wirklich ein einzelnes wort frag-- weise eingeschaltet ist; es steht nicht in meinem manuscript, und ich meinte, dasz es im ganzen buche fehle, es musz mir bei der correctur in sinn gekommen sein, und mag als flüchtiger einfall gelten, dessen ausführung mir widerstanden hätte, damit schwindet nicht die vorgeworfene Unredlichkeit, denn welcher gewissenhafte beurtheiler hätte aus parenthese und fragezeichen ein beispiel tadelnswerther combination geleitet? unter solche bände gerathen war ich. alles in hrn. Müllers Sendschreiben* weiter vorgebrachte bedarf keine antwort und verdient keine, dem andern gleichfalls bislang statt bisher schreibenden re- censenten (s. Gott. gel. anz. 1838, s. 2028), der mich zwar nicht von angesicht, sonst aber genug kennt, will ich erröthen sparen, eigene empfindung mag ihm sagen was ich ihm nicht vorrücke, als er hingegen seiner gelegenheit wahrgenommen hatte einen unbegreiflichen ausfall zu thun, war ich zur abfertigung ge- drungen, und er dachte seinen mut an meiner mythologie zu kühlen, weder bei göttern noch menschen sind undankbare beliebt.

Niemanden wird eine Wissenschaft in pacht gegeben, son- dern so grosz ist sie, dasz auf ihrem gebiete viele aneinander sich ein eigen erwerben mögen, aber jedes eigen kann durch unbeholfene tritte verwüstet werden, und welcher eigner läszt

* [offenes Sendschreiben an herrn Jacob Grimm, als nachtrag zu dem buche: geschichte und System der althochdeutschen religion von Wilhelm Müller. Göttingen 1845. 8. 24 ss.]

602 ANFRAGE.

sich das gefallen? der jünger soll auch dürfen über seinen lehrer steigen, alles wissen beruht auf unablässigem fortschritt. doch eine zeit lang wird der ächte schüler, der emporzuklimmen vermag, nicht einmal sagen können wo sich sein forschen von dem des lehrers scheide, der lehrer mit freuden die erweiterte aussieht begrüszen und meinen zu ihr mitgeholfen zu haben,

Dasz dieser unglimpf zu Göttingen, wo man Ursache hatte meiner zu schonen, mitten aus einer gesellschaft schoosz hervor- gegangen ist der ich angehöre, thut mir weh. jede gesellschaft hält auf ihre mitglieder, vielleicht ist sie noch eingedenk dessen was sie im jähr 1838 seite 2042. 2043 auszusprechen den mut hatte; doch die theure band die diese worte niederschrieb, ruht in fremder erde, was alle blätter der anzeigen in ihrer ül)er- schrift vorschützen, ist falsch; schon zu meiner zeit führte die gesellschaft nicht die geringste aufsieht über ihre anzeigen, dem letzten beitrag meines edlen freundes Hugo, der viele jähre hin- durch ihr treuester mitarbeiter gewesen war, weigerten sie sich (es musz endlich ofi'en gerügt werden), den wider mich, der auch lang an ihnen mitarbeitet, gerichteten angriff' eines sich übernehmenden schülers und seines gegen allen brauch ihn re- censierenden genossen gestatteten sie willig den eingang.

Berlin, 3. april 1845.

Jacob Grimm mitglied der königlichen geselbcliaft der Wissenschaften zu Göttinnen.

ANFRAGE.

Allgemeine Zeitschrift für geschichte. l>d. 5. 1846. s. 473.

473 Möchte nicht jemand, der sich mit des Vincentius bello-

vacensis speculum historiale näher befaszt hat, aus diesem reich- haltigen, schwer zu benutzenden Schriftsteller ein genaues re- gister über alles was er für die geschichte und literatur des mittelalters enthält, entwerfen und für diese Zeitschrift mit- theilen? wo er seine quellen nennt müsten sie mit angegeben werden. J. Grimm.

BERICHT ÜBER HEINR. RCCKERT. BITTE. 603

[BERICHT ÜBER HEINRICH RÜCKERT AN DEN MINISTER VON RAUMER.]

Heinrich Rückert in seinem leben und wirken dargestellt von Amelie Sohr. Weimar 1880. s. IGO. 161.

Am 22. febr. 1852. Berlin. Ew. excellenz erfordern über 160 befähigung und leistungen des professor dr. Heinrich Rückert in Jena in Sachen der deutschen philologie meinen bericht. ich kann einen günstigen abstatten. er hat neuerlich zweierlei herausgegeben, ein leben des heiligen Ludwig aus d»m vier- zehnten und das bedeutende bisher ungedruckte gedieht, 'der wälsche gast' aus dem beginn des dreizehnten Jahrhunderts, bei dem letzten, an fünfzehnhundert verse enthaltenden werk waren ansehnliche Schwierigkeiten zu überwinden, beide aus- gaben sind von ausführlichen grammatischen und historischen anmerkungen begleitet, die gründliche und feine bekanntschaft mit der altdeutschen spräche verrathen und von belesenheit der geschichte des mittelalters zeugen, die Jenaer lectionskataloge i6i sind mir nicht bekannt, aus denen ich sehen könnte, ob Rückert dort, wie ich vermute, über deutsche grammatik gelesen hat. er wird, falls es nicht geschah, es sicher in Breslau vermögen; denn er ist ein aufgeweckter köpf, dessen historische Vorlesun- gen, wie ich weisz, lebhaft angeregt haben, und da Breslau, so viel mir bekannt, dermalen auszer Stenzel und Röpell keine docenten in der geschichte besitzt, würde Rückerts thätigkeit zugleich auch diesem fache zu statten kommen.

BITTE.

Anzeigel>latt zum literariselieii centralblatt. 1852. no. 12. s. 1.

Aus allen gegenden des Vaterlandes wird uns rege theil- i nähme an dem deutschen Wörterbuch ausgesprochen und damit aufs erfreulichste kund gethan, dasz sinn und neigung für unsere schöne und gewaltige spräche überall im stillen fortdauerten, es bedurfte des beginns und öffentlichen vortretens der arbeit, um durch die that zu zeigen was wir wollen und wie wir es ausrichten können, reiches, fast unübersehliches material liegt uns vor, aber noch kann es nicht abgeschlossen sein und bedarf von vielen Seiten ergänzender ausfttllung. denn abgesehn von sorgsam angeordneten, groszentheils vortreflich, zum theil lässig gefertigten und mühevolle nachsammlung fordernden auszügen

604 ERINNERUNG AN LACHMANN.

aller oder der meisten vorragenden schriftsteiler, abgesehn von diesem beträchtlichen vorrat, ist uns aus der hand sprachgelehrter kenner, die dazu beföhigt gewesen wären, selbst persönlich be- freundeter, kaum ein nennenswerther beitrag zu dem schweren werk geleistet worden, entweder mistrauten sie dessen aus- führung, oder es lag ihnen stärker an eigne arbeiten zu fördern als ein in solchem umfang vielleicht nie wieder kehrendes unter- nehmen, mit berichtigungen und Zusätzen zu den erschienenen heften ist jetzt nichts gethan, dergleichen sind leicht zu machen und im flusse der warmen arbeit ärgern oder schmerzen sie mehr, als dasz sie helfen.

Wir glauben etwas practisches und dem augenblick ange- messenes vorzuschlagen, wenn hiermit wir unbekannte wie be- kannte ersuchen, ihren blick abwendend von dem jähen abgrunde des ganzen werks, an den wir unser äuge gewöhnt haben, immer nur den buchstab, der zunächst erscheinen musz, ins gesiebt zu fassen, auffallende, bedeutsame Wörter daraus zu sammeln, und nach unserer weise ausgezogen, auch durch citat beglaubigt, wo thunlich auf kleinen zettelchen, allmälig und mit dem ganzen Wörterbuch vorschreitend an uns gelangen zu lassen, wolwolleudc deutschgesinnte Zeitungen bitten wir diese bekanntmachung auf- zunehmen und weiter zu verbreiten.

Jacob Grimm. Wilhelm Grimm.

ERINNERUNG AN LACHMANN.

Constitutionelle zeitung. 1852. no. 1*29. d. 17. märz,*

Ein pamphlet**, am ersten Jahrestage von Lachmanns tod vor den äugen Berlins ohne scheu und schwarz gerändert feil geboten, musz alle edlen herzen empören, wider die verstummten todten mag jeder schreiben, was sein gewissen verantwortet, an ihrem stillen feste auf ihren hügel ein bund nesseln niederwerfen, das heiszt gefrevelt.

Wer denn ist dieser Förster? ein jünger, dem der kämm schwillt, dasz sein schon vor einem halben jähre gegen den meister ausgegossener unglimpf niedergedrückt von der weit nichtachtung auf dem boden sich nicht erheben kann,

* [daraus abgedruckt in den neuen iahrbb. f. philol. u. pädag. iahrg. 22. bd. 65. 1852. s 111.] •' ' H ö J g

[Sendschreiben Karl Lachmarms an die philologen und deutschen sprach- grscher ausgegeben an dessen todestage (den XIII. märz) von dr. K. G. J. Förster. Berlin 1852. verlag von Th. Grieben. 8. 24 s.]

EMPFEHLUNG VON FROMMANNS ZEITSCHRIFT. 605

Mit einem anflug von geist und laune, aber ohne seele und empfindiing abgefaszt darum gemein ist der erneute nichts neues bringende angrifl'.

Denn von der siebenzahl zu reden hat der Verfasser kein recht, da was er davon weisz alles ihm erst aus einer vorigen november erschienenen recension kund wurde.

Ihm aber gehört eine theorie der hebungen gestützt auf eine nach allen seiten hin haltlose reaction des heutigen vocalis- mus gegen die gesetze der alten spräche. Lachmann, in dessen Verslehre einiges zu spitzpfündig sein mag, würde mit dem gröszten fug den Vorwurf der absurdität darüber aussprechen.

Der schmähende droht am cadaver des armen Heinrichs, der schon bei lebzeiten sich muste auf den tisch hinstrecken lassen, neu zu experimentieren und seiner fix gewordenen Vor- stellung glauben zu verschaffen, er wird dabei gelegenheit haben neues gift auszuschütten, aber schwerlich proselyten werben.

Lasz mich, lieber Lachmann, den grünenden zweig getreuen andenkens heute auf dein frühes grab legen, deine reichen gaben, alle deine anstrengungen und erfolge sie sollen unver- gessen bleiben und werden ihre frucht tragen ; selbst wo dich als menschen ein paar irrthümer anwandelten, kann das deine reine sittlich starke natur desto sichtbarer machen.

Am tage seiner bestattung j^^^^ q^.^^

17. merz 1ö52.

[EMPFEHLUNG VON FROMMANNS ZEITSCHRIFT.]

Pfeiffers Germania, jahrg. 12. 1867. s. 124.

Herrn dr. Frommanns Zeitschrift für deutsche mundarten 124 hat alle Sprachforscher überrascht, nemlich gezeigt, welche schätze es jetzt noch (später lange nicht so leicht) möglich ist aus unsern volksmundarten zu heben, das deutsche publicum hat eine doppelte pflicht, einmal beitrage zu liefern, wie gezeigt ist, dasz sie sein sollen, dann aber das unternehmen zu sichern und fortdauernd zu machen, wäre sein werth bereits so lebhaft erkannt worden, wie man erwarten sollte, es bedürfte nicht erst meiner empfehlung, die ich mit voller Überzeugung gebe.

Berlin, 29. jan. 1858. Jac. Grimm.

Diese empfehlung war, nach dem liter. centralbl. 1858 sp. 414, in einer dem 1. hefte (jan. merz) des 5. jahrg. (1858) beigegebenen subscriptionseinladung gedruckt.

606 GEGEN ZACHER. AUFRUF.

[GEGEN ZACHER.]

Literarisches centralblatt für Deutschland. 1858. 24. april. n<>. 17. s. 275.

275 In dem mir eben erst zu gesiebt kommenden jüngsten befte

der Jabniscben jabrbücber finde icb einen aufsatz Zacbers, der sich auf" Seite 120 auf kosten meines scbari'sinns und meiner belesenheit zu behaupten gestattet, das system der beptaden sei bereits von Lacbmann selbst in der vorrede zu Wolfram so wie in den anmerkungen zu den Nibelungen s. 1G2 dargelegt worden, wer hier scharf oder stumpf siebt, mögen andere entnehmen, der unbelesene ist deutlich Zacher, der nicht gelesen hat, was ich in die Göttinger anzeigen 1851 seite 1747 1752 [kl. sehr. 5, 476 fi'.] schrieb; dort zuerst, nicht in meiner rede auf Lach- mann, wurde die versiebenung enthüllt, in den frühern ab- schnitten von 28 Zeilen steckte freilich auch 4x7, doch im jähr 1826 war Lachmann noch nicht darauf gefallen, das ganze epos durch die siebenzahl zu regeln; als er es später still- schweigend that, ahnten seine nächsten freunde lange nicht der regel grund. denn wie hätte Haupt 8, 349 seiner Zeitschrift, im jähr 1850, so wenig athetesen er auszer den Lachmannischen irgend duldete, die ausscheidung der strophe 334 vorschlagen können, die geradezu den beptaden des vierten liedes einen streich versetzt? niemand weisz, was Lachmann, der diesen hoffnungslosen Vorschlag noch erlebte, dazu sagte oder dabei dachte, rücksicht darauf nahm er natürlich keine, die strophe ist auch in der letzten ausgäbe stehn geblieben. Berlin, 15. april 1858. Jacob Grimm.

AUFRUF ZU BEITRÄGEN FÜR GÖTHES STANDBILD.

Vier actenstücke betreffend die errichtung eines denkmals für Göthe in Berlin.

1860. 8. 8. 9.

i Die feier des zehnten novembers hat tiefen eindruck hinter-

lassen, unwillkürlich keimten wünsche und stiegen verlangen auf, die bald nachher sich als laute wünsche und verlangen kund gaben, allen freunden deutscher poesie muste auf das herz fallen, während Schillers bildsäule mit lobenswerthem eifer aufzurichten beschlossen wurde, Göthe, dessen andenken in den ringenden wirren des jahres neun und vierzig nur matt und trüb leuchtete, vorbeigegangen zu sehn.

AUFRUF. 607

Es wäre ungeschickt und ungerecht, da, wo uns anliegt unsere beiden gröszten dichter zu ehren, sie sicii gegenüber zu stellen und abzuwägen, ob und wo der eine den andern, um armlänge oder handbreite, überrage, im leben haben sie zusammengestanden, sich einander erhöhend, ergänzend, er- füllend, beide die göttliche gäbe vor der weit entfaltet, die ihnen einwohnte, nur das ist nicht zu verkennen, dasz wie Göthe Schillern zehn jähre vorausgieng, er ihn beinahe noch dreiszig jähre lang überlebte. gegen Schillers auf kürzere frist gedrängte, um so gewaltigere und unaufhaltsame laufbahn, erscheint Göthes einwirkung ruhiger, dauernder.

Eines groszen, der nachweit geheiligten mannes Standbild soll im angesicht der täglich vorüberwandelnden menge, da, wo sich zahlreiche schritte begegnen, auf platzen volkreicher städte errichtet werden, in Berlin, der königstadt, wenn sich an ihrem weitesten öffentlichen räume Schillers denkmal erhebt, darf das von Göthe nicht unerhoben bleiben und die kraft, welche jenes hervorruft, wird auch diesem nicht fehlen. das fühlen alle, nicht nur in Preuszen, in ganz Deutschland, denn vor diesen dichtem , die beide unserer spräche ein fernreichendes gebiet 9 erobert und sie für iinmer vergeistigt haben, weicht aller land- schaftliche unterschied zurück, durch sie sind wir ein voran- gehendes volk geworden. [Jahrhunderte rollen dahin; wenn alles was uns jetzt drückt und hebt längst vergessen ist, wer- den diese bilder stehen, unerlöschenden glänz spreiten und, hoffen wir, auf ein glückliches reich in alles friedens segen niederschauen.]

Sobald die kosten sich decken, die ein würdiges denkmal erheischt, können künstler auserlesen werden und zu schaffen beginnen, des prinz regenten gnade hat bereits einen ansehn- lichen beitrag verwilligt, der als grundlage aller weiteren musz angesehen werden, zu diesen aber darf selbst in unserer zeit, die mehr als ein Standbild im äuge hat und damit alte schulden abträgt, vertrauensvoll aufgefordert werden, weil wir an die hauptschuld mahnen, möge die erwünschte Unterstützung, wie nach langer dürre erquickender regen trieft, mild und freigebig zuflieszen.

Berlin, den 10. juli 1860.

Das comite

zur errichtung eines Standbildes für Göthe in Berlin.

Der Vorsitzende: Jacob Grimm.

608 AUSTRITT AUS DEM GÖTHECOMITE.

[AUSTRITT AUS DEM GÖTHECOMITE.]

Vossische zeitimg. 1SC>1. tt«. 171. d. 25. Juli.

Dem publikum zeige ich an, dasz ich aus dem comitc für ein Göthedenkmal getreten bin.

Berlin, den 22. juli 1861. Jacob Grimm.

Es sind hier nur die beiden für die Öffentlichkeit bestimmten kundgebmigen Grimms in Sachen des Göthedenkmalcomites wiederge- geben, über dessen innere geschichte man Göthejahrbuch II, 454 ff. und AmeHe Sohr 'Jac. Grimm und das Göthedenkmal in licrlin" grenz- boten Jahrg. 41, bd. 3, s. 460 ff. vergleiche, die in [ ] eingeschlosse- nen prophetischen worte des aufrufs sind demselben erst nach bereits erfolgtem druck von Grimm hinzugefügt worden, wie mir hr. prof. dr. Märcker nach den originalacten freundlichst mitgetheilt hat.

A.W. Schade's Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, SUlUchreiberstr. 45 46.

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